Sitzung: 26.10.2010 Haupt-, Digital- und Finanzausschuss
Beratungsergebnis: geändert beschlossen
Vorlage: 487/10
0:49:48
Herr Lütkemeier gibt die folgende Stellungnahme ab:
Ausgelöst durch die weltweite Finanz- und
Wirtschaftskrise trat Mitte 2009 auch eine dramatische Verschlechterung der
Finanzlage bei der Stadt Rheine ein, deren Ende bis heute nicht abzusehen ist.
Das wird auch durch die Ihnen nun vorliegenden Eckdaten für die Ergebnis- und
Investitionsplanung 2011 – 2014 sichtbar. Diese weist trotz eingeplanter
deutlicher Hebesatzerhöhungen für die Grund- und Gewerbesteuer weiterhin sehr
hohe Defizite, überwiegend im zweistelligen Millionenbereich, aus. Ursachen
sind die Ertragsentwicklung der Gewerbesteuer auf einem immer noch zu
niederigen Niveau, insbesondere jedoch die weiterhin negative Ertragsentwicklung
beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Überlagert wird dies allerdings
durch den weiterhin hohen Anstieg der Aufwendungen für die Sozialleistungen,
einerseits unmittelbar im städtischen Haushalt, aber insbesondere auch in den
Haushalten des Kreises Steinfurt und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe,
die sich in unserem Haushalt über die Kreisumlage niederschlagen.
Ich bin nicht davon überzeugt, dass die noch
in der Beratung der auf Bundes- und Landesebene eingerichteten
Gemeindefinanzkommissionen stehenden Themen der Entlastung der Kommunen bei den
Sozialleistungen durch den Bund und der Einrichtung des Stärkungspaktes
Stadtfinanzen auf Landesebene „unter dem Strich“ eine spürbare Entlastung für
die Stadt Rheine bringen werden. Denn die inzwischen entwickelten Konzepte zur
Unterstützung der hoch verschuldeten Kommunen im Lande gehen davon aus, dass
neben Bund und Land auch die Kommunen selbst hierfür einen adäquaten Beitrag
liefern müssen. Und ich bin mir, ohne Details einer solchen „Beitragslösung“ zu
kennen, ziemlich sicher, dass die Stadt Rheine nicht zu den „Nehmern“ gehören
wird.
Deshalb gibt es zur konsequenten Fortsetzung
des bereits vor Jahren eingeleiteten Konsolidierungskurses keine Alternative.
Bereits im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltes 2006 hat der Rat der Stadt
die Erarbeitung und Umsetzung eines freiwilligen Konsolidierungskonzeptes auf
der Basis eines gesetzlichen Haushaltssicherungskonzeptes beschlossen. In der
Vergangenheit sind in der vom Haupt- und Finanzausschuss eingerichteten
Strategie- und Finanzkommission die von der Verwaltung produkt-, leistungs- und
aufgabenorientiert aufgezeigten Konsolidierungsansätze und –möglichkeiten umfassend
erörtert und teilweise als Empfehlung zur weitergehenden Behandlung und
Entscheidung den Fachausschüssen und dem Rat vorgelegt worden. In den
bisherigen Ergebnisplanungen sind bereits umfangreiche Konsolidierungsmaßnahmen
umgesetzt worden. Das betrifft insbesondere den Personalbereich. Seit 2005
besteht ein externer Einstellungsstopp. Im Rahmen des Stellenplanes 2010 wurden
kw-Vermerke angebracht, die zu weiteren Stelleneinsparungen führen.
Nach dem Handlungsrahmen des Landes zur
Genehmigung von Haushaltssicherungskonzepten müssen die Hebesätze der
Realsteuern (Grundsteuern und Gewerbesteuer) bezogen auf die
Gemeindegrößenklasse mindestens in Höhe des jeweiligen Landesdurchschnitts
festgesetzt sein. Die auch von der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) NRW empfohlene
und jetzt von der Verwaltung vorgeschlagene Erhöhung der Hebesätze für die
Grundsteuer A, die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer ist Teil des vom Rat der
Stadt bereits am 05.10.2010 beschlossenen Konsolidierungsziels. Bereits im
Fazit des Vorberichtes zum Haushalt 2010 wurde der Hinweis gegeben, dass zwar
für 2010 in Anbetracht der damaligen wirtschaftlichen Situation der Unternehmen
und Bürgerinnen und Bürger der Stadt noch auf eine Erhöhung der Hebesätze für
die Realsteuern verzichtet wird, bei sich weiter verschlechternder Finanzsituation
eine solche Steuererhöhung für die Zukunft aber nicht mehr auszuschließen ist.
