Beratungsergebnis: einstimmig beschlossen

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.     Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen zum Projekt Frühe Hilfen - Frühwarnsystem  zur Kenntnis.

 

2.     Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die Verwaltung des Jugendamtes, die notwendigen Beschlüsse zur personellen Absicherung des Projektes Frühe Hilfen für den Stellenplan 2009 für den Fachbereich Jugend, Familie und Soziales/Jugendamt vorzubereiten.

 


Begründung:

Der Jugendhilfeausschuss der Stadt Rheine hat zuletzt auf Grundlage einer ausführlichen Verwaltungsvorlage das Projekt Frühe Hilfen – Frühwarnsystem in seiner Sitzung am 17. April 2008 beraten.

In der Vorlage 184/08 ist folgender Sachstand mitgeteilt worden:

 

1         Projekte

 

   In der Stadt Rheine hat sich ein Arbeitskreis Kinder und Jugendgesundheit unter der Federführung des Gesundheitsamtes etabliert.

      Eine Unterarbeitsgruppe wird sich mit dem Thema Frühwarnsystem/§ 8 a SGB VIII beschäftigen. Dabei wird es insbesondere um die in der Vorlage 342/07 aufgeworfenen Fragestellungen gehen.

 

      Wie arbeiten die unterschiedlichen Institutionen?

      Welche Zugänge gibt es?

      Wie sehen die unterschiedlichen Finanzierungen aus?

      Wie können verbindliche Arbeitsabsprachen getroffen werden?

 

 

    Der Deutsche Kinderschutzbund hat ein Fortbildungskonzept für Hebammen entwickelt.

      Es kann zeitnah umgesetzt werden. Die Akquise für diese Fortbildung ist angelaufen.

 

   In Absprache mit der Stadt Rheine bietet die Beratungsstelle für junge Schwangere des Caritasverbandes eine offene Hebammensprechstunde an, um schon vorgeburtlich niedrigschwellige Kontakte zwischen den Müttern und den Hebammen herstellen zu können.

 

   Die Drogenberatungsstelle bietet eine Gruppe für Mütter mit Drogenerfahrungen als Selbsthilfegruppe an. Die Kinder sind derzeit zwischen 6 Monaten und 11 Jahren. Die Gruppe trifft sich 2-mal monatlich. Eine Kinderbetreuung ist sichergestellt.

 

 

      Verwendung der Landesmittel

 

      Ende des Jahres 2007 sind dem Jugendamt einmalig 5.400 € seitens der Landesregierung für die Entwicklung „Frühe Hilfen für Familien“ zur Verfügung gestellt worden. Diese Mittel sind an den Caritasverband, den Deutschen Kinderschutzbund und an die Drogenberatungsstelle für o. g. Projekte weitergeleitet worden.
Das Land NRW hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine einmalige Zuwendung handelt.
Darüber hinausgehende Förderzusagen des Landes sind der Verwaltung nicht bekannt.
Das Land plant zwar im Rahmen des Aktionsprogramms „Frühe Hilfen“ zum Beispiel die flächendeckende Einführung eines Elternbegleitbuches analog des sog. Dormagener Modells, Zusagen an die örtlichen Jugendämter sind jedoch noch nicht konkret gemacht worden.

 

 

      Ausblick

 

      Die Präventionsprojekte sind unter Punkt 1 schon erwähnt. Darüber hinaus sind mittlerweile mit fast allen Tageseinrichtungen für Kinder Vereinbarungen nach § 8 a SGB VIII abgeschlossen worden.
Auch mit einem Großteil der Anbieter der Hilfen zur Erziehung existieren gleichlautende Vereinbarungen.
Durch regelmäßige Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der Rheiner Grundschulen und durch verbindliche Absprachen mit den Schulen in Rheine soll eine hohe Verlässlichkeit der Kooperation im Sinne des Kinderschutzes entwickelt werden.

 

      Für den Bereich der 0 bis 3-Jährigen soll gemeinsam auf Anregung der in Rheine tätigen Hebammen eine Kurzbroschüre erstellt werden, aus der die Mütter Hilfeadressen entnehmen können. Diese Informationsbroschüre wollen die Hebammen gezielt einsetzen.
Sollte seitens des Landes die flächendeckende Einführung des Elternbegleitbuches (doch noch) gefördert werden, sollte dieses bei der Entwicklung und Verteilung der Broschüre berücksichtigt werden.

