Betreff
Ferien- und Wochenendhausgebiet Elter Sand/Emsfähre Bockholt
Antrag der SPD-Fraktion
Vorlage
046/18
Aktenzeichen
PG 5.1 hs
Art
Beschlussvorlage

 

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz nimmt die Ausführungen der Verwaltung zum Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Rheine zur Kenntnis.

 

 

 

Begründung / sachdarstellung:

 

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz am 21.11.2017 brachte die SPD-Fraktion folgenden Antrag ein:

 

„Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Rheine beantragt:

1.       Zu prüfen, ob das Ferien- und Wochenendhausgebiet Elter Sand gem. § 12 Abs. 7 BauGB in ein Wohngebiet mit Dauerwohnrecht umgewandelt werden kann.

2.       Zu prüfen, welche rechtlichen und tatsächlichen Folgen eine Umwandlung für die Stadt Rheine und die Eigentümer der Ferienhäuser hätte.“

 

Zur Begründung des Antrags wird weiter ausgeführt:

 

„Im Ferienhausgebiet Elter Sand sind bisher nur Wochenend- oder Ferienhäuser und keine Wohngebäude zulässig. In der Vergangenheit hat es Gespräche zwischen den Bewohnern der Ferienhäuser und den Ratsfraktionen gegeben. Darin wurde von den Eigentümern der Ferienhäuser der Wunsch geäußert, dauerhaft in dieser Siedlung wohnen zu können.

Am 13. Mai 2017 ist mit § 12 Absatz 7 Bundesbaugesetz eine Regelung in Kraft getreten, die den Kommunen eine eigenständige Möglichkeit einräumt, dauerhafte Wohnnutzung in sogenannten „Erholungsgebieten“ zuzulassen. Ziel dieses Antrages der SPD-Fraktion ist es deshalb, überprüfen zu lassen, ob diese neue Regelung die Umwandlung im Gebiet Elte ermöglicht und welche Folgen diese Umwandlung für die Beteiligten mit sich brächte.“

 

Die Thematik „Umwandlung Wochenendhausgebiet in ein Wohngebiet mit Dauerwohnrecht“ wurde bereits mit Schreiben vom 15.03.2016 von der „Interessengemeinschaft Emsfähre Bockholt“ aufgeworfen und am 26.10.2016 im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz behandelt (s. Vorlage Nr. 330/16). Nach umfassender Darstellung des Bauplanungs-, Bauordnungs- und Melderechts folgte der Ausschuss letztlich der Verfügung der Bezirksregierung Münster.

 

Mit Schreiben vom 08.08.2016 teilte die Regionalplanungsbehörde mit, dass „Bauleitplanungen zur Schaffung von Planungsrecht für Dauerwohnungen nicht mit dem raumordnerischen Ziel ASB (Anm.: Allgemeiner Siedlungsbereich) mit der Zweckbindung Ferieneinrichtungen und Freizeitanlagen „Wochenendhausgebiet Elter Sand (Rheine)“ vereinbar sind. Dieser zweckgebundene ASB dient ausschließlich dem Freizeitwohnen.“

 

Insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Anpassungspflicht an die Ziele der Raumordnung musste der Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes zur Umwandlung eines Wochenendhausgebietes in ein Allgemeines Wohngebiet abgelehnt werden.

 

Nunmehr beantragt die SPD-Fraktion erneut eine Prüfung der Rechtsinstrumente zur „Umwandlung des Freizeitwohnens in Dauerwohnen“ auf der Grundlage des § 12 Absatz 7 Baugesetzbuch.

 

 

1.       Gesetzliche Grundlagen

 

Durch die BauGB-Novelle 2017 wurde u.a. der § 12 BauGB, der auf „vorhabenbezogene Bebauungspläne“ bzw. „Vorhaben- und Erschließungspläne“ Bezug nimmt, um einen Absatz 7 ergänzt. Dieser lautet folgendermaßen:

 

„Soll in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der Baunutzungsverordnung auch Wohnnutzung zugelassen werden, kann die Gemeinde nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen, der insbesondere die Zulässigkeit von baulichen Anlagen zu Wohnzwecken in diesen Gebieten regelt.“

 

Der Ausschuss-Bericht zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-DRS. 18/11439) vom 08.03.2017 führt dazu aus, dass Erholungssondergebiete nach § 10 BauNVO konzeptionell für das Erholungswohnen vorgesehen sind. Durch § 12 Absatz 7 BauGB soll eine klarstellende Regelung geschaffen werden, um sich mit der Thematik des Dauerwohnens in bisherigen Erholungssondergebieten planerisch auf diesem Wege auseinandersetzen zu können.

