Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der
Sozialausschuss nimmt den Abschlussbericht zur Landesinitiative “Gemeinsam
klappt‘s - Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ zur Kenntnis.
Begründung:
Landesinitiative “Gemeinsam klappt‘s - Durchstarten in
Ausbildung und Arbeit“
Abschlussbericht von Januar 2020 – Juni 2022
Sprache,
(Aus-)Bildung und Arbeit sind und bleiben Schlüssel für die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben und damit grundlegend für eine gelingende Integration.
In Nordrhein-Westfalen lebten zum Zeitpunkt des Beginns der Landesinitiative
„Gemeinsam klappt‘s“ – Januar 2020 – rund 23.000 junge Geflüchtete, die in den
Kommunen nur den Status „Geduldet“ oder „Gestattet“ hatten und nicht oder nur
eingeschränkt von den Unterstützungsangeboten der Arbeitsförderung profitieren
konnten.
Die
Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte deshalb die Initiative „Durchstarten
in Ausbildung und Arbeit“ mit einem Fördervolumen von 50 Millionen Euro ins
Leben gerufen, die mithilfe von speziellen Förderangeboten Menschen mit individuellem
Unterstützungsbedarf, insbesondere junge Geflüchtete im Alter von 18 bis 27
Jahren, bei ihrem Weg in Ausbildung und Arbeit unterstützen sollte. Der Förderzeitraum
begann im Januar 2020 und endete für das Teilhabemanagement Ende Juni 2022. Das
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) und das (damalige)
Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) trugen die
Initiative gemeinsam.
Im Rahmen der
Initiative konnten bis zu sechs Förderbausteine genutzt werden, die dabei
unterstützen sollten, perspektivisch den Lebensunterhalt selbstständig
bestreiten zu können:
1. Die Förderung eines
Coachings, welches eine niederschwellige, engmaschige und individuelle
Betreuung geflüchteter Menschen während des Integrationsprozesses ermöglicht.
2. Berufsbegleitende Qualifizierung und/oder
Sprachförderung
3. Nachträglicher Erwerb des
Hauptschulabschlusses
4. Schul-, ausbildungs- und berufsvorbereitende
sowie Jugendintegrationskurse
5. Förderung von innovativen
und modellhaften Projektideen zur Integration in Ausbildung und Arbeit im
Rahmen eines Innovationsfonds.
6. Teilhabemanagement (THM)
als Teil der Initiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ wird seit
2020 im Rahmen der Initiative „Gemeinsam klappt’s“ gefördert.
Die
Förderbedingungen ermöglichten für die Stadt Rheine ausschließlich den Zugriff
auf den Baustein 6. Es konnte eine 0,5-Stelle „Teilhabemanagement“ eingerichtet
werde sowie eine Geschäftsführende Stelle, da Rheine eine eigene Ausländerbehörde
hat.
Der Kreis
Steinfurt hatte die Zuständigkeit für die weiteren 5 Bausteine und die weiteren
23 Kommunen.
Auf Ebene der
Stadt Rheine wurde eine sog. „Bündniskerngruppe“ gegründet, die aus Akteuren
bestand, die beruflich und ehrenamtlich mit der Zielgruppe in Berührung kamen.
Das waren folgende
Institutionen:
- Arbeitsagentur
- Jobcenter (Leistungsabteilung und
Arbeitsvermittlung)
- Asylleistung
- Berufsschulen
- Migrations-Beratungsstellen
- Entwicklungs- und
Wirtschaftsförderungsgesellschaft
- Kreis Steinfurt – Kommunales
Integrationszentrum
- Kreishandwerkerschaft
- Ausländerbehörde
- Ehrenamt
Zielsetzung
war, die berufliche und gesellschaftliche Integration der jungen Menschen - die
letztendlich in einem relativ gesicherten Aufenthalt in Deutschland münden
sollte - durch die Einrichtung und Nutzung der o. g. Bausteine zu erreichen.
In Rheine lebten
im Berichtszeitraum zwischen 60 und 70 junge Erwachsene im Alter zwischen 18
und 27 Jahre mit einer Duldung oder Gestattung. Alle Geduldeten wurden
informiert und eingeladen, an der Landesinitiative teilzunehmen.
15 der
angeschriebenen oder aufgesuchten Personen zeigten kein Interesse, in das
Programm aufgenommen zu werden, sie hatten sich mit ihrem Status arrangiert,
lebten meistens bereits mehrere Jahre in Deutschland und waren laut eigener
Aussage „zufrieden mit ihrem Leben“.
