Betreff
Personenaufzüge in den neu zu bauenden Kindertageseinrichtungen
Vorlage
291/18
Aktenzeichen
II.11-2102-kös
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Jugendhilfeausschuss beschließt, dass im Vorgriff auf die geplante neue Landesbauordnung NRW die neu zu bauenden Kindertageseinrichtungen mit einem Personenaufzug auszustatten sind, wenn die Kindertageseinrichtung mehrgeschossig errichtet wird.

 


Begründung:

 

In Rheine werden in Kürze vier neue Kindertageseinrichtungen gebaut. Bei der persönlichen Vorstellung der Bewerber um die Trägerschaft der neuen Einrichtungen wurden Personenaufzüge in zweigeschossigen Kindertageseinrichtungen als notwendig erachtet. Die bisherigen Planungen des Jugendamtes und des Investors enthielten keine Aufzugsanlagen.

 

Aufgrund der bislang noch gültigen Bauordnung NRW ist es zulässig eine zweigeschossige Kindertageseinrichtung zu bauen, wenn das Angebot einer Kindertageseinrichtung auch im vollen Umfang im Erdgeschoss nachgewiesen werden kann. Ein Beispiel aus der Praxis ist die Kita Kunterbunt in Mesum.

 

Folgende Gründe haben nun dazu geführt, dass das Jugendamt seine bisherige Auffassung aufgibt und Personenaufzüge in zweigeschossigen Kindertageseinrichtungen als notwendig erachtet:

 

·         Im derzeitigen Entwurf der neuen Landesbauordnung NRW, die Anfang 2019 in Kraft treten soll, wird in §49 Abs. 2 das barrierefreie Bauen wie folgt aufgeführt:

Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Öffentlich zugänglich sind bauliche Anlagen, wenn und soweit sie nach ihrem Zweck im Zeitraum ihrer Nutzung von im Vorhinein nicht bestimmbaren Personen aufgesucht werden können.

 

 

·         Die Bewerber AWO Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen und CJD Hessen-Westfalen haben deutlich gemacht, dass für sie Personenaufzüge ein unverzichtbarer Bestandteil Ihrer Bewerbung sind. Sie erachten die Aufzüge nicht nur für die inklusive Arbeit als notwendig, sondern die Aufzüge sind auch für die tägliche praktische Arbeit unverzichtbar. Allein der Transport von Mahlzeiten in das Obergeschoss ist im Alltag ohne Aufzüge kaum vorstellbar.

 

 

Der im Vorgriff auf die kommende Änderung der Landesbauordnung NRW formulierte Beschlussvorschlag greift das Thema Barrierefreiheit auf. Allerdings ist mit einem Personenaufzug das Thema Barrierefreiheit nicht abgeschlossen.

 


 

 

Barrierefreiheit:

 

Die Definition von Barrierefreiheit umfasst sehr viele Bereiche und bezieht sich nicht ausschließlich auf Gebäude oder die Zielgruppe der Personen, die im Rollstuhl sitzen.

Das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen; kurz „Behindertengleichstellungsgesetz“ (BGG) definiert in § 4 die Barrierefreiheit, wie folgt:

 

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe

-auffindbar,

-zugänglich und

-nutzbar sind.

Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.

 

Ein Text in einfacher oder leichter Sprache, eine Sprachdurchsage der Stockwerke im Aufzug, eine Höranlage in Konferenzen oder eine Türbeschilderung in taktiler Schrift (mit dem Finger ertastbar) stellt ebenso die Barrierefreiheit her, wie eine Rampe zum Eingang eines Gebäudes.

