Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit dem Stadtjugendamt Emsdetten und dem Kreisjugendamt Steinfurt Gespräche mit dem Bunten Kreis Münsterland e. V. zu führen und gemäß der dargestellten Rahmenbedingungen eine Vereinbarung mit dem Verein zur Durchführung des Projektes „Guter Start“ mit einer Laufzeit von 3 Jahren zu schließen.
Begründung:
1. Ausgangslage
In der Stadt Rheine sind auf Initiative der Jugendhilfe in den
vergangenen Jahren verschiedene Bausteine und Projekte im Bereich der Frühen
Hilfen entwickelt und etabliert worden. Als Beispiele können das
Elternbegleitbuch mit den Elternbesuchen, das neu entwickelte ehrenamtliche
Engagement von Familienpaten des CV Rheine oder die Wellcome-Engel der FBS,
sowie das neue lokale Netzwerk der Frühen Hilfen und des Kinderschutzes
angeführt werden. Ähnliche Entwicklungen haben auch die Stadt Emsdetten und der
Kreis Steinfurt zu verzeichnen.
Ziel von Angeboten der Frühen Hilfen ist es, Familien mit kleinen
Kindern möglichst frühzeitig und niederschwellig zu erreichen. Dazu müssen die
Maßnahmen zum einen dort stattfinden, wo Eltern und ihre Kinder sich aufhalten,
zum anderen muss die Inanspruchnahme der Angebote unkompliziert und ohne großen
Aufwand möglich sein. Freiwilligkeit und Eigenmotivation sind eine
Grundvoraussetzung für eine effektive Hilfegestaltung.
Die enge Verzahnung von Jugend- und Gesundheitshilfe spielt dabei eine
besondere Rolle. Die Erfahrungen, bspw. aus Publikationen zum Einsatz von
Familienhebammen, zeigen, dass junge Eltern Angeboten der Gesundheitshilfe
offener gegenüber stehen und die Hemmschwelle gering ist, Unterstützungsleistungen
in Anspruch zu nehmen. Auch Beratungs- und Hilfeangeboten der Jugendhilfe
können offensichtlich dann leichter angenommen werden, wenn Mitarbeiter/-innen
der Gesundheitshilfe kooperierende Kontakte Pflegen und im Interesse und im
Auftrag der Familien Brücken zur Jugendhilfe bauen.
Besonders große Offenheit zur Annahme von einer Unterstützung besteht
während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensmonaten. Die Phase um und
nach der Geburt ist für alle werdenden Eltern geprägt von Neuem und Ungewissen.
Unsicherheiten und Fragen zur neuen Lebenssituation werden als
selbstverständlich und normal wahrgenommen, sowie jegliche Hilfe gerne
angenommen.
Vor diesem Hintergrund sind Geburtskliniken eine wichtiger Kooperationspartner
der Jugendhilfe und eine Kooperation mit diesem Partner soll einen weiteren
Baustein bei der Planung und Umsetzung früher Hilfen bilden.
Familien aus Rheine nutzen nach Aussage der Klinik fast ausschließlich
die Entbindungsstation des Mathias-Spitals in Rheine.
2. Das
Projekt „Guter Start“ des Vereins „Bunter Kreis Münsterland e.V.“
Der
Bunte Kreis Münsterland e.V. wurde 2000 gegründet und ist ein gemeinnütziger
Verein. Schwerpunkt der Vereinsarbeit liegt in der sozialmedizinischen
Nachsorge. Eltern, deren Kinder viel zu
früh, schwer oder chronisch erkrankt oder mit Behinderungen geboren werden, werden von Nachsorgemitarbeiterinnen (Kinderkrankenschwestern,
Psychologin und Sozialarbeiterin) beraten und auf die Entlassung vorbereitet.
Sie werden unterstützt und begleitet, damit der Übergang nach Hause gut
gelingt. Kontakte zu weitergehenden Unterstützungsmöglichkeiten werden vermittelt
oder hergestellt. Derzeit arbeiten
Mitarbeiter/-innen des Bunten Kreises in den Christophorus-Kliniken in
Coesfeld, am St. Franziskus-Hospital in Münster, am Universitätsklinikum
Münster und am Mathias-Spital in Rheine. Finanziert wird das Angebot
hauptsächlich aus Spendengeldern, teilweise fließen auch Krankenkassenleistungen
mit ein.
