Beratungsergebnis: einstimmig beschlossen

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Herr Lütkemeier gibt folgende ergänzende Informationen zur Vorlage:

 

"Die Versorgung der pensionierten Kommunalbeamten stellt eine kommunale Pflichtaufgabe dar, welche verfassungsrechtlich hinterlegt ist (Art. 33 Abs. 5 GG). Zugleich verpflichtet § 89 GO NRW die Kommunen dazu, künftige Versorgungsleistungen für Pensionäre in die Liquiditätsplanung einzubeziehen (Liquiditätsvorsorgepflicht).

 

Eine Gemeinde hat in eigener Verantwortung zu entscheiden, in welcher Art und Weise sie die Liquiditätsvorsorge für Versorgungsleistungen wahrnimmt. Sie muss sicherstellen, dass zu den Fälligkeitsterminen der Versorgungsleistungen die notwendige Liquidität verfügbar ist und hat die notwendigen Maßnahmen früh genug einzuleiten, damit entsprechend der Aufgabenerfüllung zum maßgebenden Zeitpunkt über eine ausreichende Liquidität verfügt werden kann.

 

Ob und in welchem Umfang eine Gemeinde zur Erfüllung ihrer künftigen Zahlungsleistungen an ihre Versorgungsempfänger eine Kapitalversicherung als Rückdeckungsversicherung abschließt, hat sie auf der Grundlage ihrer Haushaltswirtschaft grundsätzlich eigenverantwortlich zu entscheiden.

 

Durch den Abschluss einer Kapitalversicherung als Rückdeckungsversicherung können die gemeindlichen Versorgungsverpflichtungen rückgedeckt werden und die Gemeinde kann so die Liquidität für die vorgeschriebene Sicherstellung der Pensionslasten in künftigen Haushaltsjahren nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gewährleisten und wird damit dem Gebot der intergenerativen Gerechtigkeit in besonderem Maße gerecht.

 

Die Entscheidung der Stadt Rheine unterliegt nicht dem Genehmigungsvorbehalt der Aufsichtsbehörde!

 

Gleichwohl haben wir aus Gründen der Transparenz nach Vorberatung im HFA im Vorfeld der anstehenden Ratsentscheidung dem Landrat des Kreises Steinfurt am 01.02.2012 die Beratungsvorlage zugeleitet und um Stellungnahme gebeten. Über die ablehnende Stellungnahme des Landrates vom 23.02.2012 hatte ich in der Fraktionsvorsitzendenbesprechung am 27.02.2012 informiert. Daraufhin wurde der für den Rat am 28.02.2012 vorgesehene Tagesordnungspunkt abgesetzt und steht in der heutigen Ratssitzung zur Entscheidung an.

 

Nach der Stellungnahme des Landrates bestehen gegen die notwendige Finanzierung des Versicherungsmodells über weitere Liquiditätskredite und die dadurch entstehenden Haushaltsbelastungen kommunalaufsichtliche Bedenken. Er verweist hierzu auf § 77 Abs. 3 GO NRW, wonach eine Wertpapier-/Finanzanlage nur mit Geldmitteln der Gemeinde, die nicht zur Sicherung der Liquidität und zur Zahlungsabwicklung benötigt werden, zulässig ist.

 

Die Notwendigkeit der Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung bezieht sich auf den gesamten Liquiditätsbedarf der Kommune, den sie zur Erfüllung ihrer gemeindlichen Aufgaben benötigt. Eine Begrenzung oder Fokussierung auf bestimmte Einzelmaßnahmen ist nicht möglich und zulässig. Vielmehr sind Prioritäten bei den zu leistenden Auszahlungen zu setzen, wobei Pflichtaufgaben (wie die Versorgung der Pensionäre) im Vordergrund stehen. Die Zahlung von Beiträgen zu einer Rückdeckungsversicherung dient der Erfüllung dieser Pflichtaufgabe.

 

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Rückdeckungsversicherung nicht um eine Finanzanlage (Kapitalanlage) im klassischen Sinne handelt, sondern um eine Versicherung mit laufenden Beiträgen, bei der ein Anspruch gegen die Versicherung besteht, der nur aufgrund seiner Langfristigkeit in der kommunalen Bilanz unter den Finanzanlagen ausgewiesen wird. Entsprechend sind Versicherungsbeiträge nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung als „Aufwand“ im Ergebnishaushalt darzustellen und der jeweilige Rückdeckungsanspruch als „sonstiger Ertrag“.

 

Aus Sicht der Verwaltung gibt es keinen rechtlichen Tatbestand, der gegen die Umsetzung der vorgeschlagenen Lösung zur nachhaltigen Finanzierung der Pensionsverpflichtungen der Stadt Rheine in Form einer Kapitalversicherung als Rückdeckungsversicherung besteht. Das hat auch der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen auf Anfrage bestätigt, der inzwischen von der Verwaltung in den Sachverhalt eingebunden und um eine schriftliche Stellungnahme gebeten wurde.

