Betreff
Bericht zur Entwicklung des dezentralen Unterbringungskonzeptes
Vorlage
069/22
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den Bericht zur Entwicklung des dezentralen Unterbringungskonzeptes im Flüchtlingsbereich zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Unterbringung von Aussiedlern und Flüchtlingen in Rheine

Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW (FlüAG NRW) sind die Gemeinden verpflichtet ausländische Geflüchtete im Sinne von § 2 FlüAG aufzunehmen und unterzubringen. Im Wesentlichen sind dies asylsuchende Personen und Geflüchtete, die bereits einen Asylantrag gestellt haben sowie Asylfolgeantragsteller, die nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes zu wohnen.

Unabhängig vom FlüAG NRW erfolgt die Unterbringung von Personen, die der Stadt Rheine im Rahmen einer Wohnsitzauflage zugewiesen wurden (§ 12 a Aufenthaltsgesetz), sowie in Einzelfällen die Unterbringung von Personen mit minderjährigen Kindern, wenn eine Unterbringung rechtlich durch das Ordnungsamt erfolgen müsste und diesem keine adäquaten Unterkünfte zur Verfügung stehen (aktuell 1 Wohnung).

Die Stadt Rheine hält für die dargestellten Unterbringungsfälle eine bisher ausreichende Anzahl an Wohnunterkünften vor. Neue Entwicklungen sind laufend zu beobachten. Die besondere Bedeutung der Unterbringungssituation von zugewiesenen Personengruppen wurde in der Stadt Rheine bereits früh erkannt und mit besonderem Augenmerk betrachtet. So wurde erstmalig im Jahr 2001 ein „Konzept zur Unterbringung von Aussiedlern und Flüchtlingen“ vorgelegt, beschlossen und kontinuierlich weiterentwickelt. Grundlage des dezentralen Unterbringungskonzeptes ist aktuell das vom Rat der Stadt Rheine am 23.05.2017 beschlossene Migrations- und Integrationskonzept, Handlungsfeld 4 „Wohnen und dezentrales Unterbringungskonzept“ (Vorlage 152/17). Im Wesentlichen wurde hier festgelegt, dass geeigneter Wohnraum in angemessener Größe (ca. 12 qm/Person) sowie ein wirtschaftlich vertretbares Maß an freiem Wohnraum vorgehalten wird.

Die Belegung der Unterkünfte erfolgt unter Berücksichtigung verschiedenster Kriterien (z.B. Familienverbünde, Nationalitäten, Religionen, Geschlecht etc.). Flankiert wird das Unterbringungskonzept durch dezentrale, sozialraumorientierte Beratungs- und Begleitungsangebote des städtischen Teams „Beratung und Begleitung für Zugewanderte“. D.h. die sozialarbeiterischen Fachkräfte sind feste Ansprechpartner*innen für die in städtischen Unterkünften untergebrachten Personen (aufsuchende Sozialarbeit in den Phasen Unterbringung, Orientierung, soziale und gesellschaftliche Integration). Darüber hinaus stehen die dezentralen Stadtteilbüros u.a. diesem Personenkreis offen.

 

 

Aktuelle Wohnraumsituation

Die Unterbringung der Personen erfolgt in Wohnungen unterschiedlicher Größe, die sich im Besitz der Stadt Rheine befinden sowie in auf dem privaten Wohnungsmarkt angemieteten Wohnungen. Zusätzlich wurden in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 4 mobile Wohneinheiten (Dille 55, Unlandstr. 2, Jägerstr. 111 und Dionysiusstr. 10-12) errichtet, in denen jeweils 7 bzw. 11 abgeschlossene Wohnungen mit ca. 50 qm Wohnfläche sowie jeweils ein Beratungsbüro zur Verfügung stehen. Insgesamt sind Unterbringungskapazitäten für 495 Personen in 123 Wohnungen vorhanden.

Stand 15. Februar 2022 sind 345 Personen mit 35 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten untergebracht.

Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über die zahlenmäßig am stärksten vertretenen Nationalitäten in den Unterkünften:

 

 

 

 

11 der aktuell 123 Wohneinheiten sind zurzeit nicht belegt. Insgesamt besteht derzeit eine freie Aufnahmekapazität für 81 Personen. Mit der Vorlage 184/18 wurde durch den Sozialausschuss beschlossen, freie Unterkünfte in einer wirtschaftlich vertretbaren Größenordnung von 15 % (somit ca. 52 Personen) der in den Wohnungen untergebrachten Personen vorzuhalten, um jederzeit auf Schwankungen bei den Zuweisungszahlen oder andere außerplanmäßige Veränderungen (z.B. Eigenkündigungen von Vermietern) reagieren zu können.

