Beratungsergebnis: geändert beschlossen

I/B/1120

 

Frau Dr. Kordfelder begrüßt zu diesem Tagesordnungspunkt Herrn Sparkassendirektor Tilly, der auf Wunsch der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für aufkommende Fragen zu diesem Tagesordnungspunkt zur Verfügung stehe.

 

Ferner weist Frau Dr. Kordfelder darauf hin, dass die Verwaltung sich heute Morgen mit dem Kreis Steinfurt in Verbindung gesetzt habe, um sich über die gestrige Diskussion im Kreistag zu dem gleichen Thema zu erkundigen. Der Kreistag habe eine einstimmige Entscheidung in dieser Angelegenheit auf der Grundlage der Position der 5 Spitzenverbände gefasst. Sie schlägt vor, in der heutigen Ratssitzung ebenso zu verfahren, um eine Konsenslösung zu erreichen. Sie verteilt dazu die Unterlagen des Kreistages an die Fraktionsvorsitzenden.

 

Anschließend erläutert Herr Roscher den der Vorlage beigefügten Antrag der SPD-Fraktion. Er erklärt sich mit dem Vorschlag von Frau Dr. Kordfelder grundsätzlich einverstanden und bittet darum, vor einer Abstimmung darüber, die Sitzung kurz zu unterbrechen, um fraktionsintern hierüber Einvernehmen zu erzielen.

 

Herr Niehues erklärt, die CDU-Fraktion werde dem Resolutionsantrag der SPD-Fraktion nicht zustimmen können, weil die darin vorgetragenen Argumente mit dem Gesetzesentwurf der Landesregierung nichts zu tun hätten und auch nicht deckungsgleich seien mit der Haltung der Sparkassenverbände und der kommunalen Spitzenverbände. Allerdings sei die CDU-Fraktion gesprächsbereit über die Stellungnahmen dieser Verbände, wobei aber einige der darin verwandten Formulierungen kritisch zu hinterfragen seien.

 

Nach dem Gesetzentwurf sei nicht beabsichtigt, die Sparkassen zu privatisieren, denn das Land habe ein klares Bekenntnis zu den öffentlichen Strukturen der Sparkassen und zu deren öffentlichem Auftrag abgelegt. Die Privatisierung werde auch nicht durch die Schaffung von Trägerkapital herbeigeführt. Dieses könne zwar individuell und freiwillig von den Sparkassen geregelt werden; die Entscheidung hierüber müssten aber die Eigentümer und der Verwaltungsvorstand der jeweiligen Sparkasse treffen.

Bezüglich der Ausschüttung von Geldern zugunsten sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Zwecke sei es schon verblüffend, wie wenig Vertrauen die SPD zu den Gemeinde- und Stadträten habe. Sie unterstelle diesen, dass sie nicht in der Lage seien, die von der Sparkasse auszuschüttenden Gelder im Sinne der Gemeinnützigkeit und des Gemeinwohls einzusetzen, obwohl dieses alles in einer Satzung geregelt werde.

 

Auch die Verbundzusammenarbeit zwischen Sparkassen, Sparkassenverbänden und der WestLB solle wie bisher auf freiwilliger Basis erfolgen. Der Gesetzesentwurf enthalte keine Regelungen für einen gesetzlichen Zwang. Vielmehr sei vom Gebot der freiwilligen Zusammenarbeit die Rede, deren inhaltliche Ausgestaltung allein von den Vertragsparteien zu regeln sei.

Sollte es eines Tages zu Veränderungen auf der Ebene der Landesbanken kommen, was sich inzwischen abzeichne, dann entfalle diese Verbundstruktur, so wie sie bislang schon vereinbart sei. Diese vertikalen Strukturen zwischen Landesbanken und Sparkassen gebe es heute auch schon in anderen Bundesländern, sodass er sich frage, warum diese Möglichkeit von den hiesigen Sparkassenverbänden so problematisiert werde.

