Betreff
Haushaltskonsolidierung - Handlungsempfehlung der Gemeindeprüfungsanstalt für den Bereich Sport im Gutachten "Grünflächen"
Vorlage
330/12
Aktenzeichen
II-1.50-dG
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sportausschuss empfiehlt dem Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Rheine, den Handlungsansatz zum Erstellen eines Konzeptes zur Bedarfs- und Entwicklungsplanung unter Einbeziehung der demographischen Entwicklung – Umrüstung von Rasen- auf Kunstrasenplätze und/oder Überführung in eine andere Nutzung nicht weiter zu verfolgen.

 


Begründung:

 

Mit der Auflösung der Strategie- und Finanzkommission sollten die noch nicht abschließend behandelten Themen zu Konsolidierungsvorschlägen aus Bürgeranregungen sowie mögliche Handlungsansätze für Konsolidierungsmaßnahmen in den jeweiligen Fachausschüssen vorberaten und zur endgültigen Entscheidung in den Rat der Stadt Rheine eingebracht werden.

 

Da seitens der Bürgerinnen und Bürger zum Sportbudget keine Einsparvorschläge unterbreitet wurden, ist eine Beratung diesbezüglich entbehrlich.

 

In der Strategie- und Finanzkommission (SFK) wurde jedoch – angestoßen durch einen Prüfungsbericht der Gemeindeprüfungsanstalt aus dem Jahr 2010 - die Empfehlung ausgesprochen, durch Umwandlung von Natur- in Kunstrasenflächen mögliche Einsparungen in einer Größenordnung von insgesamt 350.000 € zu prüfen.

Dieser Prüfung liegt die Idee zugrunde, aufgrund der demographischen Entwicklung (= nachlassende Nachfrage) nicht mehr benötigte Fußballfelder anderen Nutzungen zuzuführen. Ein identischer Effekt liesse sich durch Umwandlung in Kunstrasenfelder erzielen, weil die Dauer der Bespielbarkeit doppelt so hoch ist wie bei Naturrasenplätzen (ca. 2.000 zu 800 Stunden).

 

Die Empfehlung der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) kann aus Sicht der Verwaltung nicht aufrecht erhalten bzw. umgesetzt werden:

 

Bereits in ihrem Vorbericht weist die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) darauf hin, dass ihrem Benchmark die Richtwerte aus dem „Goldenen Plan Ost“ zugrunde liegen (Seite 6 vorletzter Absatz des GPA-Berichtes zu Grünflächen, s. Anlage 1).

Diese Vorgehensweise wird auf Seite 39 Absatz 3 des Abschlussberichtes zum Thema Grünflächen noch einmal bekräftigt (s. Anlage 2).

Insoweit resultieren alle von der GPA getroffenen Feststellungen und Handlungs­empfehlungen auf diesen Grundlagen.

 

Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die GPA mit den vorgenannten Richtwerten überalterte Basisdaten für ihre Untersuchungen benutzt hat, die als Berechnungsgrößen für die Ermittlung notwendiger Sportflächen nicht mehr ausreichen und die Feststellungen sowie Handlungsempfehlungen der GPA somit keine (solide) Grundlage für das genannte Einsparvolumen in Höhe von 350.000 € darstellt.

 

Dieser von der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) im Jahr 1961 vorge­legte „Goldene Plan für Gesundheit, Spiel und Erholung“ bediente sich eines ein­fachen rechnerischen Mittels, der Richtwertmethode. Hierbei wurden Einwohner­zahl und Sportfläche einer Kommune ins Verhältnis gesetzt und mit einer bun­desweit einheitlich festgelegten Grundversorgung (z.B. 4 m² Sportfläche je Ein­wohner/in) multipliziert.

 

Diese starren Grundlagen reichen für das heutige Planungsniveau nicht mehr aus. Die sich ständig verändernden Sportarten, Interessen und Organisationsformen einer zunehmenden Zahl an Sporttreibende/n sowie die demographische Entwicklung wie auch regionale Unterschiede werden hierdurch nicht erfasst;

die Berechnungen nach dem „Goldenen Plan“ sind somit antiquiert und nicht mehr anwendbar.

 

Als Beispiel zu nennen ist in diesem Zusammenhang einerseits die Feststellung der GPA, dass Rheine bezogen auf die Anzahl der Sportplätze mit 0,58 Plätzen je Tausend Einwohner/innen 57 Prozent über dem Mittelwert (= 0,37 Plätze) der Vergleichsstädte liegt (S. 37 GPA-Bericht).

