Betreff
Bebauungsplan Nr. 74, Kennwort: "Wohnviertel westlich Mathias-Spital"
I. Aufstellungsbeschluss
Vorlage
148/18
Aktenzeichen
PG 5.1
Art
Beschlussvorlage

VORBEMERKUNG / KURZERLÄUTERUNG:

 

Sachstand:

Mehrere Anwohner des von der Frankenburgstraße, Zeppelinstraße, Dutumer Straße und Beethovenstraße umgrenzten Wohnviertels westlich des Mathias-Spitals im Stadtteil Dutum haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen und beantragen in zwei z.T. unterschiedlichen an die Stadt Rheine gerichtete Anschreiben die Erstellung eines Bebauungsplanes für ihr Wohnviertel (s. Anlage 1a + 1b). Eine umfangreiche Unterschriftenliste mit mehr als 100 Unterstützern der Antragstellung liegt der Verwaltung vor.

Hauptanlass für die Beantragung der Aufstellung eines Bebauungsplans ist ein an der Sutrumer Straße geplantes Bauvorhaben eines Investors. Dieser plant den Abriss eines Einfamilienhauses und möchte anstelle dessen ein Mehrfamilienwohnhaus mit 10 Wohneinheiten errichten. Die Anwohner der Interessengemeinschaft kritisieren dieses Vorhaben und äußern in ihrem Schreiben Bedenken bezüglich der Veränderungen des Wohncharakters, der baulichen Strukturen und befürchten Verschlechterungen für die Verkehrssituation im Wohnviertel (Verkehrsverdichtung, zunehmende Parkprobleme).

Planungsrechtlich ist das Gebiet bislang nicht durch einen Bebauungsplan geregelt. Einen Sonderfall stellt der Bereich zwischen Zeppelinstr., Dutumer Str., Wagnerstr. und Nienbergstr. dar. Hier gab es 1978 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, der jedoch schlussendlich nicht zur Rechtskraft kam.

Die Zulässigkeit von Vorhaben im Plangebiet ergibt sich somit aus § 34 BauGB, da es sich planungsrechtlich bei dem Wohnviertel um einen sogenannten „Innenbereich“ handelt. Vorhaben im unbeplanten Innenbereich müssen sich an der Umgebungsbebauung orientieren und sich in diese einfügen. Das Einfügen bezieht sich planungsrechtlich insbesondere auf die Art der Nutzung, die Gebäudehöhe (absolute Höhe, Traufhöhe), die Lage des Gebäudes auf dem Grundstück und die absolute Größe/Grundfläche des Vorhabens. Der Rechtsprechung zufolge (vgl. Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand Okt. 2017, Rn. 38 zu § 34 BauGB) ist hingegen die Anzahl der geplanten Wohneinheiten pro Gebäude kein Kriterium bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben sich in die Umgebung einfügt. Beim vorliegenden Gebiet sind neben den Ein- und Zweifamilienhäusern vereinzelt und in untergeordneten Teilbereichen auch Mehrfamilienhäuser vorhanden. Für die von der Interessengemeinschaft zur Konfliktvermeidung gewünschte Regulierung und Beschränkung der Nachverdichtung, ist eine Prüfung und Regelung durch einen Bebauungsplan nötig.

 

 

Städtebauliche Betrachtung und Bewertung des Antrages auf Bauleitplanung:

