Betreff
Vorstellung der Aufgaben der Pfleger und Vormünder
Vorlage
350/13
Aktenzeichen
II - FB 2/10 - kös
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Vorstellung der Arbeit der Pfleger und Vormünder zur Kenntnis.


Begründung:

 

Einleitung:

 

Zum 01. Juni 2012 mussten zwei zusätzliche Stellen im Rahmen der Vormundschaftsreform geschaffen werden (Vorlage-Nr. 446/11). Diese zusätzlichen Stellen wurden im Jugendamt der Stadt Rheine eingerichtet (Vorlage-Nr. 116/12). Seit über einem Jahr sind diese Stellen besetzt und dem Jugendhilfeausschuss sollen nun die Aufgaben der Pfleger und Vormünder näher erläutert werden.

 

Nach dem allgemeinen Informationsteil in dieser Vorlage wird in der Sitzung ein Vormund noch einen mündlichen Vortrag aus dem Arbeitsalltag eines Pflegers und Vormundes halten.

 

 

Informationen:

 

Der Gesetzgeber hatte sich auf Grund diverser Vorfälle genötigt gesehen und dazu entschieden, das Vormundschafts- und Betreuungsrecht elementar zu verändern. Die Intention bestand darin, die seit vielen Jahren i.d.R. praktizierten reinen „Schreibtischvormundschaften“ qualitativ deutlich zu verändern. So wurde der § 1800 BGB i.V.m § 1631 BGB dahingehend neu formuliert, dass der Vormund die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten hat. 

 

Daraus resultiert die Notwendigkeit regelmäßiger persönlicher Kontakte zwischen dem Vormund/Pfleger und dem Mündel. Vorgesehen sind dafür monatliche Kontakte als Regelfall (§ 1793 BGB). Darüber hinaus besteht ein ausführliches Berichtswesen dem Familiengericht gegenüber (§ 1840 BGB). Dieses erstreckt sich für jedes Mündel zumindest auf einen Anfangsbericht, den wiederkehrenden Jahresbericht sowie den Abschlussbericht aufgrund des Erreichens der Volljährigkeit, eines Wechsel der örtlichen Zuständigkeit oder der Beendigung der Vormundschaft/Pflegschaft durch das Familiengericht.

 

Grundsätzlich werden lt. BGB gesetzliche und bestellte Amtsvormundschaften unterschieden. Bei den erstgenannten entsteht der Bedarf kraft Gesetzes, z.B. durch die Geburt eines Kindes, dessen Mutter noch minderjährig ist. Bei den bestellten Amtsvormundschaften liegt ein Beschluss des Familiengerichtes vor, nach dem dem/den Sorgeberechtigten ihre elterliche Verantwortung vollständig entzogen wurde. Die Notwendigkeit ergibt sich beispielsweise aus einer Erziehungsunfähigkeit oder einer Gefährdung des Kindeswohls, wenn gleichzeitig öffentliche Hilfen nicht angenommen werden oder nicht ausreichen (§§ 1666, 1666 a BGB).

 

Bei Pflegschaften wird den Sorgeberechtigten lediglich ein Teil ihrer elterlichen Verantwortung entzogen. Dabei orientiert sich das Gericht an der Notwendigkeit des kleinstmöglichen Eingriffs in das Sorgerecht. So wird häufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SBG VIII (z.B. die Beantragung einer Unterbringung in einer Pflegefamilie oder Wohngruppe) sowie die Gesundheitsfürsorge entzogen. In diesem Fall ist der Pfleger autorisiert, eine notwendige Hilfe zu beantragen und sich bei der Umsetzung zu beteiligen. Die Vermögenssorge verbleibt in diesem Beispiel bei den Eltern.

 

Zu den Tätigkeiten der Vormünder/Pfleger gehört es vor allem,

  • Mündel gesetzlich zu vertreten,
  • über den Lebensort, den Kindergarten, die Schule und Ausbildungsstelle zu entscheiden,
  • in Kooperation mit den Minderjährigen und deren Bezugspersonen die Erziehungsziele festzulegen,
  • die notwendigen Hilfen zu beantragen und Rechtsansprüche durchzusetzen,
  • gesundheitliche Belange zu regeln,
  • Vermögen zu verwalten, Sozialleistungen geltend zu machen,
  • Unterhaltsansprüche durchzusetzen,
  • Erbschaftsangelegenheiten abzuwickeln,
  • in gerichtlichen Verfahren zu vertreten, z.B. aufgrund des Vertretungsausschlusses in Vaterschaftsanfechtungsverfahren,
  • offene Vaterschaftsfragen zu klären und
  • minderjährige Mütter in Fragen der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder zu unterstützen.

 

Bedingt durch diese neue Qualität der Vormundschaften und Pflegschaften mit dem damit einhergehenden deutlich höheren Zeitaufwand wurde in § 55 (2) SGB VIII eine maximale Fallzahl von 50 Mündeln pro Vollzeitstelle fixiert. Die Neuregelung und Begrenzung trat zum 01.07.2012 in Kraft. Die Zahl von 50 Vormundschaften/Pflegschaften stellte auch die Bemessungsgrundlage für die bei der Stadt Rheine geschaffenen 2 Stellen dar. Der JHA-Vorlage Nr. 446/11 ist zu entnehmen, dass die Stadt Rheine zum Stichtag 15.11.2011 Vormundschaften und Pflegschaften für 101 Mündel ausgeübt hat.

