Betreff
Resolution zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts
Vorlage
546/10
Aktenzeichen
TBR
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt Rheine beschließt auf Empfehlung des Verwaltungsrates der Technischen Betriebe Rheine AöR die folgende Resolution:

 

 

RESOLUTION

 

zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

Die Kommunen und deren öffentlich rechtlichen Tochtergesellschaften tragen seit Jahrzehnten die Verantwortung für eine sichere, ökologisch, hochwertige und ressourceneffiziente Abfallentsorgung in Deutschland. Das weltweit anerkannte hohe Niveau der Kreislaufführung von Abfällen und Wertstoffen haben diese öffentlich-rechtlichen Entsorger - auch schon vor Inkrafttreten u. a. der Verpackungsverordnung - geprägt. Daher fordern sie:

1.    Planungssicherheit sorgt für Gebührenstabilität

Bei der Umsetzung der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht erwarten die Kommunen/öffentlich-rechtlichen Entsorger (örE) in Deutschland von Bundestag und Bundesrat, dass sie auf die gewachsenen kommunalen Entsorgungsstrukturen, die Verpflichtung der Kommunen zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge vor Ort und ihre Verantwortung gegenüber den Abfallgebührenzahlern Rücksicht nehmen. Langfristige Investitionen der Kommunen/öffentlich-rechtlichen Entsorger in ihre Entsorgungsinfrastruktur dürfen nicht dadurch entwertet werden, dass ihnen Abfallströme entzogen werden, für die sie bisher verantwortlich waren und für die die Entsorgungsanlagen bei ihrer Errichtung auch ausgelegt waren.

2.    Über die Hausmüllerfassung muss vor Ort entschieden werden

Die Kommunen oder deren Tochtergesellschaften als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger vor Ort wissen am besten, wie unter den jeweils gegebenen Verhältnissen Hausmüll erfasst werden muss, um die Ziele einer Kreislauf- und Abfallwirtschaft zu erreichen. Die öffentlich-rechtlichen Entsorger brauchen keine bundeseinheitliche Regelung der Frage, welche Erfassungssysteme zu verwenden sind und welche Abfallfraktionen wie erfasst werden. Diese Fragen müssen wie bisher durch die Kommunalvertretungen vor Ort entschieden werden. Dort liegt auch die Gebührenverantwortung.

3.    Keine „einheitliche Wertstofftonne", und falls doch:
Wertstofferfassung nur in kommunaler Verantwortung

Die Probleme der Verpackungsentsorgung - vor allem ausgelöst durch das weitgehend unregulierte Nebeneinander von neun Systemen zur Entsorgung gebrauchter Verkaufsverpackungen - können nur durch eine Stärkung der kommunalen Verantwortung vor Ort gelöst werden. Dafür ist, entgegen dem Gesetzentwurf, keine bundesweite Einführung einer verpflichtenden Wertstofftonne notwendig. Ob und in welcher Form eine Wertstofferfassung durchgeführt wird, kann sinnvoll nur vor Ort entschieden werden. Insbesondere die bewährten Wertstoffhöfe müssen erhalten bleiben. Keineswegs akzeptabel ist, dass über die Einführung von Wertstofftonnen den öffentlich-rechtlichen Entsorger weiterer Hausmüll entzogen wird. Die Bürgerinnen und Bürger werden um die Gebührenvorteile gebracht, wenn die lukrativen Bestandteile des Abfalls auf eigene Rechnung durch Private verwertet werden und die öffentlich-rechtlichen Entsorger lediglich die unverwertbaren Abfälle zu entsorgen haben.

4.    Abfälle aus privaten Haushalten sind den öffentlich-rechtlichen Entsorgern zu überlassen

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 18.6.2009 zur Altpapierentsorgung klargestellt: Abfall, der in privaten Haushalten anfällt, ist grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorger zu überlassen. Das ist eine Grundvoraussetzung für eine gemeinwohlorientierte Abfallwirtschaft, die auch den Belangen der Ökologie, der öffentlichen Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung Rechnung trägt. Diese Überlassungspflicht darf nicht ausgehöhlt werden. Der privat initiierte Aufbau von Wertstoffsammlungen - parallel zu der kommunalen Wertstoffsammlung - soll nun wieder nahezu unbeschränkt ermöglicht und den Kommunen jegliche Steuerungsmöglichkeit entzogen werden. Dieser Versuch der Bundesregierung, das erwähnte Grundsatzurteil durch eine Änderung des geltenden Abfallrechts zu korrigieren, ist nicht hinnehmbar und europarechtlich nicht geboten: Der Vertrag von Lissabon schützt die Kommunen sowohl dann, wenn sie nach einer Ausschreibung Entsorgungsdienstleistungen an Private vergeben, als auch dann, wenn sie diese Leistungen selbst erbringen.

