Betreff
Starkregenprävention in Rheine - Entlastungskanal Dutum/Dorenkamp
Vorlage
104/23
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1. Der Betriebsausschuss „Technische Betriebe Rheine“ beschließt, den 1. Bauabschnitt (Entlastungskanal KGR-Münsterstraße-Elpersstiege-Ems) bis zur Ausführungsreife zu planen. Der eigentliche Bau wird zurückgestellt.

 

2. Der Betriebsausschuss „Technische Betriebe Rheine“ beschließt gemäß § 4 (2) a) der Betriebssatzung, einen Planungsauftrag für die Bauabschnitte 2, 3 und 4 (Lindenstraße-Bahnhofstraße-KGR) unter Beachtung der neuen Randbedingungen durch den Brückenneubau Bahnhofstraße der DB Deutschen Bahn in Höhe von ca. 515 T€ auszuschreiben.

 


Begründung:

 

Zur Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Abwassersystems investiert die TBR-Entwässerung seit vielen Jahren in zahlreiche Kanalbaumaßnahmen. Starkregenniederschläge mit einem Starkregenindex SRI 6 und größer (s. Abbildung 1) zeigen jedoch, dass Kanäle nicht so groß gebaut werden können, um alle Starkregenschäden zu verhindern. Die Rechtsprechung fordert Kanalgrößen, welche Regen z. B. in Siedlungsgebieten mit einer Stärke von SRI 4 aufnimmt. Darüber hinaus bedarf es anderer privater Vorsorgemaßnahmen.

Ein Werkzeug zur Vermeidung von Starkregenschäden ist die Integrale Entwässerungsplanung, in der die verschiedenen Fachdisziplinen Bauleit-, Straßen-, Grünflächenplanung in die Entwässerungsplanung einbezogen werden. Bei der Erschließung des Baugebietes ´Hof Sandmann´, Gellendorf, vor 11 Jahren sind diese Planungsgrundsätze erstmals angewandt worden. Dort wurde so geplant, dass überschüssiges Starkregenwasser über öffentliche Straßen und Wege schadlos gefasst wird und somit nicht auf die Privatgrundstücke fließt. Anfallendes Oberflächenwasser wird dort über den Fuß-/Radweg im Durchstich der Lärmschutzwand an der Elter Straße in Richtung Ems abgeleitet.

Eine Steigerung der integralen Entwässerungsplanung ist die Planung von Baugebieten als „Schwammstadt“. Erstmalig wird dieses neue Planungsinstrument in Rheine bei der Erschließung der ehemaligen Damloup-Kaserne zum Wohngebiet ´Europaviertel am Waldhügel´ eingesetzt. Schwammstadt bedeutet, anfallendes Regenwasser wird lokal aufgenommen, es verdunstet oder es wird gespeichert, um es zum Beispiel zu nutzen oder zu versickern, anstatt es lediglich kanalgebunden abzuleiten. Oftmals werden Grünanlagen und Verkehrsflächen multifunktional genutzt. Bolzplätze; Spielplätze oder Grünflächen werden z. B. bei Starkregen kurzzeitig zur Regenrückhaltung geringfügig eingestaut.

Beide Planungswerkzeuge sind jedoch in Bezug auf eine Starkregenprävention in Bestandsgebieten häufig nur schwer umsetzbar. Meist sind aufgrund der vorhandenen Bebauung lediglich kleinere Maßnahmen, z. B. die Umwidmung kleiner Gebietsflächen in multifunktionale Flächen möglich. Die Kanalvergrößerung bestehender Abwasserkanäle, der Neubau zusätzlicher Kanäle oder der Bau von unterirdischen Speicheranlagen in Form von Stauraumkanälen und Regenrückhaltebecken sind dann das Mittel der Wahl, um einen größeren Abwassernetzkomfort zu erreichen.

 

 

Textfeld:     Abbildung 1: Einteilung von Starkregen

In Bezug auf den Stadtteil Dutum/Dorenkamp als Bestandsgebiet bedeutet dies folgendes: Der Stadtteil und die sich anschließende Bahnüberführung Bahnhofstraße ist ein Starkregen -Hotspot in Rheine. Es wurde darüber im Betriebsausschuss am 21.09.2021, Vorlage Nr. 431/21, berichtet. Herr Dr. Rohlfing, Ing.-Büro PFI, stellte die Lösungsansätze zur Entlastung des Hotspots vor (s. Abbildung 2). Die Gesamtmaßnahme sieht 4 Bauabschnitte (BA) vor. Begonnen werden sollte mit dem 1. BA, dem Entlastungskanal vom KGR durch die Münsterstraße, die Elpersstiege bis zur Einleitung in die Ems. Im November 2021 wurde die Planungsleistung für den 1. BA ausgeschrieben. Das Ing.-Büro Bockermann-Fritze erhielt den Auftrag bis zur Ausführungsplanung. Mit den Bauarbeiten sollte im Jahr 2022 begonnen werden. Die Gesamtmaßnahme sollte in 2025 abgeschlossen sein.

