Betreff
Wasserrahmenrichtlinie
Vorlage
074/22
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

Der Betriebsausschuss beschließt, für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Fachbereich Entwässerung eine zusätzliche Ingenieur/innenstelle einzurichten. 

 

 


Begründung:

1.        Antrag von Bündnis 90/Die Grünen

Es wird Bezug genommen auf die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushalt 2022 vom 16.12.2021. Die Fraktion beantragt u. a. die Einrichtung einer zusätzlichen Stelle für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Stadtgebiet Rheine (s. Anlage 1: Auszug aus dem Antrag).

2.        Grundsätzliches zur WRRL

Die WRRL (Richtlinie 2000/60/EG) der Europäischen Union wurde am 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der europäischen Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik ratifiziert. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, bis 2015 und in Ausnahmefällen bis 2027 alle berichtspflichtigen Gewässer in einen „guten ökologischen“ und „guten chemischen Zustand“ zu bringen. „Ökologischer Zustand“ meint die Gewässerqualität in Bezug auf die Struktur und Funktionsfähigkeit des aquatischen Ökosystems. Die Bewertung der Oberflächengewässer erfolgt in fünf Stufen: Von 1 „Sehr gut“ bis 5 „Schlecht“.

Unterhaltungspflichtige, Kläranlagenbetreiber, Landwirtschaft, Industrie usw. sind verpflichtet, den ökologischen und chemischen Zustand von Oberflächengewässern zu erhalten oder entsprechend zu verbessern. Der Bewirtschaftungsplan ist dabei das zentrale Element zur Umsetzung der WRRL. Wiederkehrend werden vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) Gewässerbewirtschaftungspläne aufgestellt, letztmalig am 22.12.2020. Er enthält u. a. eine fortgeschriebene Bestandsaufnahme der Gewässerqualität und behördenverbindliche Maßnahmenprogramme.

Alle Gewässer, die zugehörigen Planungseinheitensteckbriefe und Wasserkörpertabellen sind zu finden unter:

https://www.flussgebiete.nrw.de/entwurf-des-bewirtschaftungsplans-2022-2027-fuer-nordrhein-westfalen-8914

Bis heute erfüllt in Deutschland keines der sechzehn Bundeländer die Anforderungen an die WRRL. Notwendige Arbeiten sind sehr umfangreich, der Fortschritt ist schleppend, auch in NRW bzw. im Kreis Steinfurt und in Rheine. Die Gründe sind vielfältig. Fehlendes Geld wird zum Teil durch eine ca. 70%ige Maßnahmenförderung ausgeglichen, jedoch sind die vorbereitenden Arbeiten sehr zeitintensiv. Maßnahmen sind zu evaluieren, die Umsetzbarkeit muss geprüft werden. Dabei müssen insbesondere die Eigentumsverhältnisse beachtet werden. Ggf. sind Grundstücksankäufe notwendig. Es müssen Förderanträge gestellt und Verwendungsnachweise geführt werden. Die Maßnahmenplanung und deren Umsetzung sind auszuschreiben, der Bau muss betreut werden. Förderwürdig sind nur Kosten von Einzelmaßnahmen und deren zugehörigen Personalkosten bei der Planung. Koordinationsaufgaben usw. sind nicht förderfähig. 


 

3.        WRRL in Rheine

Die Unterhaltung und demnach die Umsetzung der WRRL bei den Fließgewässern obliegt gem. § 94 LWG bei den Gewässern 1. Ordnung i. d. R. dem Land. Bei Gewässern 2. Ordnung obliegt die Unterhaltung i. d. R. Anliegergemeinden. Die Gemeinde kann ihre Pflichten per Satzung auf Wasser- und Bodenverbände übertragen.