Das zu betrachtende Wohnviertel ist überwiegend in den 1950-er bis Mitte der 1970-er Jahren entstanden. In dieser Zeit bildete das Wohnviertel den westlichen Siedlungsrand des Stadtgebietes und die prägende Bebauung bestand aus Ein- und Zweifamilienhäusern, denen ein eigener Garten zugeordnet war. Nur wenige Baulücken verblieben. Neben der Wohnbebauung entstand Mitte der 1970-er-Jahre auch die im Gebiet gelegene Michael-Grundschule. Gegen Anfang der 1980-er Jahre begann eine Entwicklung, in der örtlich auch Mehrfamilienhäuser in einigen verbliebenen Baulücken gebaut wurden. So entstand auf der Ecke Wagnerstraße – Lehmkuhlstraße ein Mehrfamilienhaus (Lehmkuhlstraße 18, 6 Wohneinheiten) und Mitte der 1980-er bis Mitte der 90-er Jahre wurden im Nordosten des zu betrachtenden Baugebietes, gegenüber des Mathias-Spital-Krankenhauses gelegen, zusammenhängend sechs Mehrfamilienhäuser mit je 5 - 8 Wohneinheiten errichtet.

Eine daneben verbliebene größere Restfläche in direkter Siedlungsrandlage im Südosten des Wohnviertels wurde, angelehnt an die ausschließlich mit Ein- und Zweifamilienhäusern bebaute Nachbarbebauung, dagegen wieder kleinteilig bebaut (Ein- bis Zweifamilienhäuser).

Heute sind nahezu alle Grundstücke des von der Frankenburgstraße, Zeppelinstraße, Dutumer Straße und Beethovenstraße umgrenzten Wohnviertels bebaut und der Siedlungsrand ist durch die Baugebiete des „Wohnparkes Dutum“ bereits weiter nach Westen verschoben.

Für das zu betrachtende Wohnviertel besteht, wie das aktuell geplante Bauvorhaben an der Sutrumer Straße beispielhaft zeigt, die Gefahr eines konfliktträchtigen Umbruchs. Auf Grundstücken mit älteren und sanierungsbedürftigen, nicht mehr zeitgemäßen Wohngebäuden ist es ohne einen Bebauungsplan oder in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan möglich, dass nach Abbruch dieser Häuser Neubauten mit einer deutlich höheren Anzahl an Wohneinheiten und einer deutlich höheren Nutzungsintensität entstehen. Der für das aktuelle Abriss- und Neubauvorhaben an der Sutrumer Straße eingereichte Bauantrag und auch die in vergleichbaren Gebieten angestrebten Bauvorhaben sind ein Beleg für diesen Trend. Auch letzte Baulücken im Plangebiet bergen die Gefahr für eine konfliktträchtige Verdichtung.

Die mit dem Bau von Mehrfamilienhäusern verbundene Nachverdichtung kann aus städtebaulicher Sicht zwar grundsätzlich im Sinne eines flächensparenden Bauens sinnvoll sein, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die nachbarlichen und weiteren Belange ausreichend berücksichtigt werden und die Maßstäblichkeit der Umgebungsbebauung nicht gesprengt wird. Aus der Bebauung von Baulücken oder „Abbruchgrundstücken“ in klassischen Einfamilienhausgebieten resultieren insbesondere bei mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern erhebliche Spannungen. Wie aktuelle Beispiele zeigen, entstehen bei zweigeschossigen Gebäuden entweder ausgebaute Dachgeschosse oder Staffelgeschosse mit dem Ergebnis, dass drei Ebenen mit separaten Wohnungen gebaut werden. Im Gegensatz zum ein- oder zweigeschossigen Einfamilienhaus sind beim Geschosswohnungsbau auf jeder Ebene Außenwohnbereiche in Form von Balkonen/Loggien Standard. Von diesen Außenwohnbereichen ist die „soziale Kontrolle“ in Nachbargärten wesentlich ausgeprägter und störender als bei einem ein- oder zweigeschossigen Einfamilienhaus, wo zwar auch Balkone oder Loggien entstehen können, die jedoch nicht als einziger Außenwohnbereich genutzt werden, da hier erdgeschossig Terrassen angelegt werden. Die Empfindung, dass ein Gebäude mit mehreren Wohneinheiten störend wirkt, wird verstärkt, wenn diese Gebäude auf „Baulücken“ in einem klassischen Einfamilienhausgebiet entstehen, oder auf Grundstücken, die vorher mit einem Einfamilienhaus bebaut waren.

