Betreff
Einziehung eines Teilstückes der Basilikastraße
Vorlage
449/13
Aktenzeichen
I-5.72-ke
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Einspruch vom 01.10.2013 des Bevollmächtigten des Eigentümers des Grundstückes Basilikastraße 27 wird zurückgewiesen.

 

Einziehungsbeschluss:

 

Das Teilstück der Basilikastraße, im anliegenden Lageplan gelblich dargestellt, Gemarkung Rheine Stadt, Flur 181, Flurstück 395, wird hiermit gemäß § 7 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NW) eingezogen, weil überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für die Einziehung vorliegen. Der Zugang und die Zufahrt zum Privatgrundstück Basilikastraße 27 bleibt ausnahmsweise zulässig.


Begründung:

 

Die Liegenschaftsverwaltung beabsichtigt ein Teilstück der Basilikastraße, Gemarkung Rheine-Stadt, Flur 181, Flurstück 395, zur Arrondierung des südlich angrenzenden Baugrundstückes zu veräußern. Gemäß den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans ist diese Fläche als WA-Flächen ausgewiesen. Die Restfläche des Flurstückes 395 ist als Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung Schule ausgewiesen.

 

Dieses Teilstück der Basilikastraße gilt noch als öffentliche Straße im Sinne des Straßen- und Wegegesetzes des Landes NRW (StrWG NRW). Die Widmung ist kraft unvordenklicher Verjährung entstanden. Die Veräußerung eines Teilstückes der Basilikastraße bedingt demnach ein förmliches Einziehungsverfahren nach § 7 StrWG NRW. Die Einziehung soll sich auf die Gesamtheit des Flurstückes 395 erstrecken, da die Restfläche nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht mehr als Verkehrsfläche sondern jetzt als Gemeinbedarfsfläche festgesetzt ist. Die Zuwegung und die Zufahrt zum Grundstück Basilikastraße 27 bleibt ausnahmsweise zulässig. Der Bebauungsplan weist hierfür auch eine mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Stadt Rheine und der Allgemeinheit zu belastende Fläche aus. Nach einem erfolgreich abgeschlossenen Einziehungsverfahren ist zugunsten des Grundstückes Basilikastraße 27 eine Baulast zur Sicherung der Geh-, Fahr- und Leitungsrechte auf dem Flurstück 395 zu begründen, um den Anschluss diese Grundstückes an die öffentliche Verkehrsfläche wieder herzustellen.

 

Die Einziehungsabsicht ist vom Bauausschuss der Stadt Rheine in seiner Sitzung am 11. Juli 2013 unter Vorlagennummer 339/2013 beschlossen worden. Die amtliche Bekanntmachung ist am 20. Juli 2013 erfolgt. Gegen diese Einziehungen ist ein Einspruch erhoben worden, den es abzuwägen gilt. Ferner ist von den Versorgungsträgern mitgeteilt worden, dass im Bereich der einzuziehenden Straßenfläche noch Versorgungsleitungen liegen, die durch Grunddienstbarkeiten im Grundbuch gesichert werden müssen.

 

Einspruch vom 01.10.2013 eines Anliegers der Basilikastraße, vertreten durch Baumeister Rechtsanwälte

 

Inhalt:

 

„Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Bauausschuss der Stadt Rheine hat in seiner Sitzung vom 11.07.2013 beschlossen, für ein Teilstück der Basilikastraße (Gemarkung Rheine-Stadt, Flur 181, Flurstück 395) das Einziehungsverfahren nach § 7 Straßen- und Wegegesetz NRW einzuleiten.

 

Zur beabsichtigten Einziehung nehmen wir im Auftrag der Eigentümer des von der Einziehung betroffenen und mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes Basilikastraße XX, der Geschwister XXXXXXXXXXXX, wie folgt Stellung:

 

Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Einziehung nach § 7 Abs. 2 StrWG NRW liegen nicht vor.

 

Diese Teilstück der ehemaligen Ludwigstraße, heute ein Stichweg der Basilikastraße, ist aufgrund früherer Widmung nach wie vor eine öffentliche Straße im Sinne des Straßen- und Wegegesetz des Landes NRW. Eine Einziehung ist nur möglich, wenn dem Teilstück keine Verkehrsbedeutung mehr zukommt oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für seine Beseitigung vorliegen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW).

