Betreff
Fortführung des Deutschlandtickets im Westfalentarif
Vorlage
374/23
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.      Der Haupt-, Digital- und Finanzausschuss (HDF) beschließt für den Verantwortungsbereich der Stadt Rheine als ÖPNV-Aufgabenträger auf Grund der fehlenden vollumfänglichen Finanzierungszusage von Bund und Ländern betreffend die Kompensation der aus der Fortführung des Deutschlandtickets im Jahr 2024 entstehenden Mindereinnahmen zunächst eine befristete Verlängerung der Anwendung des Deutschlandtickets i.S. § 9 Regionalisierungsgesetz und der bundeseinheitlichen Tarifbestimmungen bzw. der entsprechenden WTG-Tarifbestimmungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2024.

 

2.      Der HDF beschließt die Verwaltung zu beauftragen, die zeitlich befristete Anwendung des Deutschlandtickets sowie den Ausgleich der finanziellen Nachteile nach den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gegenüber der VSR als im Verantwortungsbereich der Stadt Rheine tätigen Verkehrsunternehmen rechtskonform umzusetzen. Die Stadt macht hierzu von ihrem Recht zur Fortschreibung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags zwischen der Stadt Rheine und der VSR Gebrauch und betraut die VSR mit der Anerkennung und Anwendung des Deutschlandticket als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung zunächst für den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis 30. April 2024.

 

3.      Die Verwaltung wird dem HDF bzw. Rat der Stadt Rheine das Thema „Weiterführung Deutschlandticket 2024“ rechtzeitig vor dem 30. April 2024 zur Beschlussfassung vorlegen.

 

 


Begründung

 

Historie

 

Bund und Länder haben sich im Dezember 2022 darauf geeinigt, ein digitales, deutschlandweit gültiges „Deutschlandticket“ für den öffentlichen Personennahverkehr zu einem Einführungspreis von 49 Euro pro Monat im monatlich kündbaren Abonnement ab dem 1. Mai 2023 einzuführen. Zudem wurde vereinbart, dass die im Jahr 2023 dadurch entstehenden finanziellen Nachteile paritätisch zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Hierzu hat der Bund das Regionalisierungsgesetz (RegG) mit Beschluss des Deutschen Bundestag am 16. März 2023 sowie des Bundesrats am 31. März 2023 angepasst. 

 

Für das Deutschlandticket stellen Bund und Länder nach Maßgabe des neuen § 9 RegG jeweils 1,5 Milliarden Euro jährlich bis einschl. 2025 zur Verfügung. Bund und Länder verständigten sich weiterhin darauf, dass die notwendige finanzielle Auskömmlichkeit des Tarifs für das Deutschlandticket jedenfalls für das Jahr 2023 gewährleistet wird. Etwaige Mehrkosten, die den Unternehmen im Einführungsjahr 2023 entstehen bzw. entstanden sind, werden je zur Hälfte von Bund und Ländern vollumfänglich getragen (Nachschusszusage Bund/Länder).

Die Stadt Rheine hat die VSR auf Basis des bestehenden öffentlichen Dienstleistungsauftrags (öDA) mit der Anerkennung und Anwendung des Deutschlandtickets als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung zunächst für den Zeitraum vom 01. Mai bis 31. Dezember 2023 betraut, um die Anwendung des Deutschlandtickets für 2023 zu ermöglichen und eine beihilferechtskonforme Weiterleitung der Bundes- und Landesmittel gewährleisten zu können.

 

 

Weiterführung des Deutschlandtickets im Jahr 2024 – Aktueller Sachstand

Auf Basis des Bund-Länder-Gipfels vom 6. November 2023 ist davon auszugehen, dass eine weitere Nachschusspflicht durch Bund und Länder im Jahr 2024 als ausgeschlossen anzusehen ist. Bund und Länder verständigten sich darauf, im Jahr 2023 zur Verfügung gestellte und nicht verbrauchte Mittel für den Ausgleich der finanziellen Nachteile aus dem Deutschlandticket mittels Übertragung in den Haushalten im Jahr 2024 einzusetzen. Die Verkehrsminister wurden zudem damit beauftragt, rechtzeitig vor dem 01. April 2024 ein Konzept zur Durchführung des Deutschlandtickets vorzulegen. Diese im Rahmen des o.a. Gipfels gefundene Verständigung wurde allerdings vor der BVerfG Entscheidung (sog. „Haushaltsurteil“) erreicht und die hieraus resultierenden Auswirkungen bisher unklar. Sicher ist daher zunächst nur, dass für 2024 die im RegG festgeschriebenen bundesweit 3 Mrd. € ggf. zzgl. der 2023 nicht verbrauchten Mittel (aktuelle Schätzung zwischen 600 bis 700 Mio. €) zur Finanzierung des Deutschlandtickets zur Verfügung stehen.

