Antrag der SPD-Fraktion
Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz nimmt die
Ausführungen der Verwaltung zum Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Rheine
zur Kenntnis.
Begründung / sachdarstellung:
In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und
Klimaschutz am 21.11.2017 brachte die SPD-Fraktion folgenden Antrag ein:
„Die SPD-Fraktion im Rat
der Stadt Rheine beantragt:
1. Zu prüfen, ob das Ferien-
und Wochenendhausgebiet Elter Sand gem. § 12 Abs. 7 BauGB in ein Wohngebiet mit
Dauerwohnrecht umgewandelt werden kann.
2. Zu prüfen, welche
rechtlichen und tatsächlichen Folgen eine Umwandlung für die Stadt Rheine und
die Eigentümer der Ferienhäuser hätte.“
Zur Begründung des Antrags wird weiter ausgeführt:
„Im Ferienhausgebiet Elter
Sand sind bisher nur Wochenend- oder Ferienhäuser und keine Wohngebäude
zulässig. In der Vergangenheit hat es Gespräche zwischen den Bewohnern der
Ferienhäuser und den Ratsfraktionen gegeben. Darin wurde von den Eigentümern
der Ferienhäuser der Wunsch geäußert, dauerhaft in dieser Siedlung wohnen zu
können.
Am 13. Mai 2017 ist mit §
12 Absatz 7 Bundesbaugesetz eine Regelung in Kraft getreten, die den Kommunen
eine eigenständige Möglichkeit einräumt, dauerhafte Wohnnutzung in sogenannten
„Erholungsgebieten“ zuzulassen. Ziel dieses Antrages der SPD-Fraktion ist es
deshalb, überprüfen zu lassen, ob diese neue Regelung die Umwandlung im Gebiet
Elte ermöglicht und welche Folgen diese Umwandlung für die Beteiligten mit sich
brächte.“
Die Thematik „Umwandlung Wochenendhausgebiet in ein Wohngebiet mit
Dauerwohnrecht“ wurde bereits mit Schreiben vom 15.03.2016 von der „Interessengemeinschaft
Emsfähre Bockholt“ aufgeworfen und am 26.10.2016 im Ausschuss für
Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz behandelt (s. Vorlage Nr. 330/16).
Nach umfassender Darstellung des Bauplanungs-, Bauordnungs- und Melderechts
folgte der Ausschuss letztlich der Verfügung der Bezirksregierung Münster.
Mit Schreiben vom 08.08.2016 teilte die Regionalplanungsbehörde mit, dass
„Bauleitplanungen zur Schaffung von
Planungsrecht für Dauerwohnungen nicht mit dem raumordnerischen Ziel ASB
(Anm.: Allgemeiner Siedlungsbereich) mit
der Zweckbindung Ferieneinrichtungen und Freizeitanlagen „Wochenendhausgebiet
Elter Sand (Rheine)“ vereinbar sind. Dieser zweckgebundene ASB dient
ausschließlich dem Freizeitwohnen.“
Insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Anpassungspflicht an die Ziele
der Raumordnung musste der Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes zur
Umwandlung eines Wochenendhausgebietes in ein Allgemeines Wohngebiet abgelehnt
werden.
Nunmehr beantragt die SPD-Fraktion erneut eine Prüfung der
Rechtsinstrumente zur „Umwandlung des Freizeitwohnens in Dauerwohnen“ auf der
Grundlage des § 12 Absatz 7 Baugesetzbuch.
1. Gesetzliche Grundlagen
Durch die BauGB-Novelle 2017 wurde u.a. der § 12 BauGB, der auf
„vorhabenbezogene Bebauungspläne“ bzw. „Vorhaben- und Erschließungspläne“ Bezug
nimmt, um einen Absatz 7 ergänzt. Dieser lautet folgendermaßen:
„Soll in bisherigen
Erholungssondergebieten nach § 10 der Baunutzungsverordnung auch Wohnnutzung
zugelassen werden, kann die Gemeinde nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 einen vorhabenbezogenen
Bebauungsplan aufstellen, der insbesondere die Zulässigkeit von baulichen
Anlagen zu Wohnzwecken in diesen Gebieten regelt.“
Der Ausschuss-Bericht zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-DRS.
