Betreff
Abschlussbericht "Gemeinsam klappt`s - Durchstarten in Ausbildung und Arbeit"
Vorlage
404/22
Aktenzeichen
II-8.10-hf
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den Abschlussbericht zur Landesinitiative “Gemeinsam klappt‘s - Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Landesinitiative “Gemeinsam klappt‘s - Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“

Abschlussbericht von Januar 2020 – Juni 2022

 

Sprache, (Aus-)Bildung und Arbeit sind und bleiben Schlüssel für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und damit grundlegend für eine gelingende Integration. In Nordrhein-Westfalen lebten zum Zeitpunkt des Beginns der Landesinitiative „Gemeinsam klappt‘s“ – Januar 2020 – rund 23.000 junge Geflüchtete, die in den Kommunen nur den Status „Geduldet“ oder „Gestattet“ hatten und nicht oder nur eingeschränkt von den Unterstützungsangeboten der Arbeitsförderung profitieren konnten.

 

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte deshalb die Initiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ mit einem Fördervolumen von 50 Millionen Euro ins Leben gerufen, die mithilfe von speziellen Förderangeboten Menschen mit individuellem Unterstützungsbedarf, insbesondere junge Geflüchtete im Alter von 18 bis 27 Jahren, bei ihrem Weg in Ausbildung und Arbeit unterstützen sollte. Der Förderzeitraum begann im Januar 2020 und endete für das Teilhabemanagement Ende Juni 2022. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) und das (damalige) Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) trugen die Initiative gemeinsam.

 

Im Rahmen der Initiative konnten bis zu sechs Förderbausteine genutzt werden, die dabei unterstützen sollten, perspektivisch den Lebensunterhalt selbstständig bestreiten zu können:

 

1.      Die Förderung eines Coachings, welches eine niederschwellige, engmaschige und individuelle Betreuung geflüchteter Menschen während des Integrationsprozesses ermöglicht.

2.      Berufsbegleitende Qualifizierung und/oder Sprachförderung

3.      Nachträglicher Erwerb des Hauptschulabschlusses

4.      Schul-, ausbildungs- und berufsvorbereitende sowie Jugendintegrationskurse

5.      Förderung von innovativen und modellhaften Projektideen zur Integration in Ausbildung und Arbeit im Rahmen eines Innovationsfonds.

6.      Teilhabemanagement (THM) als Teil der Initiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ wird seit 2020 im Rahmen der Initiative „Gemeinsam klappt’s“ gefördert.

 

Die Förderbedingungen ermöglichten für die Stadt Rheine ausschließlich den Zugriff auf den Baustein 6. Es konnte eine 0,5-Stelle „Teilhabemanagement“ eingerichtet werde sowie eine Geschäftsführende Stelle, da Rheine eine eigene Ausländerbehörde hat.

Der Kreis Steinfurt hatte die Zuständigkeit für die weiteren 5 Bausteine und die weiteren 23 Kommunen.

 

 

 

Auf Ebene der Stadt Rheine wurde eine sog. „Bündniskerngruppe“ gegründet, die aus Akteuren bestand, die beruflich und ehrenamtlich mit der Zielgruppe in Berührung kamen.

Das waren folgende Institutionen:

-        Arbeitsagentur

-        Jobcenter (Leistungsabteilung und Arbeitsvermittlung)

-        Asylleistung

-        Berufsschulen

-        Migrations-Beratungsstellen

-        Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft

-        Kreis Steinfurt – Kommunales Integrationszentrum

-        Kreishandwerkerschaft

-        Ausländerbehörde

-        Ehrenamt

 

Zielsetzung war, die berufliche und gesellschaftliche Integration der jungen Menschen - die letztendlich in einem relativ gesicherten Aufenthalt in Deutschland münden sollte - durch die Einrichtung und Nutzung der o. g. Bausteine zu erreichen.

 

In Rheine lebten im Berichtszeitraum zwischen 60 und 70 junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 27 Jahre mit einer Duldung oder Gestattung. Alle Geduldeten wurden informiert und eingeladen, an der Landesinitiative teilzunehmen.

 

15 der angeschriebenen oder aufgesuchten Personen zeigten kein Interesse, in das Programm aufgenommen zu werden, sie hatten sich mit ihrem Status arrangiert, lebten meistens bereits mehrere Jahre in Deutschland und waren laut eigener Aussage „zufrieden mit ihrem Leben“.

