Betreff
Handlungsansätze zur Haushaltskonsolidierung - Lfd. Nr. 1.12 der Liste 1 der Konsolidierungsvorschläge, hier: Sicherheitsoffensive im Straßenverkehr
Vorlage
389/12
Aktenzeichen
I- Fb 3- ho
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Haupt- u. Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine zu beschließen, aus Gründen der Haushaltskonsolidierung keine Aufgaben der Überwachung des fließenden Straßenverkehrs wahrzunehmen.

 

Gleichzeitig empfiehlt der Haupt- u. Finanzhausschuss dem Rat der Stadt Rheine zu beschließen, dass die Verwaltung beauftragt wird, unter Berücksichtigung der konkreten Unfall- u. Gefahrensituation im Gebiet der Stadt Rheine bis zum 31.12.2013 die Notwendigkeit von Maßnahmen der Überwachung des fließenden Verkehrs aus Gründen der Verkehrssicherheit zu untersuchen und die voraussichtlichen finanziellen Auswirkungen darzustellen.

 


Begründung:

 

Mit der Auflösung der Strategie- u. Finanzkommission sollen die noch nicht abschließend behandelten Themen zu Konsolidierungsvorschlägen aus Bürgeranregungen sowie mögliche Handlungsansätze für Konsolidierungsmaßnahmen in den jeweiligen Fachausschüssen vorberaten und zur endgültigen Entscheidung in den Rat der Stadt Rheine eingebracht werden.

 

Mit lfd. Nr. 1.12 der Liste 1 der Handlungsansätze zur Haushaltskonsolidierung ist die Verwaltung beauftragt worden, zu untersuchen, ob im Rahmen einer „Sicherheitsoffensive im Straßenverkehr“ bezogen auf die Überwachung des fließenden Verkehrs im Rahmen von Geschwindigkeitsüberwachung oder aber der Überwachung von Lichtzeichenanlagen ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erzielt werden kann.

 

Auch die Kreispolizeibehörde hat mit Schreiben vom 04.10.2011 zum Thema Verkehrssicherheit mitgeteilt, dass nach dortiger Auffassung grundsätzlicher Bedarf zur Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch die Stadt Rheine gesehen wird. Das Schreiben wird nachfolgend auszugsweise dargestellt:

 

„…Im Kreis Steinfurt verzeichnen wir pro Jahr ca. 10.000 Verkehrsunfälle…Etwa 2000 der Gesamtunfälle und ca. 300 der Unfälle mit schwerwiegenden Folgen ereignen sich in Rheine. Ca. 10 % der Unfälle sind allein auf die Ursache Geschwindigkeit zurückzuführen. Bei vielen weiteren Unfällen ist überhöhte Geschwindigkeit… mit ursächlich.

 

Wir wollen das Geschwindigkeitsniveau senken. Dies kann nach unserer Auffassung nur durch eine Erhöhung des Kontrolldrucks in der Fläche erreicht werden. Die Polizei allein kann diesen Druck nicht dauerhaft gewährleisten. Der Kreis könnte mit seinen Radaranlagen mehr Messstellen in Rheine bedienen, muss dann aber andere Städte und Gemeinden vernachlässigen... Wir bitten Sie daher zu prüfen, ob die Stadt Rheine sich in der Lage sieht, mit eigenen Mitteln Geschwindigkeitsüberwachung durchzuführen..“

 

 

Rechtliche Bewertung – Zuständigkeit

 

Eine grds. Zuständigkeit für die Überwachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen im Straßenverkehr an Gefahrenstellen ist für die Stadt Rheine gemäß § 48 Abs. 2 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NW) gegeben.

 

Weiteres regeln die Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des § 48 OBG NW, die nachfolgend auszugsweise aufgeführt werden:

 

Maßnahmen zur Geschwindigkeitsüberwachung dienen der Verkehrssicherheit; sie sollen insbesondere zur Verhütung von Straßenverkehrsunfällen beitragen. Um dies zu erreichen und um den gelegentlich in der Öffentlichkeit geäußerten Vermutungen über die Aufbesserung kommunaler Kassen entgegenzuwirken, gilt für die Überwachung der angeordneten Geschwindigkeit Folgendes:

 

Neben der Polizei sind nach § 48 Abs. 2 OBG auch die Kreisordnungsbehörden und die Großen kreisangehörigen Städte für die Überwachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen zuständig. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich - anders als die der Polizei - nur auf die Überwachung an Gefahrenstellen.

