Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Schulausschuss beschließt in Anlehnung an die Stellungnahme von Herrn Dr. Garbe, welcher von der Stadt Rheine mit der Erstellung des integrierten Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplans für die Schuljahre 2012/13 – 2017/18 beauftragt worden ist, Grundschuleinzugsbereiche in Rheine nicht wieder einzuführen.
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Begründung:
Historie
In § 39 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.02.2005 wurde festgelegt, dass Schülerinnen und Schüler die für ihren Wohnsitz zuständige Schule besuchen, sofern Schulbezirke gebildet wurden.
In Ausnahmefällen konnten die Schulaufsichtsbehörden gemäß § 39 Abs. 3 Schulgesetz im Einvernehmen mit den beteiligten Schulträgern auf Antrag der Eltern aus wichtigem Grund den Besuch einer anderen als der zuständigen Schule gestatten.
Wichtige Gründe zur Genehmigung des Besuchs einer anderen als der schulbezirklich zuständigen Schule waren insbesondere:
- nachschulische Betreuung durch einen zur Schule nahe gelegenen Hort
- nachschulische Betreuung durch Freunde / sonstige Betreuungspersonen im Umfeld der Schule sowie
- die Betreuung des Kindes nach Schulschluss in der schulnah gelegenen Arbeitsstätte der Erziehungsberechtigten.
Mit dem Schulrechtsänderungsgesetz vom 27.06.2006 wurde § 39 Schulgesetz ersatzlos aufgehoben, jedoch mit Anwendbarkeit dieser Vorschrift übergangsweise bis zum 31.07.2008. Den Schulträgern wurde das Recht eingeräumt, für Grundschulen die Wirkung des § 39 Schulgesetz bereits zum 01.08.2007 außer Kraft zu setzen. Von dieser Möglichkeit wurde in Rheine kein Gebrauch gemacht, so dass die Schulbezirksgrenzen am 01.08.2008 aufgehoben wurden.
Mit Schreiben vom 07.10.2010 hat die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen die Wiedereinführung der Schulbezirksgrenzen beantragt. In einem Schreiben an die Bürgermeisterin führt sie aus, dass sie aufgrund der Entwicklungen im Grundschulbereich eine Wiedereinführung der Grundschulbezirksgrenzen für notwendig halte, weil die seinerzeitige Auflösung der Bezirksgrenzen z. B. zu einer Bestandsgefährdung für die Konradschule und zu einer gesellschaftlichen Separierung in der Ludgerusschule Schotthock geführt habe.
Kapazitäten der Rheiner Grundschulen
Wegen des Wegfalls der Schulbezirksgrenzen zum 01.08.2008 wurde in der Ratssitzung am 28.10.2008 die Zügigkeit der Grundschulen festgelegt. Die Erfahrungen der Anmeldeverfahren seit dem Schuljahr 2008/2009 zeigen, dass an allen Rheiner Grundschulen grundsätzlich ausreichende Kapazitäten zur Aufnahme der Schülerinnen und Schüler vorhanden sind.
Lediglich in Ausnahmefällen mussten einzelne Aufnahmeanträge von Kindern ohne Bekenntnis oder von Kindern mit fremdem Bekenntnis an den Bekenntnisgrundschulen abgewiesen werden. In allen Fällen konnte den Erziehungsberechtigten jedoch ein alternativer Schulplatz an einer anderen, jedoch stets wohnartnahen Grundschule angeboten werden.
Vor dem Hintergrund der Klarstellung des Schulministeriums, wonach aus Gründen des Artikels 4 Grundgesetz den Bekenntniskindern bei der vorrangigen Aufnahme an Bekenntnisschulen solche Kinder gleichzustellen sind, deren Eltern ausdrücklich den Unterricht und die Erziehung in dem Bekenntnis wünschen, ist nun auch für die Zukunft zu erwarten, dass nahezu alle Kinder wohnortnah beschult werden können.
Anmeldeverhalten im Schuljahr 2011/2012
Im
Durchschnitt wurden 15 % aller Schüler/innen nicht in der Schule ihres
„Schulbezirkes“ angemeldet (Schuljahr 2011/2012).
Dabei weichen in folgenden „Schulbezirken“ die „abgewanderten“ Schüler/innen deutlich vom Durchschnitt ab:
Gertrudenschule                       28 % in anderem Schulbezirk
angemeldet
Ludgerusschule Schotthock      36 % in anderem Schulbezirk
angemeldet
Johannesschule Eschendorf      33 % in anderem Schulbezirk
angemeldet
Johannesschule Mesum            24 % in anderem Schulbezirk
angemeldet
Bei der Ermittlung der Zahlen wurde immer berücksichtigt, dass sowohl die Gemeinschaftsschule als auch die Bekenntnisschule als „richtiger“ Schulbezirk gilt. War ein Schüler z. B. der Michaelschule im Schulbezirk zugeordnet, aber an der Kardinal-von-Galen Schule angemeldet, so gilt er natürlich als in seinem Schulbezirk angemeldet.
Stellungnahme von Dr. Garbe
vom 07.09.11 zur Wiedereinführung von Grundschulbezirken in Rheine
(Dr. Garbe wurde von der Stadt Rheine mit der Erstellung des integrierten Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplans für die Jahre 2012/13 – 2017/18 beauftragt.)
