Betreff
Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen/U-Untersuchungen - Auswirkungen auf die Jugendhilfe
Vorlage
251/09
Aktenzeichen
II-2-51-ga
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Er beauftragt die Verwaltung, regelmäßig über die Auswirkungen der Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen/U-Untersuchungen zu berichten.


Begründung:

 

Vorbemerkungen

Die öffentliche Kinderschutzdebatte, ausgelöst durch spektakuläre Fälle von Kindeswohlgefährdung, hat in den letzten Jahren eine neue Qualität des staatlichen Handelns hervorgebracht. Der 2005 in das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SBG VIII)aufgenommene § 8a verpflichtet die Akteure der Jugendhilfe das Erkennen von Kindeswohlgefährdung, die Beurteilung der Hinweise und die Einleitung von Kindesschutzmaßnahmen einem bestimmten qualitativ gesicherten Verfahren zu unterziehen. Das Bundeskinderschutzgesetz, in dem weitere Kontrollmöglichkeiten verbindlich geregelt werden, befindet sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren.

 

Das Land Nordrhein-Westfalen verabschiedete 2007 das Handlungskonzept für einen besseren und wirksameren Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen. Gleich im ersten Artikel wird die Absicht deutlich, eine Meldepflicht für Kinderärztinnen und -ärzte einzuführen, damit die Städte und Kreise „unbürokratisch“ die regelmäßige Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen überprüfen können. „Eltern, die es ihren Kindern nicht ermöglichen, an den regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen teilzunehmen, sollen dem Jugendamt gemeldet werden, damit notwendige Maßnahmen ergriffen werden können“, so der Wortlaut im Handlungskonzept.

 

Folgerichtig trat am 11. September 2008 die Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen / UUntersuchungen

(U-Untersuchungs-TeilnahmedatenVO – UTeilnahmeDatVO) in Kraft. Diese regelt vor allem das Meldeverfahren durchgeführter Früherkennungsuntersuchungen

und zwar von der U5 bis einschließlich U9.

 

In § 4 Abs. 3 wird der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe beauftragt, bei versäumten Untersuchungen tätig zu werden und in eigener Zuständigkeit zu prüfen, „ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen“. (Aus : Arbeitshilfe zur kommunalen Umsetzung der UTeilnahmeDatVO)

 

 

Das Meldeverfahren im Einzelnen

Die UTeilnahmeDatVO regelt das Meldeverfahren zwischen den Ärztinnen und Ärzten, den Meldebehörden, dem Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (LIGA) und den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe.

Die Meldebehörden waren mit dem Inkrafttreten der Verordnung verpflichtet, dem LIGA die Daten der zum Stichtag 30. September 2008 zwischen 6 und 66 Monate alten Kinder zu melden.

 

„Zum Zweck der Feststellung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen (U5 bis U9) melden die Meldebehörden [...] die [...] Daten der [...] zwischen 6 und 66 Monate alten Kinder.“ § 1, Satz 1 UTeilnahmeDatVO

 

Alle Veränderungen müssen von den Meldebehörden ab dem 1. Oktober 2008

monatlich an das LIGA übermittelt werden. Damit steht dem LIGA der erste Teil der Daten für einen späteren Abgleich gemäß § 3 der Verordnung zur Verfügung.

 

Wenn künftig die Eltern bzw. Personensorgeberechtigten (PSB) mit ihren Kindern eine Früherkennungsuntersuchung (U5 bis U9) durchführen lassen, sind die Kinderärztinnen und -ärzte gemäß § 32a des Heilberufsgesetzes zu einer Datenmeldung an das LIGA verpflichtet.

Näheres in Bezug auf die Datenmeldung regelt der § 2 der UTeilnahmeDatVO.

 

„Ärztinnen und Ärzte, die eine Früherkennungsuntersuchung nach § 26 des

Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) [...] durchgeführt haben, übermitteln der Zentralen Stelle [...] innerhalb von fünf Werktagen die [...] Daten.“

§ 2, Satz 1 UTeilnahmeDatVO

 

Die Datenübermittlung durch die Kinderärztinnen und -ärzte erfolgt in schriftlicher Form. Neben der Angabe zu der durchgeführten Früherkennungsuntersuchung und der Angabe zum Geschlecht, werden der Vor-und Familienname, das Datum und ggf. Ort der Geburt sowie die gegenwärtige Anschrift des Kindes an das LIGA übermittelt

 

 

Durch die monatliche Datenübermittlung der Meldebehörden (gemäß § 1 der Verordnung) und der wöchentlichen Datenübermittlung der Ärztinnen und Ärzte

(gemäß § 2 der Verordnung), ist das LIGA in der Lage, einen Datenabgleich

vorzunehmen

 

„Die Zentrale Stelle ermittelt die Kinder, die nicht an der Früherkennungsuntersuchung teilgenommen haben. Dazu gleicht sie die nach § 1 und § 2

übermittelten Daten ab.“ § 3, Satz 2 UTeilnahmeDatVO

 

Per Saldowerden die nicht untersuchten Kinder ermittelt. Das LIGA erinnert unmittelbar nach dem Datenabgleich die Personensorgeberechtigten des Kindes schriftlich über die ausstehende Früherkennungsuntersuchung. (s. Anlage 1)

 

„Sofern keine Mitteilung über die Teilnahme erfolgt, erinnert die Zentrale Stelle die Personensorgeberechtigten des Kindes [...] rechtzeitig, spätestens eine Woche vor Beendigung des Untersuchungszeitraums, daran, die Früherkennungsuntersuchung durchführen zu lassen.“ § 3, Satz 3 UTeilnahmeDatVO

 

Nun entscheiden die Eltern bzw. Personensorgberechtigten, ob die Untersuchung nachgeholt wird. 

