Betreff
Jahresbericht Ankommensberatung
Vorlage
367/23
Aktenzeichen
II-8.10-hf
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den Jahresbericht zur Ankommensberatung des Teams Beratung und Begleitung von Zuwanderern zur Kenntnis.

 

 


Begründung:

 

Berichtszeitraum: Oktober 2022 bis September 2023.

 

 

Aktuelle Situation

 

Jährlich gibt es eine Zuwanderung nach Rheine von mehreren hundert Menschen aus dem Ausland/EU-Ländern. (siehe unten: Statistik der Zuzüge).

Ein nicht unerheblicher Teil kam in den letzten Jahren über die EU-Freizügigkeitsregelungen als Arbeitsmigranten oder den Familiennachzug nach Rheine.

Das Team Beratung und Begleitung von Zuwanderern hat im Jahr 2018 ein Konzept der Ankommensberatung für diese Zielgruppe erstellt (vgl. Vorlagen 334/20, 529/21, 421/22), um die neuen Bürger/innen über kommunale Unterstützungsangebote zu informieren, aktiv zu Integrationsangeboten einzuladen (z. B. Sprachkurse) und auch um Wünsche und Lebenssituationen abzufragen bzw. mehr über den persönlichen Hintergrund zu erfahren, auch um Rückschlüsse für die zukünftige Sozialraumplanung und die Infrastruktur ziehen zu können.

Als Zielgruppe der Ankommensberatung wurden auch wegen begrenzter personeller Ressourcen in erster Linie neu ankommende Familien priorisiert- vorwiegend aus dem europäischen Raum - die ihr Leben langfristig in Deutschland verbringen werden und nicht nur als saisonale Arbeitskräfte hierhergezogen sind.

Seit März 2022 ist eine weitere Zielgruppe hinzugekommen: Die geflüchteten Familien aus der Ukraine, die einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG haben.

 

Im Berichtszeitraum bestand in den letzten Monaten des Jahres 2022 noch eine Kombination aus aufsuchender Ankommensberatung und Ankommensberatung nach Terminabsprache im Stadtteilbüro. Zwei Faktoren spielten bei dieser Handhabung eine Rolle; zum einen das sich nur langsam verändernde Distanzverhalten aller Menschen untereinander aufgrund der Corona-Pandemie und zum anderen die besondere Situation, die durch den Krieg und die Geflüchteten aus der Ukraine entstand. Viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine wurden in privaten Unterkünften aufgenommen. So entstand eine „Ankommensberatung“ in individueller Weise durch die Gastfamilien. Bei Bedarf - und das war häufig der Fall – ließen sich die Gastfamilien von den Sozialarbeiter/innen des Teams Beratung und Begleitung beraten und über Sachverhalte und Möglichkeiten informieren.

 

Im Januar 2023 wurde das Konzept der Ankommensberatung wieder in verbindlicher Form vom Team Beratung und Begleitung von Zuwanderern umgesetzt.

Neu angekommene Zuwanderer wurden angeschrieben und die Sozialkräfte luden sich zu einem Informationsgespräch bei den Familien ein.

 

 

 

 

Ergänzendes Case Management – Angebot

Der Förderbaustein „Case Management“, der im Herbst 2022 aus dem Programm Kommunales Integrationsmanagement (KIM) in die Beratungslandschaft installiert wurde, ist ein flächendeckendes gutes bzw. ergänzendes Angebot für die neu zugewanderten Familien.

Stellt sich in einer Ankommensberatung entweder gleich im Erstgespräch oder auch später in Folgegesprächen in den Stadtteilbüros ein Mehrbedarf an Unterstützung und Hilfe heraus, können die Sozialarbeiter/innen die Familien an den Fachdienst weiterverweisen.

Zwischen den Kollegen/innen vom Team Beratung und Begleitung und den Case Managern des Caritasverbandes und des Trägers Lernen fördern gibt es gute Kontakte, eine strukturierte Zusammenarbeit ist im Aufbau. Ziel ist u. a. die Verhinderung einer Doppelbetreuung.

 

 

Statistik der Zuzüge:

 

In der Statistik wurden alle Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund aufgelistet, die aus dem In- und Ausland mit ausländischem Pass nach Rheine zugezogen sind. Herausgefiltert wurden Personen, die der Zentralen Erstunterbringung (ZUE – Damloup-Kaserne, die seit 31.05.2023 geschlossen ist) zugewiesen wurden und Personen, die in städtische Unterkünfte durch Zuweisungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder nach einer Wohnsitzauflage nach §12a AufenthG eingezogen sind.

 


 

 

 

In der folgenden Tabelle kann die Unterteilung in Alleinstehende, (Ehe-) Paare und Familien, die vorwiegend als Arbeitsmigranten eingereist sind, eingesehen werden.

