Sitzung: 19.02.2015 Integrationsrat
Herr Kassem betont,
man müsse sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Er sei von mehreren
Parteien auf dieses Thema angesprochen worden. Er sei aufgefordert worden, eine
öffentliche Stellungnahme dazu abzugeben. Er habe sich in dieser Sache bisher
bewusst zurückgehalten, denn es sei besser, das Thema intern im Gremium des
Integrationsrates zu diskutieren.
Herr Gausmann
berichtet über die Entwicklung der Flüchtlingszahlen in den letzten Monaten. Im
Januar 2014 hatte Rheine 266 Personen im Leistungsbezug nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz. Die aktuelle Zahl von heute belaufe sich auf 469
Personen. Hinzu kämen die syrischen Flüchtlinge aus dem Bereich des Bundeskontingentes.
Sie bezögen keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern
direkt nach dem SGB II, das seien z. Z. 53 Personen. Die Asylbewerber in Rheine
kämen aus insgesamt 32 Nationen.
Der Innenminister
des Landes NRW habe kürzlich die Ausländerbehörden aufgefordert, freie
Unterkünfte zu melden. Derzeit gehe der Minister davon aus, dass monatlich mehr
als 6000 Flüchtlinge einen Asylantrag in NRW stellen werden, wobei die
Folgeantragsteller nicht berücksichtigt seien, weil diese Gruppe meist nicht
über die zentralen Einrichtungen, sondern
automatisch dort zugewiesen würden, wo sie ihren Erstantrag gestellt
hätten. Es gebe eine aktuelle Information des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, wonach man davon ausgehe, dass im Jahre 2015 mindestens 250 000
Erst- und 50 000 Folgeantragsteller kommen werden, das wären bundesweit 300 000 Antragsteller mehr aus dem
Bereich Asyl als im letzten Jahr. Es
gebe eine Initiative des Städte- und Gemeindebundes, dass die Flüchtlinge aus
dem Kosovo als Erstantragsteller nicht mehr den Kommunen zugewiesen würden,
sondern ihre Anträge direkt aus den Übergangseinrichtungen des Landes heraus
innerhalb von 14 Tagen bearbeitet und entschieden werden sollen.
Herr Gausmann
erklärt weiterhin, Ziel müsse es sein, alle Flüchtlinge vernünftig unterzubringen,
unabhängig von ihrer Nationalität. Er habe bereits in den vergangenen Sitzungen
des Sozialausschusses und auch in der letzten Sitzung dieses Integrationsrates
darauf hingewiesen, dass man mit dem Konzept der dezentralen Unterbringung
möglicherweise an Grenzen stoße. Anfang Februar habe die Verwaltung deshalb den
Rat der Stadt Rheine gebeten, zusätzlich 2 Millionen Euro für die Unterbringung
von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, um der Verpflichtung der menschenwürdigen
Unterbringung gerecht zu werden. Der Rat habe einstimmig beschlossen, 2 mobile
Wohneinheiten für je 40 Personen anzuschaffen. Der restliche Bedarf solle durch
Anmietung oder Kauf zusätzlicher Häuser gedeckt werden. Primäre Aufgabe ist es
lt. Ratsbeschluss, eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt
Rheine weiter zu realisieren. Dennoch sei es unbedingt erforderlich, 2 mobile
Wohneinheiten für je 40 Personen einzurichten, und zwar an Standorten, an denen
sie in die Nachbarschaft eingebunden werden könnten und entsprechende
Infrastrukturen vorhanden sind. Die Flüchtlinge sollten dort möglichst nur
vorübergehend untergebracht werden und baldmöglichst in eigene Wohnungen
umziehen können.
Herr Berardis
schlägt vor, aufgrund des derzeitigen Engpasses bei der Unterbringung vorübergehend möglichst auch auf
Kasernengebäude zurückzugreifen.
Frau Leskow
erkundigt sich, ob es bereits einen Sachstand gebe betr. der Verwendung der
Kasernen. Herr Gausmann erklärt, nicht er sei für die Beurteilung des baulichen
Zustandes von Kasernen zuständig, sondern die BImA (Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben).
