Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der HFA
empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine folgenden Beschluss zu fassen:
1. Es
verbleibt grundsätzlich bei der gem. § 3 Abs. 3 der Gewerberechtsverordnung von
05.00 Uhr bis 06.00 Uhr gültigen Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften.
2. Für
die Zulassung von Ausnahmen von diesem Grundsatz wegen Vorliegen eines
öffentlichen Bedürfnisses wird die in der Vorlage 265/10 -Anlage 1 enthaltene
Verordnung von der Stadt Rheine als örtliche Ordnungsbehörde beschlossen.
3. Die
Verwaltung wird ausdrücklich aufgefordert, die Einhaltung der Sperrzeit auch in
Zukunft aktiv zu kontrollieren. Festgestellte Verstöße sind als
Ordnungswidrigkeiten zu ahnden.
4. Der
zuständige Fachbereich Recht und Ordnung wird nach einem Jahr dem Haupt- und
Finanzausschuss über die Erfahrungen und Entwicklungen im Zusammenhang mit der
Sperrzeitproblematik sowie die durchgeführten Kontrollen und ggf.
festgestellten Verstöße sowie eingeleiteten Maßnahmen berichten.
Begründung:
Zunächst wird auf die Vorlage 265/10, die in der Ratssitzung vom
13.07.2010 zurück gestellt wurde, einschließlich Begründung und Anlagen
vollumfänglich verwiesen.
Ergänzend wurde in der Ratssitzung am 13.07.2010 folgender Antrag gestellt:
Die Verwaltung wird gebeten zu prüfen, unter welchen rechtlichen Bedingungen
eine vorübergehende – zunächst auf 1 Jahr Probe begrenzte – Aufhebung der
nächtlichen Sperrstunde möglich ist.
Eine derartige befristete Aufhebung der Sperrstunde soll mit
zusätzlichen Sicherheits- und Sauberkeitsregelungen verbunden werden, die von
den Betreibern entsprechender Diskotheken bzw. von den Fast-Food-Ketten der
Innenstadt zu finanzieren sind.
Es soll geprüft werden, ob und inwieweit über den nächtlichen Einsatz
von städt. Vollzugsbediensteten insgesamt mehr Sicherheit für die Innenstadt
organisiert werden kann. Dabei geht es nicht um die jeweiligen Eingangsbereiche
der Diskotheken, sondern um ein breites Umfeld in der Innenstadt bis hin zur
Ems. Für die zu erwartenden Kosten für das Sicherheitspersonal sollen die
Betreiber der Diskotheken eine entsprechende Abgabe leisten.
Die Sauberkeit in der Innenstadt wird durch die Restmengen der
Erzeugnisse der Fast-Food-Betriebe stark negativ tangiert. Bei Aufhebung der
Sperrstunde wird die Abfall-Entsorgung ggfs. auf neue Strukturen umzustellen
sein. Dadurch entstehende Mehrkosten sollen durch die Inhaber dieser Ketten mit
finanziert werden.
Die Verwaltung wird gebeten, bis zur nächsten Sitzung des HFA – nach den
Sommerferien – entsprechende Gespräche mit den Beteiligten zu führen, um dem
Rat dann das Ergebnis der Gespräche mit einem Verfahrensvorschlag vorzustellen.
Seitens der Verwaltung wird zu den genannten Punkten wie folgt Stellung
genommen:
Vorbemerkungen:
Eine Stellungnahme war zur Sitzung des HFA am 31.08.2010 noch nicht
vollumfänglich möglich, da die erforderliche Antwort des DEHOGA-Ortsverbandes
Rheine noch ausstand.
I.
