Beratungsergebnis: geändert beschlossen

Abstimmung: Ja: 22, Nein: 17, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

0:06:40

 

Herr Brauer erklärt für die SPD-Fraktion, dass 24 Anträge von Bürgerinnen und Bürgern gemäß § 24 GO Grund der Beratung dieses Tagesordnungspunktes in der heutigen Ratssitzung seien. Er erinnert daran, dass in der Vergangenheit ein Vergabeverfahren für den ÖPNV in Rheine durchgeführt worden sei. Wenn dieses Verfahren nur einige Wochen später durchgeführt worden wäre, hätte der Kalkulation ein anderer Tarifvertrag zugrunde gelegt werden müssen.

Am 19. Juni 2015 habe das Arbeitsgericht Hamburg entschieden, dass ein Tarifvertrag ungültig sei, wenn weniger als 0,1 % der Beschäftigten in dieser Gewerkschaft organisiert seien. Seines Wissens sei bei den Rheiner Verkehrsbetrieben Mersch GmbH keine/r der Mitarbeiter(innen) in dieser Gewerkschaft organisiert, sodass der angewandte Tarifvertrag dort eigentlich gar keine Anwendung finden dürfte.

 

Um eine Tarifauseinandersetzung wie im Jahre 2002 zu verhindern, habe der Rat der Stadt heute die Möglichkeit, die Verkehrsgesellschaft der Stadt Rheine anzuweisen, den Tarifvertrag Nordrhein-Westfalen (TV-N) ab einem bestimmten Termin anzuwenden. Diese Möglichkeit habe sich seinerzeit auch die VSR vertraglich vorbehalten, sodass zu jeder Zeit die vertraglichen Verhandlungen mit den Rheiner Verkehrsbetrieben Mersch GmbH aufgenommen werden könnten. Die Anwendung des Tarifvertrages könne frühestens zum 1. Oktober 2015 erfolgen. Sicherlich würde die Anwendung dieses Tarifvertrages zu Mehrkosten bei der VSR führen. Trotzdem spreche sich die SPD-Fraktion für die Anwendung dieses Tarifvertrages aus, sodass er um Zustimmung zum Beschlussvorschlag der Verwaltung bitte.

 

Frau Dr. Kordfelder verweist auf die umfangreiche Vorlage und erinnert daran, dass die 24 Eingaben der Busfahrer(innen) gemäß § 24 GO dem Haupt- und Finanzausschuss in seiner Sitzung am 2. Juni vorgelegt worden seien. Der Haupt- und Finanzausschuss habe sich dafür ausgesprochen, die Rechtslage erneut zu prüfen und die Eingaben ggf. danach an die VSR weiterzuleiten.

Zwischenzeitlich sei dann der Antrag der SPD-Fraktion bei ihr eingegangen, den Punkt auf die Tagesordnung der heutigen Ratssitzung zu nehmen.

 

Herr Hachmann stellt klar, dass die CDU-Fraktion sich nicht für den Beschlussvorschlag der Verwaltung, sondern für den Alternativbeschlussvorschlag ausspreche, um den Aufsichtsrat der Verkehrsgesellschaft am Verfahren zu beteiligen. Er gibt ferner zu bedenken, dass der Rat der Stadt Rheine nicht der Arbeitgeber für die Busfahrer(innen) sei und sich insofern aus den tarifrechtlichen Auseinandersetzungen heraushalten sollte. Die vertragliche Regelung bezüglich der möglichen Anwendung der TV-N hätte seinerzeit andere Gründe gehabt, sodass man diese nicht als Begründung für die heute zu treffende Entscheidung heranziehen könnte. Die Anwendung des TV-N würde bei der Stadt Rheine zu Mehrausgaben von ca. 120.000 bis 150.000 € jährlich führen. Diese Mehraufwendungen seien mit dem vorgelegten Sparprogramm nicht in Einklang zu bringen, zumal die Stadt für diese Mehraufwendungen keine „Mehrleistung“ erhalte.

Insofern stelle sich für ihn auch die Frage, ob bei einer Zustimmung zum Beschlussvorschlag der Verwaltung die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet würden, um einen Verstoß gegen § 75 der Gemeindeordnung auszuschließen. Ein solcher Verstoß würde die persönliche Haftung eines jeden Ratsmitgliedes auslösen. Dazu sei er zumindest nicht bereit.

 

Herr Hachmann in diesem Zusammenhang auch an die Ablehnung der leistungsorientierten Bezahlung für die Beamten der Stadt Rheine sowie die abgelehnten Zusatzleistungen bei Niedriggehaltsgruppen der Technischen Betriebe.