In einem Widerspruch hierzu steht die gleichzeitige Feststellung, dass Rheine über mehr als 70 Sportvereine verfügt, über 26.000 Vereinsmitglieder (davon 8.000 Fußballer/innen) verzeichnet und damit einen Organisationsgrad von mehr als 30 Prozent der Bevölkerung aufweist.

Erst durch einen Vergleich des Organisationsgrades mit den Sportplatzflächen wäre ein realistischer interkommunaler Vergleich möglich, aus denen sich Handlungsalternativen ableiten ließen.

 

Moderne Verfahren zur Sportstättenentwicklungsplanung zeichnen sich durch vier Untersuchungsschritte aus:

 

  1. Erstellen einer Studie über das Sportverhalten (= empirische Erhebung über die ausgeübten Sportarten und Häufigkeiten der Ausübung).
  2. Aufstellen eines Sportstättenatlas (= Bestandserfassung aller Sportstät­ten).
  3. Bilanzieren von Sportverhalten und Sportstättenatlas (= Vergleich von Sportanlagen-Bedarf und Sportanlagen-Ist).
  4. Festlegen eines Maßnahmenkonzeptes

 

Anhand dieser Vorgehensweise wurde nach langjähriger Erprobungsphase im Jahr 2001 eine Grundformel zur Errechnung des Sportbedarfes erstellt, die all­gemein anerkannt ist.

 

Diese Sportstättenentwicklungsplanung wurde in den Jahren 2001 und 2002
von Herrn Prof. Dr. Horst Hübner von der Bergischen Universität-Gesamthoch­schule Wuppertal auch für die Stadt Rheine erstellt.

 

Er kommt zu folgenden Ergebnissen:

 

  • Die Stadt Rheine benötigt zwischen 43 (unter Wert) und 49 (oberer Wert) Sportplätze. Der obere Wert ergibt sich, wenn alle fußballsportlich aktiven Rheinenser, also auch solche, die nicht an Wettkämpfen teilnehmen, be­rücksichtigt werden.

     Der untere Wert ergibt sich, wenn unterstellt wird, dass die nicht an Wett       kämpfen teilnehmenden Rheinenser insgesamt auf Klein- und Freizeitfeldern   aktiv sind.

  • Die zur Verfügung stehenden 44 Sportplätze können den Bedarf an Wett­kampf- und Ãœbungsfeldern weitgehend abdecken. Der rechnerische Fehlbe­darf zum oberen Wert (49) verringert sich in der Realität, da ein Teil der Fußballer/innen nicht in festen Wettkampfmannschaften spielt und auf Klein- und Freizeitspielfeldern aktiv ist.

     Anmerkung: Die innerstädtisch unterschiedliche räumliche Versorgung   von    Fußballplätzen wird an dieser Stelle nicht weiter erörtert.

  • Angesichts des sehr hohen Anteils an Rasenspielfeldern erscheint es sinn­voll, bei künftig anstehenden Sanierungsmaßnahmen den Bau eines Kunstrasenplatzes mit Flutlichtanlage (anstelle der Sanierung des Rasen­spielfeldes) in die Ãœberlegungen einzubeziehen.

 

Aufgrund der speziell auf die Stadt Rheine zugeschnittenen und durchgeführten Untersuchung unter Anwendung aktueller wissenschaftlicher Methoden ist das Gutachten von Professor Hübner fachlich fundiert und nachvollziehbar.

 

Die von der GPA aufgestellte These eines Flächeneinsparpotenziales von 224.800 m² mit einem Wert von 350.688 € ist damit nicht aufrecht zu erhalten.

 

Lediglich unter Beachtung der von Prof. Dr. Hübner im Jahr 2004 untersuchten Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Sport in Rheine könn­ten sich Einspareffekte erzielen lassen.

In seinem Bericht kommt Herr Prof. Dr. Hübner zu dem Ergebnis, dass aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt neuesten Prognose des Landesamtes für Daten und Statistik (LDS) mit erhöhten Zuwanderungen zu rechnen sei, die bis zum Jahr 2020 zu einem Zuwachs von etwa 1.000 auf dann 77.000 Einwohner in Rheine führen würde.

Gleichzeitig könne durch das zunehmende Alter der Bevölkerung die Nachfrage nach bzw. das Interesse am Fußballsport von 12,5 % auf 11.4 % der Sporttrei­benden sinken. Dies hätte zur Folge, dass sich der Bedarf an Großspielfeldern auf 36 (unterer Wert) und 42 (oberer Wert) verringert.

 

Die Entwicklung der Mitgliedszahlen der Rheiner Fußballvereine seit dem Jahr 2008 ist uneinheitlich; einige Vereine verzeichnen steigende Mitgliedszahlen, an­dere Vereine haben leicht abnehmende Daten.

