Betreff
Jahresbericht der Stadtbibliothek für das Jahr 2019
Vorlage
122/20
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat zieht die Angelegenheit an sich (Schulausschuss).

 

Der Rat nimmt die Ausführungen im Jahresbericht zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Stadtbibliothek – Jahresbericht 2019

 

„Die Bücherei ist der letzte Ort in unserer Gesellschaft, an dem man nichts muss.“

Lesenswerter Blogbeitrag von Elina Penner, 25.02.2020, https://editionf.com/buecherei-letzter-ort-nichts-muss/

 

Bibliotheken rücken immer stärker in die öffentliche Wahrnehmung. Sie werden als offene Orte, heute sagt man „Dritte Orte“, definiert. „Dritte Orte“ sind öffentliche Räume, die Menschen selbstbestimmt nutzen dürfen und Heimat bieten – nach dem „Ersten Ort“, dem Zuhause und dem „Zweiten Ort“, dem Arbeitsplatz oder sonstigem Platz des tätigen Wirkens.

 

Das Land NRW hat erkannt, welche Bedeutung Bibliotheken hier zukommt und am 30.10.2019 das Bibliotheksstärkungsgesetzt verabschiedet, das einen rechtlichen Rahmen für die Ausgestaltung des Angebotes bietet, Grundlage für die finanzielle Förderung ist und erstmals die Sonntagsöffnung von Bibliotheken ermöglicht.

 

Bund und Land fördern Bibliotheken, denn Raum für gesellschaftliche, soziale und kulturelle Teilhabe zu schaffen, wird immer wichtiger und drängender.

 

Die Stadtbibliothek in Rheine ist so ein „Dritter Ort“, in diesem öffentlichen Raum begegnen sich Menschen aller Altersgruppen und sozialer Schichten, werden freundlich begrüßt und dürfen einfach da sein.

 

Für viele Rheinenser ist das eine Selbstverständlichkeit geworden. Von Menschen, die neu nach Rheine gekommen sind, hören wir häufig, dass die Stadtbibliothek für sie ein Ankerpunkt in der neuen Stadt geworden ist und ihnen geholfen hat, heimisch zu werden. Das sind sowohl Menschen, deren beruflicher Weg sie nach Rheine geführt hat, als auch solche, die über eine Fluchterfahrung in Rheine angekommen sind.

 

·         Da ist die Frau aus Bayern, die mit ihrem Mann nach Rheine gezogen ist und die Bibliothek mit dem reichhaltigen und aktuellen Medienangebot schätzt.

·         Da ist der alte Mann, der täglich kommt, um die Tageszeitung zu lesen und sich immer mit einem freundlichen Gruß für den Tag verabschiedet und der stark sehbehinderte Mann, der täglich seinen Cappuccino in der Bibliothek trinkt und sich freut, dass eine Mitarbeiterin ihm hilft, den Automaten zu bedienen.

·         Da ist die Familie aus Syrien, die für ihre Kinder Bücher sucht, die den Einstieg in die deutsche Sprache erleichtern und die Großmutter mit osteuropäischem Hintergrund, die Bücher sucht, um ihrem Enkel Nachhilfeunterricht in Rechtschreibung zu geben.

·         Da ist der Schüler mit Migrationshintergrund, der zusammen mit seinem deutschen Freund einen Ort gefunden hat, an dem beide zusammen an ihrem Referat arbeiten können.

Unsere Bibliothek bietet:

 

·         Arbeitsplätze für Einzelne und Gruppen

·         Freies WLAN

·         PCs und iPads mit Zugang zum Internet

·         Möglichkeiten für informelle Treffen von Menschen

·         Programmarbeit: Sternstündchen, Viertelstündchen, Adventlesungen …

 

Die Bibliothek ist darüber in Zeiten des digitalen Wandels als Informations- und Medienvermittlerin wichtig mit:

 

·         Bestand und Ausleihe

·         Digitalen Angeboten

·         Rechercheschulungen und Informationsvermittlung

 

 

Stadtbibliothek Rheine 2019

 

Die Stadtbibliothek schaut auf ein arbeitsreiches Jahr zurück. Dabei war der Blick nach vorne von besonderer Bedeutung. Im Rahmen des Projekts „Funktionserweiterung, Neustrukturierung und Modernisierung des Rathauszentrums einschließlich neuem Multifunktionssaal und Stadtbibliothek“ kommt der Bibliothek eine wichtige Rolle zu – der Titel des Projekts sagt es ja schon.

 

Zwei Workshops zum Thema „Zukunft der Stadtbibliothek Rheine“ fanden Anfang des Jahres statt, moderiert von dem ausgewiesenen Bibliotheksfachmann Andreas Mittrowann. Im Januar 2019 arbeiteten Mitarbeiterinnen der Bibliothek an dem Thema, im Februar waren Bürgerinnen und Bürger zum Austausch eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops flossen ein in das „Bibliothekskonzept 2025“, das dem Schulausschuss am 19.06.2019 vorgelegt wurde und nun als Grundlage für die weiteren Planungen verwendet wird.

