Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur beabsichtigten Beteiligung der kreisangehörigen Kommunen an den Kosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zur Kenntnis.
Der Sozialausschuss unterstützt ausdrücklich die Aktivitäten der Verwaltung zur Abwendung einer nicht sachgerechten Kostenbeteiligung der kreisangehörigen Kommunen an den verbleibenden Kosten des Kreises Steinfurt als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Begründung:
Zum 1. Januar 2005 ist das SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, in Kraft getreten. Mit Verordnung vom 27. September 2004 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit den Kreis Steinfurt als kommunalen Träger der Aufgaben nach dem SGB II zugelassen.
Der Kreis Steinfurt zählt zu den 10 Optionskommunen in NRW. Der Kreis Steinfurt hat sich in seinem Antrag auf Zulassung als kommunaler Träger zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II wesentlich auf die Erfahrungen und Erfolge der Stadt Rheine mit der Sozialagentur (Modellprojekt NRW von 01/2002 bis 12/2003) gestützt. Beispielhaft sind hier das Ziel „Erhöhung/ Verbesserung der Effektivität und Effizienz der Sozialhilfegewährung“ durch Leistung der passgenauen Hilfe aus einer Hand und die Entwicklungen bzw. der Abbau von Fallzahlen und hiermit einhergehend die Einsparungen der städtischen Sozialhilfeaufwendungen genannt.
Im Rahmen der Durchführung des SGB II ist die Stadt Rheine im Wege der Delegation zuständig für:
- Materielle Leistungsgewährung zur Beseitigung der finanziellen Notlage
- Fallmanagement zur Beseitigung von Vermittlungshemmnissen
- Schaffung und Koordination der Arbeitsgelegenheiten (Brückenjobs)
- Unterhaltsheranziehung.
Mit der Vermittlung in Arbeit und in Qualifizierungsmaßnahmen hat der Kreis Steinfurt die GAB KAöR beauftragt.
Gesetzentwurf zur gemeindlichen Beteiligung
an den SGB II-Kosten
Nach § 5 Abs. 5 des vorliegenden Gesetzentwurfes (zum Ausführungsgesetz des SGB II für NRW) tragen in den zur Option zugelassenen Kreisen die kreisangehörigen Kommunen 50 % der verbleibenden Kosten des Kreises Steinfurt als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hierzu zählen die Kosten
- der Unterkunft und Heizung, § 22 I SGB II, abzgl. des Bundesanteils in Höhe von 29,1 %,
- für Wohnungsbeschaffung, Umzug, Mietkautionen, § 22 III SGB II,
- für einmalige Leistungen gem. § 23 SGB II (Erstausstattung für die Wohnung einschl. Haushaltsgeräte, Erstausstattung für Bekleidung einschl. für Schwangerschaft und Geburt, mehrtätige Klassenfahrten).
Durch Satzung kann ein Härteausgleich festgelegt werden, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt. Abweichend können Kreise und kreisangehörige Kommunen auch eine andere Verteilung der Aufwendungen vereinbaren.
Im Gegensatz dazu ist bei Kreisen im Arbeitsgemeinschaftsmodell nur im Benehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden eine Beteiligung an den Aufwendungen möglich, und zwar ohne Festlegung einer Beteiligungsquote. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass im Arbeitsgemeinschaftmodell die Zuständigkeit für beschäftigungsfördernde Leistungen ausschließlich bei der Bundesagentur für Arbeit liegt. Dies stellt eine eklatante Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden im Optionsmodell dar, und zwar gerade dann, wenn wie im Kreis Steinfurt, die beschäftigungsfördernden Leistungen nicht in der Zuständigkeit der kreisangehörigen Gemeinden liegen.
Kritik an einer 50%igen Beteiligung der Gemeinden an den
SGB II-Kosten des Kreises
In dem Gesetzentwurf wird als Begründung für diese Kostenbeteiligung der Gemeinden angeführt, dass „durch die Leistungsgewährung aus einer Hand inklusive der Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II auch der kreisangehörige Bereich durch Aufgabenwahrnehmung im eigenen Namen für eine effektive Umsetzung des SGB II Sorge tragen und dadurch Einfluss auf die Entwicklung der Fallzahl nehmen kann“. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass die jeweiligen kreisangehörigen Gemeinden auch die Aufgaben der Vermittlung in Arbeit und der Qualifizierungsmaßnahmen übernommen haben. Ansonsten hätte die ausdrückliche Erwähnung des § 16 SGB II, der insbesondere die Arbeitsvermittlung betrifft, keinen Sinn.
Wenn aber die Gemeinden die Aufgaben der Arbeitsvermittlung und der Qualifizierungsmaßnahmen nicht übernommen haben, ist eine Kostenbeteiligung dieser kreisangehörigen Gemeinden nicht sachgerecht, weil sie keinen nennenswerten Einfluss auf die Abwicklung der Integrationsleistungen nach § 16 SGB II (Arbeitsvermittlung und Qualifizierung) und damit auch nicht auf die Entwicklung der Fallzahl haben. Diese Position wird im Gesetzgebungsverfahren auch vom Städte- und Gemeindebund eindeutig und ausdrücklich verfolgt.
