Beratungsergebnis: zurückgestellt

I/B/1835

 

Frau Dr. Kordfelder erläutert die Vorlage und verweist auf den als Anlage 3 dieser Niederschrift beigefügten Änderungsantrag der CDU-Fraktion.

 

Herr Niehues erinnert daran, dass der Rat im Jahre 1997 anlässlich der Einführung des hauptamtlichen Bürgermeisters bei der Stadt Rheine die Hauptsatzung u. a. im § 18 bezüglich der dienstrechtlichen Entscheidungen angepasst habe. Alle Fraktionen hätten der Änderung der Hauptsatzung zugestimmt und damit der stärkeren Position des hauptamtlichen Bürgermeisters gegenüber dem Stadtdirektor Rechnung getragen. Dabei habe der Rat sich aber für einen bestimmten Personenkreis personalrechtliche Entscheidungen vorbehalten, woran man sich in der Vergangenheit auch immer gehalten habe.

 

Im Zusammenhang mit der Besetzung der Leiterstelle VHS/Musikschule habe nun der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund festgestellt, dass die bestehende Regelung in der Hauptsatzung der Stadt Rheine die hauptamtliche Bürgermeisterin bei Personalentscheidungen zu sehr einenge. Hierbei müsse aber berücksichtigt werden, dass der Rat der Stadt die bestehende Regelung bislang nie so interpretiert habe wie der Städte- und Gemeindebund, denn bislang habe der Rat noch nie über Urlaubsanträge und Zuweisung von Arbeitszimmern bei dem sich vorbehaltenen Personenkreis entschieden. Dieses sei auch nicht gewollt.

 

Um Missdeutungen und Fehlinterpretationen für die Zukunft zu vermeiden, habe die CDU-Fraktion den von Frau Dr. Kordfelder soeben angesprochenen Änderungsvorschlag unterbreitet. Die CDU-Fraktion wolle für bestimmte Personengruppen die Mitverantwortung des Rates sichern und erhalten, und zwar auf der Grundlage der bisherigen Regelung.

 

Die Bürgermeisterin habe auf Wunsch der CDU-Fraktion die Änderung der Hauptsatzung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt. Die CDU-Fraktion sei jedoch sehr überrascht gewesen, als sie den Beschlussvorschlag der Bürgermeisterin gelesen habe, denn hierbei handele es sich nicht mehr um eine Klarstellung dessen, was 1997 von allen Fraktionen einschließlich des damaligen hauptamtlichen Bürgermeisters Thum gewollt gewesen sei. Vielmehr solle mit dem Beschlussvorschlag die Zuständigkeit des Rates nur noch auf die externe Einstellung von Fachbereichsleitern reduziert werden, was seines Erachtens nicht im Sinne des Rates sein könne.

 

Die CDU-Fraktion habe sich in letzter Zeit bei mehreren Städten in Nordrhein-Westfa­len nach deren dienstrechtlichen Entscheidungen erkundigt und sich bemüht, einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten, der im Wesentlichen das beinhalte, was 1997 von allen Fraktionen gewollt gewesen sei. Der zur heutigen Sitzung vorgelegte Beschlussvorschlag der CDU-Fraktion werde sicherlich auch der vom Städte- und Gemeindebund geforderten Klarstellung entsprechen. Es gebe Städte, in denen sich die Räte weiter gehende Personalentscheidungen vorbehalten hätten. Ihm sei jedoch keine Stadt bekannt, die den Rat so weit aus der Verantwortung lasse, wie die Bürgermeisterin es in der Verwaltungsvorlage vorschlage. Der CDU-Vorschlag orientiere sich an der Regelung in der Hauptsatzung der Stadt Düsseldorf.

 

Abschließend bittet Herr Niehues um Auskunft, wer für die Einstellung, Beförderung und Entlassung des ÖRP-Leiters zuständig sei. Seines Wissens gebe es hierzu eine Bestimmung in der Gemeindeordnung, die hierfür die Entscheidungskompetenz des Rates festlege. Wenn dem nicht so sei, müsse der Vorschlag der CDU-Fraktion hierum noch erweitert werden. Ansonsten bittet Herr Niehues, den vor der Sitzung verteilten Antrag der CDU-Fraktion als Änderungsantrag zur Abstimmung zu stellen.

 

Frau Dr. Kordfelder stellt klar, dass es der Verwaltung in dieser Vorlage in keiner Weise darum gehe, die Zuständigkeit des Rates in irgendeiner Form zu beschneiden. Ausgangspunkt sei die Diskussion gewesen, inwieweit die Bürgermeisterin im Rahmen ihrer Personalhoheit Umsetzungen innerhalb der Verwaltung vornehmen dürfe.

