Beschlussvorschlag/Empfehlung:
- Der Jugendhilfeausschuss der Stadt Rheine nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur strategischen Steuerung in der Hilfe zur Erziehung zur Kenntnis.
- Der JHA beauftragt die Verwaltung, zum Haushalts- und Stellenplan 2012 die notwendigen Beschlüsse vorzubereiten.
Begründung:
I. Einleitung
In seiner Sitzung am 14. 04. 2011 hat der Jugendhilfeausschuss folgenden Beschluss gefasst:
„Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die
Verwaltung, für die Sitzung des Ausschusses am 16. Juni 2011 eine Konzeption
zur „Umsteuerung“ der Hilfen zur Erziehung vorzulegen.“ (Vorlage 145/11)
Grundlage dieses Beschlusses waren umfangreiche Auswertungen statistischer Daten zu den Hilfen zur Erziehung nach den §§ 27 ff SGB VIII. Auf diese Daten wird im Folgenden Bezug genommen (Vorlage 145/11).
II. Feststellungen der Gemeindeprüfungsanstalt
Zusammenfassend bleibt bezüglich der Datenlage festzuhalten, dass die qualitativen Aussagen zu den einzelnen Hilfeformen und den Verhältnissen der Hilfearten untereinander nach Aussage der Gemeindeprüfungsanstalt durchweg positiv zu bewerten sind.
► Die Stadt Rheine hat im Verhältnis ambulante Hilfen zu den Hilfeplanfällen insgesamt einen neuen Maximalwert erreicht.
► Der Anteil der Vollzeitpflege an den stationären Hilfeplanfällen entspricht dem von der GPA gesetzten Zielwert.
► Die durchschnittlichen Fallkosten liegen um 736,00 € unterhalb des Mittelwertes.
„Negativ“ stellt die Gemeindeprüfungsanstalt jedoch die Falldichte auf 1.000 Einwohner bis zum 21. Lebensjahr mit einer Falldichte von 34 dar. Der Durchschnittswert liegt hier bei 27.
Hier beschreibt die GPA deutlichen Handlungsbedarf.
Insgesamt gibt die Gemeindeprüfungsanstalt für die geprüften Bereiche in der Hilfe zur Erziehung folgende Empfehlungen:
„Das präventive Angebot in der Stadt Rheine ist
ausgeprägt.
Gleichwohl sollte eine Weiterentwicklung
erfolgen. In diesem Zusammenhang sollten auch Projekte entwickelt werden, in
die geeignete Ehrenamtliche einbezogen werden.
Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob im Falle
einer notwendigen Hilfegewährung das Ziel der erzieherischen Hilfen nicht auch
durch niedrigschwellige flexible Hilfen erreicht werden kann.
Die „Strategische Steuerung Heimerziehung“ sollte
in jedem Fall weitergeführt werden.
Die Erziehungsberatungsstelle sollte in Zukunft
verbindlich in die Hilfeplanprozesse einbezogen werden.“ (Bericht GPA S.10)
Neben den
verstärkten Angeboten im präventiven Bereich beschreibt die GPA auch Handlungserfordernisse
im Bereich der Fallsteuerung.
Dabei gibt es
sowohl im Bereich der Zugangssteuerung
als auch im Bereich der Verlaufssteuerung
Empfehlungen, um den hohen Fallbestand mittel- bis langfristig reduzieren zu
können.
Im Rahmen einer Gesamtpersonalbetrachtung hat
die GPA darüber hinaus festgestellt, dass auf Grund der vorhandenen Falldichte im Bereich des Allgemeinen sozialen Dienstes
ein zusätzlicher Personalbedarf von 4,76
Stellen bestehen würde.
III. Empfehlungen der GPA
„Im Mittelpunkt der Analyse stehen Möglichkeiten
der fachlichen und finanzwirtschaftlichen Ergebnisverbesserung der Leistungserbringung.