Eine Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den hier in Rede stehenden Kosten nach SGB II ist ordnungspolitisch und rechtlich nur vertretbar, wenn die Gemeinden auch tatsächlich Einflussmöglichkeiten zur Reduzierung der Fallzahlen durch Vermittlung in Arbeit und durch Qualifizierungsmaßnahmen haben.
Solche Einflussmöglichkeiten hat die Stadt Rheine jedoch nicht, weil sie mit der Durchführung aktiver Integrationsleistungen, also mit der Vermittlung in Arbeit und mit der Qualifizierung, nicht beauftragt ist. Das gilt auch für alle anderen Städte und Gemeinden im Kreis Steinfurt.
Die maßgebliche Einflussmöglichkeit stellt nämlich die Akquise von Arbeitsstellen und die Vermittlung in Arbeit dar; diese Aufgabe ist im Kreis Steinfurt aber an die GAB KAöR übertragen und fällt demzufolge nicht in die Zuständigkeit der Stadt Rheine.
Die sonstigen Steuerungsmöglichkeiten, wie z.B. die Einflussnahme auf die Höhe der örtlichen Unterkunftskosten, sind marginal. Im Übrigen sind die Unterkunftskosten auch durch den örtlichen Wohnungsmarkt bestimmt, so dass eine Einflussmöglichkeit nur auf die im Einzelfall ungemessenen Unterkunftskosten besteht.
„Mit der Frage der Angemessenheit von Wohnraum ist der Kreis Steinfurt bislang sehr sensibel umgegangen und beabsichtigt, dies auch zukünftig zu tun“ erklärte der Kreis Steinfurt in der Sachdarstellung 5/2005 zur HVB-Konferenz am 16.03.2005. Auf der Grundlage einer kreiseinheitlichen Regelung erfolgt die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten in einem zeitlich abgestuften Verfahren, beginnend mit den Fällen der höchsten Überschreitungen der Angemessenheitsgrenzen. Hier bewegt sich die Stadt Rheine in dem vom Kreis vorgegebenen Korridor, der weitere Einsparpotenziale nicht eröffnet.
Etwa 60% der Leistungsfälle, in denen die Angemessenheitsgrenze derzeit überschritten wird, sind Ein-Personen-Haushalte. Hier ist eine Reduzierung der Unterkunftskosten allein aus faktischen Gründen nicht möglich, da auf dem Wohnungsmarkt in Rheine „ Single-Wohnungen“ (bis 45 qm/ 202,50 Euro Kaltmiete) kaum zur Vermietung angeboten werden.
Eine restriktive Ausübung des Ermessens bei Anerkennung angemessener Unterkunftskosten führt auch unter Berücksichtigung der dann zu leistenden Wohnraumbeschaffungskosten (Mietkaution, Umzugskosten) nicht zu nennenswerten Ausgabeminderungen. Im Gegenteil muss befürchtet werden, dass durch so genannte Segregationsprozesse das soziale Gefüge gestört würde.
Vermittlung in Arbeit
Die Verwaltung sieht bezogen auf die bisherigen Vermittlungserfolge der GAB noch Optimierungspotenzial.
Dieses ergibt sich aus dem Arbeitsmarktreport des Kreises Steinfurt für Dezember 2005. Stellt man nämlich die Zahlen der Bedarfsgemeinschaften und der Vermittlung ins Verhältnis, ist festzustellen, dass in anderen Regionen des Kreises Steinfurt höhere Vermittlungsquoten erzielt wurden (siehe Anlage).
Die Verwaltung sieht folgenden Handlungsbedarf:
· drastische Verkürzung der Verfahrensdauer bis zur Eingliederungsvereinbarung mit Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung zur Durchsetzung von Sanktionen,
· Erstgespräch bei der GAB nach SGB II – Beantragung innerhalb einer Woche,
· Einrichtung einer zentralen Terminverwaltung zur Entlastung der Vermittler von Verwaltungstätigkeiten und zur Publikumssteuerung zu Gunsten von Akquise und Vermittlung (umgesetzt zum 06.03.2006),
· konsequentes und regelmäßiges Nachhalten von Eigenbemühungen als Teil der Eingliederungsvereinbarung,
· Auflösung des Personalengpasses,
· zusätzlicher Personaleinsatz zur Aufarbeitung von Arbeitsrückständen (Fertigung fehlender Eingliederungsvereinbarungen).
Die Bürgermeisterin hat den Landrat auf den dringenden Handlungsbedarf schriftlich hingewiesen.
Auswirkungen der Kostenbeteiligung für die
Stadt Rheine
Eine Kostenbeteiligung bedeutet
im Klartext, dass Rheine einerseits eine Eigenbeteiligung trägt, andererseits
die Höhe der Beteiligung maßgeblich abhängt vom Arbeitsergebnis der GAB. Dies
kann so nicht akzeptiert werden.