 

Eine vollständige Barrierefreiheit für alle Personengruppen herzustellen ist oft schwierig. Es gilt der Grundsatz, durch Kompromisse möglichst viele Barrieren abzubauen und dabei nach Möglichkeit viele Personengruppen einzubeziehen. Was für den Einen eine Erleichterung darstellt, ist für den Anderen eine Barriere. Zum Beispiel ist die Bordsteinabsenkung auf „Null“ für eine Person im Rollstuhl oder mit Rollator sehr angenehm, da sie schwellenfrei über die Straße gehen kann. Für eine Person mit einer Sehbehinderung ist es eine Herausforderung, da ohne eine Bordsteinkante keine tastbare Grenze zwischen Bürgersteig und Straße existiert. Für diese Personengruppe ist eine Bordsteinkante von mind. 3 cm erforderlich. Hier wurde ein gemeinsamer Kompromiss gefunden, damit möglichst viele Zielgruppen ohne wesentliche Barrieren die Straße überqueren können.

 

Eine Kindertageseinrichtung muss nach der neuen Landesbauordnung im „erforderlichen Umfang barrierefrei“ sein. Bei einer zweistöckigen Einrichtung ist mindestens der Zugang zu allen Räumlichkeiten durch einen Personenaufzug herzustellen.

 

 

 

Finanzierung der Personenaufzüge:

 

Aufgrund der bisherigen Praxis, dass vom Jugendamt und von der Baugenehmigungsbehörde keine Personenaufzüge zwingend verlangt wurden, hat die Investorin und Bauherrin der 4 neuen Kitas[1], die Wohnungsgesellschaft der Stadt Rheine, ihr Investment ohne die zusätzlichen Kosten für die Personenaufzüge kalkuliert.

 

Diese zusätzlichen Kosten müssen finanziert werden. Da die notwendigen Aufzugsschächte noch von den Architekten bei der Planung berücksichtigt werden können, fallen insbesondere die Kosten für den reinen Aufzug ins Gewicht. Diese können mit rund 35.000 € pro Aufzug kalkuliert werden.

 

Hier sollte es der Wohnungsgesellschaft der Stadt Rheine ermöglicht werden, über die im KiBiz abrechenbare Kaltmiete hinaus Mietaufschläge für den Personenaufzug zu nehmen. Diese Mietaufschläge würde der Träger dann von Jugendamt der Stadt Rheine als freiwilligen Zuschuss erstattet bekommen. Der mtl. Finanzbedarf je Kita läge bei einer Laufzeit von 20 Jahren dann bei rund 145 €. Die laufenden Kosten für die Wartung der Aufzüge hat der Mieter der Einrichtung (der jeweilige Träger) zu tragen.

 

 

 

Finanzierung von weiteren Personenaufzügen in der Zukunft:

 

Da mit der neuen Landesbauordnung NRW für 2019 gerechnet wird, würden zukünftig potentielle Investoren wissen, dass sie bei mehrgeschossigen Neubauten zwingend einen Personenaufzug einplanen müssen. Sie könnten diese Mehrkosten dann von vornherein bei ihrer Kalkulation berücksichtigen und entscheiden, ob sie das Investment wagen.

 

 

 

Auswirkungen auf das Trägerauswahlverfahren:

 

Der Beschluss, die neu zu bauenden Kindertageseinrichtungen mit einem Personenaufzug auszustatten, wenn die Kindertageseinrichtung mehrgeschossig errichtet wird, hat keine Auswirkungen auf das laufende Trägerauswahlverfahren.

 

Bei der Ausschreibung aller vier Kindertageseinrichtungen gab es keine Aussagen zu den Personenaufzügen. Lediglich beim Standort in Mesum wurde der Hinweis auf eine zweigeschossige Bauweise gegeben.

 

Das die Bewerberin AWO UB Münsterland-Recklinghausen in ihrer Bewerbung für den Standort Mesum einen Personenaufzug vorausgesetzt hat, war für den Beschlussvorschlag der Verwaltung nicht entscheidungsrelevant.

 

 

 

 



[1] Bei der 4. Kita steht der Beschluss des Aufsichtsrates der Wohnungsgesellschaft noch aus.