Beratungsergebnis: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 27, Nein: 15, Enthaltungen: 1

2:06:00

 

Herr Mollen erklärt, dass die SPD-Fraktion mit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung nicht einverstanden sei. Er bezieht sich auf die Aussage von Herrn Dr. Schulte-de Groot in der gestrigen Fraktionsvorsitzendenbesprechung, wonach aus Sicht der Verkehrsgesellschaft keine Bedenken gegen die Einführung des Sozialtickets bestünden. Vielmehr seien durch die Einführung des Sozialtickets eine größere Auslastung der StadtBusse sowie zusätzliche Einnahmen zu erreichen.

Insofern sei er sehr überrascht gewesen, dass der Tagesordnungspunkt in der Aufsichtsratssitzung der Verkehrsgesellschaft am 7. Dezember 2012 von der Tagesordnung abgesetzt worden sei.

Ebenso sei es nicht nachvollziehbar, warum die Verwaltungsvorlage erst am letzten Wochenende im Ratsinformationssystem eingestellt worden sei. Somit sei kaum noch ein Spielraum für inhaltliche Diskussion gegeben, weil der Antrag auf Einführung des Sozialtickets bis zum 15. Dezember d. J. gestellt sein müsse.

 

Ferner bemängelt Herr Mollen, dass in der Verwaltungsvorlage im Wesentlichen die Argumentation des Kreises, der das Sozialticket abgelehnt habe, übernommen worden sei. Er gibt zu bedenken, dass die Stadt Greven das Sozialticket bereits eingeführt habe und die Stadt Ibbenbüren diesem Beispiel wahrscheinlich folgen werde.

 

Herr Mollen gibt zu bedenken, dass die Stadt Rheine seinerzeit einvernehmlich das Teilhabepaket genehmigt habe. Das Sozialticket sei im Grunde nichts anderes. Insofern könne er die Ablehnung des SPD-Antrages nicht nachvollziehen. Auch der Hinweis, dass das Sozialticket evtl. ab 2016 nicht mehr finanziert werden könne, sei für die SPD-Fraktion kein Ablehnungsgrund. Vielmehr ergebe sich aus dem Antrag der SPD-Fraktion, dass das Sozialticket ohnehin für 2 Jahre befristet eingeführt werden solle. Bis dahin hätten die Berechtigten die Möglichkeit, den Zuschuss für das Sozialticket zu bekommen.

Auch der Hinweis auf das Lohnabstandsgebot ziehe nach Meinung der SPD-Fraktion nicht, denn es handele sich hierbei nicht um ein Gesetz.

Darüber hinaus müsse bedacht werden, dass die Einführung des Sozialtickets eine erhebliche Subvention für den ÖPNV in Rheine sei.

Das in der gestrigen Fraktionsvorsitzendenbesprechung angesprochene rechtliche Probleme, nämlich die Festlegung der SGB-II-Empfänger und die Zuschusshöhe, könne auch kein K.-o.-Kriterium für die Einführung des Sozialtickets sein, denn diese Grundproblematik müsse auf anderer politischer Ebene diskutiert werden und dürfe nicht auf dem Rücken der Berechtigten ausgetragen werden.

 

Abschließend stellt Herr Mollen den Antrag, den Beschlussvorschlag der Verwaltung abzulehnen und dem Antrag der SPD-Fraktion auf Einführung des Sozialtickets zu folgen.

 

Herr Reiske führt aus, dass die Rheinenser auf ihre Stadt mit Recht stolz sein dürften, u. a. auch deswegen, weil man relativ weit in der Entwicklung der Stadt Rheine zur Klimakommune sei. Insbesondere sei Rheine im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energien stark. Probleme gebe es allerdings in der Verkehrspolitik, die bisher nicht hinreichend betrachtet worden seien. Aus Sicht des Klimaschutzes sei es nicht nachvollziehbar, warum die Verwaltung die Einführung des Sozialtickets ablehne. Mit der Einführung dieses Tickets würde die Verkehrsgesellschaft höhere Einnahmen erzielen und damit ihre wirtschaftliche Situation verbessern. Ferner würden mehr Menschen den ÖPNV nutzen, was doch das Ziel aller im Rat der Stadt vertretenen Fraktionen sei. Insofern bitte er die Verwaltung, ihre Bedenken zurückzustellen und die Vorteile des Sozialtickets mehr in den Vordergrund zu stellen.