Im Projektzeitraum
konnten:
45 junge Menschen in das Programm aufgenommen
werden
davon:
40 männlich
5 weiblich
Status:
44 mit dem Status Duldung (ausgesetzte
Abschiebung)
1 mit dem Status Aufenthaltsgestattung
(noch laufendes Asylverfahren)
Nationalitäten:
16 Personen aus Afghanistan
18 Personen aus einem anderen nicht europäischen Staat
(9 Personen allein aus Guinea)
7 Bürger/-innen aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, der ehemaligen
jugoslawischen Republik Mazedonien oder Serbien
3 Personen aus dem Irak
1 Person aus der Türkei
Familienstand:
29 Personen Alleinlebende
9 Personen lebten in einer Lebens- oder
Ehegemeinschaft mit Kindern
5 Personen lebten bei ihren Eltern oder in
einer Wohngemeinschaft
2 Personen waren alleinerziehend
Besonderheit
während der Projektlaufzeit:
Die
Corona-Pandemie wirkte sich mehr als ungünstig auf die Akquise von Teilnehmern
sowie die Gestaltung des gesamten Programms aus.
Nach einem
positiven Start mit zwei Sitzungen der „Bündniskerngruppe“, die in einem
Workshop kreative Ideen zur Verbesserung der Möglichkeiten und der Lebenssituation
der Geflüchteten entwickelte, musste durch Corona erst einmal alles auf Eis
gelegt. Institutionen schlossen, persönliche Kontakte wurden unmöglich. Gerade
der Kontakt mit den Geflüchteten, der in vielen Fällen ohnehin durch
Verständigungsprobleme erschwert wurde, wurde zur großen Herausforderung.
Ebenso mussten
Basisschulungen für Teilhabemanager/-innen sowie Austausch- und
Reflexionstreffen über viele Monate ausfallen bzw. über Zoomkonferenzen erfolgen.
Baustein
Coaching:
In Rheine gab es
eine enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem Teilhabemanagement der
Stadt Rheine und dem Träger „Lernen fördern“, der in Rheine mit dem Baustein
Coaching beauftragt war. Durch die individuelle und intensive Betreuungsform –
auch in Form von Förderunterricht (häufig Mathematik oder Deutsch) – wurden
berufliche Perspektiven entwickelt, und die Umsetzung wurde aktiv unterstützt.
Die
Teilhabemanagerin und die Coaches hatten regelmäßige Reflexionsgespräche und
Fallbesprechungen.
Bis zum 30. Juni
2022 wurden 36 junge Erwachsene vom Teilhabemanagement in den Baustein Coaching
vermittelt.
Teilnahme am
Coaching:
Eintritte bis 30.
Juni 2022: 36
Austritte bis 30.
Juni 2022: 17
• 4 x Vermittlung in ein Praktikum oder
eine Arbeitserprobung
• 5 x Vermittlung in Ausbildung
• 7 x Vermittlung in ein
sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis
• 8 x Verbleib in
Ausbildung/Einstiegsqualifizierung
• 3 x Verbleib in Arbeit
• 10 x Anbindung an Sprach- und
Integrationskurse
• 3 x Vermittlung in eine
ausbildungsbegleitende Maßnahme
• 4 x Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis
Teilnahme an der
“Begleitung“ am 1. Juli 2022: 19
“Begleitung“
bedeutet den nahtlosen Übergang vom Coaching im Rahmen der Landesinitiative
„Gemeinsam klappt’s“ hin zum Coaching im Rahmen des Case Managements durch das
Kommunale Integrationsmanagement (KIM).
Die Förderung
dieses Coaching soll im Juni 2023 auslaufen.
• 4 weitere Teilnehmer, die
nicht im Coaching waren, befanden sich im Berichtszeitraum in einer Ausbildung
und benötigten keine weitere Hilfe.
• 2 weitere Teilnehmer, die
kein Coaching benötigten, bekamen eine Aufenthaltserlaubnis.
Online- und
Klientendatenbank:
In der vom
Fördergeber vorgegebenen Online-Datenbank wurden anonymisiert von allen
Teilnehmer/-innen relevante Daten über Nationalität, Status, Schulbildung,
Familienstand, Alphabetisierung etc. erhoben und mussten bei Bedarf aktualisiert
werden.
In der
Klientendatei wurde wesentlich umfassender gefragt. Hobbys, Park- oder Barbesuche,
Zufriedenheit mit der Situation, ob Bücher gelesen werden, ob man kocht oder
über das Leben nachdenkt, wie mobil man ist … (Nicht alle Fragen konnten
beantwortet werden, da nicht immer ein so enger Kontakt zu den Teilnehmenden
bestand.)
