Beschlussvorschlag/Empfehlung:
1. Der
Betriebsausschuss „Technische Betriebe Rheine“ beschließt, den 1. Bauabschnitt
(Entlastungskanal KGR-Münsterstraße-Elpersstiege-Ems) bis zur Ausführungsreife
zu planen. Der eigentliche Bau wird zurückgestellt.
2. Der
Betriebsausschuss „Technische Betriebe Rheine“ beschließt gemäß § 4 (2) a) der
Betriebssatzung, einen Planungsauftrag für die Bauabschnitte 2, 3 und 4
(Lindenstraße-Bahnhofstraße-KGR) unter Beachtung der neuen Randbedingungen
durch den Brückenneubau Bahnhofstraße der DB Deutschen Bahn in Höhe von ca. 515
T€ auszuschreiben.
Begründung:
Zur
Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Abwassersystems
investiert die TBR-Entwässerung seit vielen Jahren in zahlreiche
Kanalbaumaßnahmen. Starkregenniederschläge mit einem Starkregenindex SRI 6 und
größer (s. Abbildung 1) zeigen jedoch, dass Kanäle nicht so groß gebaut werden
können, um alle Starkregenschäden zu verhindern. Die Rechtsprechung fordert
Kanalgrößen, welche Regen z. B. in Siedlungsgebieten mit einer Stärke von SRI 4
aufnimmt. Darüber hinaus bedarf es anderer privater Vorsorgemaßnahmen.
Ein
Werkzeug zur Vermeidung von Starkregenschäden ist die Integrale
Entwässerungsplanung, in der die verschiedenen Fachdisziplinen Bauleit-,
Straßen-, Grünflächenplanung in die Entwässerungsplanung einbezogen werden. Bei
der Erschließung des Baugebietes ´Hof Sandmann´, Gellendorf, vor 11 Jahren sind
diese Planungsgrundsätze erstmals angewandt worden. Dort wurde so geplant, dass
überschüssiges Starkregenwasser über öffentliche Straßen und Wege schadlos
gefasst wird und somit nicht auf die Privatgrundstücke fließt. Anfallendes
Oberflächenwasser wird dort über den Fuß-/Radweg im Durchstich der
Lärmschutzwand an der Elter Straße in Richtung Ems abgeleitet.
Eine
Steigerung der integralen Entwässerungsplanung ist
die Planung von Baugebieten als „Schwammstadt“. Erstmalig wird dieses neue
Planungsinstrument in Rheine bei der Erschließung der ehemaligen
Damloup-Kaserne zum Wohngebiet ´Europaviertel am Waldhügel´ eingesetzt.
Schwammstadt bedeutet, anfallendes Regenwasser wird lokal aufgenommen, es
verdunstet oder es wird gespeichert, um es zum Beispiel zu nutzen oder zu
versickern, anstatt es lediglich kanalgebunden abzuleiten. Oftmals werden Grünanlagen und Verkehrsflächen
multifunktional genutzt. Bolzplätze; Spielplätze oder Grünflächen werden z. B.
bei Starkregen kurzzeitig zur Regenrückhaltung geringfügig eingestaut.
Beide Planungswerkzeuge
sind jedoch in Bezug auf eine Starkregenprävention in Bestandsgebieten häufig
nur schwer umsetzbar. Meist sind aufgrund der vorhandenen Bebauung lediglich
kleinere Maßnahmen, z. B. die Umwidmung kleiner Gebietsflächen in
multifunktionale Flächen möglich. Die Kanalvergrößerung bestehender
Abwasserkanäle, der Neubau zusätzlicher Kanäle oder der Bau von unterirdischen
Speicheranlagen in Form von Stauraumkanälen und Regenrückhaltebecken sind dann
das Mittel der Wahl, um einen größeren Abwassernetzkomfort zu erreichen.
Abbildung
1: Einteilung von Starkregen
In Bezug auf den Stadtteil Dutum/Dorenkamp als Bestandsgebiet
bedeutet dies folgendes: Der Stadtteil und die sich anschließende
Bahnüberführung Bahnhofstraße ist ein Starkregen -Hotspot in Rheine. Es wurde
darüber im Betriebsausschuss am 21.09.2021, Vorlage Nr. 431/21, berichtet. Herr
Dr. Rohlfing, Ing.-Büro PFI, stellte die Lösungsansätze zur Entlastung des
Hotspots vor (s. Abbildung 2). Die Gesamtmaßnahme sieht 4 Bauabschnitte (BA)
vor. Begonnen werden sollte mit dem 1. BA, dem Entlastungskanal vom KGR durch
die Münsterstraße, die Elpersstiege bis zur Einleitung in die Ems. Im November
2021 wurde die Planungsleistung für den 1. BA ausgeschrieben. Das Ing.-Büro
Bockermann-Fritze erhielt den Auftrag bis zur Ausführungsplanung. Mit den
Bauarbeiten sollte im Jahr 2022 begonnen werden. Die Gesamtmaßnahme sollte in
2025 abgeschlossen sein.