An die Fraktionen plädiere Herr Reiske, den Antrag auf Einführung des Sozialtickets bis zum 15. Dezember 2012 zu stellen.

 

Herr Holtel erklärt, dass er, als er erstmals am 8. November 2012 im Aufsichtsrat vom Sozialticket gehört habe, der Einführung positiv gegenübergestanden habe. Nachdem er sich aber näher mit der Materie beschäftigt habe, habe er jedoch Bedenken bekommen. Nach seinen Informationen kämen in Rheine ca. 6.000 Personen für das Sozialticket infrage. Die Fördermittel würden aber nur für 600 Sozialtickets reichen. Insofern stelle sich die Frage, was mit den Antragstellern passiere, wenn die ersten 600 Sozialtickets vergeben seien. Die Vergabe könne nur nach dem sog. "Windhundverfahren" erfolgen, wogegen erhebliche rechtliche Bedenken bestünden. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Stadt Rheine bei der derzeitigen Haushaltssituation für die verbleibenden ca. 5.400 Berechtigten die Fördermittel übernehmen könne.

 

Ferner müsse berücksichtigt werden, dass auch einige derzeitige Busbenutzer bei Einführung auf das Sozialticket umsteigen würden. Durch diese Umschichtung würden der Verkehrsgesellschaft sicherlich finanzielle Einbußen entstehen. Auch müsse man die Auswirkungen berücksichtigen, wenn Bürger aus anderen Kommunen des Kreises aufgrund der Einführung des Sozialtickets nach Rheine ziehen würden. Im Gegensatz zur SPD-Fraktion sehe er auch die Auswirkungen aufgrund des Lohnabstandsgebotes. Daher lehne die FDP-Fraktion unter Berücksichtigung aller Faktoren die Einführung des Sozialtickets ab.

 

Herr Bonk schildert, dass auch die Vertreter der CDU-Fraktion im Aufsichtsrat der Stadtwerke der Einführung des Sozialtickets zunächst positiv gegenübergestanden hätten. Diese Einstellung habe sich jedoch durch die Vorlage der Verwaltung geändert, weil die Einführung des Sozialtickets erhebliche Risiken für die Stadt Rheine beinhalten würde. Herr Bonk gibt zu bedenken, dass ca. 6.100 berechtigte Personen in Rheine wohnen, die Fördermittel aber nur für ca. 10 % reichen würden. Im Ergebnis hätte dieses zufolge, dass diejenigen, die als erste den Antrag stellen würden, das Sozialticket erhalten würden. Hiergegen bestünden erhebliche rechtliche Bedenken, denn alle Berechtigten müsse das Sozialticket angeboten werden. Dieses sei auch der Hauptgrund gewesen, weshalb in der Aufsichtsratssitzung die Vorlage zurückgezogen worden sei.

 

Wie sich aus der Vorlage ergebe, habe das Land auch mitgeteilt, dass, je mehr Kommunen das Sozialticket einführen würden, sich die Fördersumme für die einzelnen Kommunen entsprechend verringern würde. Das bedeute, dass noch weniger Anspruchsberechtigte ihr Ticket gefördert bekämen. Auch dürfe der Verwaltungsaufwand bei der Einführung des Sozialtickets nicht außer Acht gelassen werden, denn dieser sei nicht förderungswürdig.

