Betreff
Besetzung der Leiterstelle Volkshochschule/Musikschule - Antrag der CDU-Fraktion vom 29.08.2006
Vorlage
306/06
Aktenzeichen
FB 7 - El
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt nimmt zur Kenntnis, dass die Bürgermeisterin aufgrund der Ihr obliegenden Organisationshoheit gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 und 3 GO berechtigt ist, die Leiterstelle der VHS/Musikschule zu besetzen.


Begründung:

 

Auf den als Anlage 1 beigefügten Antrag der CDU-Fraktion vom 29.08.06 wird verwiesen.

 

1.    Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung zur Ratssitzung am

        5.9.2006                                                                                        

 

Die Angelegenheit konnte nicht mehr auf die Tagesordnung zur Ratssitzung am 5. September 2006 genommen werden, weil diese zum Zeitpunkt des Einganges des o. g. Antrages schon festgesetzt und zugestellt war. Dieses wurde der CDU-Fraktion von der Bürgermeisterin auch mit Schreiben vom 01. September d. J. mitgeteilt.

Gleichzeitig wurde der CDU-Fraktion aus Gründen der Rechtssicherheit vorgeschlagen, den Antrag auf die Tagesordnung der Ratssitzung am 19. September 2006 zu setzen, wobei die Bürgermeisterin zusicherte, bis zu diesem Zeitpunkt die Besetzung der Leiterstelle VHS/Musikschule nicht vorzunehmen.

 

 

2.    Zuständigkeit für die Besetzung der Leiterstelle VHS/Musikschule

 

Gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 und 3 GO ist die Bürgermeisterin verantwortlich für die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der gesamten Verwaltung. Sie leitet und verteilt die Geschäfte.

 

Hierzu heißt es im Kommentar Rehn/Cronauge/van Lennep:

 

        „Dem Bürgermeister obliegt die volle Verantwortung für die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der gesamten Verwaltung. Er trägt die volle und alleinige Verantwortung für das Funktionieren der Verwaltung und die Einheitlichkeit der Verwaltungsführung. Er leitet und verteilt die Geschäfte. Dieses dem Bürgermeister kraft Gesetzes zugewiesene Organisationsrecht kann vom Rat nur in Bezug auf die Festlegung des Geschäftskreises der Beigeordneten oder in Bezug auf die Bestellung des allgemeinen Vertreters beschränkt werden. Im Übrigen kann der Rat die Organisationsgewalt des Bürgermeisters, die eine gesetzliche Ausnahme von der Allzuständigkeit des Rates darstellt, diesem nicht entziehen oder beschränken.“

        …

        „ Das Recht zur Verteilung der Dienstgeschäfte ermächtigt den Bürgermeister, die Beamten, Angestellten und Arbeiter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen einzusetzen. Der Bürgermeister kann seiner Verantwortung für das Funktionieren der Verwaltung nur dann gerecht werden, wenn er den Geschäftsbereich der einzelnen Dienstkräfte nach seinem Ermessen bestimmen kann. … Auch die Ausschreibung frei werdender Stellen ist, soweit es sich nicht um Stellen von Wahlbeamten handelt, grundsätzlich Sache des Bürgermeisters. Ihm obliegt die Entscheidung, ob eine frei werdende Stelle wieder besetzt werden oder vorerst unbesetzt bleiben soll, und ferner, ob die Wiederbesetzung innerhalb der eigenen Verwaltung möglich ist, oder ob die Stelle ausgeschrieben werden muss.“

 

In der Kommentierung Held u. a. wird hierzu ausgeführt:

 

        „Nicht der Rat oder ein Ausschuss, sondern nur der Bürgermeister hat schließlich das Recht, Beamte, Angestellte oder Arbeiter innerhalb der Gemeindeverwaltung umzusetzen. Dieses Recht beruht auf seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter. Ratsbeschlüsse, die dem Bürgermeister Weisungen hinsichtlich des Einsatzes von Bediensteten erteilen, sind rechtswidrig.“

 

Auch der Städte- und Gemeindebund NW stellt in seinem Rechtsgutachten vom 22. August 2006, das als Anlage 2 dieser Vorlage beigefügt ist, fest:

 

         „Die Umsetzung ist eine Maßnahme, die auf der Organisationsgewalt beruht, sodass sich die Zuständigkeit des Bürgermeisters ebenfalls auf § 62 Abs. 1 Satz 3 GO stützen lässt. Der Stadtrat hat angesichts der Organisationshoheit des Hauptverwaltungsbeamten keine rechtliche Handhabe, diesen zu zwingen, einen bestimmten Beamten auf eine spezielle Stelle umzusetzen.“

 

Nach den v. g. eindeutigen Ausführungen verbleibt die Verwaltung bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung, wonach die „Umsetzung“ eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin innerhalb der Verwaltung eine Organisationsentscheidung ist, die gem. § 62 Abs. 1 GO allein der Bürgermeisterin obliegt.