Dieser Wert wird aktuell überschritten, da aus Anlass der aktuellen Corona-Pandemie aufgrund von Unwägbarkeiten (z.B. familiäre Probleme, Gewalttätigkeiten in Familien, eventuelle Quarantänefälle etc.) sowie mit Blick auf Schließung der ZUE Damloup Kaserne (siehe Punkt Prognose) zurückhaltend mit dem Abbau von freien Kapazitäten umgegangen wurde.

 

In der folgenden Tabelle wird die Entwicklung des Wohnungsbestandes seit 2017 dargestellt.

 

Übersicht

01.01.2017

30.04.2018

31.05.2019

31.05.2020

28.02.2021

15.02.2022

Wohneinheiten gesamt

194

170

160

139

127

123

priv. angemietet

104

70

62

42

32

30

städtisch (incl. WGR)

90

100

98

97

95

93

Personen gesamt

700

554

511

411

358

345

davon anerkannt

./.

239

285

226

218

198

 

Gemeinschaftsunterkünfte im herkömmlichen Sinne (gemeinsame Küche, Mehrbettzimmer, Hygienekonzept, Sicherheitsdienste etc., wie z.B. die ehemalige Polizeistation Gartenstraße) werden derzeit von der Stadt Rheine nicht vorgehalten.

 

Neben der Unterbringungssituation von Geflüchteten muss der städtische Wohnungsbestand weiterhin im Zusammenhang mit dem Thema Wohnungsnotfälle gesehen werden.

Aufgrund der Pandemie kann die Entwicklung von weiteren Wohnungsnotfällen (unbewohnbare Wohnungen, Räumungsklagen) kann derzeit schwer vorhergesagt werden. Wie oben bereits dargestellt ist im städtischen Bestand aktuell ein Ehepaar aufgrund eines Wohnungsbrandes untergebracht. Aufgrund einer verwaltungsinternen Vereinbarung zwischen den Fachbereichen 3 (Recht und Ordnung) und 8 (Schulen, Soziales, Migration und Integration) erfolgt hinsichtlich der Bereitstellung von Wohnraum bei Engpässen eine gegenseitige Unterstützung, um die Vorhaltung von Wohnraum auf einem vertretbaren Umfang zu reduzieren. Im SGB II gilt auch im Jahr 2022 noch das Sozialschutzpaket (wurde verlängert), das den Verzicht auf Abmahnungen und Kürzungen bei Mieten beinhaltet, die über der Angemessenheitsgrenze liegen. Aktuell sind davon rund 307 Fälle in Rheine betroffen. Im Jahr 2021 gab es 49 Räumungsklagen.

Eine städtisch angemietete Immobilie aus dem Flüchtlingsbestand wurde zudem als Ergänzung für das Kremerhaus als Notübernachtungsstelle während der Wintermonate umgewidmet, da die Plätze im Kremerhaus Corona bedingt reduziert werden mussten.

 

 

Die Verteilung der Wohnungen im Stadtgebiet sowie die Lage der Beratungsbüros kann der folgenden Übersicht entnommen werden.

 

 

 

(blau=Wohnungen; orange=Beratungsbüros; rot = ZUE BezReg; gelb=Hausmeisterdienste)

 

 

Prognose

1). Die Aufnahmequote von Flüchtlingen nach dem FlüAG (im Asylverfahren) wird mit Stand vom 31.01.2022 zu 116,05 % (+29 Personen) erfüllt, allerdings fast ausschließlich aufgrund der anzurechnenden Plätze der ZUE (Zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge) in Rheine.

 

Ab dem 01.01. 2023 ist hier mit massiven Neuzuweisungen zu rechnen. Das Land NRW betreibt seit August 2015 die ZUE auf dem Gelände der ehemaligen Damloup-Kaserne, Mittelstr. 7, in Rheine. Der Betrieb der Einrichtung ist bis zum 31.12.2022 befristet. Aktuell hat die ZUE eine maximale Belegungskapazität von 500 Personen. In Anwendung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) vermindert sich für Gemeinden, auf deren Gebiet eine Aufnahmeeinrichtung des Landes betrieben wird, die Zahl der zuzuweisenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber um 50 Prozent der Anzahl der dort vorgesehenen Aufnahmeplätze. Die Verteilung der Asylbewerber in Deutschland erfolgt nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“, nach dem die Stadt Rheine aktuell zur Aufnahme von ca. 190 Asylbewerbern verpflichtet wäre. Durch den Betrieb der ZUE und der damit verbundenen verminderten Aufnahmeverpflichtung, erfolgten in den vergangenen Jahren nur vereinzelte Neuzuweisungen (z.B. Familienzusammenführungen) nach Rheine, so dass aktuell nur wenige Personen im laufenden Asylverfahren in Rheine leben.