 

 

2         Weitere Entwicklung

 

Als Weiterentwicklung ist zu diesem Zeitpunkt festzuhalten, dass die Fortbildung für die Hebammen im August 2008 stattgefunden hat. Es haben an dieser Fortbildung über 20 Hebammen aus Rheine und der Umgebung teilgenommen. Diese Fortbildung wurde seitens des Gesundheitsamtes als anerkennungsfähig für die Fortbildungsverpflichtung der Hebammen eingestuft.

 

Daneben ist gemeinsam mit dem Arbeitskreis der Hebammen, dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Jugendamt ein Info-Flyer entwickelt worden (s. Anlage 1).

 

Dieser Flyer soll gezielt durch Kinderärzte, Frauenärzte, Hebammen und Institutionen an junge Eltern verteilt werden.

 

Mitte Oktober ist der Verwaltung ein Ansichtsexemplar des von der Landesregierung konzipierten Elternbegleitbuches  „Kinder ganz stark“ zur Verfügung gestellt worden.

 

Das Elternbegleitbuch besteht aus einem Landesteil und einem kommunalen Teil. Der Landesteil enthält allgemeine Informationen über Regelungen und Angebote auf Landes- und Bundesebene.

 

Seit dem 3. November steht der Verwaltung ein Online-Baukasten zur Verfügung, um die kommunalen Angebote zusammenzustellen.

 

Die Verwaltung geht zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass im I. Quartal 2009 mit der Verteilung des Elternbegleitbuches begonnen werden könnte. Personelle Ressourcen stehen für diese Aufgaben nicht zur Verfügung. Bezüglich der Verteilung des Elternbegleitbuches sind erste Gespräche mit dem Arbeitskreis der Hebammen geführt worden.

Der Ausschuss wird zeitnah informiert werden.

 

Wie sich das Projekt Frühe Hilfen – Frühwarnsystem in Rheine darstellt, ist an der unten stehenden Skizze ablesbar.

 

 

3         Auswirkungen auf die Personalentwicklung;

 

3.1       Aufgabenerledigung im Allgemeinen Sozialen Dienst

 

In den Sitzungen des Jugendhilfeausschusses, zuletzt in der Sitzung des JHA am 18. September 2008, ist vom JHA die Frage nach der personellen Ausstattung und der Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASD gestellt worden.

 

Wie in der Vorlage zur Entfristung der Stellen im Projekt Vollzeitpflege/Verselbst­ständigung/Reintegration dargelegt, sind die Fallzahlen im Bereich der Hilfen zur Erziehung in den letzten Jahren massiv angestiegen.

 

Insbesondere in den Bereichen der Sozialpädagogischen Familienhilfe, der Erziehungsbeistandschaft und der Vollzeitpflege haben sich die Hilfeangebote teilweise vervielfacht.

 

Daneben ist zu erkennen, dass durch gesetzliche Veränderungen im Familienrecht zusätzliche Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ASD gestellt werden.

 

Hier sind insbesondere Gesetzesnovellierungen zu erwähnen:

 

   Der § 1666 BGB hat erweiterte Merkmale und Maßnahmen zur Überprüfung und Abwendung von Kindeswohlgefährdungen aufgenommen, die zu zusätzlichen Anfragen und Hilfeverpflichtungen führen, z. B. Maßnahmen zur Erfüllung der Schulpflicht

 

§ 1666 BGB
Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

 

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

 

1.

Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,

 

2.

Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zusorgen,

 

3.

Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,

 

4.

Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,

 

5.

die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,

 

6.

die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

 

    Im Bereich des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit ist mit § 50 e FGG das sogenannte Beschleunigungsgebot eingeführt worden, daneben sieht der § 50 f als ebenfalls neue Vorschrift eine frühzeitige Erörterung zur Behebung von gefährdenden Umständen vor. Sowohl das Beschleunigungsgebot als auch die Erörterung haben unmittelbare Auswirkungen auf die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ASD, da sie an den zusätzlichen Erörterungen vor Gericht teilnehmen müssen. Neben der Teilnahme sind auch zusätzliche Ermittlungen und Gespräche mit den Betroffenen zu führen, um sachgerecht der Ladung nachkommen zu können.

 

 

§ 50 e

(1) Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.

(3) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen.

(4) In Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls hat das Gericht unverzüglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen.

 

§ 50 f

(1) In Verfahren nach den §§ 1666, 1666 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll das Gericht mit den Eltern und in geeigneten Fällen auch mit dem Kind erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls begegnet werden kann, insbesondere durch öffentliche Hilfen, und welche Folgen die Nichtannahme notwendiger Hilfen haben kann.