 

Frau Stock vom Büro für Kommunalberatung GmbH hat sich in dieser Angelegenheit inzwischen auch an das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK) gewandt. Seitens des MIK wurde die rechtliche Tragfähigkeit unseres Lösungsmodells grundsätzlich nicht in Frage gestellt und darauf hingewiesen, dass es offensichtlich ausräumbare Missverstände bei den zuständigen Aufsichtsbehörden (Landrat und Bezirksregierung) gebe. Diese sollten in einem noch anstehenden Gespräch zwischen den Beteiligten zu klären sein.

 

Um diesem Gespräch den nötigen Nachdruck zu verleihen, ist der heute anstehende Ratsbeschluss von großer Bedeutung. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung."

 

Herr Bonk führt aus, dass er von der 2-maligen Präsentation zu dieser Angelegenheit von Frau Stock überzeugt sei. Die Stadt Rheine betrete aber hiermit völliges Neuland, sodass es in der CDU-Fraktion auch Mitglieder gebe, die Bedenken hiergegen hätten.

Mit seiner heutigen Information habe der Kämmerer für die nötige Transparenz gesorgt und auch schon im Vorfeld die Aufsichtsbehörde miteingeschaltet, obwohl er hierzu nicht verpflichtet gewesen wäre. Die von der Aufsichtsbehörde hiergegen geäußerten Bedenken seien bisher auch noch nicht ausgeräumt. Insofern möchte Herr Bonk wissen, ob die Verwaltung die Durchführung des Ratsbeschlusses so lange zurückstellen könne, bis die rechtlichen Bedenken ausgeräumt seien. Ferner fragt er, ob es nicht sinnvoller wäre, den Beschlussvorschlag zu Ziffer 2 bis nach Ausräumung der rechtlichen Bedenken zurückzustellen. Auch bittet er um Mitteilung, ob der vorliegende Beschlussvorschlag Auswirkungen auf den Haushalt 2012 habe.

 

Herr Lütkemeier antwortet, dass die Verwaltung den Ratsbeschluss bis zur endgültigen Klärung der rechtlichen Bedenken nicht ausführen werde. Der unter Ziffer 2 des Beschlussvorschlages angesprochene Versorgungsfonds sei in den letzten Jahren seit Umstellung des Rechnungswesens ohnehin nicht mehr bedient worden. Wenn Ziffer 1 des Beschlussvorschlages gefolgt werde, müsse gleichzeitig auch Ziffer 2 des Beschlussvorschlages gefolgt werden, weil beide im Zusammenhang stünden. Die Entscheidung habe keine Auswirkungen auf den Haushalt 2012, weil in den letzten Jahren keine Abführungen mehr an den Versorgungsfonds vorgenommen worden seien.

 

Herr Roscher merkt an, dass die Präsentation die Mitglieder der SPD-Fraktion überzeugt habe. Auch die Zielsetzung des Beschlusses sei nachvollziehbar, sodass die SPD-Fraktion dem Beschlussvorschlag zustimmen werde und der Verwaltung für die anstehenden Gespräche mit einem eindeutigen Beschluss den Rücken stärken wolle. Es sei schon merkwürdig, dass das Ministerium keine Bedenken hiergegen habe, während die mittlere Ebene, der Kreis und die Bezirksregierung, Probleme mit dieser Entscheidung hätten, obwohl sie letztendlich positive Auswirkungen auf die städtischen Finanzen haben werde.

 

Herr Reiske erklärt, dass auch die Grünen die Notwendigkeit der anstehenden Entscheidung sähen, sodass sie dem Beschlussvorschlag zustimmen würden. Sie seien erfreut darüber, dass die Verwaltung diese Notwendigkeit der Entscheidung gesehen und mit der Beschlussempfehlung vorausschauend gehandelt habe.

 

Herr Holtel merkt für die FDP-Fraktion an, dass es richtig sei, wenn die Stadt Rheine bei den zukünftigen Pensionslasten den Weg in die Offensive suche. Daher werde auch seine Fraktion der Entscheidung zustimmen.

 

Herr Ortel bedankt sich für die Fraktion Alternative für Rheine bei Herrn Lütkemeier für die eingangs gemachten Klarstellungen, sodass auch einer Zustimmung seiner Fraktion nichts im Wege stünde.


Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Rheine beschließt, dass

 

1.  zur Sicherstellung der nachhaltigen Finanzierung zukünftiger Pensionslasten für die aktiven Beamtinnen und Beamten der Stadt Rheine ab Jahrgang 1957 und alle später geborenen sowie für sämtliche nachrückenden Beamtinnen und Beamten (Neueintritte) die hierfür notwendigen Finanzmittel beginnend mit dem 01.01.2012 in einer Renten-/Lebensversicherung angelegt werden.

 

2.  der bisher zu diesem Zweck aufgelegte Versorgungsfonds nicht weiter aufgefüllt wird und zur Abdeckung auftretender Spitzen bei Versorgungsaufwendungen für Beamtinnen und Beamte älterer Jahrgänge erhalten bleibt. Künftige Erträge sollen bis auf weiteres thesauriert werden.

 

Der Rat der Stadt Rheine beauftragt die Bürgermeisterin, entsprechend der vergaberechtlichen Vorschriften eine europaweite Ausschreibung vorzubereiten und durchzuführen.


Abstimmungsergebnis:           einstimmig bei 1 Stimmenthaltung