Mit der Schließung der ZUE ab dem 01.01.2023 entfällt die Minderung der Aufnahmeverpflichtung, so dass ab diesem Zeitpunkt wieder mit verstärkten Zuweisungen zu rechnen ist.

lt. FlüAG vermindert sich ab Schließung der Einrichtung die Zahl der zuzuweisenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber im ersten Monat um 80 Prozent, im zweiten Monat um 60 Prozent, im dritten Monat um 40 Prozent und im vierten Monat um 20 Prozent der während des Betriebs der ZUE angerechneten Aufnahmeplätze. Im ersten Halbjahr 2023 ist somit mit Neuzuweisungen in einer Größenordnung von 160-170 Personen zu rechnen.

Die aktuell vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge reichen hierfür bei weitem nicht aus. Erste Berechnungen und Schätzungen ergeben einen Bedarf von ca.150 weiteren Wohnplätzen in Rheine. Ein Ausbau der vorhandenen Kapazitäten, z.B. durch den Neubau von weiteren mobilen Wohnanlagen, Anmietungen oder Kauf von Immobilien etc. ist erforderlich.

Soweit bis Anfang 2023 nicht ausreichend Unterkünfte zur Verfügung stehen, ist auch eine Weiternutzung des Gebäude 5 der Damloup Kaserne zur Unterbringung von Flüchtlingen in Betracht zu ziehen. Das Gebäude wurde durch die Stadt Rheine zur entsprechenden Nutzung hergerichtet und ist seit 01.05.2019 an die Bezirksregierung im Rahmen eines Untermietvertrages zur Erweiterung der ZUE überlassen. Dort sind 24 Wohnungen mit einer maximalen Kapazität für ca. 140 Personen vorhanden. 

 

Entsprechende Planungen über notwendige Maßnahmen wurden aktuell durch die Fachbereiche 4,5 und 8 abgestimmt. Es wurde vereinbart, den Bedarf zunächst durch Ankauf und Anmietung von geeignetem Wohnraum zu decken. Übergangsweise soll auch das Gebäude 5 der Damloup Kaserne genutzt werden. Erst wenn der Bedarf absehbar nicht gedeckt werden kann, sollen neue mobile Unterkünfte errichtet werden.

 

Darüber hinaus wird nochmals ein Projekt „Privatmietverträge“ (Produkt 8101, Team Beratung und Begleitung von Zugewanderten) gestartet. Ziel ist dabei, die in städtischen Unterkünften lebenden, anerkannten Geflüchteten, bei der Suche nach einer eigenen Wohnung zu unterstützen und so Freiräume in den vorhandenen Wohneinheiten zu schaffen.

 

2).Die Stadt Rheine erfüllt mit Stand 31.01.22 bei der Aufnahme von anerkannten

Flüchtlingen mit einer Wohnsitzauflage die entsprechende Quote lediglich in Höhe von

54,67 % (-424 Personen). Hier ist mit Zuweisungen zu rechnen, wobei aus der Erfahrung der

Vergangenheit die Anzahl nur schwer vorhersehbar ist. Trotz der niedrigen Erfüllungsquote ist nicht mit einem sprunghaften Anstieg der Zuweisungen zu rechnen, da hier ggf. mit der Bezirksregierung Zielvereinbarungen über Zeitpunkt und Umfang der Aufnahmen geschlossen werden können.

 

 

Fazit:

Die absehbaren Veränderungen machen eine Ausweitung der Unterbringungskapazitäten unumgänglich. Darüber hinaus beeinflussen viele verschiedene Faktoren die weltweite Entwicklung der Flüchtlingsströme, aktuellstes trauriges Beispiel ist der Krieg in der Ukraine.

 

Seitens des FB 8 wird insofern erneut ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die angeführten Berechnungen und Zuweisungen einen im hohen Maß prognostischen Charakter, abhängig von den Entwicklungen der Flüchtlingsströme, haben.

 

 

Dem Sozialausschuss wird zum Sommer 2023 ein erneuter Bericht vorgelegt.