0:49:48

 

Herr Lütkemeier gibt die folgende Stellungnahme ab:

 

Ausgelöst durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise trat Mitte 2009 auch eine dramatische Verschlechterung der Finanzlage bei der Stadt Rheine ein, deren Ende bis heute nicht abzusehen ist. Das wird auch durch die Ihnen nun vorliegenden Eckdaten für die Ergebnis- und Investitionsplanung 2011 – 2014 sichtbar. Diese weist trotz eingeplanter deutlicher Hebesatzerhöhungen für die Grund- und Gewerbesteuer weiterhin sehr hohe Defizite, überwiegend im zweistelligen Millionenbereich, aus. Ursachen sind die Ertragsentwicklung der Gewerbesteuer auf einem immer noch zu niederigen Niveau, insbesondere jedoch die weiterhin negative Ertragsentwicklung beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Überlagert wird dies allerdings durch den weiterhin hohen Anstieg der Aufwendungen für die Sozialleistungen, einerseits unmittelbar im städtischen Haushalt, aber insbesondere auch in den Haushalten des Kreises Steinfurt und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, die sich in unserem Haushalt über die Kreisumlage niederschlagen.

 

Ich bin nicht davon überzeugt, dass die noch in der Beratung der auf Bundes- und Landesebene eingerichteten Gemeindefinanzkommissionen stehenden Themen der Entlastung der Kommunen bei den Sozialleistungen durch den Bund und der Einrichtung des Stärkungspaktes Stadtfinanzen auf Landesebene „unter dem Strich“ eine spürbare Entlastung für die Stadt Rheine bringen werden. Denn die inzwischen entwickelten Konzepte zur Unterstützung der hoch verschuldeten Kommunen im Lande gehen davon aus, dass neben Bund und Land auch die Kommunen selbst hierfür einen adäquaten Beitrag liefern müssen. Und ich bin mir, ohne Details einer solchen „Beitragslösung“ zu kennen, ziemlich sicher, dass die Stadt Rheine nicht zu den „Nehmern“ gehören wird.

 

Deshalb gibt es zur konsequenten Fortsetzung des bereits vor Jahren eingeleiteten Konsolidierungskurses keine Alternative. Bereits im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltes 2006 hat der Rat der Stadt die Erarbeitung und Umsetzung eines freiwilligen Konsolidierungskonzeptes auf der Basis eines gesetzlichen Haushaltssicherungskonzeptes beschlossen. In der Vergangenheit sind in der vom Haupt- und Finanzausschuss eingerichteten Strategie- und Finanzkommission die von der Verwaltung produkt-, leistungs- und aufgabenorientiert aufgezeigten Konsolidierungsansätze und –möglichkeiten umfassend erörtert und teilweise als Empfehlung zur weitergehenden Behandlung und Entscheidung den Fachausschüssen und dem Rat vorgelegt worden. In den bisherigen Ergebnisplanungen sind bereits umfangreiche Konsolidierungsmaßnahmen umgesetzt worden. Das betrifft insbesondere den Personalbereich. Seit 2005 besteht ein externer Einstellungsstopp. Im Rahmen des Stellenplanes 2010 wurden kw-Vermerke angebracht, die zu weiteren Stelleneinsparungen führen.

 

Nach dem Handlungsrahmen des Landes zur Genehmigung von Haushaltssicherungskonzepten müssen die Hebesätze der Realsteuern (Grundsteuern und Gewerbesteuer) bezogen auf die Gemeindegrößenklasse mindestens in Höhe des jeweiligen Landesdurchschnitts festgesetzt sein. Die auch von der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) NRW empfohlene und jetzt von der Verwaltung vorgeschlagene Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer A, die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer ist Teil des vom Rat der Stadt bereits am 05.10.2010 beschlossenen Konsolidierungsziels. Bereits im Fazit des Vorberichtes zum Haushalt 2010 wurde der Hinweis gegeben, dass zwar für 2010 in Anbetracht der damaligen wirtschaftlichen Situation der Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger der Stadt noch auf eine Erhöhung der Hebesätze für die Realsteuern verzichtet wird, bei sich weiter verschlechternder Finanzsituation eine solche Steuererhöhung für die Zukunft aber nicht mehr auszuschließen ist. Angesichts der sich vom Grundsatz her nicht verbesserten finanziellen Lage der Stadt und der gegenwärtigen sowie künftigen Rahmenbedingungen bleiben die vorgeschlagenen Steuererhöhungen unausweichlich – auch vor dem Hintergrund der noch bestehenden, nicht unerheblichen Risiken der den Eckdaten zugrundeliegenden Planungsannahmen. Das betrifft insbesondere die Kreisumlage und die Schlüsselzuweisungen.