 

Zur Situation der WestLB führt Herr Niehues aus, dass diese in den letzten Jahren ein hochspekulatives Geschäftsmodell betrieben hätte, an dem die Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen und vor allem das Spitzenpersonal der Sparkassenverbände einen erheblichen Anteil gehabt hätten. Seit 2004 würden beide Sparkassenverbände über die absolute Mehrheit der Geschäftsanteile an der WestLB verfügen, die seit dieser Zeit nicht mehr als Anstalt des öffentlichen Rechts, sondern als AG betrieben werde. Der damals von den Sparkassenverbänden ausgesuchte Vorstandsvorsitzende, Herr Fischer, komme aus dem Geschäftsbereich des internationalen Kapitalmarktes bei der Deutschen Bank. Die Sparkassenverbände hätten in 2004 mit den anderen Eigentümern und bedingt durch den Wegfall der sog. Gewährsträgerhaftung der WestLB ein Geschäftsmodell verordnet, in dem dem Vorstand die Erlaubnis für hochspekulative internationale Finanz- und Kapitalmarktgeschäfte gegeben worden sei.

Wenn nun durch diese Spekulationsgeschäfte die WestLB erneut in eine Schieflage gekommen sei, dann dürfe man nicht nur die Verantwortung bei den Vorstandsmitgliedern, sondern auch bei den Spitzen der Sparkassenverbände suchen. Diese hätten in den Gremien der Bank jämmerlich versagt, weil sie wahrscheinlich überfordert gewesen seien. Es schmerze natürlich, wenn nunmehr das Land einen großen Risikoschirm über der WestLB aufspanne und die Sparkassen über ihre Verbände Eigenkapital nachschießen müssten. Wenn demnächst auch die WestLB unter den Bundessicherheitsschirm gestellt werde, dann werde auch für die WestLB-Vorstände die Regelung über die Managergehälter gelten. Es bleibe abzuwarten, ob es dann auch die Eingrenzung der Managergehälter auf der Ebene der Sparkassenverbände und der Sparkassenvorstände geben werde.

 

Unabhängig von den noch vorhandenen Streitpunkten sei eine Änderung des Sparkassengesetzes prinzipiell notwendig. Das neue Gesetz werde allein schon deswegen benötigt, weil die EU eine entsprechende Harmonisierung der Gesetzgebung fordere und diese auch aus NKF-Gesichtspunkten erforderlich sei. Das Thema eigne sich für eine Diskussion auf kommunaler Ebene nur bedingt, denn er, Niehues, sei sich ziemlich sicher, dass sich von den hier anwesenden Personen nur sehr wenige mit dem Inhalt, der weiteren Ausgestaltung, den Chancen und Risiken des Gesetzes befasst hätten. Die CDU-Fraktion sei gerne bereit, einen Beschluss zu fassen, der dann aber auf dem Modell der Sparkassenverbände und der Spitzenverbände basieren müsse, obwohl auch von diesen Verbänden nicht alles bedacht und berücksichtigt worden sei.

 

Frau Dr. Kordfelder appelliert nochmals an die Fraktionen, bestrebt zu sein, in dieser Angelegenheit eine Konsenslösung zu finden, was auch Herr Niehues im letzten Teil seiner Ausführungen signalisiert habe. Sie gibt zu bedenken, dass in den 5 Spitzenverbänden Experten vertreten seien, die an deren Stellungnahme mitgearbeitet hätten. Auch hätten die Ratsmitglieder die Möglichkeit gehabt, sich vor der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 19. August 2008 durch Herrn Richerzhagen über die Chancen und Risiken eines neuen Sparkassengesetzes informieren zu lassen. Leider hätten die Vertreter der CDU- und FDP-Fraktion an dieser Informationsveranstaltung nicht teilgenommen, sodass es aus ihrer Sicht schon problematisch sei, wenn dann von dort behauptet werde, dass sich nur sehr wenige der hier Anwesenden mit dem Thema beschäftigt hätten.