 

Textfeld:  Abbildung 2: Unterteilung der Gesamtmaßnahmen in 4 Bauabschnitte

Bei der Ausführungsplanung des 1. BA ergaben sich zahlreiche Schwierigkeiten u. a. in Bezug auf den Verkehr, auf Kampfmittelverdachtspunkte, die künftige Baustelleneinrichtung, Versorgungsleitungen und öffentliche Feuerwehrumfahrten auf Privatflächen, z. B. für das Jakobi-Altenheim. Da die konkretisierende Ausführungsplanung des 1 BA immer auch im Zusammenhang der Gesamtmaßnahme zu betrachten war, wurden für die übrigen Bauabschnitte zeitgleich Planungsanfragen an die betroffenen Träger öffentlicher Verkehrsinfrastruktur (z. B. Straßen NRW, Deutsche Bahn) gestellt.

In diesem Zusammenhang teilte die Deutsche Bahn Ende letzten Jahres mit, dass sie voraussichtlich im Jahr 2030 die Bahnüberführung über die Bahnhofstraße durch eine moderne Trägerkonstruktion erneuern wird. Wohingegen im derzeitigen Brückenbestand aufgrund der vorhanden Stahlstützen lediglich ein Abwasserkanaldurchmesser von DN 1.400 möglich wäre (s. Abbildung 3), ist bei einem etwaigen Rückbau der Stützen mehr Platz unter der Bahn. Sodann ist ein wesentlich größerer und leistungsfähigerer Rohrdurchmesser z.B. bis zu einem Rechteckquerschnitt RE 1.200/2.500 ausführbar. Im weiteren Verlauf des Ableiters ergeben sich hierdurch ganz anderen Möglichkeiten der hydraulischen Leistungsfähigkeit und der Ausführung.

 

Textfeld:  

Abbildung 3: Kanal unterhalb der Bahnhofstraße, bisherige Planung

Im Zuge des Brückenneubaus könnte zudem die bisherige Beschränkung der Durchfahrtshöhe durch Vertiefung der Straßengradiente aufgehoben werden.  Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Tiefenlage des künftigen Abwasserkanals unter der Brücke und somit auf die Tiefenlage des Entlastungssammlers bis zur Hovestraße. 

Da sich durch die angekündigte Baumaßnahme der Deutschen Bahn enorme Veränderungen und Potentiale für die gesamte Entwässerungsmaßnahme in allen Bauabschnitten ergeben, wird aus Sicht der TBR vorgeschlagen, die Abfolge der Bauabschnitte umzudrehen und die Gesamtmaßnahme in Abstimmung mit den Planungen der Deutschen Bahn weiterzuführen.

Die Planung des 1. BA (Entlastungskanal KGR – Münsterstraße – Elpersstiege – Ems) soll wie bereits beauftragt bis zur Ausführungsreife fertiggestellt werden. Der eigentliche Bau des 1. BA wird jedoch zurückgestellt.

Der 4. BA Lindenstraße kann von den Planungen der DB weitestgehend entkoppelt werden und sollte deshalb prioritär behandelt werden. Die BA 2 und 3 sind hingegen unter Beachtung der Planung der Deutschen Bahn durchzuführen. Die Deutsche Bahn beabsichtigt, ihre Planungen in 2024 zu beginnen.

Um eine zusammenhängende Planung aller Bauabschnitte zu gewährleisten, wird von der TBR empfohlen, die Planung der Bauabschnitte 2,3 und 4 gemeinsam auszuschreiben.

Die Planung des 4. BA soll vorrangig betrachtet werden. Die Planung dieses Abschnittes soll in 2024 beendet werden, so dass im Anschluss die Bauleistung ausgeschrieben werden können.

Gemäß § 4 Absatz 2 a Betriebssatzung TBR hat der Betriebsausschuss über Verträge außerhalb des genehmigten Wirtschaftsplanes zu entscheiden, wenn der Wert im Einzelfall den Betrag von 50 T€ im Wirtschaftsjahr übersteigt. Die Planungen für die Bauabschnitte BA 2, 3 und 4 (Lindenstraße-Bahnhofstraße-KGR) in Höhe von ca. 515 T€ sind bisher nicht im WP 2023 vorgesehen und sind deshalb gesondert zu beschließen.