 

Zu der Frage von Herrn Niehues bezüglich der Bestellung des Leiters der ÖRP verweist Frau Dr. Kordfelder auf § 104 Abs. 2 der Gemeindeordnung, wonach der Rat den Leiter und die Prüfer der ÖRP bestellt und abberuft.

 

Anschließend bezieht sich Frau Dr. Kordfelder auf die Verwaltungsvorlage und zitiert hierzu aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen aus dem Jahre 2001, wo es ebenfalls um die Zuständigkeitsregelung in personalrechtlichen Entscheidungen gegangen sei. U. a. heiße es in diesem Urteil, dass seit 1994, als in Nordrhein-Westfa­len der hauptamtliche Bürgermeister eingeführt worden sei, 2 Säulen der demokratischen legitimierten Repräsentanz gebe, und zwar zum einen den Rat und zum anderen den in Urwahl gewählten Bürgermeister. Die Urwahl sei auch der Grund gewesen, den Bürgermeister in seinen personalrechtlichen Entscheidungen gegenüber dem bis dahin vom Rat gewählten Stadtdirektor zu stärken. Aus diesem der Gemeindeordnung zugrunde liegenden Gedanken sei eine Teilung der Verantwortung vorgesehen, wonach der Rat über die Aufgabenstellung und der Bürgermeister über das Wie der Aufgabenerfüllung zu entscheiden habe. Zum Letzteren zähle auch die Frage der Mit­arbeiterführung und des Mitarbeitereinsatzes. Allerdings habe der Gesetzgeber dem Rat durch Hauptsatzungsbeschluss die Möglichkeit eingeräumt, Personalentscheidungen des Bürgermeisters zu beschränken, allerdings nur in Leitungsfunktionen. Der Beschlussvorschlag der Verwaltungsvorlage basiere auf diesen Leitungsfunktionen in der Verwaltung, nämlich auf die Fachbereichsleiter.

 

Herr Thum erklärt, dass der Beschlussvorschlag der Verwaltung auch nach Meinung der SPD-Fraktion die Mitverantwortung des Rates bei Personalentscheidungen zu stark beschneide. Der Beschlussvorschlag der CDU-Fraktion sei dem Haupt- und Finanzausschuss erst unmittelbar vor der Sitzung vorgelegt worden, sodass er vorschlage, die heutige Beratung im Haupt- und Finanzausschuss als 1. Lesung zu sehen und die Entscheidung über eine neue Hauptsatzungsregelung noch zu vertagen. Die SPD-Fraktion hätte schon Bedenken, wenn der Rat auch bei den tariflich Beschäftigen im höheren Dienst Änderungen von Beschäftigungsverhältnissen beschließen oder über alle Produktverantwortliche im höheren Dienst entscheiden wolle. Er gibt zu bedenken, dass jeder Dienststellenleiter die Personalverantwortung für seinen Bereich und bestimmte Vorstellungen über den Personaleinsatz im Rahmen eines Personalentwicklungskonzeptes habe.

 

Herr Ortel unterstützt den Vorschlag von Herrn Thum, denn auch er sehe keine Notwendigkeit, in der heutigen Sitzung eine bisher rechtlich noch nicht geprüfte neue Hauptsatzungsregelung zu beschließen, zumal der Anlass für die Änderung der Hauptsatzung seit der gestrigen Fraktionsvorsitzendenbesprechung nicht mehr strittig sei.

 

Herr Dr. Janning erklärt, dass das Verwaltungsgericht Aachen bei dem von Frau Dr. Kordfelder angesprochenen Urteil festgestellt habe, dass der Wille des historischen Gesetzgebers beim Erlass der neuen Gemeindeordnung im Jahre 1994 nicht eindeutig zu ermitteln sei. So sei es nicht nachvollziehbar, weshalb im § 74 Abs. 1 GO eine Ausnahmeregelung bei den personalrechtlichen Entscheidungen des Bürgermeisters durch einen Hauptsatzungsbeschluss zu Gunsten des Rates aufgenommen worden sei. In allen anderen Bundesländern, in denen es einen von den Bürgern direkt gewählten Bürgermeister gebe, sehe die Gemeindeordnung nämlich eine solche Einschränkung nicht vor mit Ausnahme von Baden-Württemberg, wo eine personalrechtliche Vorbehaltsentscheidung allerdings nur mit einer 2/3-Mehrheit des Rates gefasst werden könne. Das Verwaltungsgericht Aachen vermute, dass die Vorbehaltsregelung im § 74 der Gemeindeordnung NRW zustande gekommen sei, indem die seinerzeit für den Stadtdirektor geltende Regelung automatisch und damit ohne nachvollziehbaren Grund übernommen worden sei.

