Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.
Er beauftragt die Verwaltung, regelmäßig über die Auswirkungen der Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen/U-Untersuchungen zu berichten.
Begründung:
Vorbemerkungen
Die
öffentliche Kinderschutzdebatte, ausgelöst durch spektakuläre Fälle von Kindeswohlgefährdung,
hat in den letzten Jahren eine neue Qualität des staatlichen Handelns
hervorgebracht. Der 2005 in das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SBG
VIII)aufgenommene § 8a verpflichtet die Akteure der Jugendhilfe das Erkennen
von Kindeswohlgefährdung, die Beurteilung der Hinweise und die Einleitung von Kindesschutzmaßnahmen
einem bestimmten qualitativ gesicherten Verfahren zu unterziehen. Das
Bundeskinderschutzgesetz, in dem weitere Kontrollmöglichkeiten verbindlich
geregelt werden, befindet sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren.
Das Land
Nordrhein-Westfalen verabschiedete 2007 das Handlungskonzept für einen besseren
und wirksameren Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen. Gleich im ersten Artikel
wird die Absicht deutlich, eine Meldepflicht für Kinderärztinnen und -ärzte
einzuführen, damit die Städte und Kreise „unbürokratisch“ die regelmäßige Teilnahme
an Früherkennungsuntersuchungen überprüfen können. „Eltern, die es ihren
Kindern nicht ermöglichen, an den regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen teilzunehmen,
sollen dem Jugendamt gemeldet werden, damit notwendige Maßnahmen ergriffen
werden können“, so der Wortlaut im Handlungskonzept.
Folgerichtig
trat am 11. September 2008 die Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen
/ UUntersuchungen
(U-Untersuchungs-TeilnahmedatenVO
– UTeilnahmeDatVO) in Kraft. Diese regelt vor allem das Meldeverfahren
durchgeführter Früherkennungsuntersuchungen
und zwar von
der U5 bis einschließlich U9.
In § 4 Abs. 3 wird
der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe beauftragt, bei versäumten Untersuchungen
tätig zu werden und in eigener Zuständigkeit zu prüfen, „ob gewichtige
Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen“. (Aus : Arbeitshilfe zur kommunalen Umsetzung der UTeilnahmeDatVO)
Das
Meldeverfahren im Einzelnen
Die
UTeilnahmeDatVO regelt das Meldeverfahren zwischen den Ärztinnen und Ärzten,
den Meldebehörden, dem Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (LIGA) und den
örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe.
Die
Meldebehörden waren mit dem Inkrafttreten der Verordnung verpflichtet, dem LIGA
die Daten der zum Stichtag 30. September 2008 zwischen 6 und 66 Monate alten
Kinder zu melden.
„Zum
Zweck der Feststellung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen (U5 bis
U9) melden die Meldebehörden [...] die [...] Daten der [...] zwischen 6 und 66
Monate alten Kinder.“ § 1, Satz 1
UTeilnahmeDatVO
Alle
Veränderungen müssen von den Meldebehörden ab dem 1. Oktober 2008
monatlich an
das LIGA übermittelt werden. Damit steht dem LIGA der erste Teil der Daten für
einen späteren Abgleich gemäß § 3 der Verordnung zur Verfügung.
Wenn künftig
die Eltern bzw. Personensorgeberechtigten (PSB) mit ihren Kindern eine Früherkennungsuntersuchung
(U5 bis U9) durchführen lassen, sind die Kinderärztinnen und -ärzte gemäß § 32a
des Heilberufsgesetzes zu einer Datenmeldung an das LIGA verpflichtet.
Näheres in
Bezug auf die Datenmeldung regelt der § 2 der UTeilnahmeDatVO.
„Ärztinnen
und Ärzte, die eine Früherkennungsuntersuchung nach § 26 des
Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch (SGB V) [...] durchgeführt haben, übermitteln der Zentralen Stelle
[...] innerhalb von fünf Werktagen die [...] Daten.“
§ 2, Satz 1 UTeilnahmeDatVO
Die Datenübermittlung
durch die Kinderärztinnen und -ärzte erfolgt in schriftlicher Form. Neben der
Angabe zu der durchgeführten Früherkennungsuntersuchung und der Angabe zum
Geschlecht, werden der Vor-und Familienname, das Datum und ggf. Ort der Geburt
sowie die gegenwärtige Anschrift des Kindes an das LIGA übermittelt
Durch die
monatliche Datenübermittlung der Meldebehörden (gemäß § 1 der Verordnung) und
der wöchentlichen Datenübermittlung der Ärztinnen und Ärzte
(gemäß § 2 der
Verordnung), ist das LIGA in der Lage, einen Datenabgleich
vorzunehmen
„Die
Zentrale Stelle ermittelt die Kinder, die nicht an der Früherkennungsuntersuchung
teilgenommen haben. Dazu gleicht sie die nach § 1 und § 2
übermittelten
Daten ab.“ § 3, Satz 2 UTeilnahmeDatVO
Per
Saldowerden die nicht untersuchten Kinder ermittelt. Das LIGA
erinnert unmittelbar nach dem Datenabgleich die Personensorgeberechtigten des
Kindes schriftlich über die ausstehende Früherkennungsuntersuchung. (s. Anlage
1)
„Sofern
keine Mitteilung über die Teilnahme erfolgt, erinnert die Zentrale Stelle die
Personensorgeberechtigten des Kindes [...] rechtzeitig, spätestens eine Woche
vor Beendigung des Untersuchungszeitraums, daran, die Früherkennungsuntersuchung
durchführen zu lassen.“ § 3, Satz 3 UTeilnahmeDatVO
Nun
entscheiden die Eltern bzw. Personensorgberechtigten, ob die Untersuchung nachgeholt
wird.