Der Bau eines leistungsfähigen Ableiterkanals von der Bahnhofstraße zur Ems ist nur eine der Maßnahmen zur Starkregenprävention im Gebiet Dutum – Dorenkamp. Darüber hinaus sind bereits folgende Projekte durchgeführt worden oder sind in absehbarer Zeit vorgesehen.

Bereits durchgeführt Maßnahmen oder Maßnahmen in der Umsetzung im Stadtteil Dutum-Dorenkamp (Baukosten rd. 3,45 Mio€):

 

Umsetzungsjahr

Maßnahme

Kosten T€

2016

Hünenborg Grünstreifen angelegt und Bahngraben neben Radweg erweitert; zusätzliche Straßenabläufe gesetzt, etc.

50

2017

MW-Kanalsan./-vergrößerung Breite Straße MWK (Beethovenstraße - Lindenstraße)

600

2019

MW-Kanalsan./-vergrößerung Frankenburgstr. (Beethovenstr. - Sprickmannstr.) 1. BA

850

2019

MW-Kanalsan./-vergrößerung Beethovenstr. (Neuenkirchener Str.-Frankenburgstr.) 1.BA

200

2019

MW-Kanalsan./-vergrößerung Beethovenstr., Trennbauwerk 1. BA

150

2021

Grünzug Wohnpark Dutum (multifunktionale Fläche)

100

2021

MW-Kanalsan./-vergrößerung (Stauraumkanal) Richardstraße, Windthorststraße (Darbrookstr. - Parkstr.)

800

2021

MW-Kanalsan./-vergrößerung Darbrookstr. (Bühnert-Waldmarkstr.)

700

Summe:

3.450

 

 

 


 

Zudem sind folgende Entlastungsmaßnahmen mit geschätzten Kosten von rd. 2.23 Mio € geplant:

 

 

Umsetzungsjahr

Maßnahme

Kosten T€

2023

MW-Kanalsan./- vergrößerung Alter Neuenkirchener Weg (Lindenstr. - Sprickmannstr.)

180

2023

MW-Kanalsan./- vergrößerung Steinfurter Straße (Beethovenstr.- Sprickmannstr.)

600

2023

MW-Kanalsan./- vergrößerung Frankenburgstr. (Sprickmannstr. - Lindenstr.) 2. BA

700

2024

MW-Kanalsan./- vergrößerung (Stauraumkanal) Dutumer Straße (Wagner Str.-Beethovenstr.)

650

2024+

Multifunktionale Fläche - Verdistr. Steinfurter Straße

100

Summe:

2.230

 

Keiner der aufgeführten TBR-Baumaßnahmen kann letztlich jedoch den Objektschutz ersetzen. Private Gebäudeeigentümer und –eigentümerinnen müssen sich ebenso kümmern. Der Beitrag, den sie zum Schutz ihrer Objekte leisten können, ist erheblich. Objektschutz beginnt bereits bei einem Regen mit dem Starkregenindex SRI 4. Er ist umso mehr erforderlich, je größer die Regenereignisse sind, siehe o. a. Starkregenkategorien.

Auf der TBR-Homepage sind die wichtigsten Fakten und Präventionsmöglichkeiten zum Thema Starkregen anschaulich dargestellt. Neben einem Animationsfilm zur Erklärung von Starkregen und entsprechenden Schutzmaßnahmen steht ein Rückstau-Handbuch und ein Flyer „Wie schütze ich mein Haus vor Starkregen- und Hochwasserfolgen?“ als Download zur Verfügung. Weiterhin ist eine interaktive Starkregengefahrenkarte mit den Überflutungsflächen in Rheine eingestellt. Hier kann jede/r Gebäudeeigentümer und -eigentümerin grundstückscharf nachsehen, ob sie von Starkregen betroffen sind, um Schutzmaßnahmen einzuleiten. Dazu besteht von den TBR ein persönliches Beratungsangebot.

Leider setzt jedoch nach einem Starkregenereignis bei vielen Betroffenen eine sogenannte „Starkregendemenz“ ein, soll heißen: Nach kurzer Zeit ist der Starkregen wieder vergessen. Das wird sogar bei bereits betroffenen Eigentümern und Eigentümerinnen festgestellt. Die Klimaveränderungen werden jedoch dazu führen, dass es zukünftig öfter zu Starkregen kommen wird. Die TBR wird die hydraulische Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes daher stetig verbessern und durch multifunktionale Nutzung von Flächen versuchen, das Schadenspotential möglichst geringzuhalten. Durch die vielfältige Hilfestellung wird die TBR die Gebäudeeigentümer und –eigentümerinnen bei der privaten Vorsorge weiter unterstützen.