 

Zur Sicherung und Umsetzung einer das gesamte Kreisgebiet umfassenden Verkehrskonzeption erstreckt sich die Zuständigkeit der Kreisordnungsbehörden auch auf das Gebiet der Großen kreisangehörigen Städte; die Einrichtung von Messstellen ist mit den Ordnungsbehörden der Großen kreisangehörigen Städte zuvor abzustimmen.

 

Gefahrenstellen sind Unfallhäufungsstellen und solche Streckenabschnitte, auf denen eine erhöhte Unfallgefahr angenommen werden muss. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn sich in unmittelbarer Nähe Schulen, Spielplätze, Seniorenheime oder andere Objekte für ähnlich schutzbedürftige Personen befinden.

 

Die Messstellen sowie Zeitpunkt und Dauer der Überwachung sind im Benehmen mit der zuständigen Kreispolizeibehörde festzulegen.

 

Die kommunalen Bußgeldstellen wickeln das gesamte Verfahren in eigener Verantwortung nach den Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ab. Die zuständigen Bußgeldstellen haben die personellen und organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der gesamte Verwaltungsaufwand - einschließlich der erforderlichen Fahrerermittlung - mit eigenen Kräften bewältigt werden kann. Geldbußen, die durch rechtskräftige Bescheide einer Bußgeldstelle festgesetzt sind, fließen in die Kasse der Körperschaft, der die Bußgeldstelle angehört. Das gilt entsprechend für Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, sowie für Verwarnungsgelder.

 

Diese Aussagen machen deutlich, dass es unzulässig erscheint, vorrangig aus Haushaltskonsolidierungsaspekten die Aufgabe der Überwachung des fließenden Verkehrs zu betrachten.

 

Grundsätzlich sind Maßnahmen der Überwachung des fließenden Straßenverkehrs sinnvoll. Dies wird neben den oben dargestellten Unfallzahlen der Kreispolizeibehörde durch folgende Kernaussagen deutlich, die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen sind:

 

¡  Die Reduktion der Durchschnittsgeschwindigkeit um 1 km/h senkt die Umfallgefahr um 12 %

¡  Bei Unfällen mit 50 Km/h haben 60 % der Passanten eine Überlebenschance

¡  Bei Unfällen mit 70 Km/h sinkt die Überlebenschance auf 5 %

 

Im Gebiet der Stadt Rheine gibt es zurzeit ausweislich der Statistiken keine Unfallhäufungsschwerpunkte. Messungen wären jedoch zulässig an Streckenabschnitten mit anzunehmender erhöhter Unfallgefahr wie oben dargestellt.  Im Übrigen ist aufgrund des hohen täglichen Verkehrs grundsätzlich eine Überwachung auf dem „innerstädtischen Ring“ zulässig.  Die rechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme der Aufgaben der Geschwindigkeitsüberwachung bzw. Lichtzeichenanlagenüberwachung liegen damit vor.

 

Testmessungen, auf Bitten der Stadt Rheine sowohl durch Fachunternehmen als auch durch den Kreis Steinfurt durchgeführt, haben ergeben, dass das Geschwindigkeitsniveau nicht durchweg dramatisch ist, in einigen Bereichen hingegen jedoch durchaus erheblich Überschreitungen zu verzeichnen waren.  

 

Im Weiteren erfolgt die Untersuchung zunächst nur am Beispiel der Geschwindigkeitsüberwachung, da ausgerichtet am Ziel der Erhöhung der Verkehrssicherheit ausweislich der Erkenntnisse der Kreispolizeibehörde überhöhte Geschwindigkeit häufig als Unfallursache zu verzeichnen ist.

 

Bei der Überwachung der Geschwindigkeit gibt es grds. zwei Möglichkeit, die stationäre sowie die mobile Überwachung.

 

A.    Mobile Überwachung

 

Das System der mobilen Überwachung durch einen mit entsprechender Technik ausgestatteten PKW bietet eine hohe Flexibilität und somit ein Handeln aufgrund akuter Beschwerdelagen. Es hat größere Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, da Gewöhnungseffekte nicht so stark zutage treten wir bei fest installierten stationären Systemen. Allerdings ist ein mobiles Überwachungssystem sehr personalintensiv, da sowohl Verwaltungs- als auch Außendienstpersonal vorzusehen ist.