(2) Das Gericht hat das persönliche Erscheinen der Eltern anzuordnen und soll das Jugendamt zu dem Termin laden. Das Gericht führt die Erörterung in Abwesenheit eines Elternteils durch, wenn dies zum Schutz eines Beteiligten oder aus anderen Gründen erforderlich ist.

 

Neben diesen gesetzlichen Veränderungen führen jedoch auch die Bemühungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes im Bereich der Frühen Hilfen zu verstärkten Nachfragen nach Unterstützung durch das Jugendamt.

 

Ebenso werden weiterhin verstärkt Hinweise von Schulen, Tageseinrichtungen für Kinder, Nachbarn und Verwandte entgegengenommen, die von besorgniserregenden Entwicklungen von Säuglingen, Kleinkindern und Kindern berichten.

 

Sowohl die zusätzlichen Anfragen nach Unterstützung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung als auch insbesondere die Mitteilungen über Misshandlungen, Missbrauch und Vernachlässigungen führen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ASD zu sehr hohen Arbeitsbelastungen.

 

 

3.2      Folgen auf die personelle Ressource

 

Derzeit sind im ASD der Stadt Rheine 10 Personen auf 8 Vollzeitstellen beschäftigt.

 

Von den Mitarbeitern im ASD werden aktuell 495 Hilfen in den Bereichen der Hilfe zur Erziehung nach § 27 ff. SGB VIII, der Beteiligung im Familiengerichtlichen Verfahren nach § 50 SGB VIII, der Beratung in Fragen von Partnerschaft, Trennung und Scheidung nach § 17 SGB VIII, Probleme im Bereich der Umgangsregelung nach § 18 SGB VIII und in allgemeinen Fragen der Erziehung als Vorberatung zu einer Entscheidung über eine Hilfe zur Erziehung nach § 16 SGB VIII bearbeitet. Ebenso werden die Tätigkeiten im Rahmen des Wächteramtes nach Art. 6 GG und § 8 a SGB wahrgenommen.

Im Einzelnen stellt sich die Verteilung der aktuell laufenden Fälle wie folgt dar:

 

Hilfen nach § 27 ff. SGB VIII

219

Beratung nach § 17 SGB VIII inkl. § 50 SGBVIII

151

Beratung nach § 18 SGB VIII

46

Beratung nach § 16 SGB VIII

63

Wächteramt

12

Gesamt:

495

 

 

Dieses entspricht einer durchschnittlichen Fallzahlbelastung von 62 Fällen pro Vollzeitmitarbeiter.

 

Wie oben schon beschrieben, führt die gewünschte erhöhte Sensibilisierung von Institutionen und Personen zu weiterhin sehr vielen Hinweisen auf Anzeichen von Kindeswohlgefährdungen. Diesen Hinweisen wird seitens der Mitarbeiterinnen im ASD mit höchster Priorität und zeitnah nachgegangen.

 

Dabei ist zur Absicherung einer professionellen Abschätzung einer Situation und einer Gefährdungslage grundsätzlich im 4-Augenprinzip zu verfahren.

(„Im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte“ § 8 a SGB VIII)

 

Eine Alternative zu diesem 4-Augenprinzip wird aus fachlicher Sicht nicht gesehen.

 

Bei ca. 150 Meldungen im nun laufenden Jahr sind somit zumindest im Erstkontakt 2 Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter beteiligt.

 

Inklusive der Vor- und Nachbereitung eines Hausbesuches sind pro Einsatz mindestens 5 Stunden anzurechnen.

 

Auf ein Jahr hochgerechnet bedeutet dieses Vorgehen 2*150 Einsätze *5 Stunden = 1.500 Arbeitsstunden im Jahr alleine an Aufgaben im Rahmen der Erstkontakte bei Kindeswohlgefährdungen. Dieses entspricht ungefähr der Nettoarbeitszeit von 0,94    Vollzeitstellen.

 

Die hohe Fallbelastung mit den dazu gehörenden auch psychischen Belastungsspitzen führt jedoch dazu, dass dieses 4-Augenprinzip nicht mehr in jedem Einzelfall gewährleistet werden kann.

 

In der Wahrnehmung der Fachöffentlichkeit gibt es derzeit kaum ein Jugendamt, das sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob der ASD für die schwierigen und vielfältigen Aufgaben personell ausreichend ausgestattet ist.

 

Schon in dem Stimmungsbild der ASD in Westfalen-Lippe ist ausgeführt worden, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Allgemeinen Sozialen Diensten unter der zunehmenden Problemdichte, der immer größer werdenden Anfragen nach Hilfe zur Erziehung, der größer werdenden Anforderungen an die Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren und nicht zuletzt durch die immer größer werdende Zahl der Einsätze bei akuten Kindeswohlgefährdungen enorm belastet sind (s. Anlage zur Vorlage 339/08).