 

Anschließend verliest Frau Dr. Kordfelder ein Zitat aus der Stellungnahme der 5 Spitzenverbände, in der es heiße:

 

          „Wir halten es nicht nur den Sparkassen und ihren Trägern, sondern insbesondere auch den mehr als 60.000 Mitarbeitern und Millionen von Kunden der Sparkassen gegenüber für kaum verantwortbar, in einer Phase völliger Unklarheit über den weiteren Weg der WestLB AG gesetzliche Fakten zu schaffen, deren Auswirkungen unüberschaubar sind und die je nach Ausgang des Beihilfeverfahrens auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können.“

 

Frau Dr. Kordfelder vertritt abschließend die Meinung, dass die Kommunen sich in ihrer Gesamtverantwortung in einer Zeit, wo sich die Situation durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise noch verschärfe, positionieren müssten.

 

Zum Antrag von Herrn Reiske, Herrn Tilly die Möglichkeit einzuräumen, zu bestehenden Fragen aus seiner Sicht Stellung zu beziehen, besteht im Rat Einvernehmen.

 

Herr Reiske stellt folgende Fragen:

 

1.   Ist mit dem Entwurf des neuen Sparkassengesetzes NRW die Privatisierung völlig ausgeschlossen?

 

2.   Kann die Bildung von Trägerkapital zur Privatisierung führen?

 

3.   Gibt der Entwurf des neuen Sparkassengesetzes NRW der WestLB die Möglichkeit, in Geschäftsfelder der örtlichen Sparkassen einzudringen?

 

4.   Wird möglicherweise die derzeitige Weltwirtschafts- und Finanzkrise dazu führen, dass Positionen der EU und möglicherweise auch des Finanzministers NRW sich ändern?

 

Herr Hemelt möchte wissen, ob und in welchen Punkten Unterschiede zwischen dem Resolutionsantrag der SPD-Fraktion und dem gestrigen Beschluss des Kreistages zum Entwurf des Sparkassengesetzes NRW bestünden.

 

Zu den beiden ersten Fragen von Herrn Reiske führt Herr Tilly in Ergänzung zu den Ausführungen von Herrn Niehues aus, dass man aus den Diskussionen über das WFA-Kapital und der Gewährträgerhaftung/Anstaltslast wisse, dass über die EU in den zurückliegenden Jahren wesentlich Einfluss auf das Sparkassenrecht in Deutschland und damit auch in NRW genommen worden sei. Die Änderung des Sparkassengesetzes in der zz. bekannten Fassung beinhalte schon gewisse Gefahren, die zu beachten seien. So würden sich die Sparkassen im Wettbewerb mit den privaten Banken – nicht den Volksbanken – befinden, in dem diese immer wieder die Chancen und Möglichkeiten nutzen würden, über die EU Sparkassen aus dem Wettbewerb auszuschalten und Versuche für eine Privatisierung unternehmen würden. Der derzeitige Entwurf des neuen Sparkassengesetzes biete durchaus Angriffspunkte für die Zukunft. Die Thematik um das Trägerkapital und um die Aufgabenstellung der WestLB würden durchaus Hebel für das private Bankgewerbe bieten, die man heute noch nicht abschätzen könne. Ob dann tatsächlich über diese Schiene Privatisierungstendenzen eintreten würden, bleibe abzuwarten. Die Gesetzesvorgaben an sich würden, wie Herr Niehues es bereits erklärt habe, nicht automatisch eine Privatisierung oder die Gefahr der Privatisierung beinhalten.

 

Zur dritten Frage von Herrn Reiske führt Herr Tilly aus, dass sich aus dem ihm bekannten Text des Gesetzesentwurfes nicht direkt die Möglichkeit für die WestLB ergebe, auf die Geschäftsfelder der örtlichen Sparkassen Einfluss zu nehmen, wohl aber aus der Anwendung bestimmter Themenkreise. Wenn z. B. im Einzelfall die WestLB AG eine Sparkasse öffentlichen Rechts übernehmen könne, dann sei der Einfluss auf das Geschäft der Sparkassen vorprogrammiert. Wenn nach dem derzeit bekannten Gesetzesentwurf eine Zusammenarbeit zwischen Sparkassen und WestLB vorgesehen sei, dann könne diese Einfluss auf das ursächliche Sparkassengeschäft nehmen.

