Begründung:
Mit Schreiben vom 25.05.2011
an den Rat der
Stadt Rheine beantragt die Fraktion Bündnis90/Die Grünen die städtischen
Straßen und Wirtschaftswege für den
Transport von radioaktivem Material zu sperren bzw. Durchfahrtsverbote zu
verhängen.
Die Stadt Rheine solle mit
dieser Maßnahme den ersten Schritt
einleiten, „atomfreie Stadt“ zu werden.
Der Antrag nebst Begründung ist als Anlage 1 beigefügt.
Die Prüfung dieses Antrages
durch die Verwaltung hat ergeben, dass eine solche Sperrung rechtlich nicht
zulässig ist.
Das Straßen- und Wegegesetz (StrWG)
des Landes
Nordrhein-Westfalen sieht in § 14 vor, dass der
Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der
Widmung und der verkehrsrechtlichen
Vorschriften gestattet ist (Gemeingebrauch). Die Straßen der
Stadt Rheine sind im Regelfall ohne Einschränkungen für den
öffentlichen Verkehr nach § 6 StrWG gewidmet worden.
Durch eine Teileinziehung kann die Widmung einer Straße nachträglich auf
bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke oder
Benutzerkreise beschränkt werden (§
7 StrWG).
Eine Beschränkung auf
bestimmte Benutzungsarten wird üblicherweise vorgenommen bezogen auf die
Art und Weise der jeweiligen
Verkehrsteilnahme, z.B. Beschränkung auf Fußgänger, Radfahrer, Reiter, oder Ausschluss einzelner Fahrzeuggruppen wie Pkw,
Lkw, Kräder oder
auch durch Tonnagenbeschränkungen oder
sonstige Vorgaben für Fahrzeugabmessungen.
Ein Ausschluss einer
Benutzungsart (Verbot des
Transportes von radioaktivem Material) durch eine Teileinziehung aller
öffentlichen Straßen, ist aus Sicht der
Verwaltung rechtlich schon deshalb
nicht zulässig, weil die Stadt Rheine mit einem solchen Verbot die Grenzen des kommunalen Selbstverwaltungsrecht überschreiten
würde.
Die ausschließliche
Gesetzgebungskompetenz für das Atomrecht liegt nach Artikel 73 Nr. 14 GG beim
Bund.
Das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) hat in einer Entscheidung vom 14.12.1990 zur „Atomwaffenfreie Zone“
München (BVerfGE 87,228) ausgeführt, dass die Erklärung des
Gemeindegebietes zur
„atomwaffenfreien Zone“ durch die Gemeindevertretung
die dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht
der Gemeinde
gezogenen Grenzen überschreitet. Das BVerfG führt in dem
Urteil aus, dass die Gemeinde aus
Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur ein kommunalpolitisches jedoch kein
allgemeinpolitisches Mandat erlangt. Die Gemeinde
ist von der Staatswillensbildung,
soweit diese sich auf die Ausübung der
verfassungsmäßigen Kompetenzen von Bund und Ländern
richtet, ausgeschlossen.
Nach Auffassung der Verwaltung sind die in dem
Urteil des BVerfG geäußerten
Grundsätze auf die hier geäußerte Absicht des
Verbotes des Transportes von
radioaktivem Material im Gebiet der
Stadt Rheine übertragen. Eine Regelung, die zum Ausschluss des Transportes von radioaktivem Material führt,
greift unmittelbar in den
Kompetenzbereich des Bundesgesetzgebers ein, da jeglicher Verkehr dieser
Güter unmöglich gemacht wird. Hinter der
intendierten politischen Aussage verbirgt sich auch nicht deshalb eine kommunale Angelegenheit, weil sich
diese Transporte unmittelbar auf das Stadtgebiet Rheines auswirken können. Dies
ist allein der Natur der Sache geschuldet,
dass die kommunale Ebene der Gemeinde im Staatsaufbau an unterer Stelle steht. Es bedeutet aber nicht, dass damit – weil sich Bundesgesetze eben auch auf dieser Ebene auswirken –
eine Angelegenheit zu einer kommunalen wird. Da auch nicht erkennbar ist, dass
Transporte auf die Planungshoheit oder
eine andere anerkannte
Rechtsposition der Stadt Rheine
„durchschlagen“ sondern deren Ausübung maximal im Rahmen der allgemeinen Gesetze konkretisieren, mangelt es der Stadt Rheine an der
notwendigen Regelungskompetenz. Das Handlungsfeld „Atomenergie“ ist dem Regelungsbereich des
Bundes durch das Grundgesetz übertragen
worden.