Möglichkeit einer befristeten Aufhebung der Sperrzeit
In § 3 Abs. 3 der Gewerberechtsverordnung ist geregelt, dass die
Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften um 5.00 Uhr beginnt und um 6.00
Uhr endet. Allgemeine Ausnahmen sind gem. Abs. 5 der Vorschrift möglich. Dieser
lautet: „Bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer
örtlicher Verhältnisse kann die Sperrzeit …durch
ordnungsbehördliche Verordnung allgemein verlängert, verkürzt oder aufgehoben
werden.“
Voraussetzung ist daher, dass entweder ein öffentliches Bedürfnis oder aber besondere örtliche Verhältnisse zu bejahen sind. Dabei ist anzumerken,
dass die Beweislast für das Vorliegen dieser genannten Tatsachen, die ein
Abweichen von der allgemeinen Sperrzeit rechtfertigen, bei demjenigen liegt,
der die Abweichung anstrebt. Wenn es also beispielsweise um die Verlängerung
der Sperrzeit geht, obliegt der Behörde die Beweislast. Wird die Verkürzung
oder Aufhebung beantragt, so ist der Gastwirt beweispflichtig dafür, dass die
tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen. Unsicherheiten z.B. darüber, ob
Ruhestörungen zu erwarten sind, gehen daher zu seinen Lasten. Er kann nicht
verlangen, dass die Behörde ihm Gelegenheit gibt, ihre substantiiert
dargelegten Befürchtungen hinsichtlich künftiger Lärmbelästigungen durch einen
Probebetrieb zu widerlegen. Die Behörde kann – und das ist für die Beurteilung
von Nachbarrechten wichtig – einen Probelauf von sich aus nicht zulassen. Der
Rat hat daher eine Prognoseentscheidung zu treffen (entnommen aus Michel/Kienzle
– Kommentar zum Gaststättengesetz, 14. Auflage, § 18, Rdnr. 14).
Besondere
örtliche Verhältnisse
Erkennbar ist, dass es sich bei den in Frage stehenden Gaststätten im Bereich
der Innenstadt von Rheine nicht um besondere örtliche Verhältnisse handelt;
diese würden z.B. ggf. in einem Gewerbegebiet vorliegen (können).
Öffentliches
Bedürfnis
Ein öffentliches Bedürfnis für eine abweichende Festsetzung der
Sperrzeit ist gegeben, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die eine solche
Regelung im Interesse der Allgemeinheit angezeigt erscheinen lassen. Hierfür
kommt es auf die Einstellungen sowie auf die Lebens- und Konsumgewohnheiten weiter Kreise der
Bevölkerung an. Die Entscheidung über das Vorliegen eines öffentlichen
Bedürfnisses erfordert die Feststellung von Tatsachen, welche die Annahme
rechtfertigen, dass die Leistungen der in Rede stehenden Betriebe während der
allgemeinen Sperrzeit in erheblichem Maße in Anspruch genommen werden. Aus
Sicht der Allgemeinheit – nicht aus Sicht der Gastronomen – muss eine
Bedarfslücke bestehen. An der Sperrzeitaufhebung muss daher ein öffentliches Interesse
bestehen. Das ist nicht der Fall, wenn zwar tatsächlich ein Bedarf vorhanden
ist, dessen Befriedigung aber nicht im Einklang mit der Rechtsordnung oder
anderen öffentlichen Belangen stünde; also dem Gemeinwohl zuwiderliefe.
Das öffentliche Bedürfnis an einer Aufhebung der Sperrzeit setzt daher
auch voraus, dass diese nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des
Immissionsschutzrechts führt. Dazu gehören insb. auch der durch Gäste hervorgerufene
Lärm auf dem Weg von und zur Gaststätte. Bei der Entscheidung über eine
Aufhebung sind alle Folgen der Aufhebung für die Nachtruhe der Anwohner zu
berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Gastwirt die Folgen beeinflussen kann
oder nicht (Michel/Kienzle – § 18, Rdnr. 15 ff.)
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass eine ungenügende
Berücksichtigung der gesetzlichen Zielsetzung zu einem nachbarrechtlichen Abwehrrecht
gegen eine Sperrzeitaufhebung führen kann. Im Vorfeld der Ratssitzung vom
13.07.2010 wurde dies bereits durch Bewohnerinnen und Bewohner der Innenstadt
angekündigt, sofern es zu einer Sperrzeitaufhebung kommen sollte.
