Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Stadtentwicklungsausschuß „Planung und Umwelt“ nimmt den Sachstandsbericht zur energieoptimierten Stadtplanung zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung für eine der nächsten Sitzungen hierzu konkrete Beschlussvorschläge zu erarbeiten.
Beratungsgrundlage/Sachverhalt:
Die ambitionierten Ziele der Stadt und des Rates um den Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung (vgl. auch Vorlage 397/11) werden durch einige Maßnahmen der Stadtverwaltung und der TBR angegangen. Nach einem Impulsreferat durch Herrn Hübner, Fa. GERTEC aus Essen in der Sitzung am 23.11.2011 sollen künftig konkrete Maßnahmen für die Aufgaben des FB 5.1 – Stadtplanung definiert werden. Die grundsätzlichen Ziele der Stadtentwicklung (sparsamer Umgang mit unversiegelten Flächen, Bevorzugung der Nachverdichtung und Brachflächenentwicklung) haben natürlich weiterhin Bestand.
Solarenergetische Prüfung
Die Verwaltung hält es im obigen Sinne für zielführend städtebauliche Entwürfe für Wohnbaugebiete künftig einer regelmäßigen solarenergetischen Prüfung mit dem Programm GOSOL zu unterziehen. Im Regelfall sollte dabei eine Nutzung des solarenergetischen Potenzials von mehr als 75 % angestrebt werden.
Die
solarenergetische Prüfung städtebaulicher Entwürfe für Neubaugebiete und größere
Nachverdichtungsvorhaben hat zum Ziel in einer möglichst frühen Phase des
Bauleitplanverfahrens den städtebaulichen Entwurf im Hinblick auf sein
Potenzial zur Nutzung der Sonneneinstrahlung für die Beheizung der Gebäude –das
passiv-solare Potenzial - zu prüfen und zu optimieren. Durch die Prüfung sollen
möglichst hohe passiv-solare Gewinne erzielt werden.
Unter der passiven Nutzung
von Solarenergie wird die direkte Nutzung der Sonnenwärme über die
Sonneneinstrahlung auf Gebäudeoberflächen (Mauern, Dächer, Fenster) zur Deckung
des Heizwärmebedarfs verstanden. Sie wird unterschieden von der aktiven Solarnutzung.
Hier werden zur Nutzung der Sonnenenergie Solarkollektoranlagen (für Warmwasser)
und Photovoltaik-Solarmodule (für die Stromerzeugung) eingesetzt.
Mit der
Optimierung des passiv-solaren Potenzials einer städtebaulichen Planung soll
ein Beitrag zur Einsparung fossiler Energieträger und damit zur Verminderung
des CO 2-Ausstoßes und zum Klimaschutz geleistet werden. Da im Rahmen der
Prüfung eine optimale Südausrichtung der Gebäude angestrebt und Verschattungen
von Gebäuden möglichst vermieden werden sollen, wird die Attraktivität des Baugebietes
durch eine bessere Besonnung der Wohnräume zudem erhöht.
Mit der
solarenergetischen Vorprüfung städtebaulicher Entwürfe im Rahmen der
Bauleitplanung wird dazu beigetragen, dass die in § 1 Abs. 5 und 6 des Baugesetzbuches
(BauGB) dargelegten Planungsleitsätze und Belange des Klimaschutzes, insbesondere
die in § 1 Abs. 6, Nr. 7 Buchstabe f BauGB dargelegte „Nutzung erneuerbarer
Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie“ im Rahmen der
Planung angemessen berücksichtigt werden.
Die Ermittlung des solaren Potentials soll mit dem Programm GOSOL erfolgen. In NRW arbeiten 10% der Kommunen mit GOSOL, welches derzeit das einzige verfügbare Simulationsprogramm ist, mit dem städtebauliche Planungen zielgerichtet und schnell verglichen, bewertet und optimiert werden können.
Die Stadt Rheine hatte bereits in den 90er Jahren im Rahmen einer NRW-Lizenz das Programm erworben. In diesem Jahr wurde die neueste Version bezogen und getestet, so dass das Programm sofort zum Einsatz kommen könnte.
Das Programm GOSOL ist umfassend beschrieben auf: http://www.gosol.de/gosol-software.html.
Bei optimaler Gebäudeausrichtung und Einstrahlung beträgt der solare Gewinn 100%. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Darlegung der Ergebnisse der solarenergetischen Prüfung in Begründung und Umweltbericht kann eine 4-stufige Bewertungsskala herangezogen werden, die auch bei der Stadt Osnabrück erfolgreich eingesetzt wird.
