Betreff
Grundsätze zur Benennung von Straßen und öffentlichen Flächen
Vorlage
293/20
Aktenzeichen
BdB-0602
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.      Der Kulturausschuss empfiehlt dem Rat eine nach den unter Ziffer 2 der Begründung  genannten Grundsätzen zu fassende Richtlinie zur Benennung von gewidmeten und ungewidmeten Flächen für die Stadt Rheine zu beschließen.

 

2.      Der Kulturausschuss empfiehlt dem Rat die Veränderung der Zuständigkeitsordnung. Die künftige Zuständigkeitsordnung soll 

§  im Grundsatz die (abschließende) Zuständigkeit des Kulturausschusses für Straßenbenennungen beibehalten und

§  für Straßenumbenennungen und die erstmalige Benennung von Plätzen nach (bekannten) Persönlichkeiten den Rat (nach Vorberatung im Kulturausschuss) als Entscheidungsgremium vorsehen.

 

3.      Die neue Richtlinie soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

 

 


Begründung:

 

Mit Antrag vom 3. März 2020 hatte die SPD-Fraktion einen Vorschlag eines Konzeptes für die Benennung von Straßen und Plätzen in der Stadt Rheine vorgelegt.

 

Auf die Vorlage 128/20, mit der die Verwaltung zur Erarbeitung eines Richtlinienentwurfes beauftragt wurde, wird verwiesen.

 

Zuvor hatte die SPD-Fraktion mit Schreiben vom 21. Januar 2020 beantragt, den Vorplatz des Falkenhof-Museums in Rudolf-Breuing-Platz umzubenennen.

Mit dieser Vorlage stellt die Verwaltung „Richtlinien für die Benennung von Straßen und Plätzen in der Stadt Rheine“ vor, die auch Auswirkungen auf die aktuelle Zuständigkeitsordnung haben.

Insofern sollen die Richtlinien grundsätzlich erst in der neuen Wahlperiode zur Anwendung kommen (und bedürfen dann ggf. einer erneuten Beschlussfassung), nachdem die neue Zuständigkeitsordnung vom neuen Rat beschlossen wurde.

 

Die folgenden Ausführungen gelten für Plätze und andere öffentliche Flächen gleichermaßen.

 

 

1.    Einführung und rechtliche Rahmenbedingungen der Straßenbenennung

 

 

Straßennamen dienen vor allem der Orientierung und gewährleisten die eindeutige Auffindbarkeit einer Liegenschaft innerhalb einer Siedlung. Im Mittelalter entwickelten sich Straßennamen durch die Zuordnung einer Straße zu einer Funktion oder Berufsgruppe (z.B. Schustergasse). Im 19. Jahrhundert setzten erste staatliche Maßnahmen zur Benennung von Straßen ein. Mit diesen behördlichen Regelungen erhielten Straßen eine amtliche Funktion, sie dienten z. B. den Ordnungsbehörden als Hilfsmittel zum Auffinden von Einwohnern oder der Post als Ort der Zustellung von Briefen. Mit der behördlichen Verwendung von Straßennamen wurde das Recht zur Festlegung des Straßennamens auf den jeweiligen städtischen Hoheitsträger übertragen.

 

Aktuell werden die Verantwortlichkeiten für die Benennung von Straßen in NRW durch das Straßen- und Wegegesetz (StrWG) geregelt. Dieses Gesetz betraut die Gemeinden mit der Entscheidung über die Straßenbenennung (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 StrWG).

 

Die Benennung geschieht im öffentlichen Interesse der ordnungsrechtlich motivierten Identifizierbarkeit und Unterscheidbarkeit von Straße und der gemeindlichen Selbstdarstellung.

 

Hierbei hat die Gemeinde grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum. In der Regel erfolgt die (erste) Benennung einer Straße deshalb spätestens im Rahmen der Widmung nach § 6 StrWG.

 

Zu einem späteren Zeitpunkt sind Straßenumbenennungen grundsätzlich möglich. Auch hier besteht ein weiter Ermessensspielraum.