 

Herr Grawe merkt eingangs an, dass er die Sachlage anders bewerte, als seine drei Fraktionskollegen, denn seines Erachtens lasse § 23 des Durchführungsvertrages die Möglichkeit zu, ab dem 1. Oktober 2015 den TV-N anzuwenden, um somit zu einer gerechten Besoldung der Busfahrer(innen) zu kommen. Insofern könne man diese Entscheidung nicht vergleichen mit der freiwilligen Leistung einer leistungsorientierten Bezahlung für Beamte.

Eine Verweisung der Angelegenheit an den Aufsichtsrat der VSR würde seines Erachtens nichts bringen. Vielmehr müsse in der heutigen Ratssitzung eine Entscheidung getroffen werden, zumal das Tariftreuegesetz vorschreibe, dass bei Aufträgen im Öffentlichen Personennahverkehr die Busfahrer(innen) nach dem TV-N bezahlt werden müssten. Da das Gesetz erst nach der Ausschreibung des Auftrages in Kraft getreten sei, sehe er sich auch schon aus Gründen der Gleichbehandlung mit Busfahrern in Münster und bei der LVM in der Pflicht, den TV-N anzuwenden. Das vom Rechtsamt der Stadt Rheine erstellte Rechtsgutachten sehe diesbezüglich auch keine rechtlichen Probleme.

 

Herr Brunsch spricht sich für den Alternativbeschlussvorschlag aus, damit aufgrund der von Herrn Hachmann dargelegten Risiken der Ratsmitglieder nochmals eine intensive rechtliche Beurteilung durch ein von der VSR in Auftrag zu gebendes Gutachten erfolgen könne.

 

Herr Brauer kann die Aussagen von Herrn Hachmann zu den rechtlichen Risiken nicht nachvollziehen, denn dann bestünde bei allen vom Rat beschlossenen freiwilligen Leistungen die persönliche Haftung der Ratsmitglieder.

Der Verweis dieser Angelegenheit an den Aufsichtsrat der VSR werde in diesem Falle zu keinem Ergebnis führen, denn der Aufsichtsrat habe bereits vor Jahren den Punkt von der Tagesordnung genommen und ihn an den Rat der Stadt Rheine als Aufgabenträger des ÖPNV verwiesen. Wenn die CDU-Fraktion den Tarifvertrag nicht anwenden wolle, dann solle sie auch den Mut haben, dieses heute zu sagen, denn der Aufsichtsrat der VSR werde sicherlich nicht die Anwendung des TV-N beschließen.

 

Herr Weßling gibt Herrn Hachmann zu bedenken, dass Voraussetzung für eine persönliche Haftung eine Veruntreuung sei. Dieser Fall liege bei der heute zu treffenden Entscheidung ganz sicher nicht vor. Ferner gibt er zu bedenken, dass, wenn sich die Politik nicht in die tarifrechtlichen Streitigkeiten eingemischt hätte, man in Deutschland heute noch nicht den Mindestlohn haben würde. Bei der heutigen Entscheidung gehe es um die gerechte und faire Entlohnung der Busfahrer(innen) für gute Arbeit. Insofern sei er erstaunt über die Auffassung der drei GRÜNEN, die nicht die Stellungnahme von Herrn Grawe teilen würden, denn die Bundesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN habe im Jahre 2009 beschlossen, gegen die sog. christlichen Gewerkschaften und deren Machenschaften vorgehen zu wollen. Insofern habe er das Gefühl, dass die GRÜNEN in Rheine sich von ihren eigenen Prinzipien bereits verabschiedet hätten.

 

Frau Floyd-Wenke hat kein Verständnis für die Argumentation von Herrn Hachmann bezüglich der Sparsamkeit aufgrund der finanziellen Situation der Stadt Rheine. Wenn die CDU-Fraktion mit diesem Argument die Anwendung des TV-N ablehne, müsse sie konsequenterweise auch alle anderen freiwilligen Leistungen ablehnen. Die Busfahrerinnen und Busfahrer hätten einen Anspruch auf faire Bezahlung.

 

Herr Ortel stimmt Frau Floyd-Wenke zu, dass die finanzielle Lage der Stadt in diesem Fall kein Entscheidungskriterium sein dürfe. Was zähle, sei die Rechtslage. Er erinnert daran, dass es seinerzeit bei der Beratung über die Anwendung des TV-N im Aufsichtsrat der Verkehrsgesellschaft einen Grund gegeben habe, diesem Beitritt nicht zuzustimmen. Es gebe nun mal unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dieser Thematik. Bei einem Verweis der Angelegenheit an den Aufsichtsrat der Verkehrsgesellschaft bestehe die Möglichkeit, die Rechtslage nochmals durch deren Fachanwälte überprüfen zu lassen. Insofern werde sich seine Fraktion für den Alternativbeschlussvorschlag entscheiden.