 

 

3.    Anwendbarkeit von § 18 Abs. 1 der Hauptsatzung und § 4 Abs. 2 der

        VHS-Satzung                                                                                           

 

Die CDU-Fraktion vertritt in ihrem Antrag vom 29.8.06 die Auffassung, dass § 18 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Rheine Anwendung findet und insofern der Rat für die Personalentscheidung zuständig ist.

 

Ferner verweist die CDU-Fraktion in ihrem Antrag auf § 4 Abs. 2 der VHS-Satzung, wonach unter Buchst. b) geregelt ist, dass der Rat insbesondere über die Einstellung des VHS-Leiters und der hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter entscheidet.

 

 

3.1   § 18 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Rheine

 

In der v. g. Vorschrift hat sich der Rat die beamten- und tarifrechtlichen Entscheidungen für Fachbereichskoordinatoren (heute Fachbereichsleiter), Amtsleiter, Leiter von vergleichbaren Organisationseinheiten sowie deren Stellvertreter nach Vorberatung im HFA vorbehalten.

 

Diese Regelung stellt eine Einschränkung des § 74 Abs. 1 Satz 2 GO dar, wonach die beamten-, arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen der Bürgermeister trifft. Nach Satz 3 kann die Hauptsatzung eine andere Regelung treffen.

 

Wie der Städte- und Gemeindebund NW in seinem Rechtsgutachten vom 22. Aug. 2006 feststellt, schränkt § 18 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Rheine die Personalhoheit der Bürgermeisterin nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GO zu sehr ein, sodass die Regelung unwirksam ist. In dem Gutachten des StGB NW heißt es:

 

        „Die Satzungsermächtigung findet dort ihre Grenze, wo die Regelung derart vom gesetzlichen Leitbild der Alleinzuständigkeit des Bürgermeisters in Personalangelegenheiten abweicht, dass diesem keine seiner Verantwortlichkeit korrespondierende Zuständigkeit mehr verbleibt. Misst man § 18 Ihrer Hauptsatzung an diesen Vorgaben, weicht die dort getroffene Regelung derart vom gesetzlichen Leitbild der Alleinzuständigkeit des Bürgermeisters in Personalangelegenheiten ab, sodass diesem keine seiner Verantwortlichkeit korrespondierenden Zuständigkeit mehr verbleibt. In § 18 sind sämtliche beamten- und tarifrechtliche Entscheidungen für Fachbereichskoordinatoren und Amtsleiter sowie Leiter von vergleichbaren Organisationseinheiten und deren Stellvertreter der Entscheidung des Bürgermeisters entzogen. Bei diesem Personenkreis handelt es sich zwar um besonders herausgehobene zahlenmäßig begrenzte Funktionen in einer Verwaltung. Demzufolge wäre es vermutlich nicht zu beanstanden gewesen, wenn dem Rat einzelne, besonders wichtige Personalentscheidungen – wie z. B. Beförderungen – hinsichtlich dieses Personenkreises vorbehalten geblieben wäre. Sämtliche Personalentscheidungen für diesen Personenkreis sich vorzubehalten, also auch beispielsweise die Genehmigung von Erholungsurlaub oder die Zuweisung eines konkreten Arbeitszimmers in der Verwaltung, weicht vom Leitbild der personalpolitischen Alleinzuständigkeit des Bürgermeisters ab und verletzt den Wesensgehalt von § 74 Abs. 1 Satz 2 GO. Die entsprechende Vorschrift der Hauptsatzung ist somit unwirksam.“

 

Selbst wenn es sich bei der Entscheidung über die Besetzung der Leiterstelle VHS/Musikschule um eine beamten- oder tarifrechtliche Entscheidung handeln würde, käme § 18 der Hauptsatzung nicht zur Anwendung, weil er in dieser Form unwirksam ist.

Entscheidungsgrundlage wäre dann zur Zeit allein § 74 Abs. 1 Satz 2 GO, wonach grundsätzlich alle beamten-, arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen der Bürgermeisterin obliegen.

 

 

3.2   § 4 Abs. 2 der VHS-Satzung

 

Die Satzung der Volkshochschule stammt aus dem Jahre 1977. Im § 4 Abs. 1 ist geregelt:

        „1.       Die Zuständigkeit für die Angelegenheiten der Volkshochschule ergeben sich für die Stadt als Träger aus § 28 Gemeindeordnung bzw. aus der Hauptsatzung in den jeweils gültigen Fassungen.

2.     Der Rat entscheidet insbesondere über

a)    …

b)    Einstellung des VHS-Leiters und der hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter,

c)     …

 

Die Grundlage dieser Satzungsregelung war seinerzeit § 28 GO, heute § 41 GO (Zuständigkeit des Rates).

 

 

3.2.1  Änderung der Gemeindeordnung

 

Bis zur Novellierung der Gemeindeordnung im Jahre 1994 (Abschaffung der Doppelspitze ehrenamtlicher Bürgermeister/Stadtdirektor) war im § 28 Abs. 1 Buchst. f) GO geregelt, dass die Entscheidung über „die allgemeinen Grundsätze für die Ernennung, Einstellung, Beförderung und Entlassung, für die Bezüge und Vergütungen sowie die Versorgung von Beamten, Angestellten und Arbeitern“ nur dem Rat vorbehalten waren.