 

Im Projektzeitraum konnten:

 

45     junge Menschen in das Programm aufgenommen werden

davon:

40     männlich

5       weiblich

 

Status:

44     mit dem Status Duldung (ausgesetzte Abschiebung)

1       mit dem Status Aufenthaltsgestattung (noch laufendes Asylverfahren)

 

Nationalitäten:

16           Personen aus Afghanistan

18           Personen aus einem anderen nicht europäischen Staat

   (9 Personen allein aus Guinea)

7             Bürger/-innen aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, der ehemaligen

           jugoslawischen Republik Mazedonien oder Serbien

3             Personen aus dem Irak

1             Person aus der Türkei

 

Familienstand:

29     Personen Alleinlebende

9       Personen lebten in einer Lebens- oder Ehegemeinschaft mit Kindern

5       Personen lebten bei ihren Eltern oder in einer Wohngemeinschaft

2       Personen waren alleinerziehend

 

 

Besonderheit während der Projektlaufzeit:

 

Die Corona-Pandemie wirkte sich mehr als ungünstig auf die Akquise von Teilnehmern sowie die Gestaltung des gesamten Programms aus.

Nach einem positiven Start mit zwei Sitzungen der „Bündniskerngruppe“, die in einem Workshop kreative Ideen zur Verbesserung der Möglichkeiten und der Lebenssituation der Geflüchteten entwickelte, musste durch Corona erst einmal alles auf Eis gelegt. Institutionen schlossen, persönliche Kontakte wurden unmöglich. Gerade der Kontakt mit den Geflüchteten, der in vielen Fällen ohnehin durch Verständigungsprobleme erschwert wurde, wurde zur großen Herausforderung.

Ebenso mussten Basisschulungen für Teilhabemanager/-innen sowie Austausch- und Reflexionstreffen über viele Monate ausfallen bzw. über Zoomkonferenzen erfolgen.

 

 

Baustein Coaching:

 

In Rheine gab es eine enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem Teilhabemanagement der Stadt Rheine und dem Träger „Lernen fördern“, der in Rheine mit dem Baustein Coaching beauftragt war. Durch die individuelle und intensive Betreuungsform – auch in Form von Förderunterricht (häufig Mathematik oder Deutsch) – wurden berufliche Perspektiven entwickelt, und die Umsetzung wurde aktiv unterstützt.

Die Teilhabemanagerin und die Coaches hatten regelmäßige Reflexionsgespräche und Fallbesprechungen.

Bis zum 30. Juni 2022 wurden 36 junge Erwachsene vom Teilhabemanagement in den Baustein Coaching vermittelt.

 

Teilnahme am Coaching:

Eintritte bis 30. Juni 2022:      36

Austritte bis 30. Juni 2022:     17

        4 x Vermittlung in ein Praktikum oder eine Arbeitserprobung

        5 x Vermittlung in Ausbildung

        7 x Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis

        8 x Verbleib in Ausbildung/Einstiegsqualifizierung

        3 x Verbleib in Arbeit

        10 x Anbindung an Sprach- und Integrationskurse

        3 x Vermittlung in eine ausbildungsbegleitende Maßnahme

        4 x Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis

Teilnahme an der “Begleitung“ am 1. Juli 2022:   19

“Begleitung“ bedeutet den nahtlosen Übergang vom Coaching im Rahmen der Landesinitiative „Gemeinsam klappt’s“ hin zum Coaching im Rahmen des Case Managements durch das Kommunale Integrationsmanagement (KIM).

Die Förderung dieses Coaching soll im Juni 2023 auslaufen.

 

        4 weitere Teilnehmer, die nicht im Coaching waren, befanden sich im Berichtszeitraum in einer Ausbildung und benötigten keine weitere Hilfe.

        2 weitere Teilnehmer, die kein Coaching benötigten, bekamen eine Aufenthaltserlaubnis.

 

 

 

Online- und Klientendatenbank:

 

In der vom Fördergeber vorgegebenen Online-Datenbank wurden anonymisiert von allen Teilnehmer/-innen relevante Daten über Nationalität, Status, Schulbildung, Familienstand, Alphabetisierung etc. erhoben und mussten bei Bedarf aktualisiert werden.

In der Klientendatei wurde wesentlich umfassender gefragt. Hobbys, Park- oder Barbesuche, Zufriedenheit mit der Situation, ob Bücher gelesen werden, ob man kocht oder über das Leben nachdenkt, wie mobil man ist … (Nicht alle Fragen konnten beantwortet werden, da nicht immer ein so enger Kontakt zu den Teilnehmenden bestand.)