Insgesamt ist ein lediglich schwacher Trend in Richtung Mitgliederverlust zu ver­zeichnen. Dieser hat bisher allerdings nicht dazu geführt, dass (einzelne) Fuß­ballfelder aufgegeben wurden bzw. werden konnten. Alle Fußballplätze werden im vorgesehen Rahmen bzw. der üblichen Nutzungsdauer bespielt.

 

Insoweit ist eine Prognose über mögliche Einsparungen im Rahmen von nicht mehr genutzten Fußballplätzen derzeit nicht möglich.
Im Übrigen würde sich die Einsparung bei einem nicht mehr genutzten Fußball­feld auf lediglich 6.500 € pro Jahr belaufen. In dieser Höhe erhalten Vereine mit vereinseigenen Anlagen einen Zuschuss zu den Platzpflegekosten.

Da ein signifikanter Mitgliederverlust nicht prognostiziert werden kann, wird vorgeschlagen, auf Einsparungen aufgrund demographischer Entwicklungen zu verzichten.

 

Auch im Bereich der Umwandlung von Natur- in Kunstrasenplätze werden sich absehbar keine Einsparungen erzielen lassen.

Der Bau eines Kunstrasens bietet im Vergleich zu einem Naturrasenplatz zwei Vorteile:

 

  1. Der Kunstrasen kann häufiger (maximal 2.000 Jahresstunden) bespielt wer­den als ein Naturrasenplatz (ca. 800 Jahresstunden) Insoweit könnten beim Bau mehrerer Kunstrasenplätze verhältnismäßig mehr Naturrasen­plätze eingespart werden.
  2. Die Aufwendungen für Rasenpflege sind bei einem Kunstrasen geringer als  bei Naturrasen. Somit könnten die Transferleistungen an die Technischen Betriebe Rheine für die Pflege städtischer Stadien sowie die Zuschüsse für Platzpflegekosten an Vereine mit eigenen Anlagen verringert werden.

 

Dem stehen zwei wesentliche Nachteile gegenüber:

 

  1. Der Kunstrasen hat – je nach Nutzungsintensität – eine Haltbarkeitsdauer von 10 bis 15 Jahren, ein Rasenplatz kann bei entsprechender Pflege praktisch unbegrenzt genutzt werden.

     Somit müssten für den Kunstrasen periodisch zusätzliche Finanzmittel bereit           gestellt werden.

  1. Die Umwandlung von Naturrasen- bzw. Tennenplätzen in Kunstrasen be­darf erheblicher Investitionen. Dem Sportservice liegen Gutachten mit Kostenschätzungen aus dem Jahr 2011 über Umwandlungen in einen Kunstrasenplatz mit einem Finanzrahmen von 542.000 € bis über 900.000 € je Platz vor.

 

Bekanntlich beschäftigt sich derzeit eine Projektgruppe mit dem Pilotprojekt zur Errichtung eines ersten Kunstrasenplatzes im städtischen Jahnstadion. Die Finan­zierung soll einmalig über Einsparung nicht ausgezahlter Investitionskostenzu­schüsse an Sportvereine über einen Zeitraum von drei Jahren (2011 bis 2013) erfolgen, die Restfinanzierung mit einem Volumen von ca. 212.000 € soll seitens der Stadt Rheine vorfinanziert und durch Nutzungsentgelte von den Vereinen, die den Kunstrasenplatz nutzen, refinanziert werden.

 

Diese Vorgehensweise kann nicht dauerhaft angewendet werden, weil die ver­fügbaren Mittel für Investitionskostenzuschüsse regelmäßig in voller Höhe für ihren Zweck benötigt werden.

 

Da aufgrund der angespannten Haushaltslage mittelfristig nicht damit zu rechnen ist, dass zusätzliche Mittel für den Bau weiterer Kunstrasenplätze zur Verfügung gestellt werden, ergeben sich auch hieraus keine Einsparmöglichkeiten.

 

Sofern sich wider Erwarten entgegen der Sportentwicklungsplanung von Herrn Prof. Hübner sinkende Nachfragen nach Rasenplätzen verzeichnen lassen und zu entsprechenden Einsparungen führen, wird der Sportservice selbstverständlich unverzüglich die finanziellen Auswirkungen berichten und im Budget nachvollziehen.

 

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Auszug aus dem Vorbericht der Gemeindeprüfungsanstalt zu Grünflächen

Anlage 2: Auszug aus dem Prüfungsbericht der Gemeindeprüfungsanstalt zu

               Grünflächen