Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der
Sozialausschuss nimmt den Jahresbericht zur Ankommensberatung des Teams
Beratung und Begleitung von Zuwanderern zur Kenntnis.
Begründung:
Berichtszeitraum: Oktober 2022 bis September 2023.
Aktuelle
Situation
Jährlich gibt es eine
Zuwanderung nach Rheine von mehreren hundert Menschen aus dem
Ausland/EU-Ländern. (siehe unten: Statistik der Zuzüge).
Ein nicht unerheblicher Teil
kam in den letzten Jahren über die EU-Freizügigkeitsregelungen als
Arbeitsmigranten oder den Familiennachzug nach Rheine.
Das Team Beratung und
Begleitung von Zuwanderern hat im Jahr 2018 ein Konzept der Ankommensberatung
für diese Zielgruppe erstellt (vgl. Vorlagen 334/20, 529/21, 421/22), um die
neuen Bürger/innen über kommunale Unterstützungsangebote zu informieren, aktiv
zu Integrationsangeboten einzuladen (z. B. Sprachkurse) und auch um Wünsche und
Lebenssituationen abzufragen bzw. mehr über den persönlichen Hintergrund zu
erfahren, auch um Rückschlüsse für die zukünftige Sozialraumplanung und die
Infrastruktur ziehen zu können.
Als Zielgruppe der
Ankommensberatung wurden auch wegen begrenzter personeller Ressourcen in erster
Linie neu ankommende Familien priorisiert- vorwiegend aus dem europäischen Raum
- die ihr Leben langfristig in Deutschland verbringen werden und nicht nur als
saisonale Arbeitskräfte hierhergezogen sind.
Seit März 2022 ist eine
weitere Zielgruppe hinzugekommen: Die geflüchteten Familien aus der Ukraine,
die einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG haben.
Im Berichtszeitraum bestand
in den letzten Monaten des Jahres 2022 noch eine Kombination aus aufsuchender
Ankommensberatung und Ankommensberatung nach Terminabsprache im Stadtteilbüro.
Zwei Faktoren spielten bei dieser Handhabung eine Rolle; zum einen das sich nur
langsam verändernde Distanzverhalten aller Menschen untereinander aufgrund der
Corona-Pandemie und zum anderen die besondere Situation, die durch den Krieg
und die Geflüchteten aus der Ukraine entstand. Viele geflüchtete Menschen aus
der Ukraine wurden in privaten Unterkünften aufgenommen. So entstand eine
„Ankommensberatung“ in individueller Weise durch die Gastfamilien. Bei Bedarf -
und das war häufig der Fall – ließen sich die Gastfamilien von den
Sozialarbeiter/innen des Teams Beratung und Begleitung beraten und über
Sachverhalte und Möglichkeiten informieren.
Im Januar 2023 wurde das
Konzept der Ankommensberatung wieder in verbindlicher Form vom Team Beratung
und Begleitung von Zuwanderern umgesetzt.
Neu angekommene Zuwanderer
wurden angeschrieben und die Sozialkräfte luden sich zu einem
Informationsgespräch bei den Familien ein.
Ergänzendes Case Management –
Angebot
Der Förderbaustein „Case Management“, der im Herbst 2022 aus dem
Programm Kommunales Integrationsmanagement (KIM) in die Beratungslandschaft
installiert wurde, ist ein flächendeckendes gutes bzw. ergänzendes Angebot für
die neu zugewanderten Familien.
Stellt sich in einer Ankommensberatung entweder gleich im Erstgespräch
oder auch später in Folgegesprächen in den Stadtteilbüros ein Mehrbedarf an
Unterstützung und Hilfe heraus, können die Sozialarbeiter/innen die Familien an
den Fachdienst weiterverweisen.
Zwischen den Kollegen/innen vom Team Beratung und Begleitung und den
Case Managern des Caritasverbandes und des Trägers Lernen fördern gibt es gute
Kontakte, eine strukturierte Zusammenarbeit ist im Aufbau. Ziel ist u. a. die
Verhinderung einer Doppelbetreuung.
Statistik der Zuzüge:
In der Statistik wurden alle
Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund aufgelistet, die aus dem In-
und Ausland mit ausländischem Pass nach Rheine zugezogen sind. Herausgefiltert
wurden Personen, die der Zentralen Erstunterbringung (ZUE – Damloup-Kaserne, die
seit 31.05.2023 geschlossen ist) zugewiesen wurden und Personen, die in
städtische Unterkünfte durch Zuweisungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
oder nach einer Wohnsitzauflage nach §12a AufenthG eingezogen sind.
In der folgenden Tabelle kann die Unterteilung in Alleinstehende, (Ehe-)
Paare und Familien, die vorwiegend als Arbeitsmigranten eingereist sind,
eingesehen werden.