Die Eltern
bzw. Personensorgeberechtigten, die mit ihrem Kind die Früherkennungsuntersuchung
nachgeholt haben, werden über die nächste Datenübermittlung der Ärztin bzw. des
Arztes an das LIGA gemeldet.
Diejenigen,
die mit ihrem Kind die Früherkennungsuntersuchung nicht nachgeholt haben, werden auch in dem nächsten
Datenabgleich fehlen. In diesem Fall
erfolgt keine
erneute Erinnerung der Eltern bzw. PSB durch das LIGA. Die Daten
dieser Kinder
werden unmittelbar an das Jugendamt übermittelt.
„Erfolgt
auch innerhalb von bis zu vier Wochen nach Erinnerung für die jeweilige
Früherkennungsuntersuchung keine Mitteilung über die Teilnahme, informiert die
Zentrale Stelle den [...] zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
Hierzu
übermittelt
sie für diejenigen Kinder, für die keine Mitteilung vorliegen, die [...] Daten.“
§
4, Satz 1 UTeilnahmeDatVO
Aufgaben des Jugendamtes
Sollte also
nach Erinnerung durch das Landesinstitut keine Teilnahme an der
Früherkennungsuntersuchung
veranlasst worden sein, erhält das Jugendamt eine entsprechende Information und
muss in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob gewichtige Anhaltspunkte für eine
Kindeswohlgefährdung vorliegen.
„Der
örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe entscheidet in eigener Zuständigkeit,
ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen
und welche Maßnahmen gegebenenfalls geeignet und notwendig sind.
Hierbei
können die übermittelten Daten als weiterer Indikator herangezogen werden.
Dabei empfiehlt sich die Zusammenarbeit insbesondere mit den Trägern des
öffentlichen
Gesundheitswesens und anderen Behörden, Trägern, Einrichtungen und Personen,
die Verantwortung für das Kindeswohl tragen.“
§ 4, Absatz 3
UTeilnahmeDatVO
Diese Prüfung
setzt voraus, dass Kontakt mit den Eltern aufgenommen wird, in dem auf die
Wichtigkeit der Früherkennungsuntersuchungen hingewiesen wird. Darüber hinaus
ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob weitere Hinweise vorliegen, die eine Kindeswohlgefährung
vermuten lassen. Gegebenenfalls sind dann geeignete Angebote der Hilfen zur
Erziehung bereit zu stellen. Im Extremfall ist bei einer Gefährdungsabschätzung
auch ein familienrechtliches Verfahren zum Entzug des Sorgerechtes denkbar.
Die
nachfolgende Graphik zeigt schematisch, welche Handlungsoptionen und Handlungsnotwendigkeiten
sich aus einer Meldung des Landesinstitutes ableiten lassen.
Zusammenfassung
Wie den Ausführungen zu entnehmen ist,
beinhalten die Regelungen zusätzliche Aufgaben für den öffentlichen Träger der
Jugendhilfe. Der Umfang dieser Tätigkeiten kann jedoch zu diesem Zeitraum noch
nicht abgeschätzt werden, zumal bis zum heutigen Datum die Umsetzung der
Verordnung noch vorbereitet wird.
Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit
des Landes Nordrhein Westfalen hat den Jugendämtern signalisiert, dass die
Jugendämter ca. 2 Monate Vorlaufzeit haben werden, bevor die ersten Meldungen
an die Jugendämter geschickt würden.
Darüber hinaus kann seitens der Verwaltung
noch nicht abgeschätzt werden, wie hoch das tatsächliche Aufkommen an Meldungen
sein wird.
Durch die Verordnung sind die
Früherkennungsuntersuchungen U5, U6, U7, U7a, U8 und U9 erfasst. Diese
Untersuchungen werden zwischen dem 5. Lebensmonat und dem 64. Lebensmonat
durchgeführt. Sie umfassen also insgesamt 5 Jahrgänge.
Pro Jahrgang leben rund 600 Kinder in Rheine,
so dass von einer Gesamtzahl von 3000 Kindern ausgegangen werden kann.
Aus den Schuleingangsuntersuchungen ist
bekannt, dass 5-10% der vorgestellten Kinder kein vollständiges U-Heft
vorweisen.
Dieses hochgerechnet würde bedeuten, dass 150
– 300 zusätzliche Meldungen jährlich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zukommen würden.
Inwieweit sich diese Zahl jedoch relativieren
lässt, weil z.B. die Erinnerungsschreiben der Liga eine bessere Inanspruchnahme
der Untersuchungen zur Folge haben wird, lässt sich noch nicht sicher
prognostizieren.
Aus diesem Grund schlägt die Verwaltung vor,
regelmäßig den Ausschuss über Auswirkungen der Verordnung zu informieren.