Hinsichtlich der mit einer Sperrzeitaufhebung vorhandenen Auswirkungen
auf den Lärmschutz für die Bewohner der Innenstadt wird auf die
Ursprungsvorlage verwiesen. Die
massiven Sicherheitsbedenken wurden umfangreich durch Polizei und Verwaltung in
Stellungnahmen dargelegt. Es ist zu befürchten, dass sich die rückläufige
Entwicklung der Kriminalität in der Stadt Rheine, gerade auch im Bereich der
Innenstadt, ins Gegenteil verkehrt. Nach Abwägung mit dem Interesse, Gastronomiebetriebe
länger geöffnet zu halten, weil sich das Konsum- und Freizeitverhalten
verändert hat, ist dem Lärmschutz sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
der Vorzug einzuräumen.
Eine generelle
Aufhebung der Sperrzeit liefe daher dem Gemeinwohl zuwider und ist nach
Auffassung der Verwaltung rechtswidrig. Ein „Probelauf“ ist aus Rechtsgründen
nicht möglich.
Bezüglich der Sicherheitsbedenken darf im Übrigen auch auf die aktuelle
Situation in der niedersächsischen Samtgemeinde Werlte (Landkreis Emsland)
verwiesen werden. Nachdem in Niedersachsen die landesweite Sperrzeitregelung
vor einigen Jahren aufgehoben wurde, kam es in der Gemeinde zu einem sehr
starken Anstieg der Kriminalität. Dieser Entwicklung wurde erfolgreich
begegnet, indem die Kommune die Sperrzeit ab 3.00 Uhr einführte. Auf den in der
Anlage 1 beigefügten Presseartikel wird verwiesen. Aus Sicht von Polizei und
Ordnungsverwaltung ist die Sperrstunde ein wirksames Mittel zur Erhaltung der
Sicherheit und Ordnung. In diesem Zusammenhang darf auch an den Vorfall auf dem
Marktplatz vom 21.08.2010 erinnert werden (Bericht in der MZ vom 25.08.2010 –
Anlage 1).
Auch in Oldenburg wurde aus Gründen der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung zwischen Kommune und Gastronomen eine
(freiwillige) Verlängerung der Sperrzeit vereinbart. Ebenso wird auf den in der
Anlage 1 beigefügten Presseartikel zur Situation in Münster verwiesen. Dort ist
auf Lärmschutzgründen beabsichtigt, die Sperrzeit von 5.00 Uhr auf 3.00 Uhr
oder 1.00 Uhr vorzuverlegen.
II.
Nächtlicher Einsatz von städtischen Verwaltungsvollzugesbediensteten
Zunächst wird angemerkt, dass an der durchgehenden Zweckmäßigkeit der Maßnahme
gezweifelt wird. Die eingesetzten Kräfte wären zwar mit ordnungsbehördlichen
Befugnissen (z.B. Identitätsfeststellung, Platzverweis) ausgestattet.
Allerdings ist bei Straftaten die Zuständigkeit der Polizei gegeben.
Zusätzliches Personal der Polizei ist jedoch nach Aussage der Kreispolizeibehörde
nicht zu erwarten (s. auch Stellungnahme der Kreispolizeibehörde vom
17.05.2010-Vorlage 265/10, Anlage 2).
Auf die Berechnung der Grundlage von Einsatzzeiten und Personalkosten in
der beigefügten Anlage 2 wird verwiesen. Damit die Einsatzkräfte über
Befugnisse verfügen, ist es erforderlich, dass ein entsprechendes
Arbeitsverhältnis zur Stadt begründet wird. Danach ergeben sich jährliche
Personalkosten von ca. 62.000 Euro bis 65.000 Euro.
Mit Schreiben vom 11.08.2010, eingegangen am 30.08.2010, teilte der Ortsverband
Rheine der DEHOGA Westfalen mit, dass die oben aufgeführten Kosten durch die
Gastronomen nicht getragen werden können. Auf die Anlage 3 wird hingewiesen.