 

Mit der o.g. Falldichte von 50 Vormundschaften/Pflegschaften ist erfahrungsgemäß nicht möglich, alle Mündel monatlich zu besuchen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den Kontakten nicht um ein formales Abhandeln der gesetzlichen Vorgaben handeln soll. Die Umgangskontakte sollen im Lebensumfeld der Kinder stattfinden (beachte Fahrzeiten) und auf Beziehung ausgerichtet sein. Es ist zu bedenken, dass viele Mündel vormittags in der Schule oder im Kindergarten sind und das Zeitfenster für die Kontakte recht eng ist. Vor diesem Hintergrund haben sich einige andere Kommunen (u.a. Köln) dazu entschieden, jedem Vormund/Pfleger eine zumindest im Durchschnitt deutlich geringere Anzahl an Vormundschaften/Pflegschaften zu übertragen.

 

Für die Stadt Rheine wurde seinerzeit entschieden, dass die Aufgabenerledigung ausschließlich durch MitarbeiterInnen des Jugendamtes erfolgen soll (vgl. Vorlage Nr. 116/12).

 

Bei der Besetzung der Stellen ist es gelungen, verschiedenen Gesichtspunkten und Erfordernissen Rechnung zu tragen: Eine Stelle teilen sich zwei Verwaltungskräfte des gehobenen Dienstes, die andere Stelle bekleidet ein Sozialarbeiter. Beide Professionen ergänzen sich hervorragend durch die jeweiligen speziellen Kenntnisse. Durch die kollegialen Beratungen wird ein differenzierter Blick auf die Vormundschaften und Pflegschaften ermöglicht.

 

Darüber hinaus ist der Bereich Vormundschaften / Pflegschaften sowohl mit Mitarbeiterinnen als auch mit einem Mitarbeiter paritätisch besetzt. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, besonderen Bedürfnissen der Mündel und deren Wünschen entsprechen zu können. Beispielsweise ist hier das Thema des sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Mann zu erwähnen. In so einem Fall könnte es angezeigt sein, die Vormundschaft/Pflegschaft einer Mitarbeiterin zu übertragen.

 

Die statistischen Zahlen der letzten 12 Monate dokumentieren ein anfängliches Aufkommen von deutlich über 100 Vormundschaften/Pflegschaften. Der Spitzenwert wurde mit 118 Fällen im September und Oktober 2012 erreicht. Im Laufe der Monate konnte ein deutlicher Rückgang der Mündelzahlen erreicht und verzeichnet werden. Die Bestände im Einzelnen:

 

 

 

Stichtag

Anzahl

Vormundschaften/

Pflegschaften

01.07.2012

116

01.08.2012

117

01.09.2012

118

01.10.2012

118

01.11.2012

116

01.12.2012

103

01.01.2013

103

01.02.2013

104

01.03.2013

102

01.04.2013

106

01.05.2013

103

01.06.2013

98

01.07.2013

92

 

Die anfängliche Überschreitung der gesetzlich verankerten Fallobergrenze von 50 Vormundschaften/Pflegschaften pro Vollzeitstelle ergab sich u.a. aus den Rückständen vor der Besetzung der neuen Stellen. Diese konnten durch Mehrarbeit (Überstunden) kompensiert werden. Nun ist eine Bereinigung der Fallzahl erreicht, so dass der Trend einer nennenswerten Reduzierung abgeschlossen sein dürfte.

 

Es ist absehbar, dass es auch zukünftig Bewegungen in der Fallzahlhöhe geben wird. Bedingt durch gerichtliche Sorgerechtsentzüge sowie Zuzüge von Mündeln auf der einen Seite, durch Volljährigkeit und Wegzüge der Mündel auf der anderen Seite sind Schwankungen in der Fallzahlhöhe schlecht planbar und unumgänglich.

 

In verschiedenen Gremien und auf Fortbildungen wurde empfohlen, einem Vormund/Pfleger die Verantwortung für durchschnittlich 40 Mündel zu übertragen. Damit kann die gewünschte und erforderliche Qualität der Arbeit gewährleistet und gleichzeitig annähernd sicher gestellt werden, dass es bei besonderen Ereignissen, wie beispielsweise der Inobhutnahme mehrerer Geschwister, nicht gleich zu einem Überschreiten der gesetzlich vorgegebenen Fallobergrenze kommt.

 

Die jetzt erreichte Fallzahl wird auch benötigt, um die anfallenden Tätigkeiten vor der Bestellung eines Vormundes/Pflegers (Gewinnung ehrenamtlicher Vormünder/Pfleger, Gestaltung der Anbahnungsphase nach § 55 Abs. 2 SGB VIII) abdecken zu können. Bereits in der Vorlage-Nr. 116/12 war im letzten Absatz darauf hingewiesen worden, dass sich aus diesen Aufgaben ein zusätzlicher Personalmehrbedarf ergeben wird, der noch zu ermitteln ist.

 

Die Fallzahlentwicklung wird daher auch unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Tätigkeiten weiter beobachtet.