Frau Leskow ergänzt,
die Standortverwaltung der Damloup-Kaserne sei erst im Vorjahr wieder an die
BImA übergeben worden und müsse eigentlich in einem recht guten Zustand sein.
Es gebe seit Ende 2014 die Richtlinie, dass die Grundstücke und Gebäude der
BImA den Kommunen mietfrei überlassen werden müssten, wenn dort Flüchtlinge
untergebracht würden. In diesem Rahmen möge geprüft werden, inwieweit sich die
Damloup-Kaserne dafür eigne.
Herr Gausmann
entgegnet, es gebe auch betr. der StOV und der Damloup-Kaserne Überlegungen,
sie im Rahmen des Konversationsprozesses anderweitig zu nutzen, er sei jedoch
betr. einer evtl. Nutzung von Kasernen der falsche Ansprechpartner.
Herr Gausmann
erläutert, dass in der Verwaltung Mitarbeiter aus dem Bereich Gebäudemanagement
zunächst in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Migration alle angebotenen Häuser
und Wohnungen besichtigen, um sicherzustellen, dass kein überteuerter Ankauf
stattfindet.
Von Bedeutung bei
der Unterbringung der Flüchtlinge seien auch Überlegungen zur Erreichbarkeit
von Schulen und Kitas. Mit der Frage "Wie schaffen wir es, Kinder und
Jugendliche mit Migrationshintergrund gut zu integrieren" solle sich der
Integrationsrat möglichst in einer der nächsten Sitzungen beschäftigen. Im
Grundschulbereich würden die Schüler dezentral beschult, außerdem gäbe es hier
Unterstützungsleistungen durch ehrenamtlich tätige Personen. Im
Sekundarschulbereich I gäbe es solche Initiativen bislang noch nicht.
Allerdings gebe es schulrechtliche Regelungen zur Schulpflicht der Schüler der
Sekundarstufe I. Derzeit würden diese Schüler bei nicht ausreichenden
Sprachkenntnissen in der Overbergschule beschult.
Es gebe auch das
Programm der interkulturellen Öffnung der Jugendhilfe in Verbindung mit dem
Caritas-Verband. Evtl. könne man hier Verknüpfungen schaffen. Ausbildung und
Übergang in den Beruf sei ein weiterer wichtiger Aspekt.
Herr Kassem bittet
um Erklärung des Begriffs 'Konversionsprozess'. Herr Gausmann erläutert, man
habe durch die Aufgabe der Bundeswehr in Rheine eine größere Menge
Bundeswehrflächen zur Verfügung. Der Umwandlungsprozess dieser Immobilien, die
früher im Besitz der Bundeswehr waren, in Wohn- und Industriegebiete oder zur
Einrichtung einer Hochschule zur Verbesserung städtischer Strukturen werde als
Konversionsprozess bezeichnet.
Herr Kassem stellt hinsichtlich der Anschaffung mobiler Wohneinheiten die Frage, inwieweit diese mit Akzeptanz durch die Bürger eingesetzt werden könnten. Evtl. sei auch mit Widerspruch seitens der Bürger zu rechnen. Könne es auch die Folge einer kurzsichtigen Planung sein, dass Rheine in diese Notsituation geraten sei oder beruhe diese Entwicklung nur auf den enormen Anstieg der Flüchtlingszahlen? Man müsse dafür sorgen, dass alle Flüchtlinge in Rheine menschenwürdig untergebracht würden, dass ihre Privatsphäre nicht gestört werde z. B. durch Sammelküchen o. ä. und ihre Leiden durch die Art der Unterbringung nicht weiter verschlimmert würden. Diese menschenwürdige Unterbringung müsse auch im Einklang stehen mit einer Akzeptanz durch deutsche Nachbarn und mit Blick auf das Budget der Stadt Rheine. Mobile Wohneinheiten sollten auch deshalb nur als allerletzte Möglichkeit für die Unterbringung von Flüchtlingen infrage kommen.
Frau Dursun gibt zu
bedenken, die Menschen in den mobilen Wohneinheiten würden isoliert leben. Kinder
untereinander integrierten sich zwar recht schnell, aber durch eine evtl.
ablehnende Haltung deutscher Eltern gegenüber Kindern aus mobilen Wohneinheiten
könnten sich doch Probleme ergeben.