In Rheine besteht die Ems als Gewässer 1. Ordnung. Die Unterhaltung und demnach WRRL-Umsetzung obliegen dem Land. Zudem bestehen nachfolgende berichtspflichtigen Gewässer 2. Ordnung im Stadtgebiet Rheine:

 

Gewässername

Länge [km]

Randelbach

5,86

Wambach/Frischebach

5,40

Frischhofsbach

10,14

Altenrheiner Bruchgraben

5,03

Hemelter Bach

10,23

Elter Mühlenbach

7,00

Gesamt

43,66

 

Die Unterhaltung dieser Gewässer in Rheine wurde per Satzung auf die örtlichen Wasser- und Bodenverbände übertragen. Diesen obliegt daher auch die Umsetzung der WRRL. Sie sind demzufolge als Maßnahmenträger in den Bewirtschaftungsplänen aufgeführt.

Der Kreis Steinfurt, die Naturschutzstiftung und der Landwirtschaftliche Kreisverband WLV haben gemeinsam bereits in 2014 ein Fließgewässerentwicklungsprogramm, das sogenannte „Steinfurter Modell", aufgestellt mit dem Ziel, Kompensationsmaßnahmen an die Gewässer zu bringen und damit die Umsetzung der WRRL voranzutreiben. Strukturverbessernde Maßnahmen an Fließgewässern sollen einen aktiven Beitrag zur Flächenschonung gewährleisten und gleichzeitig die Umsetzung der WRRL der Wasser- und Bodenverbände unterstützten. Demnach besteht ein gutes Konzept zur Umsetzung der WRRL. Mögliche Einzelmaßnahmen am Gewässer werden beschrieben.

Siehe https://www.kreis-steinfurt.de/kv_steinfurt/Ressourcen/Umwelt-%20und%20Planungsamt/67_2%20sonstige%20PDFs/Kompensation_Flie%C3%9Fgew%C3%A4sser_20160523.pdf

Der WLV hat zudem über deren Verbandsbeiträge eine Personalstelle zur Beratung der Landwirte eingerichtet. Der dortige Mitarbeiter berät kreisweit Landwirte und hiesige Wasser- und Bodenverbände zu Fragen der WRRL. Einzelne WRRL-Maßnahmen werden vom WLV initiiert und abgewickelt. Weil die eigentlichen Wasser- und Bodenverbände ehrenamtlich tätig sind, sind sie mit der Umsetzung der WRRL oftmals überfordert. Notwendige Maßnahmen laufen daher nicht an, müssten aber bis Ende 2027 erledigt sein. Über Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene muss regelmäßig an die EU berichtet werden.


Nachfolgend ist der Zyklus der WRRL und der Ablauf der Bewirtschaftungszeiträume bis 2027 aufgezeigt.

 

 

Textfeld:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.        WRRL bei der TBR

Die Abwasserbeseitigung in Rheine obliegt dem Fachbereich Entwässerung. An vielen Stellen bestehen Gewässereinleitungen. Für jede Einleitung ist eine Einleitungserlaubnis erforderlich. Diese sind zeitlich befristet und müssen wiederkehrend neu beantragt werden. Die Einleitungen müssen nach dem Stand der Technik ausgebaut werden. Dazu gehört immer auch die Behandlung des Einleitungswassers, z. B. in Form eines Regenrückhalte- und/oder Regenklärbeckens. Diese Reinigung in Form von technischen Bauwerken ist jedoch nicht immer alleine zielführend. Ersatzweise oder in Ergänzung konnten in der Vergangenheit mit der Unteren Wasserbehörde Kreis Steinfurt (UWB) als Erlaubnisbehörde „strukturverbessernde Maßnahmen“ des betroffenen Gewässers abgestimmt werden. Beispiel: Im Zuge der Erlaubnisverlängerung der Einleitung an der Surenburger Straße in den Hemelter Bach wäre eine Regenwasserbehandlung erforderlich. Für dessen Bau war dort jedoch nicht ausreichen Platz vorhanden. Alternativ wurden in Abstimmung mit der UWB in den Jahren 2012/13 drei vorhandene Stauanlagen im Hemelter Bach zur Wiederherstellung der Fischdurchgängigkeit zu Fischaufstiegsanlagen umgebaut. Die Finanzierung erfolgte durch die Niederschlagswassergebühr. Auch die Stadtwerke Rheine bauten im Zuge einer Erlaubnisverlängerung für die Wasserentnahme aus dem Hemelter Bach eine Staustufe zu einer Fischaufstiegsanlage um.

Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung einer WRRL-Maßnahme ist die Sekündäraue an der Meisenstraße/Ecke Engernstraße, die derzeit geplant wird. Sie ist das Ergebnis einer dort auslaufenden Einleitungserlaubnis in den Hemelter Bach, einhergehend mit einer naheliegendem Wohnbaulandentwicklung. Die Finanzierung erfolgt über Fördermittel bzw. der Eigenanteil aus der Niederschlagswassergebühr.


O. g. Maßnahme und weitere sieben wurden von TBR oder EWR im Zuge wasserrechtlicher Genehmigungsverfahren im Stadtgebiet Rheine bisher umgesetzt. Im genannten Gewässerbewirtschaftungsplan im Stadtgebiet Rheine stehen jedoch insgesamt weitere 79 Maßnahmen zur Umsetzung. Darin enthalten sind auch so große Projekte wie der Rückbau der letzten Stauanlage im Hemelter Bach an der Mühle Cordesmeyer. Die örtlichen ehrenamtlich tätigen Wasser- und Bodenverbände, auf denen die Unterhaltung übertragen wurde, sind mit dieser Aufgabe oftmals überfordert. Neben fehlenden fachlichen Voraussetzungen fehlt es den Wasser- und Bodenverbänden insbesondere an der Möglichkeit, die Maßnahmen liegenschaftlich sowie genehmigungs- und fördertechnisch zu steuern.

Die Stadt Rheine wird über die TBR oder EWR bei der Umsetzung der WRRL i. d. R. immer erst dann tätig, wenn im Rahmen von wasserrechtlichen Genehmigungen Maßnahmen der WRRL sinnvoll unter Ausnutzungen von Synergien (mit)umgesetzt werden können (Pflichtaufgabe). Eine Ausnahme ist die WRRL-Maßnahme am Randelbach. Der Randelbach wurde in 2019 von der Ems aufwärts für rd. 450 T€ renaturiert. Die Maßnahme wurde zu 80 % gefördert. Eine der größten Herausforderungen waren zum Teil massive Vorbehalte von Betroffenen, die in personal- und zeitaufwändigen Gesprächen verhandelt und überwunden werden mussten. Diese Pilotmaßnahme zur Umsetzung der WRRL ohne den Anlass eines Genehmigungsverfahren zeigte deutlich, dass zur Steuerung und Abwicklung - vor allem im Vorfeld zur eigentlichen Baumaßnahmen - zusätzliche Personalkapazitäten erforderlich sind, wenn die Stadt Rheine bei der Umsetzung der WRRL die Wasser- und Bodenverbände unterstützen will.

Im Fachbereich Entwässerung bestehen heute bereits vielfältige Fachaufgaben hinsichtlich der Fließgewässer. Das ist einerseits die Funktion des Gewässerschutzbeauftragten, andererseits die Arbeit des technischen Betreuers der Unterhaltungsverbände. Zudem bestehen etliche Erfahrungen mit der Umsetzung von WRRL-Maßnahmen.

Bei der Schaffung von Personalkapazitäten (eine Vollzeit-Ingenieurstelle) für die Umsetzung der WRRL können Synergieeffekte zur Entwässerungsplanung genutzt werden. Innerhalb der Stadt Rheine können Gewässeraufgaben gebündelt und mit anderen Fachstellen koordiniert abgewickelt werden.

Die Finanzierung der Personalstelle erfolgt in 2022 aus dem Fachbereich Entwässerung und wird sich entsprechend mindernd auf das Jahresergebnis auswirken. Ab 2023 soll die Stelle in die Amtshilfevereinbarung mit der Stadt Rheine aufgenommen werden.

Die Finanzierung der jeweiligen WRRL-Maßnahme erfolgt unter Nutzung der Landesförderungen aus dem städtischen Haushalt. Die Mittel sind im laufenden Haushalt bereits im FB 5 im Umweltbereich veranschlagt.

 


 

 

 

 

Anlage 1: Auszug Antrag B90/Die Grünen vom 16.01.2021