Einführung von
Grundschulbezirken: Pro und Contra |
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Pro |
Contra |
Die Einführung von Schulbezirken führt zur Planungssicherheit für Schulträger und Schulen, da die Größe der Schulbezirke auf das Verhältnis von Geburten-/Einschulungspotential und Größe der Grundschule zugeschnitten werden kann. |
Dies gilt nur, wenn in den „Bezirken“ die Geburten-/Einschulungspotentiale stabil bleiben. Dies ist in der Regel nicht der Fall, dann müssten die Schulbezirke wieder angepasst werden. |
Durch die Schulbezirke wird die Heterogenität der Schülerschaft in den Grundschulen sichergestellt, weil die Beschulung in einem „fremden“ Schulbezirk erschwert wird. Somit werden überproportional hohe Migrationsanteile in einer Grundschule vermieden. |
Dies gilt nur, wenn die Einwohnerschaft in einem Schulbezirk wirklich heterogen ist. Allerdings sind Ausnahmeregelungen nicht wirklich zu verhindern. Genehmigungen von Ausnahmen wissen vor allem Eltern bildungsnaher Schichten durchzusetzen, um ihre Kinder an einer vermeintlich besseren Grundschule anzumelden. |
Der Wettbewerb um Grundschüler ist aus pädagogischer Sicht eher fatal. Die Schulen können sich statt auf ihre Außendarstellung stärker auf die Arbeit mit den Kindern und den Unterrichtsalltag konzentrieren. |
Die Einführung der Grundschulbezirke verhindert/erschwert
die freie Wahl der Eltern und Erziehungsberechtigten einer Grundschule. |
Die Einführung von Grundschulbezirken stabilisiert die Vernetzung der Schule mit den vorschulischen Einrichtungen und den Vereinen im Bezirk. |
Die Zusammenarbeit mit den vorschulischen Einrichtungen
erfolgt im Kontext der Sprachförderung und des Übergangsmanagements bei jeder
Grundschule – unabhängig von der Existenz von Bezirken. |
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Die Einführung von Schulbezirken für die Gemeinschaftsgrundschulen erhöht das Anmeldepotential für alle Bekenntnisschulen als Schulen, die nicht bzw. nur für das jeweilige Bekenntnis von den Bezirksgrenzen „tangiert“ sind. |
Die Einführung von Schulbezirken sichert die Standorte von Grundschulen. |
Die Einführung von Schulbezirken verhindert nicht bei
zurückgehenden Schülerzahlen die kommunalpolitische Diskussion und
Entscheidung über den Erhalt bzw. die Schließung von Grundschulstandorten
bzw. die Einführung von Grundschulverbünden. |
Der "Kinder-Schul-Tourismus": Kindertransport
quer durch die Stadt wird verringert. |
Ohne Schulbezirke haben Eltern die freie Schulwahl; Elternzufriedenheit verbessert, weil man die Kinder bei "Seinesgleichen" mit besseren Chancen sieht. |
Handlungsempfehlung von Dr. Garbe:
Auf der Basis unserer Erfahrungen in der Umsetzung von
Schulentwicklungsplanungen hilft die Einführung von Grundschulbezirken mit dem
Ziel, die Heterogenität bei ansonsten sich hinsichtlich der Zusammensetzung der
Schülerschaft problematisch
entwickelnden Schulen herzustellen, wenig. Die Chancen, die Kinder über
Ausnahmeregelungen, die Anmeldung an
einer Bekenntnisschule oder an einer reformpädagogisch orientierten Schule
anzumelden, werden genutzt.
Aus durchaus begründeten gesellschaftspolitischen Gründen, den Elternwillen
einzuschränken, ist eine Grundsatzfrage, die vermutlich nur auf der jeweiligen
persönlichen Wertebasis entschieden werden kann.
In der Praxis scheinen mir folgende Punkte wichtiger als ein Disput über Grundsätzliches:
·
Hinsichtlich der Heterogenität in den
Grundschulen ist das Verhältnis von Bekenntnisschulen und Gemeinschaftsschulen
in einer Stadt viel problematischer. Zugespitzt könnte man sagen: wer
Durchmischung und Heterogenität will, muss für das Angebot von
Gemeinschaftsschulen sorgen.
Damit kein Missverständnis entsteht: Dies ist keine Aussage gegen die Bedeutung
von Religion oder fundamentalen Werten und ihrer Relevanz in der Erziehung und
Persönlichkeitsentwicklung.
· Wenn es faktisch in einzelnen Sozialräumen einer Stadt „Problemschulen“ gibt, sollte deren Situation durch zusätzliche Anreize und Ressourcen (Pädagogik, Sozial- und Elternarbeit, Jugendhilfe, Diagnostik; Qualität der Infrastruktur etc.) verbessert werden.
Insofern empfehle ich, die Grundschulbezirke nicht wieder einzuführen.
gez. Dr. Garbe
Anlagen:
Antrag Bündnis 90 / Die Grünen zur Wiedereinführung der Schulbezirksgrenzen vom 07.10.2010