Solarer Energiegewinn |
Bewertung |
100 – 85 % |
Sehr gute
Nutzung des solaren Potenzials |
85 – 75 % |
Gute
Nutzung des solaren Potenzials; Optimierung nur im Einzelfall, wenn keine
Konflikte mit anderen städtebaulichen Belange vorliegen |
75 – 65 % |
Eine Optimierung der solaren Nutzung wird empfohlen; ist dies nicht
sinnvoll, sind die Gründe darzulegen, warum keine Optimierung erfolgt |
< 65 % |
Eine Optimierung ist auf jeden
Fall erforderlich; der städtebauliche Entwurf ist grundsätzlich zu
überprüfen; nicht nur der energetische Aspekt, sondern auch die Wohnqualität
bezüglich der Lichtverhältnise ist stark eingeschränkt |
Grundsätzlich wird unter Berücksichtigung der anderen planerischen Belange eine Nutzung des solaren Potentials von mehr als 75 % angestrebt.
Bereits in der Phase der Erarbeitung der städtebaulichen Konzeption ist eine Überprüfung des städtebaulichen Entwurfs unter solarenergetischen Aspekten angebracht, um eine optimale Ausrichtung der „Energiegewinnfassade“ der Hauptbaukörper zum Zweck der passiven Solarnutzung zu ermöglichen.
Sinnvoll ist eine solche Prüfung vor allem bei der Entwicklung neuer Wohnbauflächen, da hier beheizte Gebäude mit meist geneigten Dächern erstellt werden, die sich neben der passiv-solaren Nutzung auch für eine aktiv-solare Nutzung mittels Solarkollektoren eignen. Die Stellung der Hauptfassade zur Sonne und damit die passive Solarnutzung spielt bei z.T. ungeheizten oder gar gekühlten Gewerbehallen allenfalls eine untergeordnete Rolle. Insofern soll künftig regelmäßig bei der Erstellung neuer Wohngebiete oder auch bei der Arrondierung bzw. Nachverdichtung bestehender Wohnbauflächen eine solarenergetische Prüfung durchgeführt werden, unabhängig davon, wer Planungsveranlasser ist.
Berücksichtigung
von Klimabelangen in der Bauleitplanung
Mit der BauGB-Novelle 2004 wurden die abwägungsrelevanten Belange nicht nur um das Klima und den Klimaschutz (§1 Abs 7 Buchstabe a) ergänzt, sondern diese durch §1 Abs 5 Satz 2 auch ausdrücklich als Zielsetzung in der Bauleitplanung rechtlich verankert.
Durch
die jüngste Novelle des BauGB (Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der
Entwicklung in den Städten und Gemeinden, 2011) wird den Anforderungen des Klimaschutzes
erneut und nachdrücklich Rechnung getragen. Der Planungsleitsatz des §1 Abs 5
BauGB wird durch seine neue Formulierung, der sogenannten Klimaschutzklausel
deutlich aufgewertet: „Die
Bauleitpläne … sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern,
die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung,
insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, …“ Der Deutsche
Städtetag spricht in diesem Zusammenhang von einer Legaldefinition einer
klimagerechten Stadtentwicklung. Das BauGB differenziert also zwischen
Klimaschutz (Bekämpfung des Klimawandels, Schutz und Wiederherstellung klima-
und immissionsökologisch bedeutsamer Flächen und Funktionen) und Klimaanpassung
(Anpassungen an klimatische Veränderungen, z.B. durch Hochwasserschutz).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Klimaschutz und die Klimaanpassung in der Stadtplanung einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Damit verbunden ist auch eine zunehmende Spezifizierung der Arbeiten für die Umweltprüfung bzw. den Umweltbericht nach §2 Abs 4 BauGB (Ausgangszustand, Ermittlung der Auswirkungen und Beschreibung von Maßnahmen).
Flächenbezogene Daten für die Beschreibung des Umweltzustandes zu Beginn der Planung liegen für das Stadtgebiet Rheine in qualitativ und quantitativ ausreichender Form allerdings nicht vor, so dass auf der Ebene der vorbereitenden und verbindlichen Bauleitplanung Kaltluftentstehungsgebiete, Wärmeinseln oder Fischluftschneisen weder ermittelt noch bewertet werden können.
Das Vorliegen
flächenbezogener Fachinformationen ist somit ein wichtiges Hilfsmittel zur
sachgerechten Beurteilung des Schutzgutes Klima/Luft und zur Ableitung
entsprechender Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen.
Zusammen mit
Informationen zum bodennahen Luftaustausch (Windfeld) haben
sich in den
letzten Jahren Karten zur Verteilung der Lufttemperatur und Oberflächenstrahlungstemperatur
als wichtige Grundlagen zur Beurteilung stadtklimatischer Fragestellungen bewährt.
Eine Übersicht über die stadtklimatischen Verhältnisse ermöglicht dabei die
Synthetische Klimafunktionskarte. Diese bildet die Grundlage für die Ableitung
des Planungs- und Handlungsbedarfs, der räumlich konkretisiert in der Karte der
Planungshinweise dargestellt wird. Beide Karten geben dem Planer somit
wichtige Hilfsmittel an die Hand. Je nach Untersuchungsumfang können Empfehlungen
bis zur Ebene der Bauleitplanung getroffen werden. Für die Bewertung von
Umweltauswirkungen verschiedener Planungsszenarien können auch Simulationsmodelle
eingesetzt werden.