 

 

II. Ertragsprognose

 

Um eine Abschätzung der zu erwartenden Investitionen, des zusätzlichen Personalaufwandes sowie der laufenden Aufwendungen bzw. Erträge zu erhalten, wurden andere große kreisangehörige Städte befragt, die die Überwachung des fließenden Verkehrs durchführen.

 

Stadt

Einwohner

Fallzahlen/Jahr

Erträge/Jahr

Durchschn. Ertrag 2010/ Fall

A.

73.400

2008 = 5997

2010 = 7324

2008 = 126.000

2010 = 166.000

22,67 EUR

B.

78.000

2008 = 10.413

2010 = 7.553

2008 = 251.000

2010 = 168.000

22,24 EUR

C.

63.100

2008 = 12.400

2010 = 7.500

2008 = 295.000

2010 =190.000

25,33 EUR

D.

88.300

2008 = 15.579

2010 = 17215

2008 = 344.000

2010 = 392.000

22,77 EUR

E.

75.700

2008 = 13.988

2010 = 11.287

2008 = 351.000

2010 = 298.000

26,40 EUR

 

 

Auffällig ist, dass immerhin bei drei von 5 Städten deutlich sinkende Fallzahlen über den Zeitraum von drei Jahren festzustellen sind. Dies muss somit bei der perspektivischen Betrachtung einkalkuliert werden. Das Bußgeld je Fall liegt bei durchschnittlich ca. 23,50 Euro. Unter Berücksichtigung entstandener Gesamtaufwendungen (einschl. der Overheadkosten) hat nur eine Gemeinde ein positives Ergebnis für den städtischen Haushalt erwirtschaften können.

 

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde die Stadt D. aufgrund der auffällig hohen Überwachungsdichte um nähere Informationen gebeten. Dort ergab sich folgende statistische Verteilung der Bußgeldhöhen:

 

Übertretung in km/h bis

Anzahl Fälle

Anteil an Gesamtfallzahl

Ertrag (Sollbetrag)

Anteil am Volumen

10

10842

62,98 %

173.327

44,14 %

15

4665

27,10 %

122.550

31.21 %

20

1292

7,51 %

48.489

12,35 %

25

302

1,75 %

31.081

7,92 %

Über  25

114

0,66 %

17.188

4,38 %

Summe

17.215

 

392.635

 

 

Ca. 75 % des Einnahmevolumens werden damit aus 90 % aller Fälle erwirtschaftet. Zu beachten bei der Betrachtung der Erträge ist zudem die Tatsache, dass nach Erfahrungen der Städte ca. 5 % endgültig nicht beitreibbar sind. Dies muss entsprechend berücksichtigt werden. Es wird daher ein (bereinigter) Ertrag von 22,00 Euro je Fall angesetzt.

 

Nach den Aussagen der angesprochenen Firmen und den Erfahrungen der anderen Kommunen ist im Durchschnitt je Einsatztag mit ca. 25 zu ahndenden Verstößen bei Überwachung einer Fahrtrichtung zu rechnen. Ausgehend von 220 Einsatztagen darf daher eine Fallzahl von ca. 5.500 zugrunde gelegt werden. Höhere Fallzahlen – wie zum Teil bei den o.g. Kommunen – sind nur bei weiterem Personaleinsatz, sehr hoher Überwachungsdichte und damit höherer Technikauslastung zu erreichen. Somit ist mit jährlichen Erträgen von ca. 120.000 Euro zu rechnen.

 

Die Ermittlung dieser Zahl geht der Einfachheit halber von einem problemlosen Start aus. Erfahrungsgemäß ist jedoch nach Ausbildung der Beschäftigten im Rahmen der Schulung zu Messbeamten mit einiger Einarbeitungszeit im neuen Aufgabengebiet zu rechnen ist. Es wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass nach einer „Eingewöhnungszeit“ die Fallzahlen ggf. sinken, weil die Verkehrsteilnehmer durch die enge Kontrolle die Geschwindigkeit anpassen. Dieser aus Verkehrssicherheitsgründen gewünschte Effekt mindert die Erträge.

 

 

Aufwendungen:

 

a) Abschreibungen

 

Die für einen mit Technik ausgestatteten PKW erforderlichen Investitionskosten betragen ca. 100.000 Euro. Die jährlichen Abschreibungen betragen bei fünfjähriger Nutzungsdauer ca. 20.000 Euro.