Herr Bonk kann sich nicht vorstellen, dass, falls das Land ab 2016 keine Fördermittel mehr zur Verfügung stelle, die Stadt das bereits eingeführte Sozialticket wieder abschaffen werde. In diesem Falle müsse die Stadt zusätzlich mit Kosten in Höhe von 200.000,00 € jährlich rechnen.

Auch das Lohnabstandsgesetz sei nicht nur für den Kreis, sondern auch für die CDU-Fraktion ein wesentliches Kriterium für die Ablehnung der Einführung des Sozialtickets, denn es könne nicht sein, dass ein Hartz-IV-Empfänger das Ticket bekomme und es bei einem Niedriglohnempfänger auf vergleichbarem Lohnniveau abgelehnt werde.

Unter all diesen Aspekten komme die CDU-Fraktion zu dem Ergebnis, dem Beschlussvorschlag der Verwaltung heute zuzustimmen.

 

Herr Weßling bezieht sich auf die Ausführungen von Herrn Holtel und Herrn Bonk und stellt fest, dass es bei beiden Fraktionen erhebliche Informationsdefizite gebe. Die Bedenken von Herrn Holtel, dass bei Einführung des Sozialtickets in Rheine weitere Sozialhilfeempfänger aus dem Kreisgebiet nach Rheine ziehen könnten, sei nicht nachvollziehbar. Diese Bedenken wären erst gar nicht entstanden, wenn der Kreis seinerzeit kreiseinheitlich das Sozialticket eingeführt hätte. Auch glaube er nicht, dass es in Rheine 6.100 Berechtigte für ein Sozialticket gebe, denn diese Zahl müsse zunächst um die Kinder und Heranwachsenden bereinigt werden, die ja für ein Fun-Ticket infrage kämen. Andere Kommunen, die sich finanziell viel schlechter stehen würden als Rheine, hätten das Sozialticket schon eingeführt. In diesen Kommunen betrage die Akzeptanz nur 6 bis 8 %, sodass die Fördergelder des Landes völlig ausreichend seien. Bisher habe keine dieser Kommunen finanzielle Aufwendungen für das Sozialticket tragen müssen. Im Übrigen wolle das Land die Förderung auch über das Jahr 2015 hinaus fortsetzen in der Hoffnung, dass irgendwann der Bund als Träger der SGB-II-Leistungen diese übernehmen werde. Auch die Bedenken nach dem Lohnabstandsgebot kämen nicht zum Tragen, wenn sich CDU- und FDP-Fraktion auf Bundesebene endlich für die Einführung eines Mindestlohnes entscheiden würden.

 

Herr Ortel stellt klar, dass die Fraktion AfR den Antrag der SPD-Fraktion grundsätzlich für berechtigt halte, weil er in seiner Intention darauf abziele, für einen bedürftigen Personenkreis Unterstützung zu leisten. Wenn man aber alle Faktoren und Risiken ernst nehme, könne man diese Auffassung mit gutem Gewissen nicht mehr vertreten. Gerade die von Herrn Dr. Schulte-de Groot dargelegten rechtlichen Bedenken seien so gravierend, dass sie zum Umdenken in seiner Fraktion geführt hätten. Auch wenn es gut gemeint sei, könne die Stadt Rheine in ihrer finanziellen Situation nach außen nicht den Eindruck erwecken, dass sie bei diesen Risiken evtl. freiwillige Leistungen auf Dauer übernehme. Insofern lehne seine Fraktion den Antrag der SPD-Fraktion auf Einführung des Sozialtickets in Rheine ab.

 

Im Rahmen der sich anschließenden kontroversen Diskussion, an der sich die Herren Reiske, Brauer, Mollen, Stefan Gude, Ortel, Berardis und Weßling beteiligen, bittet Frau Fehrmann die Verwaltung um Prüfung, welche Belastungen auf die Stadt Rheine bzw. den einzelnen Bürger zukämen, wenn die Benutzung des StadtBusses in Rheine für alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos wäre.