 

Die Stadt Bielefeld hat gemeinsam mit der kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement im Jahre 2007 einen Bericht mit dem Titel „Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen bei der Stadt Bielefeld – eine Risikoanalyse als konzeptionelles Steuerungsinstrument“ erstellt und veröffentlicht (Bericht Nr.12/2007).

 

Als Ziel dieses Berichtes wird unter anderem aufgeführt:

 

    Die vor Ort tätigen Jugendämter (oder Allgemeine Soziale Dienst – ASD) sollen über genügend Kapazitäten verfügen, um ihren Aufgaben sachgerecht nachzukommen.

 

      Es sollen innerorganisatorische Strukturen geschaffen werden, in denen kollegiale Beratung und ein offener Austausch der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich ist.

 

    Ein Organisationsverschulden der in der Kommune Verantwortlichen soll vermieden werden.

 

Innerhalb dieses Berichtes sind neben der quantitativen Fallzahlbelastung auch inhaltliche Aussagen bezüglich der Absicherung des Kindesschutzes in Bielefeld getätigt worden.

 

Letztlich wird im Ergebnis eine Fallzahlbelastung von 50 Fällen pro Vollzeitkraft zugrunde gelegt.

 

Bei derzeit 62 Fällen pro Vollzeitäquivalent liegt der Wert in Rheine weit höher, (24%) als in dem Bericht empfohlen wird.

 

Wie in den Zielsetzungen des Berichtes jedoch beschrieben wird, ist eine ausreichende Mitarbeiterressource unabdingbar notwendig, um den Kinderschutz ausreichend gewähren zu können.

 

Insofern ist eine ausreichende und professionelle Ausstattung des Jugendamtes von entscheidender Bedeutung, um ein Organisationsverschulden zu vermeiden.

Wenn aufgrund nicht ausreichender Personalausstattung Hinweisen auf Gefährdungen nicht rechtzeitig und mit der notwendigen Professionalität nachgegangen werden konnte, müsste mit strafrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden.

 

Aus fachlicher Sicht sieht die Verwaltung die Notwendigkeit, den Stellenplan im ASD um 1,5 Vollzeitstellen zu erweitern, um das 4-Augenprinzip absichern und eine fachlich fundierte Gefährdungsanalyse vornehmen zu können.

 

Bei dann 9,5 Stellen im ASD würde sich ein laufender Fallbestand von 52 Fällen pro Mitarbeiter ergeben.

 

 

3.3.1           Aufgabenbereich Bereitschaftspflege

 

In der Sitzung des JHA am 18. September 2008 ist angefragt worden, ob zusätzliche Personalressource im Projekt Reintegration/Verselbstständigung/Vollzeitpflege die erzielten „Einspareffekte“ verstärken könnten.

 

Aus der Verlaufsstatistik der Fallzahlen in der Vorlage Nr.339/08 ist deutlich ablesbar, wie sich die Vollzeitpflege in den letzten Jahren entwickelt hat.

Dabei konnte seit 2006 die Zahl der Kinder in Pflegefamilien von 92 auf 117 Kinder im Mai 2008 erhöht werden. Aktuell leben 121 Kinder in Pflegefamilien. Der überwiegende Anteil dieser Kinder ist dauerhaft in den Pflegefamilien untergebracht.

 

Neben den auf Dauer angelegten Vollzeitpflegen ist erkennbar, dass sich insbesondere in den Jahren 2006, 2007 und 2008 der Bedarf an zeitlich befristeter Vollzeitpflege für Kinder von 0 bis 10 Jahren erhöht hat.

 

Die zeitlich befristete Vollzeitpflege als Bereitschaftspflege dient in Krisensituationen und bei Inobhutnahme bei Maßnahmen im Zusammenhang des § 8 a SGB VIII bzw. im Rahmen des § 1666 BGB (s. o) als Möglichkeit, Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren kurzfristig in einer Familie unterzubringen. Es handelt sich hierbei um höchst belastete Säuglinge, Kleinstkinder und Kinder nach Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung.

 

Daneben wird die zeitlich befristete Vollzeitpflege in Anspruch genommen, wenn z. B. eine alleinerziehende Person einen Krankenhausaufenthalt oder einen Kuraufenthalt absolvieren muss.

 

Bei diesen planbaren Betreuungen sind in der Regel keine traumatischen Vorerfahrungen wegen Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung zu befürchten. Somit können im Einzelfall auch Kinder über 10 Jahren betreut werden.