Abbildung 2: Unterteilung der
Gesamtmaßnahmen in 4 Bauabschnitte
Bei der
Ausführungsplanung des 1. BA ergaben sich zahlreiche Schwierigkeiten u. a. in
Bezug auf den Verkehr, auf Kampfmittelverdachtspunkte, die künftige
Baustelleneinrichtung, Versorgungsleitungen und öffentliche Feuerwehrumfahrten
auf Privatflächen, z. B. für das Jakobi-Altenheim. Da die konkretisierende
Ausführungsplanung des 1 BA immer auch im Zusammenhang der Gesamtmaßnahme zu
betrachten war, wurden für die übrigen Bauabschnitte zeitgleich Planungsanfragen
an die betroffenen Träger öffentlicher Verkehrsinfrastruktur (z. B. Straßen
NRW, Deutsche Bahn) gestellt.
In diesem
Zusammenhang teilte die Deutsche Bahn Ende
letzten Jahres mit, dass sie voraussichtlich im Jahr 2030 die Bahnüberführung
über die Bahnhofstraße durch eine moderne Trägerkonstruktion erneuern wird.
Wohingegen im derzeitigen Brückenbestand aufgrund der vorhanden Stahlstützen
lediglich ein Abwasserkanaldurchmesser von DN 1.400 möglich wäre (s. Abbildung
3), ist bei einem etwaigen Rückbau der Stützen mehr Platz unter der Bahn.
Sodann ist ein wesentlich größerer und leistungsfähigerer Rohrdurchmesser z.B.
bis zu einem Rechteckquerschnitt RE 1.200/2.500 ausführbar. Im weiteren Verlauf
des Ableiters ergeben sich hierdurch ganz anderen Möglichkeiten der
hydraulischen Leistungsfähigkeit und der Ausführung.
Abbildung
3: Kanal unterhalb der Bahnhofstraße, bisherige Planung
Im Zuge des Brückenneubaus könnte zudem die bisherige
Beschränkung der Durchfahrtshöhe durch Vertiefung der Straßengradiente
aufgehoben werden. Dies hat wiederum
Auswirkungen auf die Tiefenlage des künftigen Abwasserkanals unter der Brücke
und somit auf die Tiefenlage des Entlastungssammlers bis zur Hovestraße.
Da sich durch die angekündigte Baumaßnahme der Deutschen
Bahn enorme Veränderungen und Potentiale für die gesamte Entwässerungsmaßnahme
in allen Bauabschnitten ergeben, wird aus Sicht der TBR vorgeschlagen, die
Abfolge der Bauabschnitte umzudrehen und die Gesamtmaßnahme in Abstimmung mit
den Planungen der Deutschen Bahn weiterzuführen.
Die
Planung des 1. BA (Entlastungskanal KGR – Münsterstraße – Elpersstiege – Ems)
soll wie bereits beauftragt bis zur Ausführungsreife fertiggestellt werden. Der
eigentliche Bau des 1. BA wird jedoch zurückgestellt.
Der 4. BA
Lindenstraße kann von den Planungen der DB weitestgehend entkoppelt werden und
sollte deshalb prioritär behandelt werden. Die BA 2 und 3 sind hingegen unter Beachtung der Planung der Deutschen
Bahn durchzuführen. Die Deutsche Bahn beabsichtigt, ihre Planungen in 2024 zu
beginnen.
Um eine zusammenhängende Planung aller
Bauabschnitte zu gewährleisten, wird von der TBR empfohlen, die Planung der Bauabschnitte
2,3 und 4 gemeinsam auszuschreiben.
Die
Planung des 4. BA soll vorrangig betrachtet werden. Die Planung dieses
Abschnittes soll in 2024 beendet werden, so dass im Anschluss die Bauleistung
ausgeschrieben werden können.
Gemäß § 4 Absatz 2 a Betriebssatzung TBR hat der Betriebsausschuss
über Verträge außerhalb des genehmigten Wirtschaftsplanes zu entscheiden, wenn
der Wert im Einzelfall den Betrag von 50 T€ im Wirtschaftsjahr übersteigt. Die
Planungen für die Bauabschnitte BA 2, 3 und 4 (Lindenstraße-Bahnhofstraße-KGR)
in Höhe von ca. 515 T€ sind bisher nicht im WP 2023 vorgesehen und sind deshalb
gesondert zu beschließen.
Der Bau
eines leistungsfähigen Ableiterkanals von der Bahnhofstraße zur Ems ist nur
eine der Maßnahmen zur Starkregenprävention im Gebiet Dutum – Dorenkamp.