Auf ihre Frage, welche rechtliche Einschätzung Herr Dr. Schulte-de Groot in der gestrigen Fraktionsvorsitzendenbesprechung zur Einführung des Sozialtickets gegeben habe, antwortet Frau Dr. Kordfelder, dass er die rechtlichen Bedenken der Verwaltung geteilt habe.

 

Herr Kuhlmann weist nochmals auf die erheblichen rechtlichen Bedenken hin, die seitens der Verwaltung gegen die Einführung des Sozialtickets bestünden. Es gehe hierbei um eine Festbetragsförderung, die sich nach der Landeshaushaltsordnung richte. Diese richte sich wiederum nach einer Verwaltungsvereinbarung bzw. nach einer Verwaltungsregelung. Hierin heißt es, dass, wenn Maßnahmen gewährt würden und diese den rechtlichen Bestimmungen nicht entsprechen würden, eine Rückforderung erfolgen werde. In den Förderbedingungen würde unter Ziffer 2.2 der Gegenstand der Förderung beschrieben. Danach müssten die Leistungen mindestens allen Personen angeboten werden, die ALG II und Sozialgeld nach SGB II, Leistungen für Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsminderung sowie laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen des SGB XII beziehen würden. Hierauf könne man das sog. "Windhundprinzip" nicht anwenden, denn alle, die die Leistungen (Sozialticket) nicht bekämen, hätten gute Aussichten, ihre Ansprüche auf dem Rechtswege durchzusetzen. Da die Fördergelder des Landes in diesem Falle nicht erhöht würden, müsse die Stadt die hierfür benötigten zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen. Da dieses nach den Aussagen aller Fraktionen nicht gewollt und auch aus finanzieller Sicht nicht möglich sei, drohe dann auch noch die Rückforderung der bis dahin gewährten Landesmittel, da nicht allen Berechtigten das Sozialticket hätte ausgehändigt werden können.

 

Abschließend verweist Herr Kuhlmann auf § 28 Abs. 4 SGB XII, wo geregelt sei, dass ein arbeitender Mensch in Deutschland mehr Geld zur Verfügung haben müsse, als jemand, der seinen Lebensunterhalt nur mit staatlicher Hilfe bestreiten könne. Insofern finde das Lohnabstandsgebot auch in diesem Falle sehr wohl Anwendung. Daher könne er nur davor warnen, das Sozialticket in Rheine einzuführen und damit eine Leistung zu übernehmen, die eigentlich der Bund zu gewähren habe.

 

Danach lässt Frau Dr. Kordfelder über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, nämlich auf Einführung des Sozialticket entsprechend dem SPD-Antrag vom 30. Juni 2012, abstimmen.

 

Dieser Antrag wird mit 15 Ja-Stimmen, 27-Nein-Stimmen und bei einer Stimmenthaltung mehrheitlich abgelehnt.


Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Rheine lehnt den Antrag der SPD-Fraktion vom 30. Juni 2012 zur Einführung eines Sozialtickets im Gebiet der Stadt Rheine ab.


Abstimmungsergebnis:           27 Ja-Stimmen

                                             15 Nein-Stimmen

                                               1 Stimmenthaltung

 

Frau Dr. Kordfelder stellt abschließend fest, dass die Diskussionsbeiträge deutlich gemacht hätten, dass sich niemand die Entscheidung in dieser Angelegenheit leicht gemacht habe, zumal die Einführung des Sozialtickets grundsätzlich einen positiven Tenor habe. Sie gehe davon aus, dass kein Mitglied des Rates, das die Einführung des Sozialtickets abgelehnt habe, sich damit gegen die Zentralthemen des Rates gestellt habe, nämlich gegen die soziale Gerechtigkeit und gegen den Klimaschutz. Vielmehr sei die fehlende Schlüssigkeit des Gesamtpakets unter Würdigung der rechtlichen Konsequenzen entscheidend für die Ablehnung des SPD-Antrages gewesen.