Angesichts der sich vom Grundsatz her nicht verbesserten finanziellen Lage der
Stadt und der gegenwärtigen sowie künftigen Rahmenbedingungen bleiben die
vorgeschlagenen Steuererhöhungen unausweichlich – auch vor dem Hintergrund der
noch bestehenden, nicht unerheblichen Risiken der den Eckdaten
zugrundeliegenden Planungsannahmen. Das betrifft insbesondere die Kreisumlage
und die Schlüsselzuweisungen.
Wir haben soeben per Mail vom Kreis Steinfurt
vorab den Entwurf der Verfügung zur Genehmigung der Haushaltssatzung für das
Haushaltsjahr 2010 erhalten. Mit dieser Verfügung werden seitens der
Aufsichtsbehörde auch Anforderungen an die Haushaltsplanung 2011 gestellt.
Diese gebe ich Ihnen hiermit zur Kenntnis:
„Auf
der Basis der Haushaltsplandaten 2010 wird die gesetzliche Verpflichtung zum
Haushaltsausgleich nicht erfüllt. In ihrer mittelfristigen Ausrichtung werden
Ergebnisdefizite von rd. 51,8 Mio. € und Liquiditätsverluste in Höhe von rd. 30
Mio. € erwartet. Das bilanzielle städt. Eigenkapital wird zum Ende des
Planungszeitraums in nur acht Jahren um rd. 89 Mio. € oder ein Viertel abgebaut
sein.
Die
städt. Finanzen müssen an die sich veränderten Rahmenbedingungen angepasst und
das langjährige strukturelle Defizit deutlich zurückgeführt werden. Das städt.
Konsolidierungskonzept ist de facto der Konsolidierungsverpflichtung nach § 76
GO NRW gleichzusetzen. Maßgeblich sind die im RdErl. IM NRW vom 06.03.2009
unter Ziffer 3.3 festgelegten Prüfpunkte für ein Haushaltssicherungskonzept
(HSK). Die Maßnahmen sind auf der niedrigsten Ebene der produktorientierten
Haushaltsgliederung darzustellen. Das kommunale Hebesatzrecht für die
Realsteuern ist vor dem Hintergrund der Verpflichtung zum nachhaltigen
Haushaltsausgleich durch höhere, im Finanzausgleich anrechnungsfreie
Steuererträge zu beurteilen.
Im
Rahmen der Finanzhoheit der Gemeinde bleibt es aber originäre Aufgabe und damit
Selbstverpflichtung, die Haushalts- und Finanzwirtschaft an die gesetzlichen
Anforderungen auszurichten.“
Auch hieraus ergibt sich die Notwendigkeit
zur vorgeschlagenen Erhöhung der Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer.
Herr Niehues merkt an, dass es am Kirmesmontag eine Einladung von Frau Dr. Kordfelder zu einem Runden Tisch gegeben habe. Diese wurde damit begründet, dass wichtige Dinge besprochen werden sollten. Herr Niehues kritisiert, dass dieser Tagesordnungspunkt „Erhöhung von Steuern in der Größenordnung von 2 Mio. €“ nicht Gegenstand des Runden Tisches in der letzten Woche gewesen sei. Erst mit der Zustellung dieser Vorlage sei die Politik informiert worden. Eine Steuererhöhungsdiskussion sollte erst dann geführt werden, wenn die Aufwandsseite abgearbeitet sei. In der Finanz- und Strategiekommission seien einige Aufträge zu Personalkosteneinsparungen und zu Organisations- und Strukturfragen an die Verwaltung gegeben worden. Die Ergebnisse würden bislang noch nicht vorliegen. Weiterhin würden in der Eckdatenübersicht wichtige Informationen, beispielsweise über die gesamte Thematik der Berufskollegs, fehlen. Heute bereits über Steuererhöhungen zu diskutieren, sei daher nicht angebracht. Der Vorschlag zur Steuererhöhung könne zum jetzigen Zeitpunkt nur zur Kenntnis genommen werden. Zukünftig könne man allerdings eine Steuererhöhungsdebatte nicht ausschließen.
