Beschlussvorschlag/Empfehlung:
1) Der Schulausschuss nimmt die Ergebnisse der Bestands- und Bedarfsermittlung in den Grundschulen und in den weiterführenden Schulen ohne gemeinsames Lernen zur Kenntnis.
2)
Der
Schulausschuss nimmt die Ergebnisse der Evaluation durch das Institut „Zoom –
Gesellschaft für prospektive Entwicklungen e.V.“ der zusätzlichen Angebote im
Bereich Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulen des gemeinsamen
Lernens zur Kenntnis.
Begründung:
Zu 1)
Um ein ganzheitliches Konzept der Schulsozialarbeit in der Stadt Rheine aufbauen zu können, wurden alle Schulen der Stadt Rheine, im Rahmen einer Bestands- und Bedarfsermittlung zu den sozialen Strukturen in Schule, in den Blick genommen. Zusammenfassend haben die qualitativen Interviews, die von der Koordinierungsstelle Schulsozialarbeit geführt wurden, folgende Erkenntnisse ergeben:
Grundschulen
Die Schülerschaft wird an allen Schulen als heterogen beschrieben, die Ausprägung ist an den Grundschulen allerdings sehr unterschiedlich. Dies wird als positiv beschrieben, es sei „ein Abbild der Gesellschaft“. Die Heterogenität wird aber häufig auch als Herausforderung beschrieben, da die Schule den vielfältigen Bedürfnissen aller Kinder oft nicht gerecht werden könne.
Die Bestands- und Bedarfsermittlung hat ergeben, dass im Bereich der sozialen Problemlagen und des sozialen Lernens in den Grundschulen vieles durch die Lehrkräfte aufgefangen wird, was diese auch als Ihre Aufgabe definieren. Die Menge und Komplexität der Fälle, die fehlenden Zeitressourcen, die größer werdenden Klassen und die fehlende sozialpädagogische Fachkompetenz sind allerdings Faktoren, die das System an die Grenzen stoßen lassen.
Zusätzliche Bedarfe an Strukturen der sozialen Arbeit in
Grundschulen wurden in folgenden Bereichen ermittelt:
· Elternarbeit
Viele Problemlagen bringen die Kinder aus den Elternhäusern mit und können nur in Zusammenarbeit mit den Eltern bearbeitet werden. Hier liegt auch die Schwierigkeit, dass die Eltern nicht immer ansprechbar sind bzw. die Hürden für viele Familien, um Veränderungen anzugehen oder sich Unterstützung zu suchen, oft zu hoch sind. Die Schulen beschreiben, dass die Eltern kurze Wege brauchen und deshalb die Schule ein geeigneter Ort wäre, an dem Eltern Unterstützung bekommen könnten, z.B. in Form einer festen Sprechstunde, die durch eine sozialpädagogische Fachkraft besetzt ist.
· Multiprofessionelles Team
Zu einem gut aufgestellten multiprofessionellen Team gehören
in der Grundschule neben dem Lehrerkollegium die Sonderpädagogen, die
sozialpädagogische Fachkraft für die Schuleingangsphase (Lernförderung),
Schulassistenz, Sprachförderer und eine Fachkraft für Schulsozialarbeit.
Aktuell gibt es in Rheine drei Grundschulen, die personell besetzt sind,
allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung die Stellenanteile betreffend.
Die Grundschulen formulieren einen deutlichen Bedarf an multiprofessioneller
Arbeit in der Schule oder auch einen Ausbau der vorhandenen Strukturen, auf
Grund der vielen unterschiedlichen Problemlagen, die in der Grundschule
aufgefangen werden.
· Helfende Hände
Jede Hand in der Schule ist eine Unterstützung. In der Arbeit mit den Kindern ist allerdings wichtig, dass zusätzliche Unterstützung kontinuierlich und verlässlich in der Schule präsent ist. Kinder bauen schnell Beziehungen auf. Häufige „Trennungen“ bedeuten für Kinder immer wieder einen Verlust, die für manche Kinder traumatisch besetzt sind.