(Eine Besonderheit
ist der Zuzug der ukrainischen Geflüchteten, die nicht als Arbeitsmigranten
einzustufen sind.)
|
Gesamt |
Familienmitglieder |
Paare |
Alleinstehende |
Aug.-Dez. 2018 |
490 |
116 |
63 |
311 |
2019 |
1303 |
343 |
159 |
801 |
2020 |
1013 |
247 |
146 |
620 |
2021 |
970 |
315 |
114 |
541 |
2022 |
2278 |
953 |
264 |
1061 |
2023 (1-9.23) |
1300 |
293 |
208 |
799 |
Unterteilt
sind Zuzüge der Familien/Familiennachzüge
aus dem In- und dem Ausland
Zuzüge |
Inland |
Ausland |
Summe |
2018 (5 Monate) |
19 |
14 |
33 |
2019 (12 Monate) |
60 |
69 |
129 |
2020 (12 Monate) |
48 |
51 |
99 |
2021 (12 Monate) |
55 |
57 |
112 |
2022 (12 Monate) |
52 |
297 |
349 |
2023 (9 Monate ) |
56 |
76 |
132 |
Festzuhalten ist, dass es in
2022 eine Verdreifachung von Zuzügen gab. Auch in 2023 ist eine höhere Zahl zu
erwarten, da bereits Ende September die Zahl der Zuzüge der jeweiligen Jahre
2019-2021 übertroffen wurde.
Folgende Tabelle weist die größten Gruppen der Zuwanderer ab 2018 aus.
Es fehlen in der Auflistung die eingereisten Nationalitäten mit geringer
Personenanzahl. Im Zeitraum von 2018 – 2022 sind die größten Zuwanderergruppen
die Rumänen und die Bulgaren. Die Ukrainer sind gesondert zu betrachten.
|
Zeitraum
08.-12.2018 |
Zeitraum 2019 |
Zeitraum 2020 |
Zeitraum 2021 |
Zeitraum 2022 |
Zeitraum
01.-09.2023 |
Syrer |
44 |
121 |
132 |
98 |
110 |
65 |
Polen |
58 |
124 |
127 |
67 |
86 |
99 |
Rumänen |
89 |
363 |
361 |
224 |
405 |
334 |
Serben |
18 |
41 |
37 |
31 |
21 |
34 |
Bulgaren |
87 |
183 |
255 |
132 |
221 |
141 |
Mazedonier |
|
66 |
33 |
47 |
57 |
32 |
Ukrainer |
|
|
|
|
916 |
227 |
Aus untenstehender Tabelle geht hervor, dass auch im Jahr 2022 bis zum
September die Rumänen und Bulgaren die größte Gruppe der Zuwanderer stellten.
Die Zuzüge der Menschen aus der Ukraine sind nicht zu berücksichtigen,
da der Einreisehintergrund ein anderer ist. Der hellblaue Balken verdeutlicht
den überproportionalen Zuzug.
Unten: Verdeutlichung des Zuzugs in 2022
Besonderheiten
Nachdem im März 2022 die große Fluchtbewegung aus der Ukraine begann und
die Stadt Rheine eine große Anzahl von Geflüchteten untergebracht hatte, waren
auch kurzfristig geschaffene städtische Unterkünfte (z. B. Gartenstr. 40) recht
schnell belegt. Ohne das private Engagement der Rheiner Bevölkerung wäre diese
Situation nicht zu bewältigen gewesen.
Die Ankommensberatung für diese große Gruppe von Geflüchteten gestaltete
sich mehrgleisig. Einmal gab es eine gute Beratung durch die „Gastfamilie“,
wenn Geflüchtete aus der Ukraine privat aufgenommen worden sind – andererseits
wurden Ukrainer/innen angeschrieben, die gleich eine private Wohnung beziehen
konnten und es wurde ein Hausbesuch mit einem Infogespräch angekündigt.
Die ukrainischen Familien, die in städtischen Unterkünften untergebracht
werden konnten, wurden von den Sozialarbeitern/innen begrüßt und informiert.
Zahlen und Erfahrungen mit der
Ankommensberatung/den Hausbesuchen
Nach Wiederaufnahme der Hausbesuche Anfang 2023 – mit Aushändigung der
Willkommensmappe - wurden in 2023
(Januar bis August inklusive) rund 80 Hausbesuche durchgeführt.
In einigen Fällen gab es Hindernisse bei der Kontaktaufnahme.
- Briefkasten
nicht beschriftet
- Angeschriebene
Familie nicht Zuhause - es wurde auch keine Absage übermittelt
- Absage im
Vorfeld – Zugezogene kommen aus einer anderen Stadt und leben schon
langjährig in Deutschland
- Familie hat
Deutschland bereits wieder verlassen oder ist möglicherweise in eine
andere Stadt gezogen
In ca. 2/3 der angeschriebenen Familien konnten erfolgreiche
Ankommensgespräche geführt werden. Einen akuten
weiteren Beratungsbedarf, der sich in dem Erst- und Infogespräch
herausstellte, gab es in etwa 1/5 der Fälle. Ganz oben rangierte dabei der
Wunsch nach einem Sprachkurs und Hilfe bei der Bearbeitung von Anträgen.