 

Der Beschluss der Gemeinde zur Umbenennung einer Straße ist ein adressatenloser sachbezogener Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung. Hierbei handelt es sich nicht um ein „laufendes Geschäft der Verwaltung“, sondern um einen der wenigen Fälle, in denen der Rat als Behörde agiert.

 

Bei einer Straßenumbenennung sind die für die Anlieger dadurch ausgelösten nachteiligen Folgen tatsächlicher (Notwendigkeit der Benachrichtigung Dritter von der Anschriftenänderung, gegebenenfalls Änderung von Briefköpfen, Visitenkarten, Stempeln, Schildern) oder rechtlicher in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Anlieger verfügen insoweit grundsätzlich über eine die Klagebefugnis begründende eigene Rechtsposition, weil sie durch die Erstbenennung einer Straße einen Status erlangt haben, der durch die Änderung in rechtlich relevanter Weise berührt wird und deshalb die Gemeinde verpflichtet, die sich aus der Änderung ergebenden nachteiligen Folgen für die Anlieger in die Ermessensentscheidung einzubeziehen.

 

 

Die Straßenbenennung erfolgt ausschließlich im öffentlichen Interesse.

 

Den in der zu beschließenden Richtlinie genannten Grundsätze kommt also eine ermessenleitende Wirkung zu.

 

 

2.    Grundsätze für die Benennung von Straßen

 

Die folgenden Grundsätze (die im Wesentlichen auch jetzt schon so praktiziert werden) sollen Eingang in die Richtlinien finden:

 

 

§  Die Benennung von öffentlich zugänglichen Straßen, Wegen und Plätzen ist eine öffentliche Aufgabe, die nach diesen Richtlinien durch die Stadt wahrgenommen wird. Für notwendige Umbenennungen gelten diese Richtlinien entsprechend.

 

§  Straßenumbenennungen sind grundsätzlich zu vermeiden. Sie dürfen ausnahmsweise nur dann erfolgen, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich sind.

 

§  Straßennamen sollen auf Dauer ausgelegt  und möglichst klar und einprägsam sein. Gleichklingende Namen sind zu vermeiden. Mehrere Straßen gleichen Namens sind ausgeschlossen.

 

§  Eine besondere Benennung des Vorplatzes des Falkenhofes ist ausgeschlossen.

 

§  Zusammenhängende Baugebiete sollen nach Möglichkeit nach einheitlichen Gesichtspunkten behandelt werden (z.B. Malerviertel, Vogelviertel).

 

§  Die Straßenbenennung verdeutlicht Art und/oder Funktion, die die Straße übernimmt („Platz“, „Allee“, „Gasse“ „Ufer“).

 

§  Straßennamen sind sozial- und gesellschaftspolitisch verträglich auszuwählen. Eine negative und herabsetzende Wirkung auf die Straßenanlieger ist zu verhindern.

 

 

Die  Benennung von Straßen nach Persönlichkeiten bzw. partnerschaftlichen Beziehungen oder auch als politisches Signal soll nur äußerst zurückhaltend erfolgen. Es hat sich gezeigt, dass derartige Namen schlecht einprägsam sein können, nicht selten falsch geschrieben werden, die historische Bewertung einer Person sich (im Laufe der Zeit) ändern kann oder Namen einer zusätzlichen umfassenden Erläuterung bedürfen, um sie eindeutig einer Person oder einem Ereignis zuordnen zu können. Zudem scheint es nicht praktikabel, bei der Auswahl von Persönlichkeiten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern herzustellen. Da eine Richtlinie eine ermessensleitende Wirkung hat, könnte diese Formulierung in der Praxis zu Schwierigkeiten führen.

 

Für die Straßenbenennung nach (bekannten) Persönlichkeiten sollen deshalb folgende Grundsätze beachtet werden:

 

§  Straßen(um)benennungen nach bekannten Persönlichkeiten sollen nur in Ausnahmefällen erfolgen 

§  Grundsätzlich sollen Straßen nur nach bereits verstorbenen Persönlichkeiten benannt werden. Das Einvernehmen mit nahen Angehörigen ist herzustellen.