5.    Gewerbliches „Rosinenpicken" schadet allen Gebührenzahlern und auch privaten Konkurrenten

Die Erlöse aus „gewerblichen Sammlungen" kommen nur ihren Veranlassern zugute. Sie fehlen im Gebührenhaushalt und/oder schmälern den Gewinn des privaten Entsorgungsunternehmens, das eine Kommune oder deren Tochtergesellschaft nach einer Ausschreibung mit der Wertstoffentsorgung beauftragt hat. Selbst dann, wenn ein Stadtrat, Gemeinderat oder Kreistag ausdrücklich beschlossen hat, von der Aufstellung von Tonnen für die Altpapierentsorgung abzusehen, etwa weil bei den betroffenen Haushalten der Platz für die Aufstellung der Tonnen fehlt, ist es den Kommunen nach den Vorstellungen des Umweltministeriums verwehrt, gegen Angebote eines Privatunternehmens vorzugehen, das den Bürgern und Bürgerinnen auf eigene Rechnung die Bereitstellung von Altpapiertonnen anbietet. Die jetzt vorliegenden Regelungen sind unpraktikabel und provozieren jahrelange Rechtsstreitigkeiten. Betroffen sind die Bürger und Bürgerinnen in Kommunen aller Größenordnungen: Der „Kampf ums Altpapier" hat gezeigt, dass ein unkontrollierter Wettbewerb um Wertstoffe aus Privathaushalten den öffentlichen Straßenraum mit uneinheitlichen Sammelbehältern beeinträchtigt und die Anwohner mit zusätzlichen Abholfahrten belastet. Wohngebiete dürfen nicht zu Wettkampfarenen privater Entsorgungsunternehmen werden.

6.    Kommunen / öffentlich-rechtliche Entsorger müssen selbst über die Untersagung gewerblicher Sammlungen entscheiden können

Die Kommunen und die öffentlich-rechtlichen Entsorger wenden sich auch gegen die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung, nach der die Entscheidung darüber, ob eine gewerbliche Sammlung zulässig ist oder nicht, auf eine „neutrale Stelle" übertragen werden soll. Eine solche Regelung ist systemfremd und verfassungsrechtlich bedenklich.


Begründung:

 

Das deutsche Abfallrecht muss bis Ende 2010 an die Vorgaben der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie angepasst werden. Dazu hat das Bundesumweltministerium im August 2010 den Referentenentwurf eines Kreislaufwirtschaftsgesetzes vorgelegt und im September 2010 mit den Verbänden erörtert. Die kommunalen Spitzenverbände - der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund - sehen nach wie vor mit großer Sorge, dass die vorgesehenen Regelungen Gefahren für die Zukunft der kommunal verantworteten Abfallentsorgung, für die Planungs- und Investitionssicherheit der Kommunen und damit für die Stabilität der Abfallgebühren in sich tragen, sollten sie im nächsten Jahr unverändert von den Gesetzgebungsorganen des Bundes beschlossen werden.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt daher ihren Mitgliedern, gegenüber den Stadträten, Gemeinderäten und Kreistagen eine dem anliegenden Entwurf entsprechende Resolution anzuregen und auf dieser Grundlage das Gespräch mit den örtlichen Bundestagsabgeordneten mit dem Ziel zu suchen, in den parlamentarischen Beratungen eindeutig für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einzutreten, denen sie ihr Mandat verdanken. Die Bundesvereinigung bittet die Verwaltungen der Städte, Landkreise und Gemeinden, Ihre Verbände jeweils über entsprechende Rats- und Kreistagsbeschlüsse zu informieren.