Das Jugendamt hat die Steuerungs- und
Ressourcenverantwortung für die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 79
ff. SGB VIII). Die Steuerungsverantwortung beinhaltet die Hilfeplanung und
Leistungssteuerung im Einzelfall nach § 36 SGB VIII und § 8a SGB VIII.
Den Fachkräften des Jugendamtes obliegt die
Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang erzieherische Leistungen selbst
erbracht oder durch freie Träger der Hilfe zur Erziehung erbracht werden
können.
Nur bei starker Ausprägung prozess- und
ergebnisqualitativer Standards der Leistungssteuerung und einer ausreichenden
Personalisierung der Aufgaben erzieherischer Beratung der Familien kann es
gelingen, Zugänge zu regulieren beziehungsweise im Vorfeld erzieherischer
Hilfen in Vereinbarungen mit den Familien auch selbst wirksam tätig zu werden.
Auf diesem Wege kann die Falldichte stabilisiert
und perspektivisch wieder zurückgeführt werden.
Dies gilt für Leistungen nach den §§ 8a
(Kindeswohlgefährdung)und 36 SGB VIII (Hilfeplanverfahren).
Für die Stadt Rheine ergibt sich aufgrund der
aufgezeigten Ergebnisse im interkommunalen Vergleich schwerpunktmäßig vor allem
die Möglichkeit, Potenzial über die festgestellte, weit überdurchschnittliche
Falldichte zu erschließen.
Die Zugangs- und die Leistungssteuerung zu den Hilfen
zur Erziehung bedürfen dabei einer Überprüfung (…) Der Benchmark liegt bei 21
Hilfeplanfällen je 1.000 Einwohner bis zum 21. Lebensjahr.
IV. Einsparpotential
laut GPA
Unter Berücksichtigung
des Wertes „21 Hilfeplanfälle auf 1.000 Einwohner bis zum 21. Lebensjahr“ prognostiziert
die Gemeindeprüfungsanstalt ein mögliches Einsparvolumen von 2,8 Mio. €.
Aufgrund der
qualitativ gut entwickelten ambulanten Leistungen und der im Verhältnis zur
Heimerziehung gut ausgeprägten Struktur der Vollzeitpflege schlägt die GPA
zunächst einen Zielwert von 28 Hilfeplanfällen auf 1.000 Einwohner unter 21 Jahren
vor und ermittelt so ein Einsparvolumen von 1,39 Mio. €. (GPA S. 23 u.24)
Um dieses Einsparvolumen
mittelfristig realisieren zu können, schlägt die GPA unter anderem vor, im
Bereich der Allgemeinen sozialen Dienste zusätzliches Personal (2 Stellen) zu
beschäftigen und durch ein Präventionsbudget in Höhe von 30.000 € die
Zugangssteuerung zu optimieren. Zusätzlich sollen im Vorfeld der Leistungen
nach §§ 27 ff SGB VIII Formen niedrigschwelliger Elternarbeit entwickelt werden.
Abzüglich dieser zusätzlichen Aufwendungen betrüge, so die GPA, das
Einsparvolumen 1,24 Mio. €
„Beeinflusst werden kann der Wert durch die im
Folgenden benannten
Maßnahmen:
● durch
eine Weiterentwicklung des Netzes präventiver Maßnahmen, die im Vorfeld
erzieherischer Hilfen wirken und auf die jeweiligen Sozialräume bezogen sind,
● durch eine Optimierung der Zugangs- und
Leistungssteuerung,
●
durch
eine Qualitätssicherung der Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII, konkret
durch Überprüfung von Zielerreichung, Leistungsumfang und Vergütung
insbesondere der stationären Hilfen mit dem Ziel der Reduzierung des
Leistungsumfangs bis zur Beendigung des Hilfefalls.“ (GPA S. 25)
V. Handlungsvorschläge der Verwaltung
Im Rahmen des Berichtes der GPA sind
umfangreiche Handlungsempfehlungen (s.o.) dargestellt worden. Seitens der Verwaltung
wird vorgeschlagen, zunächst folgende Handlungsschritte zu gehen:
1. Optimierung
der Zugangs- und Verlaufssteuerung:
► Innerhalb des Jugendamtes soll ein
„Clearingteam“ aufgebaut werden, um die Klärungsprozesse optimieren zu können;
so sollen innerhalb des „Clearingteams“ Fragen der Kindeswohlgefährdung,
mögliche Formen alternativer Hilfestrukturen bzw. einer Hilfe zu Erziehung
geklärt werden.