 

Wir haben soeben per Mail vom Kreis Steinfurt vorab den Entwurf der Verfügung zur Genehmigung der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2010 erhalten. Mit dieser Verfügung werden seitens der Aufsichtsbehörde auch Anforderungen an die Haushaltsplanung 2011 gestellt. Diese gebe ich Ihnen hiermit zur Kenntnis:

 

„Auf der Basis der Haushaltsplandaten 2010 wird die gesetzliche Verpflichtung zum Haushaltsausgleich nicht erfüllt. In ihrer mittelfristigen Ausrichtung werden Ergebnisdefizite von rd. 51,8 Mio. € und Liquiditätsverluste in Höhe von rd. 30 Mio. € erwartet. Das bilanzielle städt. Eigenkapital wird zum Ende des Planungszeitraums in nur acht Jahren um rd. 89 Mio. € oder ein Viertel abgebaut sein.

 

Die städt. Finanzen müssen an die sich veränderten Rahmenbedingungen angepasst und das langjährige strukturelle Defizit deutlich zurückgeführt werden. Das städt. Konsolidierungskonzept ist de facto der Konsolidierungsverpflichtung nach § 76 GO NRW gleichzusetzen. Maßgeblich sind die im RdErl. IM NRW vom 06.03.2009 unter Ziffer 3.3 festgelegten Prüfpunkte für ein Haushaltssicherungskonzept (HSK). Die Maßnahmen sind auf der niedrigsten Ebene der produktorientierten Haushaltsgliederung darzustellen. Das kommunale Hebesatzrecht für die Realsteuern ist vor dem Hintergrund der Verpflichtung zum nachhaltigen Haushaltsausgleich durch höhere, im Finanzausgleich anrechnungsfreie Steuererträge zu beurteilen.

 

Im Rahmen der Finanzhoheit der Gemeinde bleibt es aber originäre Aufgabe und damit Selbstverpflichtung, die Haushalts- und Finanzwirtschaft an die gesetzlichen Anforderungen auszurichten.“

 

Auch hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zur vorgeschlagenen Erhöhung der Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer.

 

Herr Niehues merkt an, dass es am Kirmesmontag eine Einladung von Frau Dr. Kordfelder zu einem Runden Tisch gegeben habe. Diese wurde damit begründet, dass wichtige Dinge besprochen werden sollten. Herr Niehues kritisiert, dass dieser Tagesordnungspunkt „Erhöhung von Steuern in der Größenordnung von 2 Mio. €“ nicht Gegenstand des Runden Tisches in der letzten Woche gewesen sei. Erst mit der Zustellung dieser Vorlage sei die Politik informiert worden. Eine Steuererhöhungsdiskussion sollte erst dann geführt werden, wenn die Aufwandsseite abgearbeitet sei. In der Finanz- und Strategiekommission seien einige Aufträge zu Personalkosteneinsparungen und zu Organisations- und Strukturfragen an die Verwaltung gegeben worden. Die Ergebnisse würden bislang noch nicht vorliegen. Weiterhin würden in der Eckdatenübersicht wichtige Informationen, beispielsweise über die gesamte Thematik der Berufskollegs, fehlen. Heute bereits über Steuererhöhungen zu diskutieren, sei daher nicht angebracht. Der Vorschlag zur Steuererhöhung könne zum jetzigen Zeitpunkt nur zur Kenntnis genommen werden. Zukünftig könne man allerdings eine Steuererhöhungsdebatte nicht ausschließen.