Der im August 2010 vorgelegte Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums verfolgt ohne Not das Ziel, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.6.2010 im sog. „Altpapierkrieg" ungeschehen zu machen, und will den Kommunen jegliche Steuerungsmöglichkeiten nehmen, mit denen sie den Aufbau paralleler Sammelsysteme durch Privatunternehmen kanalisieren können. Wird der Referentenentwurf zum Gesetz, könnten z. B. Vorstöße privater Altpapiersammler, in günstig zu entsorgenden Gebieten Altpapier zu sammeln, praktisch nicht mehr abgewehrt werden, auch wenn die Kommune selbst Altpapier sammelt oder - in der Mehrzahl der Fälle - in ihrem Auftrag ein Privatunternehmen bereits mit der Sammlung von Altpapier beauftragt ist. Die Folgen haben nicht nur die Abfallgebühren zahlenden Bürger und Bürgerinnen zu tragen, denen Erlöse aus der Altpapiervermarktung nicht mehr zur Verringerung ihrer Abfallgebührenrechnung zugute kommen, weil die Erlöse bei dem parallel tätigen Unternehmen bleiben. Hauptbetroffene sind die privaten Entsorgungsunternehmen selbst, die in der Regel nach einer europaweiten Ausschreibung den Auftrag zur Altpapierentsorgung im Auftrag der Kommune gewonnen haben und nunmehr durch die „Rosinenpickerei" ihrer eigenen privaten Wettbewerber um den wirtschaftlichen Erfolg ihres Auftrags gebracht werden sollen.

Selbst dann, wenn ein Stadtrat, Gemeinderat oder Kreistag ausdrücklich beschlossen hat, von der Aufstellung von Tonnen für die Altpapierentsorgung abzusehen, etwa weil bei den betroffenen Haushalten der Platz für die Aufstellung der Tonnen fehlt, ist es den Kommunen nach den Vorstellungen des Umweltministeriums verwehrt, gegen Angebote eines Privatunternehmens vorzugehen, das den Bürgern und Bürgerinnen auf eigene Rechnung die Bereitstellung von Altpapiertonnen anbietet. Das hat nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände mit der grundgesetzlich verbrieften Selbstverwaltungsgarantie nichts, aber auch gar nichts, zu tun.

Vielmehr wird die Einführung neuer unbestimmter Rechtsbegriffe, durch die die Kommunen beim Vorgehen gegen unerwünschte gewerbliche Sammlungen in ihre Schranken verwiesen werden sollen, jahrelange Rechtsstreitigkeiten und mangelnde Planungs- und Investitionssicherheit nach sich ziehen. Bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Jahr hat es immerhin 15 Jahre gedauert, bis im Bereich der Altpapierentsorgung endlich verlässliche Klarheit geschaffen wurde.

Etliche große Kommunen wenden sich auch gegen die Einführung einer flächendeckenden getrennten Sammlung von Bioabfällen. Wenn in manchen städtischen Gebieten zu erwarten ist, dass sich der Inhalt einer Biotonne von dem der Restmülltonne nicht unterscheidet, macht die Getrenntsammlung keinen Sinn. In manchen peripheren ländlichen Gebieten ist eine Getrenntsammlung von Bioabfällen wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Kommunen wissen selbst am besten, was, wann und wie getrennt gesammelt werden soll. Aus diesem Grunde sprechen sich die kommunalen Spitzenverbände auch gegen Regelungen zur „einheitlichen Wertstofftonne" aus. Die im Gesetzentwurf enthaltene dürre Verordnungsermächtigung allein stellt jedenfalls nicht sicher, dass eine einheitliche Wertstofferfassung im Verantwortungsbereich der Kommunen bleibt. Das muss nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände jedoch im Ergebnis unbedingt gewährleistet sein. Schließlich müssen den Abfallgebührenzahlern die Wertstofferlöse zugute kommen und nicht die Kassen privater Entsorger füllen. Auch darf das bei uns eingeführte und bewährte System zur Sammlung von Wertstoffen über Wertstoffhöfe nicht durch die Einführung einer einheitlichen Wertstofftonne zur Disposition gestellt werden.