Weiterführende
Schulen ohne gemeinsames Lernen
An den
weiterführenden Schulen ohne gemeinsames Lernen sind die sozialen Strukturen
durch zusätzliche Professionen in der Schule bisher wenig ausgeprägt. Am
Kopernikus-Gymnasium und an der Elsa-Brändström-Realschule werden aktuell
wenige Stunden über die Ganztags- bzw. Übermittagsbetreuung umgewandelt und in
Schulsozialarbeit eingesetzt. Die sozial/problematischen Fragestellungen werden
durch Vertrauens- bzw. Beratungslehrer/innen aufgefangen, die nur wenige
Stunden pro Woche dafür freigestellt sind. Im Bereich der Präventionsangebote
wird häufig mit externen Trägern gearbeitet.
Auch an diesen
Schulen gibt es eine große Nachfrage an Beratungsbedarfen, die nicht alle
abgedeckt werden können. Weitervermittlungen an externe Beratungsstellen sind
selten erfolgreich, da die Hemmschwellen zu groß sind. Die Pubertät ist eine
Entwicklungsphase geprägt von Unsicherheiten und Ängsten, in denen junge
Menschen Vertrauenspersonen brauchen. Beratungslehrer*innen haben hier eine
schwierige Doppelrolle, weil sie einerseits vertrauensvoll beraten, auf der
anderen Seite aber auch im Unterricht bewerten. Außerdem fehlt ihnen der
fachliche Hintergrund, den sozialpädagogische Fachkräfte mitbringen.
An den
weiterführenden Schulen ohne gemeinsames Lernen fehlt am meisten die „Grundausstattung“
an sozialpädagogischen Fachkräften, insbesondere für die Bereiche der Beratung
und Krisenintervention und zum Auf- bzw. Ausbau der sozialen Strukturen an den
Schulen.
Frau Möllers, Koordinierungsstelle Schulsozialarbeit, wird die Ergebnisse der Bestands- und Bedarfsermittlung in den Grundschulen und in den weiterführenden Schulen ohne gemeinsames Lernen in der Schulausschusssitzung kurz vorstellen.
Zu 2)
An den drei weiterführenden Schulen des gemeinsamen Lernens wurde bereits im Jahr 2021 die Bestands- und Bedarfsermittlung durchgeführt, auf deren Basis zusätzliche Strukturen der Schulsozialarbeit an den drei Schulen im Schulausschuss beschlossen wurden, welche durch Mittel aus dem Förderprogramm „Aufholen nach Corona“ finanziert wurden (s. Vorlage 569/21). Zusätzlich haben diese drei Schulen durch die Umstrukturierung der ehemaligen Mittel des Landes NRW für die BuT-Beratung in Mittel für klassische Schulsozialarbeit, Stellenanteile hinzubekommen. Diese zusätzlichen Strukturen hat das Institut „Zoom – Gesellschaft für prospektive Entwicklungen e.V.“ evaluiert.
Herr Pagels von dem benannten Institut wird im Schulausschuss die Ergebnisse präsentieren. Zusammenfassend können folgende Erkenntnisse aus der Evaluation benannt werden:
Die Evaluation hat sich an den drei klassischen Bereichen der Schulsozialarbeit orientiert:
·
Prävention
·
Beratung
·
Krisenintervention
Im Bereich der Krisenintervention kann man sagen, dass dies mit dem vorhandenen Personal voll erfüllt und priorisiert behandelt wird, auf Grund der Dringlichkeit der Situationen und der Wichtigkeit der Aufgabe.
Im Bereich der Beratung konnte vor dem Ausbau der Stellenkontingente oft nicht abschließend, sondern eher nur punktuell beraten werden auf Grund der fehlenden Zeitkontingente. Dies konnte durch die zusätzlichen Stellenanteile ausgebaut werden, sowohl die Beratung der Schüler/innen als auch der Eltern. Dennoch können noch nicht alle Bedarfe an Beratung abgedeckt werden.
Im Bereich der Prävention hatten die Schulen bereits vor dem Ausbau ausgearbeitete Konzepte, welche Präventionsangebote in welchen Jahrgängen durchgeführt werden. Diese wurden hauptsächlich durch die Schulsozialarbeiter/innen durchgeführt, punktuell wurden zu bestimmten Themen externe Träger eingebunden. Durch die zusätzlichen Ressourcen konnten die Angebote insgesamt, aber vor allem auch durch externe Träger ausgebaut werden, z.B. in den Bereichen Medienkompetenz, Deeskalationstraining o.ä.
