Betreff
Vormundschaftsreform und personelle Auswirkungen
Vorlage
116/12
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die zusätzlichen Informationen der Verwaltung zur Umsetzung der Reform des Vormundschaftsrechts zur Kenntnis und verbleibt bei seinem Beschluss vom 26. 01. 2012 auf Einrichtung von 2 Vollzeitstellen im Produkt 2103 „Gesetzliche Vertretung für Minderjährige und Erwachsene“.


Begründung:

 

Die Umsetzung der Reform des Vormundschaftsrechts ist im Rahmen der Sitzungsvorlage für den JHA (Vorlage Nr. 446/11 für die Sitzung am 24. 11. 2011) vorgestellt worden mit dem Ziel, nach Abklärung der noch offenen Fragen einen Beschlussvorschlag zur Umsetzung der Reform des Vormundschaftsrechts zu unterbreiten.

 

Im Rahmen der Ausschussberatungen wurde die bereits in der Sitzungsvorlage aufgegriffene Variante „Wahrnehmung der Aufgaben durch Vereinsvormundschaften“ (siehe Ziffer IV. der damaligen Vorlage) von Ausschussmitgliedern thematisiert. Hierzu verwies die Verwaltung auf das noch ausstehende Gespräch mit dem Familiengericht.

 

I.      Rückmeldung durch das Familiengericht

 

Seitens des Familiengerichtes erfolgt am 10. 01. 2012 folgende Stellungnahme:

 

 

I.       Das Familiengericht wird eine Bestellung zum Vormund und dessen Auswahl einzelfallabhängig vornehmen.

 

II.     Eine Festlegung auf die ausschließliche Bestellung des Jugendamtes oder eines Vereins wird es seitens des Gerichtes nicht geben.

 

III.    Für den Fall der Bestellung eines Vereins wird es unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz ) eine Vergütung an den Verein dann geben, wenn ein Mitarbeiter eines Vereins namentlich zum Vormund bestellt wird. Die Bestellung des Vereins als Vormund schließt eine Vergütung durch Justiz aus.

 

IV.     Die Familiengerichte sind nicht verpflichtet, auf Vorschlag des Jugendamtes ausschließlich Vereinsvormünder vorrangig vor Jugendämtern zum Vormund zu bestellen.


 

II.    Grundsätzliches zur Aufgabenwahrnehmung

 

Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet Vormundschaften des Jugendamtes, in die

 

  • die kraft Gesetzes entstehen (gesetzliche Amtsvormundschaft) und solche, die
  • durch das Familiengericht angeordnet werden (bestellte Amtsvormundschaft)

 

Die gesetzliche Amtsvormundschaft tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein, wenn ein im Gesetz bestimmter Schutztatbestand erfüllt ist. Da im Bürgerlichem Gesetzbuch geregelt ist, dass in den dort beschriebenen Fällen das Jugendamt automatisch Vormund wird, ist für diese Fallgestaltungen auf alle Fälle sicherzustellen, dass für diese Aufgabenerledigung auch die personellen Ressourcen im Jugendamt vorgehalten werden. Die Fälle der gesetzlichen Amtsvormundschaften müssen somit direkt vom Jugendamt bearbeitet werden und sind nicht übertragbar. Das führt dazu, dass auf alle Fälle eine personelle Ressource für die Aufgabenwahrnehmung im Jugendamt vorhanden sein muss.

 

 

III.   Mögliche Varainten und Abwägung der Vor- und Nachteile

 

Für die übrigen Fälle bieten sich unter Berücksichtigung der Informationen des Familiengerichtes für die Aufgabenerledigung theoretisch folgende Varianten an:

 

Variante I

 

Variante II

Variante III

Aufgabenerledigung ausschließlich durch namentlich bestellte Vereinsvormünder

Aufgabenerledigung ausschließlich durch Mitarbeiter des Jugendamtes als Amtsvormund

Aufgabenerledigung sowohl durch Vereinsvormünder als auch durch das Jugendamt als Amtsvormund

 

Für die Vorbereitung einer Entscheidung bezüglich der Anbindung der Aufgabenerledigung sollen nachstehend die Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten beschrieben werden.

 

Variante I            Aufgabenerledigung ausschließlich durch namentlich bestellte Vereinsvormünder

 

Vorteile

Nachteile

  • Für namentlich bestellte Vereinsvormünder besteht ein Vergütungsanspruch nach dem Vormünder und Betreuervergütungsgesetz gegenüber der Justizkasse. Insofern sind bei der Kommune Minderausgaben zu verzeichnen. Es ist damit zu rechnen, dass der Verein maximal eine finanzielle Förderung in Höhe der nicht gedeckten Restkosten von der Kommune erwartet.
  • Die Garantenstellung des Jugendamtes aus § 55 SGB VIII bleibt nach wie vor bestehen. Dem Familiengericht können keinerlei Vorschriften in Bezug auf die zu bestellende Person des Amtsvormunds/Amtspflegers gemacht werden. Das Jugendamt hat maximal ein Vorschlagsrecht.

 

  • Eine Aufgabenerfüllung für den Fall, dass das Jugendamt bestellt wird, ist mangels entsprechender Ressourcen nicht möglich.