Das künftige Gesetz darf auch keine Schlupflöcher öffnen, dass sich Gewerbe und Industrie vollständig von der von den Kommunen verantworteten Entsorgung verabschieden können. Die für die Entsorgung erforderlichen Anlagen, z. B. Abfallverbrennungsanlagen, sind auch für diese Wirtschaftskreise gebaut worden und müssen auch weiterhin von diesen über Abfallgebühren mitfinanziert werden. Sonst zahlen die Bürgerinnen und Bürger die Zeche, weil sich deren Abfallgebühren erhöhen würden, wenn sich Gewerbe und Industrie in vollem Umfang anderer Entsorgungswege bedienen dürfen.

 

Stellungnahme der Technischen Betriebe Rheine zum Resolutionsentwurf des Städte- und Gemeindebundes

Die vorstehende Begründung der Resolution gilt auch für uns als öffentlich-rechtlicher Entsorger (örE). Die Vorgaben im Referentenentwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zielen auf eine Stärkung der Position privater Unternehmen hin. Die Folge wäre eine Entnahme von Wertstoffen aus dem Restmüll zu Gunsten privater Unternehmen. Der verbleibende Restmüll wäre von den öffentlich-rechtlichen Entsorgern gebührenpflichtig einzusammeln und zu entsorgen. Alles das, was nicht mit Erlösen verwertet werden kann, würde von den Bürgerinnen und Bürgern über die Abfallgebühren bezahlt werden müssen. Weil keine Erlöse gegen gerechnet werden können, würden die Abfallgebühren auf ein höheres Niveau steigen als heute.

Ein fiktives Beispiel nimmt an, dass der Aufwand für das Einsammeln der verschiedenen Fraktionen unberücksichtigt bleiben kann, da er als vergleichbar angenommen wird.

Eine Tonne Restmüll wird für ca. 150 € entsorgt, die Tonne Bioabfälle für ca. 75 €. Für die Tonne Altpapier erhält der Anlieferer an der Papierfabrik 50 €. Für die Aufbereitung des Altpapiers hat er zuvor 35 €/t aufgewendet. Er würde also einen Gewinn von 15 €/t erzielen, wenn das Einsammeln kostenfrei wäre.

Wird der Abfall nur als Restmüll gesammelt, so sind 150 €/t für die Entsorgung zu bezahlen.

Kann man den Großteil der Bioabfälle (ca. 1/3) daraus separat erfassen, so würden 2/3 mit 150 €/t und 1/3 mit 75 €/t zu entsorgen sein, die gesamte Abfallmenge also mit 125 €/t  (= 0,667*150€/t + 0,333*75 €/t).

Sind im verbleibenden Restmüll noch 25 % Altpapier enthalten und können diese separat erfasst werden, so würde die Gesamtmenge Abfall für weniger als 97,50 €/t zu entsorgen sein  (= 0,667*(1-0,25)*150 €/t + 0,333*75 €/t + (0,667*0,25*(35-50) €/t).

Es ist einsichtig, das die Privatverwertung des Altpapiers den Gebührenzahler benachteiligt, weil ihm nicht nur Mengen, sondern auch Erlöse entzogen werden.

Unberücksichtigt bleibt auch das verständliche Verhalten gewinnorientierter Unternehmen, die eine separate Wertstoffsammlung wieder einstellen, wenn es keine oder zu geringe Erlöse gibt. Der öffentlich-rechtliche Entsorger muss dann ad hoc seine eigene Sammelkapazität anpassen. Aber woher bekommt er sofort und ggf. nur bis zum nächsten Preisanstieg geeignete Fahrer und Fahrzeuge! Soll der örE für solche Fälle Überkapazitäten gebührenpflichtig vorhalten?

Wie begeistert werden die Einwohner nicht nur in Rheine sein, wenn jeder Wertstoff (z.B. Grünabfall, Glas, Metall, Papier, Kunststoffe, Textilien, …) getrennt gesammelt wird und damit der LKW-Sammelverkehr in den Wohnstraßen zunimmt.

 

 

Der Verwaltungsrat der Technischen Betriebe Rheine AöR hat am 30.11.2010 in Übereinstimmung mit Positionen des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen die im Beschlussvorschlag stehende Resolution zur Zukunft der kommunalen Abfallwirtschaft in Deutschland beschlossen.

Der Verwaltungsrat empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine, sich dieser Resolution anzuschließen und fordert alle örtlichen Bundestagsabgeordneten auf, sich im Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Bürgerinnen und Bürger für eine Stärkung der kommunalen Abfallentsorgung einzusetzen.