Die vorgesehene
Kostenbeteiligung muss auf die entschiedene Ablehnung der Stadt Rheine stoßen,
da sie die Stadt Rheine ohne sachlichen Grund erheblich finanziell mehr
belastet.
Rheine als mit Abstand größte der 24 kreisangehörigen Kommunen im ländlich strukturierten Kreis Steinfurt verfügt über eine vergleichsweise hohe Leistungsempfängerdichte und würde somit im Vergleich zu anderen Kommunen im Kreis erheblich zusätzlich finanziell belastet:
Bedarfsgemeinschaften (BG) SGB II je 1.000 Einwohner (Stand: Dez. 2005):
Kreis Steinfurt 25,2 BG
Stadt Rheine 35,5 BG
Die Berechnung der beabsichtigten Kostenbeteiligung der Stadt Rheine auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfes und des Entwurfes des Kreishaushaltes 2006 kommt zu folgendem Ergebnis:
Kosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
(Haushaltsplanung Kreis Steinfurt 2006)
Ausgaben 35.850.000,00 € Fortschreibung
Einnahmen 10.750.000,00 € des Kreises
Zuschussbedarf 25.100.000,00 € 30.070.000,00 €
50 % Beteiligung
der Gemeinden 12.550.000,00 € 15.035.000,00 €
Anteil Stadt Rheine 3.049.708,92 € 3.653.638,00 €
(2.588 BG zu 10.650 BG) (2.746 BG zu 11.300 BG)
Entlastung aus Senkung
der Kreisumlage 2.375.470,40 € 2.846.184,00 €
Verbleibende Mehrbelastung
für die Stadt Rheine 674.238,52 € 807.454,00 €
Forderungen der Stadt Rheine
Für den Fall, dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung in Kraft tritt, sollte beim Kreis die Anwendung des neuen § 5 Abs. 5, Satz 3 AG-SGB II verlangt werden, wonach auch eine andere Verteilung der Aufwendungen vereinbart werden kann. Da die wesentlichen Einwirkungsmöglichkeiten beim Kreis bzw. bei der GAB liegen, kann dabei die „andere Verteilung“ der Aufwendungen nur eine Verteilung nach dem bisherigen Kreisumlagesystem bedeuten.
Das dem Kreis eingeräumte Ermessen dürfte sich bei der hiesigen Situation im Kreis Steinfurt auf Null reduzieren. Wenn entgegen dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung zur Kostenverteilung, nämlich bei einer Leistungsgewährung durch die beauftragten Gemeinden aus einer Hand Einfluss auf die Entwicklung der Fallzahlen zu nehmen, hier eine Kostenbeteiligung im Kreis Steinfurt eingeführt wird, obwohl die Städte und Gemeinden überhaupt nicht diese zur Reduzierung der Fallzahlen notwendigen Eingliederungsleistungen (Arbeitsvermittlung und Qualifizierungsmaßnahmen) übernommen haben, dürfte dies rechtswidrig sein. Daher ist an der bisherigen Verteilungsregelung festzuhalten! Hilfsweise ist ein sachgerechter Härteausgleich zu fordern.
Die Verwaltung hat in den vergangenen Wochen auf den unterschiedlichen politischen Ebenen auf die Folgen dieses Gesetzentwurfes hingewiesen. Insbesondere wurden Kreistagsmitgliedern, Landtagsabgeordneten, dem Landrat sowie dem Arbeitsminister Laumann die Auswirkungen einer Gesetzesänderung in der vorliegenden Entwurfsfassung und die daraus resultierenden Forderungen der Stadt Rheine unterbreitet.
Auch die Bürgermeister der größeren kreisangehörigen Kommunen Emsdetten, Greven, Ibbenbüren und Steinfurt wollen sich gemeinsam mit der Bürgermeisterin der Stadt Rheine an die Landesregierung und an die Fraktionen im Landtag gegen das in Kraft treten des Gesetzentwurfes in der vorliegenden Fassung wenden .
Kommunen sowie Vermittlungsquote
Stand: Dezember 2005
Kommune Anzahl BG Anzahl VM VM- Quote in %
Altenberge 137 43 31,39
Emsdetten 865 219 25,32
Greven 905 253 27,96
Hörstel 294 98 33,33
Hopsten 99 60 60,61
Horstmar 113 22 19,47
Ibbenbüren 1338 369 27,58
Ladbergen 113 47 41,59
Laer 149 41 27,52
Lengerich 646 168 26,01
Lienen 193 39 20,21
Lotte 386 96 24,87
Metelen 144 52 36,11
Mettingen 127 76 59,84
Neuenkirchen 271 73 26,94
Nordwalde 139 43 30,94
Ochtrup 502 165 32,87
Recke 206 76 36,89
Rheine 2710 498 18,38
Saerbeck 120 27 22,50
Steinfurt 1166 256 21,96
Tecklenburg 118 49 41,53
Westerkappeln 288 67 23,26
Wettringen 136 45 33,09
Kreis gesamt 11165 2882 25,81