Darüber hinaus sind bereits folgende Projekte durchgeführt worden oder sind in
absehbarer Zeit vorgesehen.
Bereits
durchgeführt Maßnahmen oder Maßnahmen in der Umsetzung im Stadtteil
Dutum-Dorenkamp (Baukosten rd. 3,45 Mio€):
Umsetzungsjahr |
Maßnahme |
Kosten T€ |
2016 |
Hünenborg
Grünstreifen angelegt und Bahngraben neben Radweg erweitert; zusätzliche
Straßenabläufe gesetzt, etc. |
50 |
2017 |
MW-Kanalsan./-vergrößerung
Breite Straße MWK (Beethovenstraße - Lindenstraße) |
600 |
2019 |
MW-Kanalsan./-vergrößerung
Frankenburgstr. (Beethovenstr. - Sprickmannstr.) 1. BA |
850 |
2019 |
MW-Kanalsan./-vergrößerung
Beethovenstr. (Neuenkirchener Str.-Frankenburgstr.) 1.BA |
200 |
2019 |
MW-Kanalsan./-vergrößerung
Beethovenstr., Trennbauwerk 1. BA |
150 |
2021 |
Grünzug
Wohnpark Dutum (multifunktionale Fläche) |
100 |
2021 |
MW-Kanalsan./-vergrößerung
(Stauraumkanal) Richardstraße, Windthorststraße (Darbrookstr. - Parkstr.) |
800 |
2021 |
MW-Kanalsan./-vergrößerung
Darbrookstr. (Bühnert-Waldmarkstr.) |
700 |
Summe: |
3.450 |
Zudem sind
folgende Entlastungsmaßnahmen mit geschätzten Kosten von rd. 2.23 Mio €
geplant:
Umsetzungsjahr |
Maßnahme |
Kosten T€ |
2023 |
MW-Kanalsan./-
vergrößerung Alter Neuenkirchener Weg (Lindenstr. - Sprickmannstr.) |
180 |
2023 |
MW-Kanalsan./-
vergrößerung Steinfurter Straße (Beethovenstr.- Sprickmannstr.) |
600 |
2023 |
MW-Kanalsan./-
vergrößerung Frankenburgstr. (Sprickmannstr. - Lindenstr.) 2. BA |
700 |
2024 |
MW-Kanalsan./-
vergrößerung (Stauraumkanal) Dutumer Straße (Wagner Str.-Beethovenstr.) |
650 |
2024+ |
Multifunktionale
Fläche - Verdistr. Steinfurter Straße |
100 |
Summe: |
2.230 |
Keiner der aufgeführten TBR-Baumaßnahmen
kann letztlich jedoch den Objektschutz ersetzen. Private Gebäudeeigentümer und
–eigentümerinnen müssen sich ebenso kümmern. Der Beitrag, den sie zum Schutz
ihrer Objekte leisten können, ist erheblich. Objektschutz beginnt bereits bei
einem Regen mit dem Starkregenindex SRI 4. Er ist umso mehr erforderlich, je
größer die Regenereignisse sind, siehe o. a. Starkregenkategorien.
Auf der TBR-Homepage sind die wichtigsten
Fakten und Präventionsmöglichkeiten zum Thema Starkregen anschaulich
dargestellt. Neben einem Animationsfilm zur Erklärung
von Starkregen und entsprechenden Schutzmaßnahmen steht ein Rückstau-Handbuch
und ein Flyer „Wie schütze ich mein Haus vor Starkregen- und Hochwasserfolgen?“
als Download zur Verfügung. Weiterhin ist eine interaktive
Starkregengefahrenkarte mit den Überflutungsflächen in Rheine eingestellt. Hier
kann jede/r Gebäudeeigentümer und -eigentümerin grundstückscharf nachsehen, ob
sie von Starkregen betroffen sind, um Schutzmaßnahmen einzuleiten. Dazu besteht
von den TBR ein persönliches Beratungsangebot.
Leider setzt jedoch nach einem
Starkregenereignis bei vielen Betroffenen eine sogenannte „Starkregendemenz“
ein, soll heißen: Nach kurzer Zeit ist der Starkregen wieder vergessen. Das
wird sogar bei bereits betroffenen Eigentümern und Eigentümerinnen
festgestellt. Die Klimaveränderungen werden jedoch dazu führen, dass es
zukünftig öfter zu Starkregen kommen wird. Die TBR wird die hydraulische
Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes daher stetig verbessern und durch
multifunktionale Nutzung von Flächen versuchen, das Schadenspotential möglichst
geringzuhalten. Durch die vielfältige Hilfestellung wird die TBR die
Gebäudeeigentümer und –eigentümerinnen bei der privaten Vorsorge weiter
unterstützen.