Die Eltern bzw. Personensorgeberechtigten, die mit ihrem Kind die Früherkennungsuntersuchung nachgeholt haben, werden über die nächste Datenübermittlung der Ärztin bzw. des Arztes an das LIGA gemeldet.

 

Diejenigen, die mit ihrem Kind die Früherkennungsuntersuchung  nicht  nachgeholt haben, werden auch in dem nächsten Datenabgleich fehlen. In diesem  Fall

erfolgt keine erneute Erinnerung der Eltern bzw. PSB durch das LIGA. Die Daten

dieser Kinder werden unmittelbar an das Jugendamt übermittelt.

 

„Erfolgt auch innerhalb von bis zu vier Wochen nach Erinnerung für die jeweilige Früherkennungsuntersuchung keine Mitteilung über die Teilnahme, informiert die Zentrale Stelle den [...] zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Hierzu

übermittelt sie für diejenigen Kinder, für die keine Mitteilung vorliegen, die [...] Daten.“ § 4, Satz 1 UTeilnahmeDatVO

 

 

Aufgaben des Jugendamtes

Sollte also nach Erinnerung durch das Landesinstitut keine Teilnahme an der

Früherkennungsuntersuchung veranlasst worden sein, erhält das Jugendamt eine entsprechende Information und muss in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen.

 

„Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe entscheidet in eigener Zuständigkeit, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen und welche Maßnahmen gegebenenfalls geeignet und notwendig sind.

Hierbei können die übermittelten Daten als weiterer Indikator herangezogen werden. Dabei empfiehlt sich die Zusammenarbeit insbesondere mit den Trägern des

öffentlichen Gesundheitswesens und anderen Behörden, Trägern, Einrichtungen und Personen, die Verantwortung für das Kindeswohl tragen.“

§ 4, Absatz 3 UTeilnahmeDatVO

 

Diese Prüfung setzt voraus, dass Kontakt mit den Eltern aufgenommen wird, in dem auf die Wichtigkeit der Früherkennungsuntersuchungen hingewiesen wird. Darüber hinaus ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob weitere Hinweise vorliegen, die eine Kindeswohlgefährung vermuten lassen. Gegebenenfalls sind dann geeignete Angebote der Hilfen zur Erziehung bereit zu stellen. Im Extremfall ist bei einer Gefährdungsabschätzung auch ein familienrechtliches Verfahren zum Entzug des Sorgerechtes denkbar.

Die nachfolgende Graphik zeigt schematisch, welche Handlungsoptionen und Handlungsnotwendigkeiten sich aus einer Meldung des Landesinstitutes ableiten lassen.

 


Zusammenfassung

Wie den Ausführungen zu entnehmen ist, beinhalten die Regelungen zusätzliche Aufgaben für den öffentlichen Träger der Jugendhilfe. Der Umfang dieser Tätigkeiten kann jedoch zu diesem Zeitraum noch nicht abgeschätzt werden, zumal bis zum heutigen Datum die Umsetzung der Verordnung noch vorbereitet wird.

Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein Westfalen hat den Jugendämtern signalisiert, dass die Jugendämter ca. 2 Monate Vorlaufzeit haben werden, bevor die ersten Meldungen an die Jugendämter geschickt würden.

 

Darüber hinaus kann seitens der Verwaltung noch nicht abgeschätzt werden, wie hoch das tatsächliche Aufkommen an Meldungen sein wird.

Durch die Verordnung sind die Früherkennungsuntersuchungen U5, U6, U7, U7a, U8 und U9 erfasst. Diese Untersuchungen werden zwischen dem 5. Lebensmonat und dem 64. Lebensmonat durchgeführt. Sie umfassen also insgesamt 5 Jahrgänge.

 

Pro Jahrgang leben rund 600 Kinder in Rheine, so dass von einer Gesamtzahl von 3000 Kindern ausgegangen werden kann.

 

Aus den Schuleingangsuntersuchungen ist bekannt, dass 5-10% der vorgestellten Kinder kein vollständiges U-Heft vorweisen.

Dieses hochgerechnet würde bedeuten, dass 150 – 300 zusätzliche Meldungen jährlich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukommen würden.

Inwieweit sich diese Zahl jedoch relativieren lässt, weil z.B. die Erinnerungsschreiben der Liga eine bessere Inanspruchnahme der Untersuchungen zur Folge haben wird, lässt sich noch nicht sicher prognostizieren.

 

Aus diesem Grund schlägt die Verwaltung vor, regelmäßig den Ausschuss über Auswirkungen der Verordnung zu informieren.