Herr Lütkemeier ergänzt, dass man sich derzeit in einem Verfahrensstadium befinde, welches noch der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfes vorgelagert sei. Dies sei die erste Information durch die Verwaltung zur Einschätzung der künftigen haushaltswirtschaftlichen Lage der Stadt. Die Anforderungen, die an die Stadt gestellt werden, seien unzweifelhaft und man komme an der Fragestellung der Ausgestaltung der Hebesätze für die Realsteuer nicht vorbei. Der Hintergrund sei auch, dass die Verwaltung zu Beginn des Haushaltsjahres handlungsfähig sein sollte, ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu produzieren. Der Tagesordnungspunkt könne zur nächsten Haupt- und Finanzausschusssitzung noch einmal auf die Tagesordnung gebracht werden, damit am 14. Dezember, wenn der Haushalt eingebracht werde, über die Hebesatzgestaltung entschieden werden könne. Dann gebe es eine rechtlich mögliche, von der Haushaltssatzung abgelöste Hebesatzsatzung. Den Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern sei dann zu Beginn des Jahres bekannt, womit sie im nächsten Jahr zu rechnen hätten, ohne dass im laufenden Jahr ein Anpassungslauf mit hohem Aufwand betrieben werden müsse. Herr Lütkemeier weist zum Schluss eindringlich noch einmal darauf hin, dass es Handlungsbedarf gebe.
Herr Reiske erklärt, dass es seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN noch keine abschließende Haltung zur Steuererhöhung gebe, es aber eine
Tendenz gebe, der Verwaltung zu folgen.
Beschlüsse der vergangenen Monate zur Neubesetzung einer Dezernentenstelle und zu
den Berufskollegs würden die Stadt jährlich mit einer Million Mehraufwand
belasten. Sollte man sich für eine Steuererhöhung entscheiden, läge man unter
dem Mittelbereich im Vergleich zu anderen Städten. Mit einer Kenntnisnahme sei
die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einverstanden. Es bestehe aber auch eine
Notwendigkeit, spätestens in der Dezemberratssitzung zu einer Entscheidung zu
kommen.
Auf Nachfrage von Herrn Ortel macht Herr Lütkemeier deutlich, dass das Ziel dieser Vorlage sei, zu einer Festlegung zu gelangen, um daraus eine Hebesatzsatzung zu fertigen, damit zu Beginn des neuen Jahres die entsprechenden Abgabeunternehmen und Bürger wüssten, womit sie rechnen müssten und um der Verwaltung erheblichen Aufwand zu ersparen. Herr Lütkemeier sieht kein Problem darin, den Beschluss jetzt zur Kenntnis zu nehmen und im Dezember dann darüber zu entscheiden.
Herr Roscher erinnert an die gesetzten Ziele, den Haushalt zu konsolidieren und in den nächsten Jahren über 10 Mio. € strukturell einzusparen. Die SPD-Fraktion sei einverstanden, die Aufstellung der Ergebnis- und Investitionsplanung zur Kenntnis zu nehmen. Sie sehe allerdings auch eine Verpflichtung, rechtzeitig im Dezember, wenn man zu der Steuererhöhung komme, die Satzung zu verabschieden.
Herr Holtel hält es für wichtig, dass versucht werde,
Einsparungen vorzunehmen, bevor über Mehreinnahmen diskutiert werde. Die
FDP-Fraktion sehe Steuererhöhungen als letzte Möglichkeit. Bei den Vergleichsdaten der Steuersätze mit
anderen Städten in Nordrhein-Westfalen gelte es zu bedenken, dass Rheine nicht
in der Nachbarschaft von Düsseldorf liege, wo die Gewerbesteuersätze erheblich
höher seien, sondern neben Salzbergen.
Herr Lütkemeier
weist darauf hin, dass das Thema Haushaltssicherung nicht nur auf das kommende
Haushaltsjahr beschränkt sei. Bereits wenn in der Finanzplanung die Schwellenwerte
in 2 aufeinanderfolgenden Jahren überschritten werden, sei schon im Zuge der
Aufstellung des maßgeblichen Haushaltes ein Haushaltssicherungskonzept
aufzustellen. Dann seien Schritte, wie die Erhöhung der Realsteuerhebesätze,
ohnehin unausweichlich.
Herr Brauer hält sodann fest, dass der Inhalt der Vorlage lediglich zur Kenntnis genommen wird.