§  Es kommen nur Straßen in Betracht, die eine mit Blick auf die Benennung nach dieser Persönlichkeit angemessene Bedeutung haben.

 

 

Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren der Grundsatz entwickelt, Straßen nicht nach örtlich ansässigen Unternehmen zu benennen. Dies resultiert zum einen aus dem Gedanken, dass Straßennamen nicht als Werbemaßnahme zur Unternehmensprofilierung dienen sollen, zum anderen aber auch, dass sich der mit dem Straßennamen verknüpfte Symbolwert auch  (negativ) verändern kann bzw. Unternehmensinsolvenzen nicht ausgeschlossen sind (z.B. die Anton-Schlecker-Straße, die in fast jedem Ort entstand, in dem sich ein Schlecker-Zentrallager ansiedelte).

 

 

§  Straßennamen nach lokalen oder regionalen Unternehmen werden nicht vergeben.

 

 

Neben den gewidmeten Straßen gibt es im Stadtgebiet auch Flächen, die sich im Eigentum der Stadt befinden, aber keine Funktionen nach dem StrWG haben und somit nicht gewidmet sind. Sie können zwar in Kartenwerken auftauchen, sind aber nicht Bestandteil des amtlichen Straßenverzeichnisses. Hierbei handelt es sich z.B. um Parkanlagen (z.B. Stadtpark, Walshagenpark, Salinenpark, Hünenborg), Hofflächen von öffentlichen Gebäuden (z.B. Schulhöfe, Falkenhof, Kloster Bentlage) und andere städtische Flächen, die im öffentlichen Raum an gewidmete Straßen angrenzen. Bei diesen Flächen sollte ebenfalls die vorgenannten Grundsätze Anwendung finden.

 

 

3.    Verfahren/Zuständigkeit

 

Straßen(um)benennungen sind kein laufendes Geschäft der Verwaltung.

 

Die bisherige Verfahrensweise sieht vor, dass der Kulturausschuss die Straßennamen in einem Baugebiet bereits während des Verfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplanes, beschließt. Soweit möglich orientieren sich die Straßennamen an dem im Rahmen des Bauleitplanverfahrens festgesetzten Namen des Bebauungsplanes. So entsteht ein örtlicher Zusammenhang zum Wohngebiet oder seiner besonderen Lage im Landschaftsraum.

Die aktuelle Zuständigkeitsordnung sieht eine abschließende Entscheidungskompetenz des Kulturausschusses vor.

 

Außerdem werden jederzeit Eingaben aus der Bürgerschaft bei der Namensgebung berücksichtigt.

 

Bei Verabschiedung der neuen Richtlinien schlägt die Verwaltung eine Veränderung der Zuständigkeitsordnung vor, die jedoch nicht mehr in der laufenden Wahlperiode (bis 31.10.2020) erfolgen soll, sondern dem neuen Rat vorbehalten bleiben sollte.

 

Für Straßenbenennungen soll es bei der abschließenden Kompetenz des Kulturausschusses verbleiben (wobei das unter Vorbehalt der Ausschussbildung der nächsten Wahlperiode steht).

 

Über Straßenumbenennungen und die erstmalige Benennung von Plätzen nach (bekannten) Persönlichkeiten soll der Rat, nach Vorberatung im Kulturausschuss, abschließend entscheiden. Da die Rechtsprechung den Beschluss der Gemeinde zur Umbenennung einer Straße als adressatenlosen sachbezogener Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung einstuft und der Rat hier als „Behörde“ tätig wird, wäre ein Beschluss des Kulturausschusses nicht angemessen und ggf. auch rechtlich angreifbar.

 

Da es das Ziel der neuen Richtlinien sein soll, Straßenumbenennungen und Benennungen nach bekannten Persönlichkeiten möglichst zurückhaltend zu verwenden, sollte auch über eine qualifizierte Mehrheit nachgedacht werden (Straßenumbenennung nur bei 2/3-Mehrheit).

 

Die nach den in Ziffer 2 genannten Grundsätzen gefasste „Richtlinie zur Benennung von gewidmeten und ungewidmeten Flächen für die Stadt Rheine“ könnte (je nach Sitzungsverlauf) zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.