Der Vorsitzende, Claus Meier, begrüßt  Frau Claudia Middendorf, Landesbehinderten- und Patientenbeauftragte der Landesregierung NRW, den Werkstattrat der Caritas-Emstor-Werkstätten, die Kolleginnen/ den Kollegen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), weitere anwesende Gäste, die Presse sowie Mitglieder des Beirates, die Koordinatorin für Behindertenarbeit, Stefanie Althaus, den Sozialdezernenten Raimund Gausmann und die Jugendamtsleiterin, Annette Wiggers zur Sitzung des Beirates.

 

Bevor es zur Vorstellung und zum Austausch mit der Behindertenbeauftragten Frau Middendorf kommt, wird das Mitglied des Beirates, Heinz Thalmann, von Claus Meier gebeten, einen Überblick über die historische Entwicklung und Aufgaben des Beirates zu geben.

 

Heinz Thalmann, selbst 29 Jahre Vorsitzender des Beirates für Menschen mit Behinderungen, gab zunächst einen historischen Überblick über die Zeiten der Behindertenarbeit von den 60ziger Jahren bis zur heutigen Zeit. Er berichtet von der Entwicklung der Behindertenarbeit von der Exklusion über Separation, Integration, Normalisierung  bis hin zur Inklusion.

Im Jahre 1981 wurde von den Vereinten Nationen das Jahr der Behinderten „Einander verstehen – miteinander leben“  ins Leben gerufen. In der Sozialausschusssitzung am 24.11.1981, fasste der Sozialausschuss der Stadt Rheine den Beschluss zur Gründung eines Behindertenbeirates.

Die konstituierende Sitzung des neuen Gremiums mit 7 Mitgliedern und 7 stellvertretenden Mitgliedern aus über 25 örtlichen Behindertenvereinen, Verbänden, Organisationen und Selbsthilfegruppen, fand am 29. 03.1982 statt.

Der Behindertenbeirat –heute Beirat für Menschen mit Behinderung- sieht sich als Vertretung der Menschen mit Behinderung in Rheine. Er sieht seine Aufgabe darin, das Interesse der behinderten Menschen an der Lösung kommunaler Aufgaben in der Behindertenarbeit  zu wecken und die Belange gegenüber Rat, Ausschüssen, Verwaltung und Gesellschaft zu vertreten. Schwerpunkte waren in den Folgejahren neben der Erstellung einer Geschäftsordnung, die Durchsetzung eines Richtlinienkataloges für freiwillige finanzielle Hilfen, z.B. Fahrtkostenerstattung, Zuschüsse zu Veranstaltungen, Ferienfreizeiten. etc.

 

Heute, in der 8. Wahlperiode, besteht der Beirat aus 8 Mitgliedern mit jeweils einer Vertretung bis zur Kommunalwahl 2020. Die Benennung der Beiratsmitglieder erfolgt durch den Sozialausschuss. Begleitet wird der Beirat durch eine 0,5 Planstelle der Stadt Rheine „Koordinatorin der Behindertenarbeit“. Ratsmitglieder/Innen dürfen nicht in den Beirat gewählt werden.

Im Jahre 2001 wurde mit dem Slogan „Nicht über uns ohne uns“ ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet. Die Stadt Rheine fasste 2001 einen Grundsatzbeschluss zum behindertengerechten und barrierefreien Bauen für städtische Einrichtungen und Gebäude, bei denen die Stadt Rheine wesentlicher Nutzer ist. Dazu wurden finanzielle Mittel im Haushalt der Stadt Rheine zur Verfügung gestellt (Stand heute: 90.000 €).

2009 erfolgte die Ratifizierung und Inkraftsetzung der UN Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Der behinderte Mensch soll nicht integriert werden, sondern es soll ihm inklusiv von Anfang an eine Teilnahme an allen gesellschaftlichen Aktivitäten auf allen Ebenen und im vollen Umfang ermöglicht werden (Inklusion).

Heinz Thalmann beendet seinen Vortrag mit der Erkenntnis: „In dem Maße, in dem eine Stadt ihren Teilgruppen, insbesondere Menschen mit Beeinträchtigungen, die Menschenwürde und das Lebensrecht sichert, bewahrt sie ihre Humanität und damit die Grundlage ihres Bestandes. Sie stellt die Weichen für eine humane Zukunft aller dort wohnenden Menschen“.

 

Sozialdezernent Raimund Gausmann begrüßte im Anschluss an den Vortrag von Heinz Thalmann, stellvertretend für den Bürgermeister, Frau Middendorf und äußerte seinen Stolz über die behindertengerechte Ausgestaltung der Stadt Rheine. Dieses zeige sich u.a. in der jährlichen Bezuschussung für barrierefreie Baumaßnahmen in Höhe von 90.000 €. Als nächstes Projekt wird die Stadt Rheine Kitas über zwei Geschosse barrierefrei gestalten.