Auch nach den
Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist eine
solche Beschränkung nicht zulässig. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die
Bestimmungen der
Straßenverkehrsordnung in erster Linie den
Zweck haben, die Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs sicherzustellen, also den
Verkehrsfluss und die Sicherheit der
Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Daneben soll auch sichergestellt werden, dass andere
Rechtsgüter nicht durch die verkehrliche Nutzung mehr als zumutbar beeinträchtigt
oder aber beschädigt werden.
Zu diesem Zweck können Verbote, insbesondere auch Durchfahrtsverbote, für bestimmte
Fahrzeuge verhängt werden. Ein
generelles Durchfahrtsverbot auf allen städtischen Straßen für
kennzeichnungspflichtige Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Gütern
(Verkehrszeichen 261) würde auch
Transporte von radioaktivem Abfall erfassen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Verkehrszeichen
generell nur angeordnet („angebracht“) werden
dürfen, wenn eine Beeinträchtigung der
Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs abgewendet werden muss. Es muss also eine hohe Wahrscheinlichkeit
eines Schadenseintritts gegeben
sein, wenn ein solches Verkehrszeichen nicht angeordnet wird. Dies wäre z.B. gegeben,
wenn der Ausbauzustand der Straßen nicht für die Beförderung solcher Güter geeignet wäre. Dies kann aber
allgemein für die Straßen in Rheine nicht festgestellt werden.
Im Übrigen würde
ein solches generelles Verbot auch alle anderen
Fahrzeuge, die kennzeichnungspflichtige gefährliche Güter transportieren, betreffen.
Für eine solche Beschränkung auf Fahrzeuge aller Art gäbe es keinen hinreichenden sachlichen Grund, so dass sich eine solche
verkehrsrechtliche Anordnung als rechtswidrig erweisen dürfte. In der Praxis hätte dies zur Folge, dass Firmen und
auch Privatpersonen in Rheine nicht mehr mit kennzeichnungspflichtigen
gefährlichen Gütern (z.B. Kraftstoffe) beliefert werden
könnte, was aber im Alltagsleben unabdingbar ist.
Eine Beschränkung des
Durchfahrtsverbotes auf Fahrzeuge mit radioaktivem Abfall sieht die StVO als
Verkehrszeichen nicht vor. Aus Sicht der
Verwaltung kann auch eine Anordnung über ein Zusatzschild („Nur für Fahrzeuge
mit radioaktivem Material“) zu diesem Verkehrzeichen 261 nicht erfolgen. Die Anordnung
eines Zusatzschildes kann ebenfalls
nur vorgenommen werden, wenn eine
hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts
gegeben ist.
Diese hohe Wahrscheinlichkeit kann aus Sicht der Verwaltung nicht mit der
pauschalen Behauptung „Atomtransporte sind generell als unsichere Transporte
einzustufen, bei denen ein Schadenseintritt sehr wahrscheinlich ist“ gerechtfertigt
werden. Dabei ist zu beachten, dass
diese Transporte nach der
Strahlenschutzverordnung im Regelfall durch das Bundesamt
für Strahlenschutz (BfS) zu genehmigen sind. Sicherheitsaspekte werden somit schon bei der
Entscheidung über die Transportgenehmigung geprüft. Zudem
kann eine solche generelle Wahrscheinlichkeit auch nicht mit empirischen Daten
belegt werden.
In einer solchen Beschränkung dürfte aber auch ein
unzulässiger Eingriff in Grundrechte Dritter zu sehen sein. Artikel 12 und 14
GG schützen die allgemeine Wirtschaftsfreiheit. Hier würde
v.a. durch ein Transportverbot in durch Artikel 12 GG geschützte des Beruf des
Transporteurs von solchen Gütern in unzulässiger Weise eingegriffen werden. Diese könnten im Geltungsbereich der Beschränkung keinen Transport von solchen
Güternund wären somit in ihrer wirtschaftlichen Existenz – dann im
Schutzbereich des Artikels 14 - gefährdet. Auf der
Rechtfertigungsebene bliebe als Argument einerseits der
Wunsch nach Freihaltung von atomaren Transporten – eine wegen der o.a. abstrakten Gefährdungslage – aber v.a.
politischer denn sachlicher Aspekt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass durch ein
Verbot des Transportes von
radioaktivem Material ein Betrieb von Strahlenkliniken und radiologischen Praxen
in Rheine nicht mehr möglich sein dürfte, da auch diese radioaktives Material
verwenden, welches transportiert werden muss.
Insgesamt ist der
Antrag zurückzuweisen.