18/11439) vom 08.03.2017 führt dazu aus, dass Erholungssondergebiete nach § 10
BauNVO konzeptionell für das Erholungswohnen vorgesehen sind. Durch § 12 Absatz
7 BauGB soll eine klarstellende Regelung geschaffen werden, um sich mit der
Thematik des Dauerwohnens in bisherigen Erholungssondergebieten planerisch auf
diesem Wege auseinandersetzen zu können.
„Die Aufstellung eines
vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB kann eine Möglichkeit sein, um
in einem bisherigen Erholungssondergebiet oder einem Teil davon Wohnnutzung
zuzulassen. Im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans ist die Gemeinde
bei der Bestimmung der Zulässigkeit von Vorhaben nicht an den
Festsetzungskatalog nach § 9 BauGB und nach der auf Grund von § 9a BauGB
erlassenen Verordnung gebunden.
Die bauplanungsrechtliche
Zulassung der Wohnnutzung durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan dürfte
bei den Begünstigten zu Bodenwertsteigerungen führen. Im Durchführungsvertrag
hat sich der Vorhabenträger ganz oder teilweise zur Tragung der Planungs- und
Erschließungskosten zu verpflichten.“
Mit dieser Ergänzung findet keine inhaltliche Änderung in § 12 BauGB
(„Vorhaben- und Erschließungsplan“) und § 10 BauNVO („Sondergebiete, die der
Erholung dienen“) statt, sondern diese Regelung dient der Klarstellung zur
Anwendung von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen insbesondere bei der
Überplanung von Erholungssondergebieten mit Dauerwohnen. Gemäß § 10 BauNVO sind
bestandssichernde Festsetzungen in Anlehnung an § 1 Abs. 10 BauNVO („Zulässigkeit
bisher unzulässiger, vorhandener Anlagen per B-Plan in überwiegend bebauten
Gebieten“) für „gebietsfremdes“ Dauerwohnen zulässig (s. BVerwG-Urteil vom
11.07.2013), wobei dies nur unter Funktionserhalt des Sondergebietes, also der
Wahrung der ursprünglichen Zweckbestimmung bzw. des Gepräges als Gebiet zu
Erholungszwecken möglich ist.
Mit der ergänzenden Regelung muss - nach wie vor - der weit überwiegende
Teil des Sondergebietes tatsächlich noch der Erholung bzw. dem Freizeitwohnen
dienen und nicht dem dauernden Wohnen. Nur in einem untergeordneten Maße kann dauerhafte
Wohnnutzung zugelassen werden; dies allerdings nur als umfassend begründeter
Sonderfall und nur im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit
Vorhabenträger, Vorhaben- und Erschließungsplan und Durchführungsvertrag.
Eine Umwandlung von Erholungssondergebieten in Dauerwohngebiete (z.B.
„Reine“ oder „Allgemeine Wohngebiet“) ist vom Gesetzgeber nicht gewollt und
auch so nicht gesetzlich verankert; insofern hat sich an der Rechtslage nichts
geändert. Sie würde allen Bestrebungen einer geordneten, nachhaltigen
Siedlungsentwicklung widersprechen.
2. Übergeordnete Planungsziele/-vorgaben
Entscheidend ist, dass ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ als
„verbindlicher Bauleitplan“ gilt und damit gemäß § 1 Absatz 4 an die „Ziele der
Raumordnung“ angepasst sein muss. Dies betrifft sowohl die landes- als auch die
regionalplanerischen Vorgaben.
Demnach hat sich eine (bedarfsgerechte, nachhaltige und
umweltverträgliche) Siedlungsentwicklung gemäß Ziel 2-3 des
Landesentwicklungsplanes NRW innerhalb der regionalplanerisch festgelegten
Siedlungsbereiche zu vollziehen.
Der Regionalplan Münsterland stellt für die beantragte Fläche einen
„Allgemeinen Siedlungsbereich“ mit der Zweckbestimmung „Ferieneinrichtungen und
Freizeitanlagen“ dar. Zudem wird das Areal überlagert von einem „Bereich zum
Schutz der Landschaft und landschaftsorientierten Erholung“ und liegt innerhalb
eines „Bereiches zum Schutz der Natur“.