 

  • Nach § 55 Abs. 2 SGB VIII soll das Jugendamt vor der Ãœbertragung der Aufgaben des Amtspflegers oder Amtsvormunds das Kind oder den Jugendlichen zur Auswahl des Beamten oder Angestellten mündlich anhören. Diese Aufgabe kann durch eine komplette Abgabe an einen Verein wegen des Personalmangels nicht wahrgenommen werden.

 

  • Der Vereinsbetreuer bzw. dessen Vorstand wird auch die Finanzierung von Overheadkosten geltend machen.

 

 

 

 

Variante II          Aufgabenerledigung ausschließlich durch Mitarbeiter des Jugendamtes als Amtsvormund/Amtspfleger

 

Vorteile

Nachteile

  • Die aus § 55 SGB VIII herzuleitende Garantenstellung kann jederzeit eingelöst werden.

 

  • Im Rahmen der Organisationshoheit der Bürgermeisterin hat das Jugendamt unmittelbaren Einfluss auf die Aufgabenwahrnehmung des Amtspflegers/ Amtsvormundes.

 

  • Eine Vertretungsregelung innerhalb des Jugendamtes ist dann besser gewährleistet, wenn auch tatsächlich die beiden Stellen einer Organisationseinheit angebunden sind.

 

  • Die im § 55 Abs. 2 SGB VIII ausschließlich dem Jugendamt obliegende mündliche Anhörung des Mündels vor der Aufgabenübertragung auf einen Vormund ist leistbar und praktikabel.

 

  • Der Vergütungsanspruch gegenüber der Justizkasse entfällt.

 

 

Variante III         Aufgabenerledigung sowohl durch Vereinsvormünder als auch durch das Jugendamt als Amtsvormund/Amtspfleger

 

Vorteile

Nachteile

  • Die Vergütungsregelung nach dem Vormünder und Betreuervergütungsgesetz entlastet die Kommune teilweise.
  • Die Vertretungsregelungen sind unter Berücksichtigung der Stellenanteile und der unterschiedlichen räumlichen Unterbringung schwierig bis unmöglich.

 

  • Die im § 55 Abs. 2 SGB VIII ausschließlich dem Jugendamt obliegende mündliche Anhörung des Mündels vor der Aufgabenübertragung auf einen Vormund ist in Ermangelung entspre4chener Personalressourcen nicht leistbar.

 

 

IV.   Zusammenfassung

 

Nach den aktuell gültigen Fallzahlen besteht in Rheine für die Aufgabenwahrnehmung ein Personalmehrbedarf in Höhe von 2 Vollzeitstellen für die reine Aufgabenwahrnehmung für und an den Kindern.

 

Die Verwaltung ist der Auffassung, dass unter Abwägung der beschriebenen Vor- und Nachteile nur die Variante II als realistische Lösung in Frage kommt.

 

Diese Aussage wird überwiegend bzw. ausschließlich mit der Größe des Jugendamtes der Stadt Rheine bzw. den hier vorliegenden Fallzahlen im Bereich der Amtsvormundschaften und  –pflegschaften begründet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Aufgaben nicht auf einen Verein übertragen werden können (gesetzliche Amtsvormundschaften, Anhörung des Mündels vor der Bestellung eines Vormundes). Für diese Aufgaben muss im Jugendamt eine personelle Ressource vorgehalten werden.

 

Eine Aufteilung der beiden Stellen je zu 50 % auf das Jugendamt und auf einen Verein ist nach Auffassung der Verwaltung aus Gründen der Praktikabilität nicht sinnvoll (Sicherstellung von Urlaubs- und Krankheitsvertretung bei räumlich getrennter Unterbringung der beiden Personen, Zugriff auf Fallakten bei Abwesenheit des bestellten Vormundes, Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme, wenn der Vormund kurzfristig ausgefallen ist)

 

Für größere Jugendämter mit erheblich höheren Fallzahlen ist eine Aufgabenverteilung auf das Jugendamt einerseits und auf Vereine anderseits durchaus sinnvoll und praktikabel. Diese Voraussetzungen sind unter Berücksichtigung der Fallzahlen bei kleinen Jugendämtern nicht gegeben. Ausschließlich vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag zu sehen, die Aufgabenerledigung beim städt. Jugendamt anzubinden.

 

 

V.              Persönliche Voraussetzungen zur Wahrnehmung der

        Aufgabe als Amtsvormund/Amtspfleger                

 

 

Die Aufgaben eines Amtsvormundes/Amtspflegers können sowohl von sozialpädagogischen Fachkräften als auch von Verwaltungsfachkräften wahrgenommen werden. Je nach Fallgestaltung kann die eine oder die andere Profession hilfreich sein. Die letztendliche Entscheidung über die Profession der beiden zu besetzenden Stellen wird im Rahmen des Personalauswahlverfahrens getroffen.

 

 

VI.   Ausblick

 

Ein zusätzlicher Personalmehrbedarf wird sich noch ergeben aus den anfallenden Tätigkeiten vor der Bestellung eines Vormundes/Pflegers (Gewinnung ehrenamtlicher Vormünder/Pfleger, Gestaltung der Anbahnungsphase nach § 55 Abs. 2 SGB VIII). Der entsprechende Stellenmehrbedarf ist noch zu ermitteln.