Herr Gausmann nimmt
wie folgt Stellung zu den angesprochenen Punkten:
Die Notsituation sei
entstanden, da die Stadt überrascht worden sei durch den plötzlichen Anstieg
der Asylbewerberzahlen. Diese seien bis 2012 deutlich zurückgegangen, dann habe
es einen leichten Anstieg in 2013 gegeben, den man aber durch die Anmietung von
Wohnraum habe kompensieren können. Dass die Zahlen in 2014 derart anstiegen, z.
B. durch die Entwicklung in Syrien, war von der Verwaltung nicht erkennbar. Es
habe also keine Planungsfehler gegeben. Er halte es auch weiterhin für richtig,
auf weitere Zuwanderungen mit der Anmietung zusätzlichen Wohnraums zu
reagieren. Es sei jedoch nicht abzusehen, ob dieses Konzept auch in Zukunft ausreiche.
Man habe z. Z. 80 Standorte, wodurch inzwischen auch der freie Wohnungsmarkt
ausgehöhlt worden sei.
Man werde nach
derzeitigem Kenntnisstand frühestens nach den Sommerferien über eine zusätzliche
mobile Wohnanlage verfügen können, da die Ausschreibung europaweit erfolgen
müsse und die Lieferzeiten ungewiss seien. Deshalb müsse jetzt entschieden
werden, ob eine Ausschreibung für eine solche Anlage erfolge, damit in ca. 6
Monaten eine Lösung präsentiert werden könne. Sobald die Ausschreibungsergebnisse
vorlägen, könne erst nach deren Prüfung eine Bestellung erfolgen.
Herr Kassem stellt
die Frage, nach der vorgesehenen Nutzungszeit dieser mobilen Wohneinheit.
Herr Gausmann
antwortet, es sei auch in Zukunft keine Reduzierung der Zuwanderung erkennbar,
deshalb sei eine Nutzung mobiler Wohneinheiten wahrscheinlich langfristig
erforderlich. Er betont, diese neuen Wohneinheiten seien allerdings besser
ausgestattet als die bisher genutzten. Wenn man als Ergebnis des Runden Tisches
evtl. viele weitere Wohnraumangengebote erhalte, benötige man evtl. keine
mobilen Einheiten. Aber eine solche Entwicklung sei sehr unwahrscheinlich.
Herr Mau erklärt, er
habe aufgrund der bisherigen Diskussion den Eindruck, dass niemand eine
Anschaffung mobiler Wohneinheiten anstrebe. Deshalb solle man diese Maßnahme
nur als allerletztes Mittel vorsehe. Er schlage vor, dass die Bürgermeisterin
in einer Presseerklärung in Form eines offenen Aufrufs an die Bevölkerung von
Rheine die Situation schildere und die Bürger dazu auffordere, verfügbaren Wohnraum
der Stadt anzubieten.
Herr Gausmann
erläutert, man beabsichtige, mit den beiden großen Kirchen, den Moscheegemeinden
und der Stadt einen entsprechenden Aufruf zu entwickeln.
Nach weiterer kurzer
Diskussion wird folgender Beschluss
gefasst:
1.
Der
Integrationsrat begrüßt und unterstützt das dezentrale Unterbringungskonzept
der Stadt Rheine.
2.
Der
Integrationsrat begrüßt den Erwerb von Immobilien auf dem freien Wohnungsmarkt.
3.
Der
Integrationsrat bittet die Verwaltung, nur als letzte Möglichkeit die Anschaffung
mobiler Wohneinheiten in Betracht zu ziehen und dabei weiterhin auf eine
menschenwürdige Unterbringung zu achten.
4.
Die
Stadtverwaltung Rheine wird gebeten, die weitere Entwicklung hinsichtlich der
Zuwanderung zu beobachten und auch zukünftig vorausschauend geeigneten Wohnraum
zur Verfügung zu stellen.
5.
Der
Integrationsrat begrüßt die Einrichtung eines Runden Tisches.