Allerdings zeigt sich im Nachhinein die Nachhaltigkeit dieser Gespräche im
eigenen Zuhause. Auch nach Monaten kommen Menschen in das Stadtteilbüro wenn
sie Hilfe brauchen, auch wenn es dazwischen keinen Kontakt gegeben hat.
Zuweilen waren die Erstgespräche bei den Willkommensbesuchen schon sehr
intensiv und es wurden bereits notwendige Informationen gegeben. Z. B. wo gibt
es einen Handballverein, wie bekomme ich ein günstiges Fahrrad, wie melde ich
mein Kind im Kindergarten an….
Wenn die Bewohner nicht nur zurückhaltend den Erklärungen der/des
Sozialarbeiter/in zuhörten, sondern auch Fragen stellten, ging es meistens um
Anträge auf Bürgergeld, Kindergeld oder auch um Wohnungssuche bei nicht
optimaler Wohnsituation.
Sprachbarrieren wurden meistens mit Google überwunden (zukünftig kann
ein Sprachmittler wieder hinzugezogen werden).
Häufig vermitteln die Sozialarbeiter/innen auch an zuständige
Fachdienste, z. B. wie der Migrationsfachdienst des Caritasverbandes oder die
„Beratungsstelle Arbeit“ des JFD oder sonstige Träger/Behörden oder Vereine.
Einen weiteren Nebeneffekt hat die “Institution Ankommensberatung“ für
die neu zugezogenen schulpflichtigen Kinder, die über die
Seiteneinsteigerberatung Schulplätze zugewiesen bekommen. Nimmt eine Familie
diesen Termin nicht wahr und das Kind geht nicht in die Schule, gerät es in den
Fokus und es wird nachgehakt. Im Berichtszeitraum war das etwa 7-mal der Fall.
Der anonyme Fragebogen, mit dem Informationen von den besuchten
Zuwanderern eingeholt werden soll, gab folgende Aussagen:
-
Alle Befragten beabsichtigen in Deutschland zu
bleiben
-
In 2019 sind nahezu alle (99%) der Befragten wegen
des Arbeitsplatzes zugezogen. In 2023 waren es keine 50%, die Geflüchteten aus
der Ukraine haben keinen EU-Status, aber eine Aufenthaltsberechtigung. Haben
also nicht zwangsläufig einen Arbeitsplatz.
-
Ca. 1/3 kennt die „Sprachoffensive“ der Stadt
Rheine und die Hälfte der Befragten würde gerne einen Kurs besuchen.
-
Fast niemand besucht einen Integrationskurs, da die
Befragten gerade erst angekommen sind, zudem muss er finanziert werden können.
(Betrifft vornehmlich Arbeitsmigranten)
-
Fast alle Familien mit Kindern wollen einen
Kitaplatz, knapp die Hälfte hat bereits einen oder einen für das Folgejahr
zugesagt bekommen.
Die Willkommensbroschüre
Die Willkommensbroschüre wurde in diesem Jahr überarbeitet, d. h. im
Wesentlichen aktualisiert und um einige Neuheiten ergänzt, z. B. das
49€-Ticket.
Nachdem die Anschreiben, mit denen die Sozialarbeiter/innen sich zu den
Hausbesuchen einladen, in mehrere Sprachen übersetzt haben, wird jetzt auch die
Willkommensbroschüre in 5 weiteren Sprachen gedruckt. Dabei hat sich die
Verwaltung an der Anzahl der Ankommenden aus den einzelnen Ländern orientiert.
Fazit:
Corona und der Ukrainekrieg sind die einschneidenden Veränderungen in
der Welt und der Gesellschaft der letzten 3 Jahre.
Nachdem die Hausbesuche mit den Erstgesprächen wiederaufgenommen wurden,
zeigte sich bei allen Terminen, dass diese Art der Kontaktaufnahme die
persönlichste und erfolgreichste ist. Es kommen nicht unbedingt die
aufgesuchten Familien nach dem Erstkontakt in die Sprechstunden der
Stadtteilbüros, sondern Verwandte, Bekannte oder Nachbarn. Durch Mundpropaganda
erfahren viele Menschen mit Beratungsbedarf von unseren Anlaufstellen und
nutzen sie.
Inwieweit die Verwaltung personell auch zukünftig die Hausbesuche und
den größeren Beratungsbedarf abdecken kann, hängt von der Anzahl der Rheine
zugewiesenen Geflüchteten ab. Durch die Schließung der ZUE rechnet die
Verwaltung mit 160 bis 200 Neuzuweisungen, die in städtischen Unterkünften
unterzubringen sind.
Anlage:
Überarbeitete Willkommensmappe