 

Auch zur vierten Frage von Herrn Reiske schließt Herr Tilly nicht aus, dass sich die derzeitige Finanzkrise auf die Positionen der EU und des Finanzministers auswirken könnte. Man befinde sich in einem Findungsprozess, in dem man die Auswirkungen für die Sparkassen noch nicht absehen könne. In den letzten beiden Tagen sei bekannt geworden, dass die WestLB sich Gedanken über eine Aufteilung der Bank mache, in dem die Kapitalmarktaktivitäten in die DEKA ausgelagert werden sollten und die Aktivitäten des sparkassennahen Bereiches in dem anderen Teil der Bank verbleiben sollten. Für ihn stelle sich dabei die Frage, was man mit einer Teilbank wolle, die gerade in dem sparkassengeschäftlichen Bereich unterwegs gewesen sei. Auch hierbei schließe er Auswirkungen, die vielleicht intern schon diskutiert würden, nicht aus.

 

Auf die von Herrn Hemelt gestellte Frage eingehend, meint Herr Tilly, dass man den Resolutionsantrag der SPD-Fraktion mit dem Papier der 5 Spitzenverbände so ohne Weiteres nicht vergleichen könne. Dieses könne nur anhand einer Synopse beantwortet werden. Vom Grundsatz her gebe es eine große Übereinstimmung zwischen dem SPD-Antrag und den Vorschlägen der Spitzenverbände. Allerdings würde er bei dem einen oder anderen Punkt der Resolution noch etwas konkreter werden.

 

Abschließend stellt Herr Tilly fest, dass der Verwaltungsrat und der Rat der Stadt Rheine bei der Ausschüttung von Finanzmitteln immer im Sinne und zur Stärkung des Unternehmens gehandelt hätten. Er sehe keinen Anlass, warum dieses in Zukunft geändert werden sollte.

Zu dem beabsichtigten Ausbau des Kreditausschusses zu einem Risikoausschuss merkt er an, dass man diesen Ausschuss auch künftig als eigenständiges Organ beibehalten sollte, denn ansonsten wäre es nicht nachvollziehbar, warum man diesem Gremium mehr Verantwortung und Kompetenzen zuschreiben wolle.

 

Frau Dr. Kordfelder bedankt sich bei Herrn Tilly für dessen Ausführungen. Sie unterstützt diese insbesondere hinsichtlich der Ausschüttung von Finanzmitteln, denn hierbei sei in der Vergangenheit immer sachlich, souverän und angemessen gehandelt worden. Wenn die Entwicklung aber so weitergehe, bräuchte man sich künftig hierüber keine Gedanken mehr zu machen. Das treffe schon für dieses Jahr zu, denn es sei nicht mit einer Ausschüttung zu rechnen, weil die Sparkasse zunehmend zur Rettung der WestLB und zur Ergänzung des Bundesrisikoschirmes in Anspruch genommen werde.

Da irgendwann die derzeit handelnden Personen wechseln würden und die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der WestLB und den Sparkassen in einem Finanzverbund als gesetzlich verpflichtend vorgesehen sei, tue man gut daran, die Dinge schnellstmöglich rechtlich abzusichern, bevor man später nachbessern müsse.

 

Um 18:45 Uhr unterbricht Frau Dr. Kordfelder die Sitzung für 10 Minuten, damit nach fraktionsinterner Beratung eine interfraktionelle Konsenslösung erarbeitet werden könne.

 

Nach der Sitzungsunterbrechung zieht Herr Roscher den SPD-Antrag auf Erlass einer Resolution zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Sparkassengesetzes NRW zurück, wenn der gemeinsam erarbeitete Kompromissvorschlag, die Empfehlungen der Spitzenverbände bei den abschließenden Beratungen des Sparkassengesetzes als Entscheidungshilfe zu berücksichtigen, beschlossen werde.


Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Rheine spricht sich dafür aus, die Empfehlungen der Spitzenverbände bei den abschließenden Beratungen des Sparkassengesetzes als wichtige Entscheidungshilfe zu berücksichtigen.


Abstimmungsergebnis:           einstimmig bei 1 Stimmenthaltung