 

Die Leiterin der Stadtbibliothek nahm an zahlreichen Planungssitzungen zum Gesamtprojekt teil, so dass die Forderungen und Bedürfnisse der Bibliothek bei den Beratungen immer präsent waren.

 

Digitalisierung verändert das alltägliche Leben. Das hat auch Auswirkungen auf den Bestand der Bibliothek. E-Books bietet die Bibliothek bereits seit 10 Jahren zum Verleih an. Seit 2019 steht nun auch ein digitales Angebot mit dem Zugang zu über 2.000 Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung. Die Möglichkeit, Filme auf DVD zu entleihen wurde ergänzt um die Möglichkeit eines Streamingdienstes für ausgewählte Filme.

 

Die Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek haben an einem zweijährigen Fortbildungsprogramm der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken des Landes NRW teilgenommen, das am 15. Mai 2019 abgeschlossen wurde. Inzwischen pflegt die Stadtbibliothek einen Facebook-Auftritt, hat den veralteten Newsletter durch einen Blog ersetzt und arbeitet kontinuierlich daran weiter, ihre Angebote im digitalen Bereich zu ergänzen, digital zu präsentieren und in eine unkomplizierte Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommen.

 

Leseförderung ist in digitalen Zeiten von besonderer Bedeutung, denn Lesen ist die Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Bibliothek lässt Lesen und Literatur lebendig werden, vermittelt Freude am Lesen und die Kompetenz, Informationen zu beschaffen und zu bewerten. 89 literarische Veranstaltungen für Jung und Alt wurden ausgerichtet, zusätzlich 24 Vorleseaktionen im Rahmen von Schul- und Kindergartenführungen durchgeführt. Gleich hoch war die Zahl an Bibliothekseinführungen, Rechercheschulungen und E-Book-Sprechstunden – auch hier wurden 89 Termine angeboten. Alle Veranstaltungen wurden gut besucht.

 

Im März fand nordrhein-westfalenweit die „Nacht der Bibliotheken“ unter dem Motto „Mach es“ statt, hier interpretiert in „Rheinenser machen es“. Junge Autoren aus Rheine stellten ihre Erstlingswerke vor und berichteten, wie ihr Weg zum Schreiben und Veröffentlichen sich gestaltet hat. Eine VR-Brille konnte ausprobiert werden um neue digitale Möglichkeiten kennenzulernen.

 

In den Sommerferien fand wieder der Sommerleseclub statt. 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten mit, vor allem Schülerinnen und Schüler. Erstmals durften auch Erwachsene teilnehmen. Einige Eltern waren mit Begeisterung dabei.

 

Ein Highlight für die Stadtbibliothek war die Verleihung des Bürgerpreises am 8. Dezember. Geehrt wurden die ehrenamtlichen Vorleserinnen und Vorleser der Stadtbibliothek. Ihnen gebührt Ehre und Stolz, denn sie bereichern seit 10 Jahren zuverlässig den lebendigen Bibliotheksalltags durch „Sternstündchen“ und andere Vorleseaktionen. Die Veranstaltungen unserer Vorleserinnen und Vorleser sind beliebt bei Kindern, Eltern und Großeltern und stark besucht. Leseförderung vom Feinsten ist das.

 

In unserer vernetzten Welt werden Kooperationen immer wichtiger. Angebote werden gemeinsam passgenau entwickelt und immer wieder angepasst.

 

Die Bibliothek hat mit sieben Schulen einen Bildungspartnerschaftsvertrag abgeschlossen. Insgesamt nutzen fünfzehn Schulen die Möglichkeit, über einen Institutionsausweis Medien für den Unterricht aus der Bibliothek zu entleihen. Drei Kindergärten nutzen ebenfalls diese Möglichkeit für die frühkindliche Leseförderung.

 

Mit der Mathias-Stiftung als Trägerin der Krankenpflegeschule und der Akademie für Gesundheitsberufe ist ein Kooperationsvertrag abgeschlossen, der unter anderem regelmäßige Bibliothekseinführungen beinhaltet.

 

Schon seit 2017 ist die Stadtbibliothek für die Fachhochschule als Hochschulbibliothek tätig. Im Jahr 2019 wurde der Vertrag mit der Europäischen Fachhochschule erneuert. Die Fachhochschule bereichert den Bestand der Stadtbibliothek, die Bibliothek unterstützt Lehrende und Studierende bei der Literaturreche und -beschaffung.

 

Im bibliothekarischen Bereich bieten sich Kooperationen an, um Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Seit fast 10 Jahren besteht der Verbund „muensterload“, in diesem Verbund haben sich 14 Bibliotheken aus dem Münsterland zusammengeschlossen um gemeinsam ein
E-Book-Angebot aufzubauen. Die Bibliotheksleiterin ist im Lenkungskreis des Verbundes
tätig.

 

Die Stadtbibliothek ist über einen weiteren Bibliotheksverbund mit dem Hochschulbibliothekszentrum NRW verbunden. Dadurch haben alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Beständen der deutschen Hochschulbibliotheken.

