Betreff
Grundsatzbeschluss Direktvergabe Stadtverkehr Rheine an die Verkehrsgesellschaft Rheine mbH
Vorlage
491/23
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.       Der Rat der Stadt Rheine fasst den Grundsatzbeschluss, die Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags über die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste im Stadtverkehr Rheine gemäß Art. 5 Abs. 1 VO 1370/2007 i.V.m. § 108 Abs. 1 GWB frühestens zum 01.07.2025 direkt an die Verkehrsgesellschaft der Stadt Rheine mbH (VSR) zu erteilen.

 

2.       Der Rat der Stadt Rheine beauftragt die Verwaltung der Stadt Rheine, die für die Erteilung der Direktvergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags über die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste im Stadtverkehr Rheine erforderliche europaweite Vorabbekanntmachung gemäß Art. 7 Abs. 2 VO 1370/2007 auf Grundlage des Nahverkehrskonzepts im Amtsblatt der europäischen Union (TED) vorzubereiten und zu veröffentlichen.

 

 


Begründung:

 

I.      Sachstand

 

Die Stadt Rheine ist aufgrund des Betriebs eines eigenen Verkehrsunternehmens – der Verkehrsgesellschaft der Stadt Rheine mbH (VSR) – nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG NRW Aufgabenträgerin für den ÖPNV in ihrem Stadtgebiet. Als ÖPNV-Aufgabenträgerin ist die Stadt Rheine zudem nach § 3 Abs. 2 ÖPNVG NRW zuständige örtliche Behörde für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (öDA) nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2007 („VO 1370/2007“).

 

Die Stadt Rheine hat im Jahr 2021 gemeinsam mit der VSR im Rahmen des sog. Betriebsführungsübertragungs-Modells eine europaweite Ausschreibung (TED-Bekanntmachungs-Nr. 2021/S 118-310982) zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags (öDA) über die Erbringung der öffentlichen Personenverkehrsdienste des Linienbündels „Stadtverkehr Rheine“ sowie eines Betriebsführungsübertragungs- und Subunternehmervertrags (BFÜSV) durchgeführt und letztlich an den Bestbieter, Rheiner Verkehrsbetrieb Mersch GmbH & Co. KG (Firma Mersch), vergeben.

 

Anfang 2022 zeichnete sich ab, dass ein dauerhafter Betrieb des Stadtverkehrs Rheine durch die Firma Mersch aufgrund zunehmender und absehbarer Steigerungen von Treibstoff- sowie Personalkosten ohne eine Anpassung des BFÜSV wie letztlich auch des öDA wirtschaftlich nicht möglich gewesen wäre. Eine erforderliche Vertragsanpassung konnte aus rechtlichen Gründen nicht vorgenommen werden. Die Stadt Rheine hat mit Beschluss vom 06.09.2022 (Vorlage 314/22) daher u.a. die Aufhebung des BFÜSV sowie des diesem zugrundeliegenden öDA an die Firma Mersch zum 01.07.2023 beschlossen. Zudem hat der Rat eine sog. Notvergabe eines öDA über die Erbringung des Linienbündels „Stadtverkehr Rheine“ an die VSR ab dem 01.07.2023 für einen befristeten Übergangszeitraum von maximal 2 Jahren beschlossen.

 

 

II.     Anschlussregelung Sicherstellung Stadtverkehr

 

Mit dem absehbaren Laufzeitende des Not-öDA zum 30.06.2025 ist nunmehr eine langlaufende Anschlussregelung zur Sicherstellung des Stadtverkehrs erforderlich.

 

Die Stadt Rheine hat insoweit mit einer Direktvergabe des Stadtverkehrs Rheine an die VSR die Möglichkeit den Stadtverkehr unverändert in städtischer Verantwortung und unter Nutzbarmachung des steuerlichen Querverbunds auszugestalten. Die Stadt würde insoweit die ihr durch die VO 1370/2007 und das ÖPNVG NRW eingeräumte Möglichkeit, den Stadtverkehr mit einem eigenen Verkehrsunternehmen unter Beachtung der allgemeinen und speziellen Direktvergabevoraussetzungen zu gewährleisten, anwenden können. Sie würde damit weiterhin die Erfüllungs-/Gestaltungsverantwortung für den Stadtverkehr auf ihrem Zuständigkeitsgebiet übernehmen und ein über viele Jahre erfolgreiches Modell der Aufgabenerledigung nachhaltig sichern. Auch die „Finanzierung des Stadtverkehrs im steuerlichen Querverbund“ könnte dadurch beibehalten bleiben.