 

1. Im Sinne des § 7 Abs. 2 StrWG NRW hat eine Straße keine „Verkehrsbedeutung“ mehr, wenn ihr überhaupt keine Verkehrsbedeutung mehr zukommt. Eine verbleibende, lediglich geringe Verkehrsbedeutung ist für die Einziehung einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht ausreichend. So kann etwa bei einem nur gelegentlichen Benutzen einer Verkehrsfläche durch Fußgänger schon nicht von einem Wegfall der Verkehrsbedeutung gesprochen werden,

 

so ausdrücklich VG Aachen, Urteil vom 21.11.2011, 6 K 1121/09, Juris, Rdn. 57 mit Verweis auf Kodal/Krämer, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 11, Rdn. 17 ff.

 

Der hier betroffene Stichweg der Basilikastraße hat seine Verkehrsbedeutung schon deswegen nicht verloren, weil er zum einen als Zufahrt zur Euregio-Gesamtschule dient. Zum anderen stellt er nach wie vor die Erschließung des unseren Mandanten gehörenden bebauten Grundstück Basilikastraße XX dar. Des Weiteren erschließt er eine Garage des Nachbarn XXXXXXXXX.

 

Zum allgemeinen Verkehrsbedürfnis gehört bei Straßen mit Erschließungsfunktion insbesondere die Teilnahme der Anlieger am Straßenverkehr in dem Umfang, in dem sie auf die Straße in der für sie spezifische weise angewiesen sind, und zwar ohne Rücksicht auf die Zahl dieser Anlieger.

 

vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 11, Rdn. 17 ff

 

2. Es liegen auch keine „überwiegende Gründe des öffentlichen Wohles“ für eine Einziehung vor. Überwiegende Gründe des öffentlichen Wohles sind nur dann gegeben, wenn die Straßenfläche, die ihrerseits ein bestimmtes öffentliches Interesse beinhaltet, einem anderen öffentlichen Interesse der Daseinsvor- oder -fürsorge weichen muss.

 

Hengst/Majcherek, StrWG NRW, 8 EL Juni 2011, § 7 Ziff. 3.2.

 

Die Voraussetzung ist bei

 

„einer Straße mit Anliegerfunktion nicht erfüllt, wenn die Straße für diese Anlieger noch eine Funktion hat“ (Hengst/Majcherek, StrWG NRW, 8. EL Juni 2011, § 7 Ziff. 3.2.).

 

So liegt es hier.

 

Der Begriff der „Gründe des öffentlichen Wohles“ würde im Übrigen ad adsurdum geführt, würde hierunter das Interesse eines Investors an ausgedehnter Wohnbebauung gefasst werden. Denn die Einziehung soll hier offensichtlich erfolgen, um den Investor der beabsichtigten Wohnneubebauung eine Ausdehnung auf die bisherigen Verkehrsflächen zu ermöglichen. Letzteres ist etwa in der Beschlussvorlage vom 20.06.2013 für die Sitzung des Bauausschusses vom 11.07.2013 dokumentiert.

 

„ein Teilstück der Basilika, Gemarkung Rheine-Stadt, Flur 181, Flurstück 395, zur Arrondierung des südlich angrenzenden Baugrundstückes zu veräußern.“

 

Vor der Einziehung ist ein Abwägungsprozess zu durchlaufen, in den die privaten und öffentlichen Belange eingestellt werden. Ein solcher hat nicht stattgefunden, da es sich bei der apodiktischen Behauptung verbleibt, überwiegende Gründe des öffentlichen Wohles seien gegeben (vgl. Beschlussvorlage Nr. 339/13). Benannt werden sie nicht. Angesicht der Sachlage kann eine Abwägung auch nicht zu Gunsten der Einziehung ausfallen.

 

Im Übrigen wäre die Einziehung der Straßenbaubehörde selbst bei bestehendem öffentlichen Interesse an der Einziehung einer Straße nicht zwingend aufgegeben, weil es sich bei § 7 Abs. 2 Straßen- und Wegegesetz NRW um eine „Soll“-Bestimmung handelt.

 

Nach alledem gilt, dass die Voraussetzungen für eine Einziehung nicht gegeben sind, weil einerseits das Teilstück der Basilikastraße seine Verkehrsbedeutung nicht gänzlich verloren hat, anderseits keine überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Die Einziehung würde nur den Interessen des Investors dienen, der auf den angrenzenden Flächen eine Wohnbebauung verwirklichen will bzw. rein fiskalischen Interessen der Stadt Rheine.

 

3. Die Einziehung würde Rechte unsere Mandanten verletzen, die für die Erschließung ihres Grundstücks auf dieses Teilstück angewiesen sind. Auf ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht an einer Privaten Fläche müssen sich unsere Mandanten nicht verweisen lassen.