 

„Die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB kann eine Möglichkeit sein, um in einem bisherigen Erholungssondergebiet oder einem Teil davon Wohnnutzung zuzulassen. Im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans ist die Gemeinde bei der Bestimmung der Zulässigkeit von Vorhaben nicht an den Festsetzungskatalog nach § 9 BauGB und nach der auf Grund von § 9a BauGB erlassenen Verordnung gebunden.

Die bauplanungsrechtliche Zulassung der Wohnnutzung durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan dürfte bei den Begünstigten zu Bodenwertsteigerungen führen. Im Durchführungsvertrag hat sich der Vorhabenträger ganz oder teilweise zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten zu verpflichten.“

 

Mit dieser Ergänzung findet keine inhaltliche Änderung in § 12 BauGB („Vorhaben- und Erschließungsplan“) und § 10 BauNVO („Sondergebiete, die der Erholung dienen“) statt, sondern diese Regelung dient der Klarstellung zur Anwendung von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen insbesondere bei der Überplanung von Erholungssondergebieten mit Dauerwohnen. Gemäß § 10 BauNVO sind bestandssichernde Festsetzungen in Anlehnung an § 1 Abs. 10 BauNVO („Zulässigkeit bisher unzulässiger, vorhandener Anlagen per B-Plan in überwiegend bebauten Gebieten“) für „gebietsfremdes“ Dauerwohnen zulässig (s. BVerwG-Urteil vom 11.07.2013), wobei dies nur unter Funktionserhalt des Sondergebietes, also der Wahrung der ursprünglichen Zweckbestimmung bzw. des Gepräges als Gebiet zu Erholungszwecken möglich ist.

 

Mit der ergänzenden Regelung muss - nach wie vor - der weit überwiegende Teil des Sondergebietes tatsächlich noch der Erholung bzw. dem Freizeitwohnen dienen und nicht dem dauernden Wohnen. Nur in einem untergeordneten Maße kann dauerhafte Wohnnutzung zugelassen werden; dies allerdings nur als umfassend begründeter Sonderfall und nur im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit Vorhabenträger, Vorhaben- und Erschließungsplan und Durchführungsvertrag.

 

Eine Umwandlung von Erholungssondergebieten in Dauerwohngebiete (z.B. „Reine“ oder „Allgemeine Wohngebiet“) ist vom Gesetzgeber nicht gewollt und auch so nicht gesetzlich verankert; insofern hat sich an der Rechtslage nichts geändert. Sie würde allen Bestrebungen einer geordneten, nachhaltigen Siedlungsentwicklung widersprechen.

 

 

 

2.       Übergeordnete Planungsziele/-vorgaben

 

Entscheidend ist, dass ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ als „verbindlicher Bauleitplan“ gilt und damit gemäß § 1 Absatz 4 an die „Ziele der Raumordnung“ angepasst sein muss. Dies betrifft sowohl die landes- als auch die regionalplanerischen Vorgaben.

 

Demnach hat sich eine (bedarfsgerechte, nachhaltige und umweltverträgliche) Siedlungsentwicklung gemäß Ziel 2-3 des Landesentwicklungsplanes NRW innerhalb der regionalplanerisch festgelegten Siedlungsbereiche zu vollziehen.

 

Der Regionalplan Münsterland stellt für die beantragte Fläche einen „Allgemeinen Siedlungsbereich“ mit der Zweckbestimmung „Ferieneinrichtungen und Freizeitanlagen“ dar. Zudem wird das Areal überlagert von einem „Bereich zum Schutz der Landschaft und landschaftsorientierten Erholung“ und liegt innerhalb eines „Bereiches zum Schutz der Natur“.