► Um die Zugangssteuerung im
Bereich der Hilfen zur Erziehung zu optimieren, sollen im Vorfeld der
Hilfeentscheidungen verstärkt sozialpädagogische und psychologische
Diagnostikelemente eingesetzt werden. Diese sollen im Rahmen der vorhandenen
vertraglichen Regelungen mit den freien Trägern als „Auftragsarbeit“ vergeben
werden. Dabei sind in Gesprächen mit den Trägern Möglichkeiten zu entwickeln,
die kostenneutral die bestehenden Vertragsverhältnisse nutzen.
► Die Erziehungsberatungsstelle
soll verstärkt im Vorfeld von Fallentscheidungen in die Entscheidungsteams des
Jugendamtes eingebunden werden, um noch besser die niedrigschwelligen Angebote
der Erziehungsberatungsstelle nutzen zu können.
► Daneben sollen im Rahmen der
Verlaufssteuerung der Hilfen zur Erziehung insbesondere die
Mitwirkungsbereitschaft der Eltern und die Veränderungsmöglichkeiten in den
Familien stärker in den Blick genommen werden.
Diese
grundsätzlichen Steuerungselemente können jedoch nur umgesetzt werden, wenn
innerhalb des Allgemeinen Sozialen Dienstes ausreichend Personalressourcen für
die Zugangs- und Verlaufssteuerung zur Verfügung stehen. Seitens der Verwaltung
wird aus diesem Grunde vorgeschlagen, eine zusätzliche Stelle in diesem Bereich
zur Verfügung zu stellen. Dabei soll diese Stelle als Projektstelle für zunächst
2 Jahre vorgehalten werden.
2. Entwicklung
Sozialräumlicher Arbeitsansätze:
► Durch verstärkte sozialräumliche
Arbeitsansätze sollen im Vorfeld von sich verfestigenden Problemsituationen
Angebote wie Elternkurse, Sprechzeiten bzw. Angebote der sozialen Gruppenarbeit
sowohl in den Familienzentren als auch in den Offenen Ganztagsgrundschulen
vorgehalten werden.
VI. Projekt für Sozialräumliche Arbeitsansätze
Die Verwaltung schlägt vor, für 2 Jahre ein
Projekt zu erproben, welches über flächendeckende Angebote von Elternkursen
oder Elterngesprächskreisen die Zugänge zu den Maßnahmen der Sozialpädagogischen
Familienhilfe reduziert.
Alleine im Jahre 2010 sind seitens des
Jugendamtes bei 63 Familien Leistungen nach § 31 SGB VIII
(Sozialpädagogische Familienhilfe) neu gewährt
worden, bei denen keine
Kindeswohlgefährdung vorgelegen hat. Das jüngste Kind dieser Familie war dabei
im Alter von 3 Jahren.
Bei durchschnittlichen Ausgaben von 890,- € pro Familie pro Monat ergibt
sich bei diesen Familien eine Gesamtausgabe im Jahr von ca: 672.000 €.
Um projektartig „neue“ sozialräumliche
Ansätze erproben zu können, schlägt die Verwaltung vor, bei Familien, bei denen
eine Kindeswohlgefährdung ausgeschlossen werden kann und deren jüngstes Kind
eine Kita besucht, auf die Bewilligung einer Hilfe zur Erziehung in Form der
Sozialpädagogischen Familienhilfe zu verzichten.
Stattdessen sollen diesen Familien Elternkurse
bzw. Elterngesprächskreise als Unterstützung
angeboten werden.