 

Manchmal sei die Kommune- so Herr Gausmann- auch überrascht von Entscheidungen des Landes, z.B. zum gemeinsamen Unterricht. Man könne nicht zielfordernd von oben verordnen, was eine Haltungsfrage ist. Der Erlass des Landes zur Neuausrichtung von Inklusion in Schulen vom 13.10.18 sei weiterhin wenig hilfreich, wenn bauliche und personelle Voraussetzungen nicht vorhanden sind.

 

Vorstellung von Claudia Middendorf

In der Vorstellung ihrer Person und ihrer Aufgaben gibt Frau Middendorf als ihr Lebensmotto an, dass der Mensch immer im Mittelpunkt des politischen Handelns und Sein stehen muss. Ihre Aufgabe versteht sie als Partnerin von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen bei der Durchsetzung ihrer politischen Rechte in Bezug auf selbstbestimmtes Leben. Seit dem 01.10.2017 wurde sie mit Kabinettsbeschluss zur Behinderten- und Patientenbeauftragten in Personalunion bestellt.

 

Claudia Middendorf, geboren in Dortmund, Diplom Sozialpädagogin, arbeitete beim Caritasverband Hagen, in unterschiedlichen Bereichen u.a. als Werkstattleiterin einer Werkstatt für behinderte Menschen und im ambulant betreuten Wohnen von Menschen mit psychischen Problemen. Auch wenn sie in den letzten fünf Jahren im Landtag tätig war, sieht sie ihre eigentliche Leidenschaft in der Kommunalpolitik in den Bereichen Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Wichtig ist Frau Middendorf die Unabhängigkeit als Landesbeauftragte. Sie möchte von betroffenen Personen als Expertin und als echte Partnerin wahrgenommen werden.

 

Schwerpunkte ihrer Arbeit in drei Säulen:

1.       Kontakte zu Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen. Stärken von Beiräten, Einsatz für Stimmrechte in Ausschüssen, Netzwerkpflege im Gesundheitswesen, Patientenfürsprecherin Austausch zwischen Kommune und Land

2.    Kontakte zu Kosten- und Leistungsträgern (u.a. LWL, Renten-versicherung, medizinischer Dienst, Kranken-/Pflegekassen etc.).

3.    Bürgeranfragen, Bürgerprobleme (u.a.Behandlungsformen, Behandlungsprobleme, Medikamente)

 

Claudia Middendorf berichtet aus ihrem Ausschuss, in dem neun Experten und Betroffene an einem Tisch sitzen, um über Themen wie inklusiver Arbeitsmarkt, Hilfsmittel am Arbeitsplatz, Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden, Orientierungs-/Kommunikationssysteme, gemeinsames Lernen in Schulen und über die Rahmenvereinbarung zum Bundesteilhabegesetz zu sprechen und zu beraten.

Beim Wohn-und Teilhabegesetz habe man bereits mit 80% Einzelzimmerquote einen Standard erreicht. Es müssen noch mehr Möglichkeiten der Kurzzeitpflege für mehrfach schwerbehinderte Menschen zur Entlastung von Angehörigen geschaffen werden. Auch soll die junge Pflege für Menschen mit Spätbehinderung unter 60 Jahre in Senioreneinrichtungen etabliert werden.

Bei der inklusiven Beschulung muss geklärt werden: Was benötigen die Kinder. Sind bauliche, personelle Strukturen vorhanden? Zurzeit fehlen 3.500 Lehrer, die Ausbildung von Lehrern muss verstärkt beworben werden.

 

Fragen an Frau Middendorf:

Stefanie Althaus: Was gibt es Neues bei der Finanzierung der heilpädagogischen Kindergärten?

Frau Middendorf: Wir sind im Gespräch, es gibt noch nichts Neues.

 

Stefanie Althaus: 20 behinderte Menschen benötigen dringend in Rheine ein Wohnangebot. Wie sieht die Entwicklung von Wohnangeboten aus?

Frau Middendorf: Intensiv ambulante Wohnformen will sie zu ihrem Thema machen. Insbesondere die Etablierung der jungen Pflege ist ihr ein Bedürfnis.

 

Annette Roes wies diesbezüglich darauf hin, dass es an der Schnittstelle Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe zu Problemen mit Leistungsträgern kommen kann, wenn zum Wohnen auch Teilhabe an Arbeit in einer Werkstatt gewünscht sei. In diesen Fällen müssen die Interessenten aus der Pflegeeinrichtung in eine Eingliederungseinrichtung wechseln bevor sie Zugang zur Werkstatt erhalten. Diese Problemstelle müsse bei der weiteren Etablierung der jungen Pflege gesehen und thematisiert werden.

 

Guido Bischof: Problemstelle; Fehlende Versorgung von behinderten Patienten im Krankenhaus

Frau Middendorf kennt die Problematik. In Coesfeld gibt es ein Krankenhaus, in dem 10 Plätze über Eingliederungshilfe und Assistenz über die Krankenkasse finanziert werden. Diese Entwicklung muss zum Thema gemacht werden.

 

Claudia Hilbig- Wobbe mahnt abschließend an, dass nicht die Kosten, sondern der Mensch in dem Mittelpunkt gestellt werden müsse.