 

Die nachfolgende Planebene ist der Flächennutzungsplan der Stadt Rheine, also der gesamtstädtische, vorbereitende Bauleitplan. Dieser konkretisiert die regionalplanerischen Vorgaben in Richtung „Sonderbaufläche“ (S) mit der Zweckbestimmung „Wochenendhausgebiet“ (SW). Umgeben ist die zu prüfende Fläche von Waldgebieten, von Natur- und Landschaftsschutzgebieten sowie dem unmittelbar angrenzenden Ems-Überschwemmungsgebiet.

 

Der am 31.12.1993 rechtskräftig gewordene Bebauungsplan setzt für die beantragte Fläche ein „Sondergebiet“ mit der Zweckbestimmung „Wochenendhausgebiet“ fest. Das Sondergebiet zu Zwecken der Erholung dient „ausschließlich dem Freizeitwohnen in Wochenendhäusern“ mit maximal 65 qm Grundfläche und bis zu 10 qm überdachtem Freisitz.

 

(Anmerkung: Auszüge aus den oben genannten Planwerken sind in der Vorlage Nr. 330/16 dokumentiert und müssen hier nicht nochmals dargelegt werden.)

 

 

3.       Ziele der Raumordnung

 

Der hier vorliegende Antrag auf Prüfung der Umwandlung des „Sondergebietes – Wochenendhausgebiet“ in ein „Allgemeines Wohngebiet“ durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan betrifft nicht nur die verbindliche, sondern auch die vorbereitende Bauleitplanung; d.h. auch der Flächennutzungsplan der Stadt Rheine müsste geändert werden (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Die örtliche Bauleitplanung ist wiederum in übergeordnete Planungen eingebunden und kann nicht losgelöst von den landes- und regionalplanerischen Erfordernissen betrachtet werden (vgl. § 1 Abs. 4 BauGB). Diese überörtliche Landes- und Regionalplanung steuert die kommunale Bauleitplanung durch die Festlegung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung; wobei die Ziele der Raumordnung strikt zu beachten sind.

 

Wie oben bereits erwähnt, ergab die landesplanerische Anfrage bei der Bezirksregierung Münster ein deutliches, ablehnendes Votum mit dem Fazit, dass „Bauleitplanungen zur Schaffung von Planungsrecht für Dauerwohnungen nicht mit dem raumordnerischen Ziel ASB mit der Zweckbindung Ferieneinrichtungen und Freizeitanlagen „Wochenendhausgebiet Elter Sand (Rheine)“ vereinbar sind“.

 

In der 4-seitigen Verfügung wurden ausführlich die zeichnerischen und textlichen Ziele der Raumordnung dargelegt, die zu diesem ablehnenden Bescheid geführt haben. Diese fachbehördlichen Aussagen gelten nach wie vor unverändert, für eine damals beantragt Bebauungsplanänderung ebenso wie für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Eine Planung im Sinne des § 12 Absatz 7 BauGB wäre also nicht angepasst an die Ziele der Raumordnung und damit unwirksam.

 

 

4.       Fazit

 

Neben den landschafts- und siedlungsräumlichen sowie infrastrukturellen Bedenken bilden die landesplanerischen Vorgaben eine wesentliche Hürde hinsichtlich der Umwandlungsbestrebungen. Da hier zweifelsfrei ein Widerspruch zu den zu beachtenden Zielen der Raumordnung vorliegt, wird die Bezirksregierung Münster einer zwingend notwendigen Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Rheine nicht zustimmen bzw. diese nicht genehmigen. Letztlich ist - in diesem Fall - die zu prüfende Anwendung des § 12 Absatz 7 BauGB bzw. die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit einer nachhaltigen, geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar.

 

Nach Prüfung der Umwandlungschancen von Freizeit- zu Dauerwohnen mit dem Instrument des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, ergeben sich für das „Ferien- und Wochenendhausgebiet Elter Sand/Emsfähre Bockholt“ keine neuen Aspekte, die eine rechtssichere Umsetzung realistisch erscheinen lassen. Insofern erübrigt sich die Prüfung, welche rechtlichen und tatsächlichen Folgen eine solche Umwandlung hätte.