Dazu sollen in allen Familienzentren bzw. auch in anderen in Frage kommenden Kitas
regelmäßig durch Träger der Familienbildung bzw. durch Anbieter der Sozialpädagogischen
Familienhilfe Elternkurse und Elterngesprächskreise vorgehalten werden.
Daneben ist auch geplant, regelmäßige
Sprechzeiten in den Familienzentren und in offenen Ganztagsgrundschulen zu
entwickeln und umzusetzen.
VII. Finanzierung
Die Verwaltung geht davon aus, dass zunächst
12 Elternkurse im Jahr nachgefragt werden. Daneben sollten sich in den
Familienzentren Elternkreise etablieren können. Bei 1.400,00 € pro Elternkurs
sind Ausgaben von 16.800,00 € im Jahr für die Elternarbeit zu kalkulieren.
Sollten sich an den Familienzentren Elterngesprächskreise bzw. verstärkt
Sprechstunden etablieren, so ist mit zusätzlichen Ausgaben von ca.: 20.000,00 €
zu rechnen.
Inklusive der notwendigen zusätzlichen Stelle
im ASD ergäbe sich folgende Rechnung:
Ausgaben:
Zusätzliche Personal ASD 50.000,00 €
Elternkurse 16.800,00 €
Gesprächskreise/Sprechstunden 20.000,00 €
Gesamt: 86.800,00 €
Einsparpotential:
63 Fam. SPFH * 890,00 € mtl. * 12 Monate = 672.840,00 €
Geplantes Einsparpotenzial brutto 672.840,00 €
./.geplante zusätzliche Ausgaben
86.800,00 €
Einsparpotenzial netto 568.040,00 €
Bei dieser Umsteuerung könnte demnach ein
Einsparvolumen von 568.040,00 € realisiert
werden.
VIII. Exkurs
Das von der Verwaltung vorgeschlagene Projekt
zur Einsparung im Bereich der Hilfen zur Erziehung kann kurzfristig zur finanziellen
Entlastung des Budgets führen.
Darüber hinaus bietet es den anfragenden
Eltern ein Angebot, welches geeignet ist, Erziehungskompetenzen zu reflektieren
und zu steigern. Dabei kann dieses Angebot jedoch nicht die gleichen
Hilfeeffekte erzielen, wie es Angebote können, die unmittelbar in der Familie
bzw. im Familienalltag wirken.
Daneben bleibt festzuhalten, dass die
Angebote zwar die Kompetenz der Eltern zu stärken versuchen, die betroffenen
Kinder jedoch nicht unmittelbar Adressat der Hilfen sind. Hier ist es wichtig,
im engen Kontakt mit den Kitas und den Schulen zu bleiben, um rechtzeitig zu
erfahren, ob sich Problemverschärfungstendenzen abzeichnen.
Es gilt abzuwarten, ob die Familien, die eine
Hilfe zur Erziehung beantragen, die unmittelbarer in der Familie wirkt, die
Hilfeform des Elternkursus auch annehmen werden.
Es wird nötig sein, sehr genau zu beobachten,
ob diese Umsteuerung der Erstanfragen nach Hilfen zur Erziehung langfristig
nicht dazu führen kann, dass sich abzeichnende Problemlagen in Familien
verfestigen und dadurch andere, teuere Hilfen notwendig werden.
IX. Zusammenfassung
Im Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt ist
deutlich gemacht worden, dass im Rahmen der Steuerung der Hilfe zur Erziehung noch
Optimierungspotential besteht.
Die Verwaltung schlägt vor, zunächst mit dem
Projekt der Elternkurse/Eltern-gesprächskreise die Möglichkeiten der
Kostenersparnis über 2 Jahre zu erproben.
Dabei ist sich die Verwaltung durchaus
bewusst, dass dieses Projekt auch Gefahren beinhaltet, da frühzeitige, unmittelbar
in der Familie wirkende Hilfen in der o.g. Zielgruppe nicht mehr zur Verfügung
gestellt werden sollen.