 

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) geht derzeit davon aus, dass sich der Finanzierungsbedarf für das Jahr 2024 isoliert betrachtet auf etwa 4,1 Milliarden Euro belaufen wird. Die vom Koordinierungsrat Deutschlandticket der Länder und des Bundes am 16. November 2023 auf Basis des o.a. Gipfels beschlossenen "Muster-Richtlinien zum Ausgleich nicht gedeckter Ausgaben im öffentlichen Personennahverkehr im Zusammenhang mit dem Deutschlandticket im Jahr 2024 aus Bundes- und Landesmitteln (Muster-RiLi)" nehmen Bezug auf die Unsicherheit in der Finanzierung des Deutschlandtickets und signalisieren, dass zumindest für den Zeitraum 1. Januar bis mindestens 30. April 2024 ein voller Ausgleich nach der Richtlinie erfolgen soll, und zwar auch dann, wenn die Mittel für das Gesamtjahr nicht ausreichend sind. Es handelt sich dabei aber lediglich um eine politische Absichtserklärung und nicht um eine zwingende Regelung, die einen Anspruch der Aufgabenträger schaffen würde – woraus insb. der VDV in einem Mitgliederschreiben auch noch einmal ausdrücklich hinweist. Die Muster-RiLi ist der Vorlage als Anlage beigefügt.

 

Vor diesem Hintergrund wird nach derzeitigem Kenntnisstand zwar in weiten Teilen davon ausgegangen, dass zumindest in den ersten vier Monaten des Jahres 2024 eine vollständige Finanzierung des Deutschlandtickets mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen könnte. Gesichert ist dies – insb. im Falle einer tatsächlich nur befristeten Anwendung des Deutschlandtickets bis Ende April 2024 – allerdings nicht.

 

Da mit der o. a. Einigung beim Bund-Länder-Gipfel eine weitere Nachschusspflicht durch Bund und Länder im Jahr 2024 nicht mehr wahrscheinlich erscheint und die Länder aktuell auch noch ein einer paritätischen Finanzierung von Bund und Ländern festhalten, verbleibt in Zukunft womöglich nur eine Preisanpassung des Deutschlandtickets, um weiterhin eine auskömmliche Finanzierung sicherstellen zu können. Eine solche Preisanpassung wird voraussichtlich ein Bestandteil des oben erwähnten Konzeptes der Verkehrsminister sein und möglicherweise zum 1. April 2024 vorgelegt. Was dies allerdings wiederum auf der Nachfrageseite und insoweit den Ticketeinnahmen auslöst, ist derzeit völlig offen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass im Falle der Anwendung des Deutschlandtickets in 2024 ein gewisses finanzielles Restrisiko für den Haushalt der Stadt Rheine verbleibt.

Eine Abschaffung des Deutschlandtickets im Sinne des § 9 Regionalisierungsgesetz und unter Anwendung der bundeseinheitlichen Tarifbestimmungen als Höchsttarif und der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ab dem 1. Januar 2024 im Verantwortungsbereich der Stadt Rheine wird seitens der Verwaltung vor dem skizzierten Hintergrund allerdings – entsprechend auch der bisherigen Schreiben und Empfehlungen der kommunalen Spitzenverbände - nicht empfohlen.

Sowohl der NWL (Sitzung der Verbandsversammlung am 7. Dezember 2023) als auch der Tarifausschuss der WestfalenTarif GmbH (Sitzung am 12. Dezember 2023) wie auch der Kreis Steinfurt schlagen ihre jeweiligen Gremien – entsprechend der Empfehlung des Koordinierungsrates – eine Verlängerung der Anwendung des Deutschlandtickets lediglich bis zum 30 April 2023 vor.

Mit einer befristeten Anwendung des Deutschlandtickets vom 1. Januar bis 30. April 2024 wird insoweit ein Zeitraum gewählt, in dem die Finanzierung mit den aktuellen Beschlüssen von Bund und Länder als am wenigsten risikobehaftet erscheint und das Ziel eines vorsichtigen, aber verantwortungsvollen Umgangs mit den aktuell vorliegenden Gegebenheiten verfolgt.

 

Weiteres Vorgehen

Die auf der Grundlage und zur Umsetzung der Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfel vom 06. November 2023 beschlossenen "Muster-Richtlinien zum Ausgleich nicht gedeckter Ausgaben im öffentlichen Personennahverkehr im Zusammenhang mit dem Deutschlandticket im Jahr 2024 aus Bundes- und Landesmitteln (Muster-RiLi)" (Anlage) des Koordinierungsrat Deutschlandticket regeln das Ausgleichsverfahren für das gesamte Jahr 2024, um den Beteiligten Sicherheit in Bezug auf die Ausgleichsparameter zu geben. So ist z.B. für die zwischen den Ländern vereinbarte einheitliche Bemessung des Ausgleichs eine einheitliche Definition der ausgleichsfähigen Kostenunterdeckung erforderlich.

Die Länder sind entsprechend gehalten, die in der Muster-RiLi enthaltenen obligatorischen Regelungen mit jeweils eigenen Länderrichtlinien und/oder -erlassen umzusetzen.

Die Verwaltung wird auf Basis der von Seiten des Landes NRW auf Basis der Muster-RiLi erlassenen Landesrichtlinien zum Deutschlandticket 2024 den öDA zwischen der Stadt Rheine und der VSR fortgeschrieben.

 

Sobald neue Erkenntnisse oder Beschlüsse vorliegen, wird die Verwaltung die Ratsgremien der Stadt entsprechend informieren und zum nächstmöglichen Zeitpunkt benötigte Vorlagen und Beschlussempfehlungen einbringen.

 


Anlage:

 

Muster-Richtlinien zum Ausgleich nicht gedeckter Ausgaben im öffentlichen Personennahverkehr im Zusammenhang mit dem Deutschlandticket im Jahr 2024 aus Bundes- und Landesmitteln vom 16. November 2023