Seit
2009 bietet der Verein in den Christophorus-Kliniken in Coesfeld zusätzlich das
Beratungsangebot „Guter Start“ an. Dieses Angebot richtet sich an werdende
Eltern sowie Familien mit Neugeborenen und jungen Kindern, die Fragen zum Leben
mit Kind haben oder mit der ihrer Lebenssituation objektiv belastet sind und
Sorge haben, wie sie den Alltag mit ihrem Kind gut gestalten können.
Durchgeführt wird die Arbeit von einer
sozialpädagogischen Fachkraft, die in der Geschäftsstelle des Bunten Kreis
Münsterland e.V. (Räumlichkeiten der Klinik) und regelmäßig auf den verschiedenen
Stationen des Krankenhauses (Intensivstation, Kinderstation, Kreissaal,
gynäkologische Station) präsent ist. Der Kontakt zu den Familien entsteht
entweder durch die Eltern selbst oder wird vom Pflegepersonal bzw. den Ärzten
vermittelt. Hauptaufgaben dieser Koordinierungsstelle sind:
§ Unterstützung und Beratung von Familien
Die Beratung von Familien geschieht immer auf
freiwilliger Basis. Auf jeder der genannten Stationen liegen Flyer aus, die auf
das Angebot aufmerksam machen und hierüber informieren. Eltern können dann von
sich aus Kontakt zur Koordinierungsstelle aufnehmen und sich dort beraten
lassen. Beratungen können aber auch durch Vermittlung des Pflegepersonals oder
der Ärzte zustande kommen. Nehmen diese wahr, dass eine Familien Unterstützung
benötigt, thematisieren sie dieses mit den Betroffenen und stellen mit
Einverständnis der Eltern Kontakt zu der Mitarbeiter/-in des Bunten Kreises
her. Auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus haben Familien bis zu einem mit
dem Leistungsträger festgelegten Lebensalter des Kindes die Möglichkeit, sich
an die Mitarbeiter/-in zu wenden und Beratungsgespräche zu führen. Diese sind
auch in Form von Hausbesuchen denkbar.
§ Vermittlung von Unterstützungsleistungen
des Sozial-, Gesundheits- oder Jugendhilfesystems
Sollte
sich bei der Beratung herausstellen, dass eine Familie weitergehenden Unterstützungsbedarf
hat, wird gemeinsam nach geeigneten Möglichkeiten gesucht. Die Spannweite
dieser Möglichkeiten ist breit und kann von niederschwelligen Angeboten bis zu
intensiven Hilfen aus dem Sozial- Gesundheits- und Jugendhilfesystems reichen.
Die Fachkraft übernimmt damit eine Lotsenfunktion durch die Hilfesysteme.
Hierzu ist eine gute Kenntnis der sozialräumlichen Gegebenheiten und der dort
vorhandenen Angebote seitens der Koordinierungsfachkraft erforderlich. Typische
Unterstützungsleistungen, die vermittelt werden, sind:
-
Finanzielle
Unterstützung (Kindergeld, Elterngeld, Spenden, weitere finanzielle
Möglichkeiten)
-
Vermittlung
von Hebammen
-
Weitervermittlung
zu entsprechenden medizinischen und ärztlichen Angeboten
-
Vermittlung
zu Beratungsstellen
-
Betreuungsangebote
-
Kontakt
zu den Jugendämtern
§ Sensibilisierung von Fachkräften des
Krankenhauses, insbesondere des Pflegepersonals bei Wahrnehmung von
Problemlagen
Dem medizinischen Personal auf den Stationen kommt eine
entscheidende Mittlerfunktion zu. Sie stehen im regelmäßigen Kontakt zu den
jungen Familien, werden mit Fragen der Eltern und konfrontiert und nehmen wahr,
wenn Mütter und Väter an ihre Grenzen kommen, sich überfordert fühlen oder
Probleme bei der Versorgung des Kindes haben. Um die Aufmerksamkeit des
Personals zu schärfen, haben die Mitarbeiter/-innen des Bunten Kreises
Indikatoren entwickelt, die die Wahrnehmung für Problemlagen von Familien
sensibilisieren sollen. Hierzu gehört beispielsweise der Blick auf Belastungen
wie frühe Mutterschaft, sprachliche Barrieren oder psychische
Beeinträchtigungen genauso Auffälligkeiten im Mutterpass oder Auffälligkeiten
im Umgang mit dem Kind. Dieser „Intake-Bogens“ dient zum einen als Orientierung
für das auf der Station arbeitenden personal, zum anderen ist er Grundlage für
regelmäßige Gespräche zwischen den Stationsmitarbeiter/-innen und den
Fachkräften des Bunten Kreises.