 

Herr Roscher verweist nochmals auf die von Herrn Brauer zitierte Entscheidung des Arbeitsgerichtes Hamburg, wonach der derzeit angewandte Tarifvertrag für die Busfahrer eigentlich gar keine Anwendung finden dürfe. Insofern sehe er heute den Rat in der Pflicht, die Klausel aus dem Durchführungsvertrag zur Anwendung des TV-N zu ziehen, um damit auch den Rheiner Verkehrsbetrieben und vor allem den Busfahrerinnen und Busfahrern die ihnen zustehende Wertschätzung zukommen zu lassen.

 

Herr Bems erinnert an die verantwortungsvolle Aufgabe der Busfahrer(innen), die für die Sicherheit vieler Bürgerinnen und Bürger in Rheine verantwortlich seien. Sie hätten ein Recht darauf, so bezahlt zu werden, dass sie ohne eine Nebentätigkeit ihre Familien ernähren könnten. Er appelliert an den Rat, aus Gründen der Wertschätzung gegenüber den Busfahrer(inne)n dem Beschlussvorschlag zuzustimmen.

 

Herr Hachmann bemängelt, dass die Vorlage der Verwaltung keine rechtliche Würdigung der Thematik enthalte. Das Mindeste, was die Ratsmitglieder heute verlangen könnten, sei eine klare Prüfung der Rechtslage. Dazu bedürfe es keines Beschlusses. Um hierüber Einvernehmen zu erzielen, bittet er um kurze Unterbrechung der Sitzung.

 

Frau Dr. Kordfelder bittet bei der Herstellung des Einvernehmens zu berücksichtigen, dass nach dem von der städtischen Rechtsabteilung erstellten Rechtsgutachten der Verkehrsdurchführungsvertrag einen Baustein enthalte, der die Option zur Zahlung der erhöhten Vergütung nach TV-N erstmals ab Oktober 2015 vorsehe. Dieser Baustein sei die Grundlage für den heutigen Tagesordnungspunkt. Man könne darüber streiten, ob das „Ziehen“ dieser Option überhaupt eine erneute freiwillige Leistung im Rechtssinne darstelle, denn der Baustein im Verkehrsdurchführungsvertrag sei immanet. Die Rechtsabteilung vertrete jedenfalls diese Auffassung, wohlwissend, dass diese auch anders vertretbar sei. Fakt dürfe jedenfalls sein, dass bei einer entsprechenden erneuten politischen Willensbildung diese Option gezogen werden könne.

Eine strafrechtliche Relevanz sehe sie hierbei nicht.

 

Herr Cosse erwähnt in diesem Zusammenhang, dass nach dem derzeit angewandten Tarifvertrag von den Busfahrern pro Krankheitstag eine Reduzierung des Weihnachtsgeldes von 15 € hingenommen werden müsse. Eine solche Regelung sei für ihn nicht akzeptabel.

 

Anschließend unterbricht Frau Dr. Kordfelder um 17:40 Uhr die Ratssitzung auf Antrag der CDU-Fraktion und eröffnet sie wieder um 17:52 Uhr.

 

Herr Hachmann berichtet, dass die CDU-Fraktion die Angelegenheit nochmals beraten habe. Sie bleibe aufgrund der rechtlichen Bedenken bei ihrem Antrag, dem Alternativbeschlussvorschlag zuzustimmen.

 

Herr Grawe hat das Gefühl, dass seitens der CDU auf Zeit gesetzt werde. Wenn es doch eine Option im Verkehrsdurchführungsvertrag gebe, dann stelle sich für ihn die Frage, warum man sich so vehement dagegen wehre, diese Option zu ziehen. Insofern wäre es ehrlicher, wenn die CDU-Fraktion gleich sage, den TV-N für die Busfahrer nicht beschließen zu wollen.

 

Frau Dr. Kordfelder erklärt, dass die Verwaltung der Verkehrsgesellschaft ihre rechtlichen Gutachten zur Verfügung stellen werde, damit sie der Vorlage für den Aufsichtsrat beigefügt werden könnten.

 

Sie stellt anschließend den von der CDU-Fraktion beantragten Alternativbeschlussvorschlag zur Abstimmung.


Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Rheine verweist die 24 Eingaben nach § 24 GO NRW an die Verkehrsgesellschaft der Stadt Rheine mbH mit der Bitte um Prüfung, ob eine inhaltliche Empfehlung des Aufsichtsrates der VSR an den Rat der Stadt Rheine erfolgt.

Wenn eine Empfehlung des Aufsichtsrates der VSR an den Rat erfolgt, gemäß § 23 Abs. 1 des Verkehrsdurchführungsvertrages zwischen der VSR und der Firma Mersch die Anwendung des TV-N NW bei der Beauftragung der Verkehrsleistungen zu verlangen, wird die Empfehlung erneut im Rat beraten.


Abstimmungsergebnis:           22 Ja-Stimmen

                                             17 Nein-Stimmen