 

Wir bitten höflich, uns von einer etwaigen Einziehungsverfügung –ungeachtet ihrer öffentlichen Bekanntmachung- gesondert Mitteilung zu geben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

…“

 

Abwägungsempfehlung

 

Eine Einziehung einer Straße ist gemäß § 7 StrWG NRW gerechtfertigt, wenn die Straße jegliche Verkehrsbedeutung verloren hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohles für eine Beseitigung der Straße sprechen. Insofern ist dem Einspruchsführer recht zu geben. Der Straßenabschnitt dient sowohl dem Schulgelände als auch dem Grundstück des Einspruchsführers als Erschließungsstraße.

 

Sie ist derzeit mit einer Breite von 10 Meter bemessen. Nunmehr soll ein Streifen von 4 m aus der Straßenparzelle dem südwestlichen Grundstück zugeschlagen werden. Die verbleibende Breite von 6 Meter ist ausreichend, da die Mindestbreite für den Begegnungsfall LKW/LKW bzw. Bus/Bus (gemessen nach dem größten nach dem Verkehrszulassungsverordnung zugelassenen Fahrzeug) im Regelfall 5,5 Meter beträgt (siehe Richtlinie für Anlage von Straßen, Teil: Erschließung [RASt 06]). Die Erschließung des Schulgeländes und des Grundstückes des Einspruchsführers ist demnach auch bei einer teilweisen Veräußerung der Straßenparzelle als ausreichend anzusehen.

 

Eine öffentliche Erschließungsfunktion kommt nur noch dem Grundstück des Einspruchsführers zu Gute, das Nachbargrundstück mit Garage, wie auf Seite 2 des Einspruches beschrieben, ist mittlerweile von Stadt Rheine erworben und dem Schulbetrieb zugeführt worden. Eine öffentlich gewidmete Zuwegung des Schulgeländes ist nicht erforderlich, da die einzuziehende Straßenfläche gemäß den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. 54 als Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung „Schule“ genutzt werden soll und eine unmittelbare Anbindung an die öffentliche Verkehrsfläche besteht.

 

Dem folgend ist nur gegenüber dem Grundstück des Einspruchsführers eine Erschließungsfunktion erforderlich. Diese Erschließungsfunktion wird künftig Rechnung getragen durch die Begründung eines Geh-, Fahr- und Leitungsrecht, abgesichert in Abteilung II des Grundbuches, der Begründung einer Baulast und die benannte Ausnahme im Einziehungsbeschluss.

 

Begründet wird die Einziehung des Teilstückes der Basilikastraße mit der Feststellung, dass überwiegende Gründe für die Beseitigung der Straße vorliegen. Diese Voraussetzung kommt in Betracht, wenn die Straßenfläche einem anderen öffentlichen Interesse der Daseinsvor- oder –fürsorge weichen muss, z.B. einer städtebaulichen Entwicklung oder für einen Krankenhausbau oder Schulbau benötigt wird (vgl. Hengst / Majcherek, Kommentar StrWG NRW, § 7 Rdn. 3.2).

 

Entspricht die geplante Einziehung einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan, so ist das öffentliche Wohl durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes schon (rechtssatzmäßig) festgestellt (vgl. Walprecht / Cosson, Kommentar StrWG NRW, § 7 Rdn. 62). Diese Auffassung wird auch gestützt durch ein Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12. März 2003 (Urteil Az. 7A D720/02.NE*).

 

Demnach ist die geplante Einziehung als gerechtfertigt anzusehen. Die Gründe für die Beseitigung der Straße müssen aber „überwiegen“. Dazu ist die Abwägung aller in Betracht kommenden öffentlichen und privaten Belange vorzunehmen und die Interessen gegenüber dem Verbleib der Straße und aller Nebenfolgen zu gewichten (vgl. Hengst / Majcherek, Kommentar StrWG NRW, § 7 Rdn. 3.2).

 

In diesen Fall sind die öffentlichen Gründe, die für die Einziehung der Straße sprechen, nämlich

 

  • eine geordnete städtebauliche Entwicklung, abgesichert durch die Festsetzungen im rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 54
  • einem Schulbau, hierzu gehören auch die Gestaltung der Aussenanlagen
  • einem gesicherten Schulbetrieb

 

gewichtiger zu betrachten, als die privaten Interessen gegenüber dem Verbleib der Straße, zumal die Erschließung des Grundstückes über ein abgesichertes Geh-, Fahr- und Leitungsrecht aufrecht erhalten bleibt. Der Einspruch ist demnach zurückzuweisen.

 

Weitere Einsprüche sind im Rahmen der Anhörung nicht erhoben worden.


Anlagen:

 

Lageplan