Als Beispiel für
eine stadtklimatische Unersuchung wird auf die Klimaanalyse der Stadt Witten
verwiesen.
http://www.witten.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/uw2020/Witten_Klimanalyse_Stand_28_09_071.pdf
Die
Planungsempfehlungen sollen weiterhin in ein städtebauliches Klimakonzept zusammengefasst
werden, welches nach Beteiligung der betroffenen Behörden sowie Träger
öffentlicher Belange im Rahmen eines informellen Beteiligungsverfahrens den
politischen Gremien der Stadt Rheine zur Beratung und zum Beschluß vorgelegt
werden. Damit enthalten die Inhalte des Klimakonzeptes, ähnlich dem Masterplan
Einzelhandel, eine Verbindlichkeit entsprechend § 1 (6) Nr. 11 Baugesetzbuch.
Die Aussagen des städtebaulichen Klimakonzeptes gelten dann bei der Aufstellung
von Bauleitplänen als insbesondere zu berücksichtigen.
Die Erstellung einer Klimaanalyse trägt zusammenfassend dazu bei, dem im IEHK verankertem prioritären Projekt „Klimaschutz in Rheine“ Rechnung zu tragen.
Im Rahmen der Bauleitplanung sollen die Auswirkung der Bebauung auf die Funktions- und Leistungsfähigkeit des städtischen Klimas in einem frühen Planungsstadium berücksichtigt, geprüft und bewertet werden. In der Begründung zum Bauleitpan sollen die Klimawirkungen sowie die Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung regelmäßig dargelegt werden.
Die Kosten für die Erstellung einer städtischen Klimaanalyse belaufen sich grob geschätzt auf 50 000 Euro. Finanziert werden soll die Analyse anteilig durch den Einsatz von Fördermitteln des Projektes „Masterplan – Klimaschutz 100“ (Fördervolumen 590 000 Euro) sowie aus dem Budget des Produktbereichs Stadtplanung.
Die Verwaltung hält es für erforderlich, ein Fachbüro mit der Erstellung einer Klimaanlyse für die Stadt Rheine unter Einsatz von Fördermitteln aus dem Projekt „Masterplan – Klimaschutz 100“ zu beauftragen.
Begrünung von
Parkplätzen
Gerade Parkplätze stellen stadtklimatisch problematische Flächen dar. Im Sommer entstehen starke Aufheizprozesse mit nächtlicher Wärmebildung. Diese nachteiligen Wirkungen können zum Teil durch die Verdunstung und den Schattenwurf von Bäumen wieder ausgeglichen werden. Grünpflanzen fungieren weiterhin als CO2-Speicher. Neben den klimatisch günstigen Effekten entfaltet Stadtgrün auch positive Wirkungen auf das Stadtbild und der Wohnzufriedenheit. Neue Studien belegen darüberhinaus einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit von Naturerfahrung und physiologischen sowie psychologischen Prozessen. Insofern sind umfangreiche Begrünungsmaßnahmen auch als Teil der Gesundheitsvorsorge zu verstehen.
Aus den genannten Gründen sollte für alle größeren Stellplätze (> 5 Stellplätze) regelmäßig eine Begrünung mit großkronigen Bäumen erfolgen und im Bebauungsplan festgesetzt bzw. Bestandteil der Baugenehmigung werden, sofern gestalterische oder funktionale Gründe dem nicht entgegen stehen.
Vertragliche
Regelungen
Grundsätzlich können viele wünschenswerte Maßnahmen, die zu einem energieeffizienteren Bauen beitragen, im Bebauungsplan nicht festgesetzt werden. Beim Wärmestandard gelten bundesweit die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV). Weitergehende Anforderungen an einen verringerten Energieverbrauch von Gebäuden im Bebauungsplan sind rechtlich umstritten. Insofern bieten sich im Sinne der Rechtssicherheit Regelungen in städtebaulichen Verträgen und Grundstückskaufverträgen an, soweit dies gegenüber den Vertragspartnern und Endnutzern durchsetzbar ist.
Hierzu zählt als wichtigste Regelung die Festlegung von Energiestandards unterhalb der EnEV. Bereits viele Städte im ganzen Bundesgebiet realisieren gewollte Standards über die Steuerungsinstrumente städtebaulicher Vertrag und Grundstückskaufvertrag. In den meisten Fällen orientiert sich der Energiestandard an der jeweils aktuellen ersten Stufe der KfW-Förderung, z.Z. KfW 40 oder am Passivhaus-Standard. Zu den Energiestandards siehe Vorlage Nr. 397/11.
Seitens der Verwaltung sollten daher Vorgaben für anspruchsvolle Energiestandards für Neubauvorhaben entworfen werden, die Eingang in städtebauliche Verträge und Kaufverträge städtischer Liegenschaften finden sollen. Diese Vorgaben sollen dem Stadtentwicklungsausschuß „Planung und Umwelt“ und dem Haupt- und Finanzausschuss zur Entscheidung vorgelegt werden.