Die Nachverdichtung bestehender Ein-/Zweifamilienhausgebiete mit Mehrfamilienhäusern kann ab einem gewissen Grad auch zu Problemen in verkehrlicher Hinsicht führen, da die rechtlich auf dem Baugrundstück einforderbaren Stellplätze oft nicht mehr dem reellen Stellplatzbedarf entsprechen. Im Gegensatz zum Einfamilienhaus besteht bei Mehrfamilienhäusern kaum die Möglichkeit, auf dem Baugrundstück weitere Stellplätze nachzuweisen, sodass der Parkdruck in den öffentlichen Straßenraum verschoben wird. In vielen Wohngebieten ist der öffentliche Straßenraum verkehrsberuhigt ausgebaut. Hier besteht nur bedingt die Möglichkeit, Fahrzeuge abzustellen. Die „Nachverdichtung“ führt deshalb oft zu Spannungen zwischen Anliegern bezüglich des Abstellens von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum.

 

Fazit:

Im Sinne einer Gleichbehandlung mit Plangebieten mit Bebauungsplan sollten bei Konflikterwartung auch andere Wohnquartiere, die weitestgehend harmonisch mit Ein-/Zweifamilienhäusern bebaut sind, vor den Auswirkungen einer ungesteuerten, übermäßigen Nachverdichtung mit Mehrfamilienhäusern geschützt werden. Es wird deshalb vorgeschlagen, für den beantragten Bereich einen Bebauungsplan aufzustellen, der mindestens Regelungen über die zulässige Zahl der Wohneinheiten je Gebäude enthält. Bei einem einfachen Bebauungsplan würde sich die sonstige Zulässigkeit nach den Kriterien des § 34 BauGB und damit nach dem Einfügen in die nähere Umgebungsbebauung ergeben. Erforderlichenfalls könnten, sofern dieses im Verfahren erkennbar wird, darüber hinaus weitere Regelungen getroffen werden. Die  Vorteile der Aufstellung eines einfachen Bebauungsplanes sind, dass der Aufwand zur Erarbeitung, Koordination und Durchführung deutlich geringer ist als die Erstellung eines qualifizierten Bebauungsplanes mit Festsetzung von Erschließungsflächen, Baugrenzen, Angaben bezüglich zulässiger Trauf- und Firsthöhen, möglicher Dachformen und -neigungen.

 

Der Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplanes ist als Anlage 1, die Plangebietsabgrenzung als Anlage 2 beigefügt. Zur Verdeutlichung der städtebaulichen Situation ist als Anlage 3 eine Schrägluftbildansicht angehängt.

 

BESCHLUSSVORSCHLAG / EMPFEHLUNG:

 

I.        Aufstellungsbeschluss

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz der Stadt Rheine beschließt gemäß § 2 Abs. 1 BauGB den Bebauungsplan Nr. 74, Kennwort: "Wohnviertel westlich Mathias-Spital", der Stadt Rheine im vereinfachten Verfahren gemäß § 13 BauGB zum Zwecke der Steuerung und Reglementierung der Nachverdichtung in diesem Wohnsiedlungsbereich aufzustellen.

 

Der räumliche Geltungsbereich dieses Bebauungsplanes wird wie folgt begrenzt:

 

im Norden:          durch die Südseite der Frankenburgstraße,

im Osten:            durch die Ostseite der Zeppelinstraße / Gemarkung Rheine-Stadt, Flur 120, Flurstück 684,

im Süden:            durch die Nordseite der Dutumer Straße / Gemarkung Rheine-Stadt, Flur 120, Flurstück 711,

im Westen:          durch die Westseite der Beethovenstraße.

 

Der räumliche Geltungsbereich ist im Übersichtsplan bzw. Bebauungsplan geometrisch eindeutig festgelegt.