 

Das Verwaltungsgericht komme anschließend bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der Vorbehaltsregelung zu dem Ergebnis, dass diese mit der Organisations- und Personalhoheit des hauptamtlichen Bürgermeisters eigentlich nicht in Einklang zu bringen sei. Bei der Frage, wie weit der Rat durch Hauptsatzungsbeschluss die Personalkompetenzen der Bürgermeisterin einschränken könne, komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Einschränkung sich nur auf Leitungsfunktionen beziehen und nicht bis in den gehobenen Dienst hinunter reichen dürfe.

 

Frau Dr. Kordfelder stellt klar, dass es ihr nicht um einen Streit mit dem Rat über Personalkompetenzen gehe, sondern um eine Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung und um die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung aufgrund durchgeführter Personalauswahlverfahren.

 

Herr Niehues wendet ein, dass genau aus diesem Grunde die CDU-Fraktion den Antrag gestellt habe, § 18 der Hauptsatzung dahin gehend zu ändern, dass keine Gerichtsentscheidung hierzu erforderlich werde. Dieses solle auf der Grundlage der 1997 vom Rat der Stadt einstimmig gefassten Regelung geschehen.

 

Zu den Ausführungen von Herrn Ortel erklärt Herr Niehues, dass nur dann kein zeitliches Problem hinsichtlich der Änderung der Hauptsatzung bestehe, wenn der in der gestrigen Fraktionsvorsitzendenbesprechung erarbeitete Kompromissvorschlag in der heutigen Ratssitzung umgesetzt werde. Die CDU-Fraktion sei jedenfalls mehrheitlich zu dieser Kompromissentscheidung bereit.

 

Darüber hinaus stellt Herr Niehues klar, dass von den 56 Produktverantwortlichen der Stadtverwaltung nur 12 dem höheren Dienst angehören würden. Nur diese 12 Personen, zu denen auch die Leiter(innen) der verschiedenen Einrichtungen, wie das Stadtarchiv, das Museum oder die Volkshochschule, zählten, würden unter die von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Neuregelung der Hauptsatzung fallen. Fest stehe, dass die Systementscheidung, die Mitarbeiterführung und die Organisation der Verwaltung unter § 62 der Gemeindeordnung fallen würden. Hierauf habe der Rat keinerlei Eingriffsmöglichkeiten. Die entscheidende Frage in dieser zur Zeit anstehenden Personalangelegenheit laute aber, handele es sich hierbei um eine Umsetzung nach § 62 der Gemeindeordnung oder um Entscheidung nach § 74 der Gemeindeordnung, die sich der Rat durch Hauptsatzungsbeschluss vorbehalten könne. Die hierfür erforderliche neue Satzungsregelung müsse heute allerdings nicht getroffen werden, wenn alle Fraktionen und die Verwaltung den in der gestrigen Fraktionsvorsitzendenbesprechung erarbeiteten Kompromissvorschlag mittragen würden.

 

Auf Befragen stellt Frau Dr. Kordfelder fest, dass auch die übrigen Fraktionen und die Verwaltung den Kompromissvorschlag mittragen würden.

 

Herr Niehues erklärt, dass die CDU-Fraktion in diesem Falle in der jetzigen HFA-Sitzung und auch in der gleich folgenden Ratssitzung der Vertagung der Entscheidung zur 7. Änderungssatzung der Hauptsatzung zustimmen werde.

 

Herr Wilp stellt abschließend fest, dass der Landtag gefragt sei, bei den personalrechtlichen Entscheidungen eine eindeutige Klärung herbeizuführen. Er habe von verschiedenen Stellen Rechtsauskünfte hierzu eingeholt und keine klaren Aussagen erhalten. Nach Meinung der KPV handele es sich dann nicht mehr um eine Umsetzung im Sinne des § 62 der Gemeindeordnung, wenn damit automatisch eine Tariferhöhung verbunden sei.


Beschluss:

 

Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt die Vertagung der Entscheidung über die 7. Änderung zur Hauptsatzung der Stadt Rheine.


Abstimmungsergebnis:           einstimmig