(Eine Besonderheit ist der Zuzug der ukrainischen Geflüchteten, die nicht als Arbeitsmigranten einzustufen sind.)

 

 

Gesamt

Familienmitglieder

Paare

Alleinstehende

Aug.-Dez.

2018

 

490

 

116

 

63

 

311

2019

1303

343

159

801

2020

1013

247

146

620

2021

970

315

114

541

2022

2278

953

264

1061

2023 (1-9.23)

1300

293

208

799

 

 

Unterteilt sind Zuzüge der Familien/Familiennachzüge aus dem In- und dem Ausland

Zuzüge

Inland

Ausland

Summe

2018    (5 Monate)

19

14

33

2019    (12 Monate)

60

69

129

2020    (12 Monate)

48

51

99

2021    (12 Monate)

55

57

112

2022    (12 Monate)

52

297

349

2023    (9 Monate )

56

76

132

 

Festzuhalten ist, dass es in 2022 eine Verdreifachung von Zuzügen gab. Auch in 2023 ist eine höhere Zahl zu erwarten, da bereits Ende September die Zahl der Zuzüge der jeweiligen Jahre 2019-2021 übertroffen wurde.

 

 

Folgende Tabelle weist die größten Gruppen der Zuwanderer ab 2018 aus. Es fehlen in der Auflistung die eingereisten Nationalitäten mit geringer Personenanzahl. Im Zeitraum von 2018 – 2022 sind die größten Zuwanderergruppen die Rumänen und die Bulgaren. Die Ukrainer sind gesondert zu betrachten.

 

 

Zeitraum 08.-12.2018

Zeitraum 2019

Zeitraum 2020

Zeitraum 2021

Zeitraum 2022

Zeitraum 01.-09.2023

Syrer

44

121

132

98

110

65

Polen

58

124

127

67

86

99

Rumänen

89

363

361

224

405

334

Serben

18

41

37

31

21

34

Bulgaren

87

183

255

132

221

141

Mazedonier

 

66

33

47

57

32

Ukrainer

 

 

 

 

916

227

 

 

 

 

 

Aus untenstehender Tabelle geht hervor, dass auch im Jahr 2022 bis zum September die Rumänen und Bulgaren die größte Gruppe der Zuwanderer stellten.

Die Zuzüge der Menschen aus der Ukraine sind nicht zu berücksichtigen, da der Einreisehintergrund ein anderer ist. Der hellblaue Balken verdeutlicht den überproportionalen Zuzug.

 

 

 

 

 

Unten: Verdeutlichung des Zuzugs in 2022

 

 


 

 

Besonderheiten

 

Nachdem im März 2022 die große Fluchtbewegung aus der Ukraine begann und die Stadt Rheine eine große Anzahl von Geflüchteten untergebracht hatte, waren auch kurzfristig geschaffene städtische Unterkünfte (z. B. Gartenstr. 40) recht schnell belegt. Ohne das private Engagement der Rheiner Bevölkerung wäre diese Situation nicht zu bewältigen gewesen.

Die Ankommensberatung für diese große Gruppe von Geflüchteten gestaltete sich mehrgleisig. Einmal gab es eine gute Beratung durch die „Gastfamilie“, wenn Geflüchtete aus der Ukraine privat aufgenommen worden sind – andererseits wurden Ukrainer/innen angeschrieben, die gleich eine private Wohnung beziehen konnten und es wurde ein Hausbesuch mit einem Infogespräch angekündigt.

Die ukrainischen Familien, die in städtischen Unterkünften untergebracht werden konnten, wurden von den Sozialarbeitern/innen begrüßt und informiert.

 

 

Zahlen und Erfahrungen mit der Ankommensberatung/den Hausbesuchen

 

Nach Wiederaufnahme der Hausbesuche Anfang 2023 – mit Aushändigung der Willkommensmappe -  wurden in 2023 (Januar bis August inklusive) rund 80 Hausbesuche durchgeführt.

In einigen Fällen gab es Hindernisse bei der Kontaktaufnahme.

  • Briefkasten nicht beschriftet
  • Angeschriebene Familie nicht Zuhause - es wurde auch keine Absage übermittelt
  • Absage im Vorfeld – Zugezogene kommen aus einer anderen Stadt und leben schon langjährig in Deutschland
  • Familie hat Deutschland bereits wieder verlassen oder ist möglicherweise in eine andere Stadt gezogen

 

In ca. 2/3 der angeschriebenen Familien konnten erfolgreiche Ankommensgespräche geführt werden. Einen akuten weiteren Beratungsbedarf, der sich in dem Erst- und Infogespräch herausstellte, gab es in etwa 1/5 der Fälle. Ganz oben rangierte dabei der Wunsch nach einem Sprachkurs und Hilfe bei der Bearbeitung von Anträgen. Allerdings zeigt sich im Nachhinein die Nachhaltigkeit dieser Gespräche im eigenen Zuhause. Auch nach Monaten kommen Menschen in das Stadtteilbüro wenn sie Hilfe brauchen, auch wenn es dazwischen keinen Kontakt gegeben hat.