Die nachfolgende Planebene ist der Flächennutzungsplan der Stadt Rheine,
also der gesamtstädtische, vorbereitende Bauleitplan. Dieser konkretisiert die
regionalplanerischen Vorgaben in Richtung „Sonderbaufläche“ (S) mit der
Zweckbestimmung „Wochenendhausgebiet“ (SW). Umgeben ist die zu prüfende Fläche
von Waldgebieten, von Natur- und Landschaftsschutzgebieten sowie dem
unmittelbar angrenzenden Ems-Überschwemmungsgebiet.
Der am 31.12.1993 rechtskräftig gewordene Bebauungsplan setzt für die
beantragte Fläche ein „Sondergebiet“ mit der Zweckbestimmung „Wochenendhausgebiet“
fest. Das Sondergebiet zu Zwecken der Erholung dient „ausschließlich dem
Freizeitwohnen in Wochenendhäusern“ mit maximal 65 qm Grundfläche und bis zu 10
qm überdachtem Freisitz.
(Anmerkung: Auszüge aus
den oben genannten Planwerken sind in der Vorlage Nr. 330/16 dokumentiert und
müssen hier nicht nochmals dargelegt werden.)
3. Ziele der Raumordnung
Der hier vorliegende Antrag auf Prüfung der Umwandlung des
„Sondergebietes – Wochenendhausgebiet“ in ein „Allgemeines Wohngebiet“ durch
einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan betrifft nicht nur die verbindliche,
sondern auch die vorbereitende Bauleitplanung; d.h. auch der
Flächennutzungsplan der Stadt Rheine müsste geändert werden (vgl. § 8 Abs. 2
Satz 1 BauGB). Die örtliche Bauleitplanung ist wiederum in übergeordnete
Planungen eingebunden und kann nicht losgelöst von den landes- und regionalplanerischen
Erfordernissen betrachtet werden (vgl. § 1 Abs. 4 BauGB). Diese überörtliche
Landes- und Regionalplanung steuert die kommunale Bauleitplanung durch die Festlegung
von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung; wobei die Ziele der Raumordnung
strikt zu beachten sind.
Wie oben bereits erwähnt, ergab die landesplanerische Anfrage bei der
Bezirksregierung Münster ein deutliches, ablehnendes Votum mit dem Fazit, dass „Bauleitplanungen zur Schaffung von
Planungsrecht für Dauerwohnungen nicht mit dem raumordnerischen Ziel ASB mit
der Zweckbindung Ferieneinrichtungen und Freizeitanlagen „Wochenendhausgebiet
Elter Sand (Rheine)“ vereinbar sind“.
In der 4-seitigen Verfügung wurden ausführlich die zeichnerischen und
textlichen Ziele der Raumordnung dargelegt, die zu diesem ablehnenden Bescheid
geführt haben. Diese fachbehördlichen Aussagen gelten nach wie vor unverändert,
für eine damals beantragt Bebauungsplanänderung ebenso wie für die Aufstellung
eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Eine Planung im Sinne des § 12 Absatz
7 BauGB wäre also nicht angepasst an die Ziele der Raumordnung und damit unwirksam.
4. Fazit
Neben den landschafts- und siedlungsräumlichen sowie infrastrukturellen
Bedenken bilden die landesplanerischen Vorgaben eine wesentliche Hürde
hinsichtlich der Umwandlungsbestrebungen. Da hier zweifelsfrei ein Widerspruch
zu den zu beachtenden Zielen der Raumordnung vorliegt, wird die
Bezirksregierung Münster einer zwingend notwendigen Änderung des Flächennutzungsplanes
der Stadt Rheine nicht zustimmen bzw. diese nicht genehmigen. Letztlich ist -
in diesem Fall - die zu prüfende Anwendung des § 12 Absatz 7 BauGB bzw. die
Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit einer nachhaltigen,
geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar.
Nach Prüfung der Umwandlungschancen von Freizeit- zu Dauerwohnen mit dem
Instrument des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, ergeben sich für das „Ferien-
und Wochenendhausgebiet Elter Sand/Emsfähre Bockholt“ keine neuen Aspekte, die
eine rechtssichere Umsetzung realistisch erscheinen lassen. Insofern erübrigt
sich die Prüfung, welche rechtlichen und tatsächlichen Folgen eine solche
Umwandlung hätte.