 

In der Stadt Rheine stehen derzeit 12 Familien zur Verfügung, die bereit sind, kurzfristig ein oder mehrere Kinder für einen begrenzten Zeitraum aufzunehmen. Diese Familien haben ihre Aufgabe mit größter Motivation und Engagement ausgeführt. Dieser Einsatz ist nicht hoch genug einzuschätzen, da den betroffenen Kindern in einer Krise ein familiärer Betreuungsrahmen zur Verfügung gestellt werden konnte.

 

Dabei wurden im laufenden Jahr bis zu 17 Kinder gleichzeitig in Bereitschaftspflegefamilien betreut. Da nicht genügend Bereitschaftspflegestellen zur Verfügung standen, musste auf Bereitschaftspflegestellen anderer Jugendämter zurückgegriffen werden.

 

Die Praxis zeigt, dass es von den Anforderungen an ein familiäres Betreuungssystem deutliche Unterschiede zwischen einer planbaren, zeitlich befristeten Vollzeitpflege und einer aus der Krise heraus notwendigen Unterbringung in einer Bereitschaftspflegefamilie gibt.

 

Um diesen unterschiedlichen Anforderungen an die Pflegefamilien gerecht zu werden, ist seitens der Verwaltung ein Konzept entwickelt worden, welches die familiäre Bereitschaftsbetreuung auf zwei Säulen stellt.

 

Diese Säulen sollen den Bedarfen der betroffenen Kinder und den Möglichkeiten der Pflegefamilien Rechnung tragen. (s. Anlage 2)

 

Diese Konzeption beinhaltet auch eine Aus- und Fortbildung der Pflegefamilien.

 

Die derzeitigen Bereitschaftspflegefamilien sind bisher auf ihre Aufgabe nicht gesondert vorbereitet worden.

 

 

Eine Unterbringung im Kontext von Sorgerechtsentzugsverfahren dauert häufig sehr lange, da die Verfahren auf Entzug des Sorgerechtes nicht selten länger als ein Jahr dauern, sodass sich aus einer kurzzeitigen Unterbringungsnotwendigkeit ein längerer Prozess ergibt, der andere Anforderungen an Familien stellt, als eine von vornherein zeitlich absehbare Betreuung.

 

Im letzten Jahr hat sich leider in 2 Bereitschaftspflegefamilien eine Dynamik aufgrund der Verfahrensdauer und der mangelnden Ausbildung der Bereitschaftspflegeeltern entwickelt, die dazu führte, dass eine anderweitige Vermittlung der Kinder in eine Dauerpflegefamilie nicht mehr möglich war.

 

Die Qualifizierung der zeitlich befristeten Vollzeitpflegen und Bereitschaftspflegen und die notwendige Akquise neuer Familien ist jedoch mit dem derzeitigen Personal nicht leistbar.

 

Um auch auf Dauer zu ermöglichen, dass in Krisensituationen Kinder unter 10 Jahren zunächst in Bereitschaftspflegefamilien und nicht in der Jugendschutzstelle untergebracht werden können, ist eine zusätzliche Mitarbeiterressource von 0,5 Vollzeitstellen notwendig.

 

Dabei bleibt festzuhalten, dass eine Unterbringung in der Jugendschutzstelle 156 € täglich kostet, die Bereitschaftspflegefamilien mit 32,27 € täglich „vergütet“ werden.

 

Wenn ein Kind über ein Jahr im Bereitschaftspflege- bzw. befristeten Vollzeitpflegesystem verbleibt, ergäben sich im Vergleich zu einer Unterbringung in einer Jugendschutzstelle oder in einer Übergangseinrichtung Mehrkosten von rund 45.000 €
(365 Tage * (156 € - 32,27 €) = 45.161,45 €)

 

 

4         Zusammenfassung:

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zur weiteren Umsetzung des Frühwarnsystems – Frühe Hilfen und zur Absicherung des 4–Augenprinzips eine Ausweitung der Personalressource um 1,5 Vollzeitstellen notwendig ist.

Um die notwendige Qualifizierung der Bereitschaftspflege in Rheine entwickeln zu können, ist eine Stellenaufstockung von 0,5 Vollzeitstellen im Bereich der Vollzeitpflege erforderlich.

An dieser Stelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die im Zusammenhang mit der Verteilung des Elternbegleitbuches und der durch die verpflichtenden U–Untersuchungen auf das Jugendamt eventuell zukommenden zusätzlichen Anforderungen noch nicht berücksichtigt wurden, da die Auswirkungen noch nicht abgeschätzt werden können.