Die Ergebnisse der Evaluation haben ergeben, dass die Mittel aus dem Fördertopf „Aufholen nach Corona“ hauptsächlich in dem Bereich der Prävention eingesetzt wurden, was bedingt hat, dass auch die Beratungen gestiegen sind, durch die erhöhte Sensibilisierung für die Angebote der Schulsozialarbeit. Innerhalb des kurzen Durchführungszeitraums waren bereits positive Wirkungen im Schulalltag spürbar.
Durch den Ausbau der Präventionsarbeit sind soziale Themen und die Angebote der Schulsozialarbeit bei den Schüler/innen präsenter geworden und deshalb ist die Anfrage nach Beratung gestiegen, da Hemmschwellen abgebaut werden konnten. In der Beratung waren durch die zusätzlichen Kontingente auch Intensivberatungen und aufsuchende Arbeit (Schulverweigerer / Elternarbeit) möglich.
Die Wirkung des Ausbaus der präventiven Angebote ist im Schulalltag früh deutlich geworden. Es wurde beschrieben, dass ein höherer sozialer Zusammenhalt und die Verringerung von Konflikten beobachtet wurde. In Einzelfällen wurde z.B. (in diesem Fall von einem Elternteil) beschrieben, dass ein Schulverweigerer durch die Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten wieder „einen Anker in der Schule gefunden hat“. Die zusätzlichen präventiven Angebote hatten einen Schwerpunkt in den 5. und 6. Klassen, welche durch den Einsatz der Klassenassistenzen dann zusätzlich unterstützt, aber auch nachträglich aufgegriffen werden konnten, so dass eine Nachhaltigkeit in der Bearbeitung der besprochenen Themen in der Klasse gegeben ist.
An der Nelson-Mandela-Schule gab es die Rückmeldung, dass auf Grund des Frühstücksangebots „Warmes Willkommen“ die Schüler/innen anders bzw. besser in der Schule ankommen, sie sind ruhiger bei Unterrichtsbeginn bzw. im gesamten Schulalltag und auch hier wurde ein erhöhter sozialer Zusammenhalt beobachtet.
Insgesamt wurde der flexible Einsatz der zur Verfügung
stehenden Mittel geschätzt. Durch das gezielte Einsetzen an den Punkten, wo sie
als notwendig eingeschätzt wurden, sei eine direkte Wirkung erkennbar gewesen.
Vorschlag der
Verwaltung
Aus fachlicher Sicht ergeben sich aus den Ermittlungs-
und Evaluationsprozessen folgende Empfehlungen:
Zu 1)
Grundschulen
Da die Grundschulen sehr individuell aufgestellt sind und
die Dringlichkeit, Strukturen der Sozialarbeit in den Schulen zu verankern,
sehr unterschiedlich geäußert wurde wird empfohlen, die Umsetzung in einigen
Schulen in Form von Pilotprojekten zu starten. Faktoren, welche Schulen Teil
der Pilotprojekte werden, sind der Schulsozialindex und die schon zur Verfügung
stehenden Ressourcen der sozialen Arbeit in der Schule.
1. Pilotprojekt „Elternarbeit“
In einem Pilotprojekt könnte exemplarisch an einer Grundschule
ein Konzept zur Arbeit mit sozial auffälligen Familien entwickelt und
installiert werden. Dies benötigt eine Fachkraft mit mindestens einem
Stellenkontingent von 0,5 Stellen. Das würde einem Kostenaufwand von 32.500 € entsprechen.
2. Helfende Hände
An zwei weiteren Schulen könnte unterstützendes Personal
(mit geringen bzw. keinen pädagogischen Vorerfahrungen) eingesetzt werden mit
einem Stellenanteil von insgesamt einer Stelle. Dies würde einem Kostenaufwand
von ca. 47.000 € pro Jahr entsprechen. (Fachleistungsstunde: 32,40 € bei einer
Jahresarbeitszeit von 37,2 Wochen; angelehnt an Lernen in Gemeinschaft)
Weiterführende
Schulen ohne gemeinsames Lernen
Die Elsa-Brändström-Schule ist auf dem Weg, Schule des gemeinsamen Lernens zu werden. Die Schule wandelt bereits Mittel aus der Übermittagsbetreuung um in 5 Stunden Schulsozialarbeit. Es benötigt eine Aufstockung von 15 Stunden, also auf insgesamt 20 Stunden Schulsozialarbeit, um eine Grundausstattung an Schulsozialarbeit zu gewährleisten.