 

Herr Lütkemeier ergänzt, dass man sich derzeit in einem Verfahrensstadium befinde, welches noch der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfes vorgelagert sei. Dies sei die erste Information durch die Verwaltung zur Einschätzung der künftigen haushaltswirtschaftlichen Lage der Stadt. Die Anforderungen, die an die Stadt gestellt werden, seien unzweifelhaft und man komme an der Fragestellung der Ausgestaltung der Hebesätze für die Realsteuer nicht vorbei. Der Hintergrund sei auch, dass die Verwaltung zu Beginn des Haushaltsjahres handlungsfähig sein sollte, ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu produzieren. Der Tagesordnungspunkt könne zur nächsten Haupt- und Finanzausschusssitzung noch einmal auf die Tagesordnung gebracht werden, damit am 14. Dezember, wenn der Haushalt eingebracht werde, über die Hebesatzgestaltung entschieden werden könne. Dann gebe es eine rechtlich mögliche, von der Haushaltssatzung abgelöste Hebesatzsatzung. Den Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern sei dann zu Beginn des Jahres bekannt, womit sie im nächsten Jahr zu rechnen hätten, ohne dass im laufenden Jahr ein Anpassungslauf mit hohem Aufwand betrieben werden müsse. Herr Lütkemeier weist zum Schluss eindringlich noch einmal darauf hin, dass es Handlungsbedarf gebe.

 

Herr Reiske erklärt, dass es seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch keine abschließende Haltung zur Steuererhöhung gebe, es aber eine Tendenz gebe, der Verwaltung zu folgen. Beschlüsse der vergangenen Monate zur Neubesetzung einer Dezernentenstelle und zu den Berufskollegs würden die Stadt jährlich mit einer Million Mehraufwand belasten. Sollte man sich für eine Steuererhöhung entscheiden, läge man unter dem Mittelbereich im Vergleich zu anderen Städten. Mit einer Kenntnisnahme sei die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einverstanden. Es bestehe aber auch eine Notwendigkeit, spätestens in der Dezemberratssitzung zu einer Entscheidung zu kommen.

 

Auf Nachfrage von Herrn Ortel macht Herr Lütkemeier deutlich, dass das Ziel dieser Vorlage sei, zu einer Festlegung zu gelangen, um daraus eine Hebesatzsatzung zu fertigen, damit zu Beginn des neuen Jahres die entsprechenden Abgabeunternehmen und Bürger wüssten, womit sie rechnen müssten und um der Verwaltung erheblichen Aufwand zu ersparen. Herr Lütkemeier sieht kein Problem darin, den Beschluss jetzt zur Kenntnis zu nehmen und im Dezember dann darüber zu entscheiden.

 

Herr Roscher erinnert an die gesetzten Ziele, den Haushalt zu konsolidieren und in den nächsten Jahren über 10 Mio. € strukturell einzusparen. Die SPD-Fraktion sei einverstanden, die Aufstellung der Ergebnis- und Investitionsplanung zur Kenntnis zu nehmen. Sie sehe allerdings auch eine Verpflichtung, rechtzeitig im Dezember, wenn man zu der Steuererhöhung komme, die Satzung zu verabschieden.

 

Herr Holtel hält es für wichtig, dass versucht werde, Einsparungen vorzunehmen, bevor über Mehreinnahmen diskutiert werde. Die FDP-Fraktion sehe Steuererhöhungen als letzte Möglichkeit. Bei den Vergleichsdaten der Steuersätze mit anderen Städten in Nordrhein-Westfalen gelte es zu bedenken, dass Rheine nicht in der Nachbarschaft von Düsseldorf liege, wo die Gewerbesteuersätze erheblich höher seien, sondern neben Salzbergen.

 

Herr Lütkemeier weist darauf hin, dass das Thema Haushaltssicherung nicht nur auf das kommende Haushaltsjahr beschränkt sei. Bereits wenn in der Finanzplanung die Schwellenwerte in 2 aufeinanderfolgenden Jahren überschritten werden, sei schon im Zuge der Aufstellung des maßgeblichen Haushaltes ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Dann seien Schritte, wie die Erhöhung der Realsteuerhebesätze, ohnehin unausweichlich.

 

Herr Brauer hält sodann fest, dass der Inhalt der Vorlage lediglich zur Kenntnis genommen wird.