 

b) Personalaufwand

 

Eine mobile Geschwindigkeitsüberwachung setzt voraus, dass zu „Messbeamten“ ausgebildete Personen die Überwachung durchführen.

 

Für eine Personalstelle der Entgeltgruppe 6 TVöD sind insgesamt jährlich ca. 60.000 Euro anzusetzen (KGST-Kosten eines Arbeitsplatzes, hier: Nicht-Büroarbeitsplatz).

 

Im Übrigen ist nach den Erfahrungen anderer Kommunen für die in Rede stehende erwartete Fallzahl von ca. 11.000 mit weiterem Personalaufwand von ca. 0,5 Stellen gem. Entgeltgruppe 8 TVöD zu rechnen für die Abarbeitung von Bußgeldverfahren, Einspruchsverfahren, Halterermittlungen etc. Hierfür sind nochmals ca. 38.000 Euro anzusetzen.

 

Weiterer erheblicher Personalaufwand wird sich im Bereich der Geschäftsbuchhaltung, der Zahlungsabwicklung und Vollstreckung ergeben. Hierfür ist ein Aufwand von weiteren 20.000 Euro anzusetzen.

 

c) Sonstiger Aufwand

 

Weiterer Aufwand entsteht z.B. durch die regelmäßige Eichung, Reparaturen am Fahrzeug, Unterhaltungskosten des Fahrzeuges, Abschreibungen für das Straßenverkehrsmodul der Ordnungswidrigkeiten-Software etc. Hierfür werden mangels vorliegender Zahlen jährlich 5.000 Euro angesetzt.

 

Der Gesamtaufwand beträgt damit jährlich ca. 153.000 Euro. Ein Konsolidierungsbeitrag wäre nach alledem nicht zu erzielen.

 

 

B. Stationäre Überwachung

 

Denkbar wäre auch eine stationäre Überwachung an einigen Stellen im Stadtgebiet Rheine, z.B. auf dem innerstädtischen Ring. Dabei ist zu beachten, dass im unmittelbaren örtlichen Umfeld mehr Verkehrssicherheit erzielt werden kann, da die Geschwindigkeit reduziert wird. Allerdings ist auch ein Gewöhnungseffekt zu erwarten. Zudem dürften die fest installierten Anlagen in Rheine und Umgebung schnell bekannt sein, da in Rheine aufgrund von Untersuchungen ganz überwiegend sogenannter Ziel- u. Quellverkehr erfolgt. Der Anteil ortsfremder Personen ist relativ gering. Das System bietet keine Flexibilität, ist jedoch weniger personalintensiv als ein mobiles System, da die Messung vollautomatisch vorgenommen wird.

 

Erträge

 

Bei einem 300-Tage-Betrieb z.B. einer Anlage auf dem innerstädt. Ring darf von

Ca. 5.000 Fällen im Jahr mit sinkender Tendenz ausgegangen werden. Die Erträge würden sich demnach auf 110.000 Euro belaufen.

 

Aufwendungen

 

Dienstleistungen (Leasing, Installation, Wartung, Betrieb)    36.000 Euro

Personalaufwand (Verwaltungsstelle)                                    38.000 Euro

Buchhaltung:                                                                           20.000 Euro

Sonstiges (Software)                                                              5.000 Euro

Gesamt:                                                                                  99.000 Euro

 

Allenfalls ein geringer Konsolidierungseffekt von wenigen Tausend Euro wäre zu erwarten. Dem gegenüber steht jedoch ein erhebliches Risiko, dass wegen des auftretenden Gewöhnungseffektes die Fallzahlen sinken. Zudem ist der Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit relativ gering.

 

Es wird daher vorgeschlagen, dass ausschließlich aus Gründen der Haushaltskonsolidierung Maßnahmen der Überwachung des fließenden Verkehrs nicht erfolgen sollten. Vielmehr sollte überlegt werden, im Bereich des fließenden Verkehrs solche Maßnahmen vorzusehen, die den größtmöglichen Effekt zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei einer angemessenen Inanspruchnahme öffentlicher Mittel vorsehen. Dies ist nur möglich, wenn intensivere Untersuchungen der spezifischen Verkehrssituation und Unfallhäufigkeiten in der Stadt erfolgen. Diese Untersuchungen sind zeitintensiv. Die Verwaltung sollte dementsprechend beauftragt werden und bis zum 31.12.2013 de Haupt- u. Finanzausschuss einen entsprechenden Bericht vorlegen.

 


Anlagen:

 

./.