Zweimal jährlich
erfolgte ein anonymisierter Datentransfer an das Land NRW als Fördergeber. Dort
wird eine zentrale Auswertung vorgenommen.
Erfahrungen:
- Zentral für einen
Aufenthalt und damit für eine Zukunft in Deutschland ist die Identitätsklärung.
D. h. ein Ausweispapier aus dem Heimatland (bzw. der jeweiligen Botschaft in
Deutschland) ist eine notwendige Grundlage. Zurzeit gibt es eine Ausnahme bei
den Geduldeten aus Afghanistan, die eine Bescheinigung bekommen, dass ein
Ausweispapier derzeit nicht zu bekommen ist.
- Im Teilhabemanagement wie
auch im Coaching war das Thema Identitätsklärung zu 90 % Bestandteil der
Betreuungsgespräche. Der nicht gesicherte Aufenthalt zeigte sich als immense
Belastung der jungen Menschen.
- Viele der Geduldeten aus
Ländern, die für Deutschland keine gesicherte Bleibeperspektive hatten,
strebten eine Ausbildung an, da so ein Aufenthalt für mehrere Jahre möglich ist
(3 + 2-Regelung = 3 Jahre Ausbildung + 2 Jahre Arbeitszeit). Im
Berichtszeitraum befanden sich 17 junge Menschen in einer Ausbildung.
- Die unterrepräsentierten
Frauen haben Kinder und befanden sich in einer Familienphase (4). Eine junge
Frau konnte in eine integrative Ausbildung vermittelt werden.
- Junge Menschen, die während
der Laufzeit aus dem Projekt ausschieden, waren trotz einer persönlichen
Perspektiventwicklung nicht in der Lage, die Ziele anzugehen (z. B. Besuch
eines Sprachkurses, der trotz Anmeldung nicht besucht wurde, Nichteinhaltung
von Terminen oder Abbruch des Kontaktes …).
Weitere Bausteine,
z. B. die Erlangung eines Hauptschulabschlusses oder berufsspezifische
Sprachkurse, waren für die Teilnehmer/-innen in Rheine nicht relevant. Wichtig
waren Integrationskurse oder auch niederschwellige Kurse der Sprachoffensive
für den generellen Spracherwerb. Die Einrichtung von berufsspezifischen
Sprachförderkursen ist durch die berufliche Einbindung (Schichtdienst) und
durch die verschiedenen Ausbildungszweige sehr schwierig.
Hier bewährten
sich die ausbildungsbegleitenden Hilfen mit ihrer individuellen Unterstützung,
die ebenfalls beim Träger Lernen fördern angesiedelt sind.
Fazit:
Die individuelle
Betreuung bot eine gezielte Unterstützung und Förderung der Teilnehmer/-innen,
so war es im Januar 2020 eine optimale Ausgangsposition.
Die gezielte
Beschäftigung mit dem Einzelfall und die daraus erfolgte Vernetzung von
Unterstützungsangeboten (z. B. Sprachangebote, Förderunterricht, Termine bei
der Flüchtlingsberatung, Vermittlung zur Wohnungssuche …) verbesserten die Lage
vieler Teilnehmer/-innen.
Die Angliederung
des Teilhabemanagements für Geduldete und Gestattete an den Fachbereich 8, dem
mehrere für die Zielgruppe bedeutsame Rechtskreise (Ausländerbehörde,
SGB-II-Leistungen, Team Beratung und Begleitung mit der Aufgabe der
Unterbringung dieses Personenkreises …) angehören, zeigte große
Synergieeffekte: Austausch, kurze Wege, Perspektivbesprechungen und Informationserhalt
(z. B. Voraussetzungen für einen Aufenthalt …).
Da die
Rahmenbedingungen ausgezeichnet waren und auch die Zielgruppe sehr motiviert
war, war die Corona-Pandemie der größte Stoppball, der passieren konnte.
Positiv hingegen
kann gesehen werden, dass Teilnehmer/-innen, die weiterhin Unterstützung
brauchen und wünschen, im Coaching bleiben können.
Das
Coaching-Programm endet im Juni 2023, allerdings wird das Case Management, das
zurzeit im Rahmen des Kommunalen Integrationsmanagement implementiert wird,
eine weitere Möglichkeit sein für (junge) Menschen mit Förder- oder
Betreuungsbedarf.
Dem
Sozialausschuss wird der Abschlussbericht „Gemeinsam klappts“ zur Kenntnis
gegeben.