Zuweilen waren die Erstgespräche bei den Willkommensbesuchen schon sehr intensiv und es wurden bereits notwendige Informationen gegeben. Z. B. wo gibt es einen Handballverein, wie bekomme ich ein günstiges Fahrrad, wie melde ich mein Kind im Kindergarten an….

Wenn die Bewohner nicht nur zurückhaltend den Erklärungen der/des Sozialarbeiter/in zuhörten, sondern auch Fragen stellten, ging es meistens um Anträge auf Bürgergeld, Kindergeld oder auch um Wohnungssuche bei nicht optimaler Wohnsituation.

Sprachbarrieren wurden meistens mit Google überwunden (zukünftig kann ein Sprachmittler wieder hinzugezogen werden).

Häufig vermitteln die Sozialarbeiter/innen auch an zuständige Fachdienste, z. B. wie der Migrationsfachdienst des Caritasverbandes oder die „Beratungsstelle Arbeit“ des JFD oder sonstige Träger/Behörden oder Vereine.

 

Einen weiteren Nebeneffekt hat die “Institution Ankommensberatung“ für die neu zugezogenen schulpflichtigen Kinder, die über die Seiteneinsteigerberatung Schulplätze zugewiesen bekommen. Nimmt eine Familie diesen Termin nicht wahr und das Kind geht nicht in die Schule, gerät es in den Fokus und es wird nachgehakt. Im Berichtszeitraum war das etwa 7-mal der Fall.

Der anonyme Fragebogen, mit dem Informationen von den besuchten Zuwanderern eingeholt werden soll, gab folgende Aussagen:

-          Alle Befragten beabsichtigen in Deutschland zu bleiben

-          In 2019 sind nahezu alle (99%) der Befragten wegen des Arbeitsplatzes zugezogen. In 2023 waren es keine 50%, die Geflüchteten aus der Ukraine haben keinen EU-Status, aber eine Aufenthaltsberechtigung. Haben also nicht zwangsläufig einen Arbeitsplatz.

-          Ca. 1/3 kennt die „Sprachoffensive“ der Stadt Rheine und die Hälfte der Befragten würde gerne einen Kurs besuchen.

-          Fast niemand besucht einen Integrationskurs, da die Befragten gerade erst angekommen sind, zudem muss er finanziert werden können. (Betrifft vornehmlich Arbeitsmigranten)

-          Fast alle Familien mit Kindern wollen einen Kitaplatz, knapp die Hälfte hat bereits einen oder einen für das Folgejahr zugesagt bekommen.

 

 

Die Willkommensbroschüre

 

Die Willkommensbroschüre wurde in diesem Jahr überarbeitet, d. h. im Wesentlichen aktualisiert und um einige Neuheiten ergänzt, z. B. das 49€-Ticket.

Nachdem die Anschreiben, mit denen die Sozialarbeiter/innen sich zu den Hausbesuchen einladen, in mehrere Sprachen übersetzt haben, wird jetzt auch die Willkommensbroschüre in 5 weiteren Sprachen gedruckt. Dabei hat sich die Verwaltung an der Anzahl der Ankommenden aus den einzelnen Ländern orientiert.

 

 

Fazit:

 

Corona und der Ukrainekrieg sind die einschneidenden Veränderungen in der Welt und der Gesellschaft der letzten 3 Jahre.

Nachdem die Hausbesuche mit den Erstgesprächen wiederaufgenommen wurden, zeigte sich bei allen Terminen, dass diese Art der Kontaktaufnahme die persönlichste und erfolgreichste ist. Es kommen nicht unbedingt die aufgesuchten Familien nach dem Erstkontakt in die Sprechstunden der Stadtteilbüros, sondern Verwandte, Bekannte oder Nachbarn. Durch Mundpropaganda erfahren viele Menschen mit Beratungsbedarf von unseren Anlaufstellen und nutzen sie.

Inwieweit die Verwaltung personell auch zukünftig die Hausbesuche und den größeren Beratungsbedarf abdecken kann, hängt von der Anzahl der Rheine zugewiesenen Geflüchteten ab. Durch die Schließung der ZUE rechnet die Verwaltung mit 160 bis 200 Neuzuweisungen, die in städtischen Unterkünften unterzubringen sind.

 


Anlage:

 

Überarbeitete Willkommensmappe