§ 54 Abs. 1 Satz 2 GO regelte darüber hinaus, dass „die Beamten der Gemeinde auf Grund eines Ratsbeschlusses ernannt, befördert und entlassen werden. Die arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen für die Angestellten und Arbeiter trifft der Gemeindedirektor. Die Hauptsatzung kann eine andere Regelung treffen.“

 

Über die Angelegenheiten der Beamten entschied somit grundsätzlich der Rat, über die der Angestellten und Arbeiter grundsätzlich der Stadtdirektor, wobei in beiden Fällen Einschränkungen durch die vom Rat zu beschließende Hauptsatzung vorgenommen werden konnten.

 

Nach Abschaffung der „Doppelspitze“ wurde § 28 Abs. 1 Buchst. f) GO ersatzlos gestrichen und die beamten-, arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 GO allein dem Bürgermeister übertragen. Aber auch hiervon kann der Rat durch Hauptsatzungsbeschluss Einschränkungen vornehmen.

 

Durch diese Änderung der Gemeindeordnung hat der Gesetzgeber die Stellung des von der Bürgerschaft unmittelbar gewählten hauptamtlichen Bürgermeisters im Vergleich zum damaligen Stadtdirektor und gegenüber dem Rat bei Personalentscheidungen erheblich gestärkt.

Zur Einschränkung der Personalhoheit durch die vom Rat zu beschließende Hauptsatzungsregelung (§ 18 Abs. 1) wird an dieser Stelle nochmals auf das unter Ziff. 3.1 aufgeführte Zitat aus dem Gutachten des StGB NW vom 22.08.06 verwiesen.

 

3.2.2  Fazit im Hinblick auf § 4 Abs. 2 der VHS-Satzung

 

Unter Berücksichtigung der v. g. Ausführungen hat sich somit die Rechtsgrundlage des § 4 der VHS Satzung geändert; es ist nicht mehr § 28 GO alte Fassung, sondern § 41 GO neue Fassung.

Da nach den Bestimmungen der neuen Gemeindeordnung nicht mehr der Rat, sondern die Bürgermeisterin grundsätzlich für beamten-, arbeits- und tarifrechtliche Entscheidungen zuständig ist, könnte der Rat sich durch Hauptsatzungsbeschluss sicherlich die (externe) Einstellung des VHS-Leiters, nicht aber Entscheidungen über die hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter der VHS vorbehalten.

 

Insofern verstößt § 4 Abs. 2 Buchst. b gegen geltendes Recht und muss umgehend nach Vorberatung im Kulturausschuss (14.11.06) durch den Rat (12.12.06) mangels Regelungsbedarfs aufgrund der zu beschließenden Neufassung des § 18 Abs. 1 der Hauptsatzung ersatzlos gestrichen werden.

 

 

4.    Aussagen bezüglich der Übertragung der Zuständigkeit für die

        Besetzung der Leiterstelle VHS/Musikschule an den Rat            

 

Die CDU-Fraktion beruft sich in ihrem Antrag auf Aussagen der Bürgermeisterin in der Fraktionsvorsitzendenbesprechung vom 14.08.2006 und der HFA-Sitzung am 15.08.06, wonach dem Rat die Beratung und Entscheidung zur Besetzung der Leiterstelle VHS/Musikschule zustehe.

 

Selbst wenn die Aussagen der Bürgermeisterin in den v. g. Sitzungen so auszulegen wären, würden sie der oben skizzierten Rechtslage entgegenstehen.

Ãœber diese rechtliche Situation wurde auch in der Ratssitzung am 5. September 2006 informiert.

 

 

5.    Beschlussvorschläge aus dem Antrag der CDU-Fraktion vom

        29.08.06                                                                                  

 

Die Beschlussvorschläge zu den Ziff. 1. – 4. des CDU-Antrages stellen unter Beachtung der v. g. Ausführungen einen Verstoß gegen geltendes Recht dar. Wenn sie in der Form gefasst würden, müssten sie von der Bürgermeisterin gem. § 54 Abs. 2 GO beanstandet werden.

 

Der Beschlussvorschlag zu Ziff. 5 des Antrages steht den Bestimmungen des § 74 Abs. 1 Satz 2 GO entgegen. Selbst wenn § 18 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Rheine in der derzeitigen Fassung wirksam wäre, würde selbst eine externe Besetzung dieser Stelle nicht darunter fallen, weil es sich hierbei nicht um einen Fachbereichsleiter, Amtsleiter, Leiter einer vergleichbaren Organisationseinheit bzw. deren Stellvertreter handelt. Insofern obliegt auch in diesem Falle die Entscheidung der Bürgermeisterin.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Antrag der CDU-Fraktion

Anlage 2: Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes NRW