Gleichzeitig wird unter Beifügung von Angeboten privater
Sicherheitsdienstleister auf Basis der oben aufgeführten Bedarfsermittlung ein
Alternativvorschlag unterbreitet. Danach sollen private Sicherheitsdienstleister
die im Antrag aufgeführten Aufgaben, insb. also die Bestreifung der Innenstadt,
wahrnehmen. Die Gastronomen seien bereit, die entstehenden Kosten von ca.
30.000 bis 35.000 Euro jährlich zu tragen.
Abgesehen davon, dass den Sicherheitsdiensten lediglich das Hausrecht sowie
die Jedermannsrechte in den Gastronomiebetrieben und im unmittelbaren Umfeld
der Gastronomiebetriebe zustehen, bestehen gegen eine entsprechende Verlagerung
von staatlichen Aufgaben auf Private durchgreifende rechtliche Bedenken. Das
sog. Gewaltmonopol steht den staatlichen Organen, also Polizei und Verwaltung
zu, die ihrerseits wiederum an Recht und Gesetz gebunden sind. Die im DEHOGA-Schreiben genannten Quellen
stellen private Meinungen von Autoren dar, nicht jedoch die in
Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage. Eine
Beauftragung von Privaten als „Hilfspolizisten“ ist rechtlich unzulässig.
III.
Zusätzliche Kosten der Stadtreinigung durch Sperrzeitaufhebung
Bezogen auf die Sauberkeit in der Innenstadt bei Aufhebung der
Sperrstunde - unter Auslassung der genannten rechtlichen Hinderungsgründe - wurden
von Seiten der Verwaltung Gespräche mit den Technischen Betrieben Rheine AöR
geführt. Von dort wurde die Aussage getroffen, dass zusätzlicher Aufwand nicht
zu erwarten sein wird, da mit Ausnahme der Veranstaltungswochenenden
Reinigungen mit Maschineneinsatz am frühen Samstag und Sonntag nicht erfolgen.
Grundsätzlich erfolgen an den Wochenenden morgens lediglich die Leerung der
Abfallkörbe sowie die Entfernung grober Verunreinigungen.
IV.
Erteilung von Baugenehmigungen und Gaststättenerlaubnissen für Diskothekenbetriebe
Sofern für Räumlichkeiten kein Bestandsschutz gegeben ist, ist
baurechtlich eine Nutzungsänderung zu beantragen. Diese würde im Bereich der
Innenstadt nicht genehmigt. Nach der Baunutzungsverordnung sind
Diskothekenbetriebe nur in Gewerbegebieten oder speziell dafür ausgewiesenen
Sondergebieten zulässig.
Zusammenfassung:
Ein öffentliches Bedürfnis für eine allgemeine Sperrzeitaufhebung gem. §
3 Abs. 5 der Gewerberechtsverordnung liegt nicht vor. Eine allgemeine Sperrzeitaufhebung
– auch zur Probe – kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Allenfalls kann
für einzelne Tage entsprechend dem Beschlussvorschlag eine Aufhebung der
Sperrzeit wegen eines öffentlichen Bedürfnisses in Betracht kommen.
Eine Beschäftigung von Verwaltungsvollzugsbediensteten setzt ein Arbeitsverhältnis
zur Stadt Rheine voraus. Die hierbei entstehenden Kosten betragen ca. 62.000
Euro bis 65.000 Euro. Die Verhandlungen mit dem Ortsverband Rheine der DEHOGA
Westfalen sowie den Gastronomiebetreibern haben ergeben, dass diese Kosten
nicht getragen werden können. Der vorgelegte Alternativvorschlag ist rechtlich
unzulässig.
Sofern – unter Auslassung der genannten rechtlichen Hinderungsgründe -
die Sperrzeit aufgehoben würde, ist mit steigenden Kosten bei der Reinigung der
Innenstadt nach Aussage der TBR AöR nicht zu rechnen.
Anlagen:
Anlage 01: Presseartikel
Anlage 02: Personalkostenberechnung
Anlage 03: Schreiben DEHOGA