Das Kopernikus-Gymnasium, die zweitgrößte Schule der Stadt Rheine, wandelt bereits Mittel aus dem Ganztag in 25 Stunden Schulsozialarbeit um. Dies soll um 15 Stunden auf eine ganze Stelle aufgestockt werden.
Das Emsland-Gymnasium, das Gymnasium Dionysianum und die Abendrealschule haben bisher keine Schulsozialarbeit. Hier ist der Vorschlag, diese mit einer Grundausstattung von 10 Stunden Schulsozialarbeit auszustatten. Voraussetzung ist die Umwandlung eigener Mittel aus der Übermittagsbetreuung in Höhe von mindestens 5 Stunden Schulsozialarbeit bei den Schulen, die eine Übermittagsbetreuung anbieten.
Dies entspricht einem Stellenkontingent von insgesamt 1,5
Stellenanteilen, welche mit Kosten in Höhe von 65.000 €
pro Stelle berechnet werden, also Kosten in Höhe von insgesamt 97.500 € entstehen.
Zu 2)
In der Verstetigung der aufgebauten zusätzlichen Ressourcen soll der Schwerpunkt auf präventive Strukturen gesetzt werden, so dass das soziale Miteinander gestärkt wird, der Weg zu Unterstützungsangeboten von Schülerinnen und Schülern schneller gefunden werden kann und als langfristiges Ziel die Kriseninterventionen abnehmen.
Dafür würden zusätzliche Ressourcen benötigt mit einem Minimum an folgenden Stunden:
0,5 Stellenanteile für Schulen des gemeinsamen Lernens unter 500 SuS (Nelson-Mandela-Schule; Alexander-von-Humboldt Schule)
1,0 Stellenanteile für Schulen des gemeinsamen Lernens über 500 SuS (Euregio Gesamtschule)
Die finanziellen Mittel könnten so zur Verfügung gestellt werden, dass sie entweder als zusätzliche Stellenkontingente an der Schule oder für regelmäßige Projekte durch externe Partner als Projektförderung eingesetzt werden.
Dies entspricht einem Stellenkontingent von insgesamt 2,0
Stellenanteilen, welche mit Kosten in Höhe von 65.000 € pro Stelle berechnet
werden, also Kosten in Höhe von insgesamt
130.000 € entstehen.
Zusätzlich soll das Pilotprojekt „Lernen in Gemeinschaft“ im Schuljahr 2023/2024 weitergeführt werden. Dies entspricht einem jährlichen Aufwand von insgesamt 340.000 €. Das Projekt soll Anfang des Jahres 2024 evaluiert und eine Finanzierung aus dem Budget der Jugendhilfe geprüft werden.
Finanzielle Auswirkungen
Inhalt |
Stellenumfang |
Jährliche Kosten |
Projekt Elternarbeit |
0,5 |
32.500,00 € |
Helfende Hände |
1,0 |
47.000,00 € |
Schulsozialarbeit an den
wtf Schulen ohne GL |
1,5 |
97.500,00 € |
Schulsozialarbeit an den
wtf Schulen mit GL |
|
130.000,00 € |
Lernen in Gemeinschaft |
|
340.000,00 € |
|
|
|
Gesamt |
|
647.000,00 € |
Die Verwaltung sieht den Ausbau der Schulsozialarbeit an den Schulen der Stadt
Rheine für fachlich und pädagogisch notwendig und sinnvoll. Seitens der
Verwaltung wird jedoch kein Beschluss mit finanziellen Auswirkungen zum Ausbau
der Strukturen der Schulsozialarbeit an den Schulen der Stadt Rheine
vorgeschlagen, da es sich um eine neue freiwillige Leistung handelt, für die
aktuell weder Fördermittel noch städtische Mittel zur Verfügung stehen.
Bezüglich des Programmes Lernen in Gemeinschaft sind 340.000 € im Haushaltsplanentwurf 2023 enthalten. Sollte politisch entschieden werden, dass diese Projekte zumindest angestoßen werden sollen, weist die Verwaltung darauf hin, dass eine Projektierung und Finanzierung für das Schuljahr 2022/23 und 2023/24 sicherzustellen ist, damit ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um erste Erfahrungen sammeln zu können.
Für die Finanzplanung hätte das folgende Auswirkungen:
Haushalt 2023: Zusätzlich 317.000 €
Haushalt 2024: Zusätzlich 378.000 € (7/12 von 640.000 €)