Betreff
Jahresbericht 2022 - SGB XII
Vorlage
140/23
Aktenzeichen
FB 8.60 - mer
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den SGB XII Jahresbericht 2022 zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Der Sachstandsbericht hat das Ziel, die Mitglieder des Ausschusses einmal jährlich über die Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu informieren.

 

 

Sachdarstellung:

 

Leistungsberechtigte und Abgrenzung zum SGB II:

 

Im Gegensatz zur Leistungsgewährung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bürgergeld) stehen die Hilfeempfänger nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) dem Arbeitsmarkt (dauerhaft) nicht zur Verfügung und haben somit in der Regel keine Möglichkeit zur Selbsthilfe.

 

Leistungen nach dem SGB XII erhalten Personen, die entweder die Altersgrenze (aktuell 66 Jahre Geburtsjahrgang 1958) erreicht haben oder bei denen der Rententräger eine volle Erwerbsminderung (Leistungsvermögen liegt unter 3 Stunden pro Tag) festgestellt hat.

 

Die Altersgrenze wird bis zum Jahr 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben (ab Geburtsjahrgang 1964.

 

Die volle Erwerbsminderung wird vom Rententräger entweder befristet oder dauerhaft festgestellt. Bei einer befristeten vollen Erwerbsminderung werden Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII gewährt. Bei einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer oder nach Erreichen der Altersgrenze erfolgt die Hilfegewährung nach dem 4. Kapitel des SGB XII.

 

Neben der reinen Leistungsgewährung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts besteht bei den Hilfeempfängern aufgrund des Alters und den oftmals vorhandenen Einschränkungen ein erhöhter Beratungsbedarf zur möglichen Stärkung der Selbsthilfe und zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.

 

 

Finanzierung:

 

Die Kosten der Leistungsgewährung nach dem 4. Kapitel werden nach einer schrittweisen Anhebung seit dem 01.01.2014 zu 100 % vom Bund getragen. Die Kosten des 3. Kapitels sind Kreismittel und werden indirekt über die Kreisumlage von allen 24 Kommunen finanziert.


 

Fallzahlentwicklung:

 

Die Fallzahlen sind seit der Einführung des SGB XII zum 01.01.2005 im Rahmen der Hartz IV‑Reform kontinuierlich gestiegen. In den letzten Jahren ist jedoch eine leichte Abflachung des Anstiegs erkennbar. Die letzte signifikante Erhöhung der Fallzahlen erfolgte zum 01.01.2020 durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wodurch bei Personen in stationären Einrichtungen die Eingliederungshilfe und die Grundsicherung nicht mehr vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Hilfen aus einer Hand gewährt werden. Während die Fachleistungsstunden beim LWL verbleiben, ist die Grundsicherung vor Ort bei den Kommunen zu beantragen. Die einmalige Spitze im Januar 2020 rührt von der gesetzlichen Regelung, die Einkünfte im Januar 2020 einmalig nicht zu berücksichtigen um den Übergang zwischen den Hilfesystemen zu erleichtern. In vielen Fällen wurde daher nur einmalig in diesem Monat eine Hilfe gezahlt.

 

 

(*Stand: 12/2022)

 

 

Die in den Vorjahren auf die Entwicklung der Fallzahlen wirkenden vorrangigen Leistungen (sog. „Mütterrente“, Erhöhung des Wohngeldes und Grundrente) sind in der Grafik zur zeitlichen Einordnung abgebildet.

 


 

Die zukünftige Fallzahlentwicklung ist maßgeblich von der demographischen Entwicklung der Bevölkerung abhängig. In den kommenden Jahren werden die „geburtenstarken Jahrgänge“ die Altersgrenze von aktuell 65 Jahren und 11 Monaten überschreiten und voraussichtlich für weiter steigende Fallzahlen sorgen.

 

 

(*Stand 31.12.2022)

 


 

Die aktuell ca. 1.475 Fälle (=Haushalte) setzen sich aus ca. 1.725 HilfeempfängerInnen zusammen, die sich zu 53,2 % noch unter der Altersgrenze befinden und somit (dauerhaft) voll erwerbsgemindert sind.

 

 

(*Stand 12/2022

 

 

Die Struktur der Haushalte zeigt deutlich, dass die Hilfeempfänger überwiegend in Ein-Personen-Haushalten leben.

 

(*Stand 12/2022)

Ukrainekrieg:

 

Nach Beginn des Ukrainekrieges wurden Flüchtlingen zunächst Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt. Zum 01.06.2022 wurden die Personen in die Leistungssysteme SGB II und SGB XII überführt. Aktuell befinden sich ca. 43 Personen im Leistungsbezug nach dem SGB XII aufgrund des Erreichens der Altersgrenze.

 

 

Energiemangellage

 

Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise wurde befürchtet, dass es in vielen Leistungsfällen zu sehr hohen Nachforderungen kommt und Haushalte, die bisher nicht im Leistungsbezug stehen, vermehrt Anträge auf einmalige Übernahme der Energiekostennachzahlung stellen. Diese Befürchtungen haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Abgesehen von wenigen Ausnahmen haben sich in den meisten Fällen Guthaben ergeben, die auf einen sparsamen Umgang mit Energie und der gewährten Dezember-Soforthilfe zurückzuführen sind.

 

 

Grundrente

 

Zum 01. Januar 2021 ist die Grundrente in Kraft getreten. Sie ist ein individueller Zuschlag zur Rente, der ohne separate Antragstellung berechnet und ausgezahlt wird. Der Grundrentenzuschlag wird für alle Rentenarten (Alters-, Witwen-, Witwer- sowie Erwerbsminderungsrenten) ausgezahlt, wenn mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorhanden sind.

 

Bei der Gewährung der SGB XII-Leistungen wird ein Freibetrag gewährt, der verhindert, dass die bewilligte Grundrente vollständig auf die Sozialleistung angerechnet wird. Der Freibetrag wird für das gesamte Einkommen gewährt. Für die Berücksichtigung des Freibetrages ist Voraussetzung, dass 33 Jahre Grundrentenzeiten vorliegen. Es ist nicht notwendig, dass die leistungsbeziehende Person auch tatsächlich einen Anspruch auf Grundrentenzuschlag hat. Im Ergebnis kann dadurch ein Leistungsanspruch sogar erstmalig entstehen.

 

Insgesamt hat die Einführung der Grundrente die Entwicklung der Fallzahlen nicht merklich beeinflusst.

 

 

Corona-Pandemie - Terminverfahren

 

Nach dem Ende der Corona-Pandemie wurde das Terminverfahren für persönliche Vorsprachen und die Möglichkeiten zur kontaktlosen Übersendung von Unterlagen beibehalten um das Beratungsangebot für die Hilfeempfänger/innen zu verbessern.

 

 

Corona-Pandemie - Übernahme nicht angemessener Unterkunftskosten

 

Während der Corona-Pandemie wurden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen und auf Abmahnungen verzichtet. Nach dem Auslaufen der Sonderregelungen gilt bei unangemessenen Unterkunftskosten eine Karenzzeit bis Ende des Jahres bevor abgemahnt und abgesenkt wird. Aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes (insbesondere für Ein-Personen-Haushalte) ist damit zu rechnen, dass es mit zeitlicher Verzögerung zu vermehrten Mietrückständen und damit verbundenen Räumungsklagen kommt. An diesem Punkt soll die neu eingerichteten Fachstelle für Wohnraumsicherung helfen, Obdachlosigkeit und Kosten für Notunterbringungen zu vermeiden.