 

Jenseits der rechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen spricht – mit Blick auf das Thema „Verkehrswende“ – insbesondere auch die folgende Erwägung für die Direktvergabe an die VSR und gegen eine, ebenfalls denkbare, wettbewerbliche Ausschreibung des Stadtbusverkehrs: Eine Direktvergabe an ein eigenes Verkehrsunternehmen bietet ein Höchstmaß an Gestaltbarkeit und kommunalem Einfluss auf den Betreiber und damit auf das gesamte Stadtverkehrsangebot. Der Angebotsumfang und die Angebotsqualität, die in einem dynamischen System wie dem ÖPNV nicht starr sein dürfen, lassen sich im Rahmen der Direktvergabe schnell und flexibel gestalten, wohingegen eine wettbewerbliche Vergabe durch eine enge Leistungsbeschreibung mit geringen Änderungsspielräumen gekennzeichnet wäre.

 

Vor der Erteilung eines neuen langlaufenden öDA an die VSR hat die Stadt ein feststehendes Verfahren durchzuführen. Dazu ist gemäß Art. 7 Absatz 2 VO 1370/2007 und § 8a Absatz 2 PBefG, spätestens ein Jahr vor der Direktvergabe, maximal aber 27 Monate vor der Betriebsaufnahme, eine Vorabveröffentlichung der Vergabeabsicht im EU-Amtsblatt zu veröffentlichen. Mit der Veröffentlichung wird eine (Warte-)Frist von einem Jahr ausgelöst. Erst nach deren Ablauf kann die Direktvergabe wirksam gegenüber der VSR durch Erteilung des öDA umgesetzt werden.

 

Da innerhalb der ersten drei Monate dieser Jahresfrist interessierte Unternehmen Anträge für einen eigenwirtschaftlichen (= zuschussfreier) Betrieb des Stadtverkehrs stellen können, sind die von der Stadt Rheine gewünschten zukünftigen qualitativen und quantitativen Anforderungen an den Stadtverkehr in der Vorabveröffentlichung darzustellen. Diese Anforderungen sind später auch in den öDA zu übernehmen und bilden die Grundlage für die Sicherstellung des Stadtverkehrs durch die VSR. Diese Anforderungen werden im Rahmen der Vorabbekanntmachung über die Anlage „Ergänzendes Dokument“ festgelegt. Typische Inhalte eines solchen konkretisierenden Dokuments sind z. B. die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des öDA geltenden Linienführungen, Taktungen und Betriebszeiten, die anzuwendenden Tickettarife sowie sonstige qualitative Standards und Fahrzeuganforderungen (wie z.B. die Antriebstechnik). Entsprechend dient vorliegend das neu zu beschließende Nahverkehrskonzept der Stadt Rheine als Grundlage für das „Ergänzende Dokument“.

 

Mit diesem Beschluss wird daher dem Rat der Stadt Rheine empfohlen, den Grundsatzbeschluss zur fortgesetzten Sicherstellung des Stadtverkehrs in eigener ÖPNV-Aufgabenträgerschaft unter Einsatz der VSR als verantwortlichem Betreiber im Wege einer wettbewerbsfreien Direktvergabe zu beschließen und die Verwaltung der Stadt Rheine wird u.a. mit der Ausarbeitung des Entwurfs der Vorabbekanntmachung sowie der entsprechenden Anlagen in Abstimmung mit der VSR sowie der anschließenden Veröffentlichung im EU-Amtsblatt zur Auslösung der Fristen beauftragt. Erst im Anschluss und nach Ablauf der einjährigen Wartefrist kann dann der öDA an die VSR erteilt werden. Hierzu ist eine gesonderte Beschlussfassung durch den Rat der Stadt Rheine erforderlich.