 

Zweimal jährlich erfolgte ein anonymisierter Datentransfer an das Land NRW als Fördergeber. Dort wird eine zentrale Auswertung vorgenommen.

 

 

Erfahrungen:

 

-        Zentral für einen Aufenthalt und damit für eine Zukunft in Deutschland ist die Identitätsklärung. D. h. ein Ausweispapier aus dem Heimatland (bzw. der jeweiligen Botschaft in Deutschland) ist eine notwendige Grundlage. Zurzeit gibt es eine Ausnahme bei den Geduldeten aus Afghanistan, die eine Bescheinigung bekommen, dass ein Ausweispapier derzeit nicht zu bekommen ist.

-        Im Teilhabemanagement wie auch im Coaching war das Thema Identitätsklärung zu 90 % Bestandteil der Betreuungsgespräche. Der nicht gesicherte Aufenthalt zeigte sich als immense Belastung der jungen Menschen.

-        Viele der Geduldeten aus Ländern, die für Deutschland keine gesicherte Bleibeperspektive hatten, strebten eine Ausbildung an, da so ein Aufenthalt für mehrere Jahre möglich ist (3 + 2-Regelung = 3 Jahre Ausbildung + 2 Jahre Arbeitszeit). Im Berichtszeitraum befanden sich 17 junge Menschen in einer Ausbildung.

-        Die unterrepräsentierten Frauen haben Kinder und befanden sich in einer Familienphase (4). Eine junge Frau konnte in eine integrative Ausbildung vermittelt werden.

-        Junge Menschen, die während der Laufzeit aus dem Projekt ausschieden, waren trotz einer persönlichen Perspektiventwicklung nicht in der Lage, die Ziele anzugehen (z. B. Besuch eines Sprachkurses, der trotz Anmeldung nicht besucht wurde, Nichteinhaltung von Terminen oder Abbruch des Kontaktes …).

 

Weitere Bausteine, z. B. die Erlangung eines Hauptschulabschlusses oder berufsspezifische Sprachkurse, waren für die Teilnehmer/-innen in Rheine nicht relevant. Wichtig waren Integrationskurse oder auch niederschwellige Kurse der Sprachoffensive für den generellen Spracherwerb. Die Einrichtung von berufsspezifischen Sprachförderkursen ist durch die berufliche Einbindung (Schichtdienst) und durch die verschiedenen Ausbildungszweige sehr schwierig.

Hier bewährten sich die ausbildungsbegleitenden Hilfen mit ihrer individuellen Unterstützung, die ebenfalls beim Träger Lernen fördern angesiedelt sind.

 

 

Fazit:

 

Die individuelle Betreuung bot eine gezielte Unterstützung und Förderung der Teilnehmer/-innen, so war es im Januar 2020 eine optimale Ausgangsposition.

Die gezielte Beschäftigung mit dem Einzelfall und die daraus erfolgte Vernetzung von Unterstützungsangeboten (z. B. Sprachangebote, Förderunterricht, Termine bei der Flüchtlingsberatung, Vermittlung zur Wohnungssuche …) verbesserten die Lage vieler Teilnehmer/-innen.

Die Angliederung des Teilhabemanagements für Geduldete und Gestattete an den Fachbereich 8, dem mehrere für die Zielgruppe bedeutsame Rechtskreise (Ausländerbehörde, SGB-II-Leistungen, Team Beratung und Begleitung mit der Aufgabe der Unterbringung dieses Personenkreises …) angehören, zeigte große Synergieeffekte: Austausch, kurze Wege, Perspektivbesprechungen und Informationserhalt (z. B. Voraussetzungen für einen Aufenthalt …).

 

Da die Rahmenbedingungen ausgezeichnet waren und auch die Zielgruppe sehr motiviert war, war die Corona-Pandemie der größte Stoppball, der passieren konnte.

 

Positiv hingegen kann gesehen werden, dass Teilnehmer/-innen, die weiterhin Unterstützung brauchen und wünschen, im Coaching bleiben können.

 

Das Coaching-Programm endet im Juni 2023, allerdings wird das Case Management, das zurzeit im Rahmen des Kommunalen Integrationsmanagement implementiert wird, eine weitere Möglichkeit sein für (junge) Menschen mit Förder- oder Betreuungsbedarf.

 

Dem Sozialausschuss wird der Abschlussbericht „Gemeinsam klappts“ zur Kenntnis gegeben.