 

Die Kooperation mit dem Kultursekretariat NRW ermöglicht es, Veranstaltungen wie den Sommerleseclub gemeinsam zu gestalten und zu bewerben und so effektiv zu arbeiten.

 

Vor Ort kooperiert die Bibliothek mit verschiedenen Ämtern und Institutionen, übernimmt den Verkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen und den „RheineGutschein“. Sie unterstützt Initiativen bei der Öffentlichkeitsarbeit durch Medienpräsentationen.

 

Das Angebot und die Nutzung der Dienstleistungen der Bibliothek verändern sich zwangsläufig, wenn sich die gesellschaftlichen und technischen Bedingungen verändern.

 

Die Anzahl der Bibliothekskunden steigt, es wurden sogar deutlich mehr Neukunden registriert als im Vorjahr; Internet und WLAN werden im Haus verstärkt genutzt, mehr Veranstaltungsteilnehmer gezählt.

 

Entleihungen aus dem physischen Bestand gehen zurück, dafür steigt die Zahl der elektronischen Ausleihen. Anpassungen haben bereits stattgefunden, der physische Bestand ist reduziert worden.

 

Eine starke Zunahme ist bei den digitalen Dienstleistungen zu sehen. Informationen sind über die Homepage abrufbar, der Bibliotheksbestand ist recherchierbar, selbst Neubestellungen können sofort vorgemerkt werden. Auch Ausleihverlängerungen können über die Homepage selbständig erledigt werden. Immer mehr Menschen sehen regelmäßig auf Facebook, was in der Bibliothek los ist.

 


Bemerkenswert ist der Rückgang der Besuche. Ein Grund hierfür ist ganz sicher in der Verschiebung hin zu digitalen Angeboten zu sehen. Ein weiterer Grund ist im Umfeld zu sehen. Die Frequenzmessungen der EWG zeigen, dass die Besucherströme in der Stadt sich zur Ems hin verlagert haben. Das Umfeld um den Busbahnhof ist zurzeit nicht sehr attraktiv und könnte von einem Besuch der Bibliothek abhalten.

Über die Deutsche Bibliotheksstatistik – https://www.bibliotheksstatistik.de/ – werden jährlich die wichtigsten Daten von Bibliotheken erfasst und publiziert.

 


In einem Bibliotheksmonitor werden für verschiedene Größenklassen Vergleichsübersichten erstellt.

In die Übersicht für die Größenklasse der Kommunen mit 50.000 – 99.000 Einwohnern sind auch die Zahlen der Stadtbibliothek Rheine eingeflossen. In der Tabelle sind die Durchschnittwerte schwarz abgebildet, dazwischen rot die Werte der Stadtbibliothek Rheine selbst.

 

Ausreißer aus dem Mittelfeld hat Rheine bei den Ausgaben – sie sind besonders niedrig im Vergleich.

 

Auf der Angebots- und Leistungsseite sticht unsere Bibliothek siebenmal positiv heraus. Die Öffnungszeiten sind hoch, die Anzahl digitaler Angebote auch, relativ viele Einwohner nutzen einen Bibliotheksausweis. Die Mitarbeiterinnen bearbeiten eine relativ hohe Anzahl von Ausleihen, sie bilden sich fort. Es werden Fremdmittel eingeworben und ein Großteil des Etats fließt in den Bestand ein.

 

 

Ausblick auf das Jahr 2020:

 

„Das Rathaus-Zentrum wird entwickelt und die Stadtbibliothek wird weiter zu einem nicht kommerziellen Treffpunkt mitten in der Innenstadt und damit zu einem wichtigen Frequenzbringer ausgebaut.“

Dr. Peter Lüttmann, MV-Interview 08.01.2020

 

Arbeiten am Raumprogramm für die „neue“ Bibliothek werden das Jahr bestimmen. Jetzt werden die Weichen dafür gestellt, dass die Bibliothek sich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger weiterentwickelt.

 

Dabei werden neben den Erkenntnissen aus den Workshops der Bibliothek auch die Ergebnisse des Bürgerbeteiligungsprozesses „Unser Rheine 2030“ einfließen. Die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Beteiligung und Inklusion sind immer mit zu bedenken. Bestehende Kooperationen können zur Erreichung von Zielen genutzt werden – zum Beispiel beim Aspekt Gesundheit.

 

Auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Zentralisierung der Bildungsangebote und außerschulischen Lernorte“ – entstanden aus dem Beteiligungsprojekt „Unser Rheine 2030“ -  zeigen Forderungen an die Bibliothek auf, die zu berücksichtigen sind.

 

Das Jahr 2020 verspricht vielfältig, arbeitsreich und spannend zu werden.

 

Wir nehmen uns zu Herzen, was Kleist schon im 18. Jahrhundert ausgesprochen hat:

 

"Nirgends kann man den Grad der Kultur einer Stadt und überhaupt den Geist ihres herrschenden Geschmacks schneller und doch zugleich richtiger kennenlernen als – in den Lesebibliotheken."
Heinrich von Kleist (1777-1711), deutscher Dramatiker, Lyriker und Publizist.