Kostenträger
des Projekts an den Christophorus-Kliniken sind die Stadt Coesfeld und der
Kreis Borken, die für die beschriebenen Aufgaben bei ca. 1500 Geburten im Jahr
eine Koordinationskraft im Umfang von 19,5 Wochenstunden finanzieren.
Zusätzlich wurde für den Kreis Borken vereinbart, Ansprechpartner für alle
Eltern zu sein, die mit Kindern 6 Jahren die Klinik aufsuchen und
Unterstützungsbedarf haben. Für die Stadt Coesfeld bezieht sich das Angebot auf
die Altersgruppe bis 3 Jahren.
3. „Guter
Start“ als Kooperationsprojekt der Stadtjugendämter Emsdetten und Rheine und
des Kreisjugendamtes Steinfurt am Mathias-Spital in Rheine
Am
Mathias-Spital in Rheine werden nach Aussage der Klinik über 600 Kinder aus
Rheine geboren. Das entspricht fast 100% der jährlich stattfindenden Geburten.
Zudem ist das Mathias-Spital aufgrund der intensivmedizinischen Versorgung
erste Anlaufstelle bei der Geburt von „Frühchen“ und schweren Erkrankungen von
Kleinstkindern. Für die Verortung weiterer Angebote im Rahmen der frühen Hilfen
ist das Mathias-Spital damit der
zentrale Kooperationspartner.
Ähnliches
gilt für die Stadt Emsdetten und den Kreis Steinfurt: Aus dem Jugendamtsbereich
Emsdetten finden ca. ein Drittel (87) aller Geburten im Mathias-Spital statt,
aus dem Kreisjugendamtsbereich ca. 25% (435).
Gemeinsam
mit dem Bunten Kreis e.V. ist daher die Idee entwickelt worden, das Projekt
„Guter Start“ am Mathias-Spital zu verorten und analog zum Angebot an den
Christophorus-Kliniken jeweils anteilig die erforderliche Koordinierungsstelle
zu finanzieren. Der Bunte Kreis verfügt aufgrund seiner Tätigkeit an den
Christophorus-Kliniken inzwischen über ein breites Erfahrungs- und
Wissensspektrum darüber, wie Zugänge zu Familien gelingen können und wie
medizinisches Pflegepersonal für eine konstruktive Zusammenarbeit gewonnen
werden kann. Zudem sind bereits durch die sozialmedizinische Nachsorge gute
Kooperationsbeziehungen zwischen dem Mathias-Spital und dem Bunten Kreis gewachsen.
Das Mathias-Spital hat bereits Interesse an einer Zusammenarbeit in dem Projekt
signalisiert.
II.
Folgende Rahmenbedingungen sind angedacht:
§ Die
Fachkraft des Trägers arbeitet entsprechend des zuvor beschriebenen Konzepts
und ist Ansprechpartner für alle Schwangeren und Familien mit Kindern bis zu
einem Lebensalter von einem Jahr.
§ Schwerpunkt
der Arbeit sind die Beratung der Familien, Sensibilisierung und Schulung des
Pflegepersonals, die Vermittlung geeigneter Unterstützung sowie die Kenntnis
von und Vernetzung mit den Institutionen in den jeweiligen Sozialräumen
§ Die
Jugendämter Emsdetten und Rheine sowie das Kreisjugendamt Steinfurt finanzieren
gemeinsam eine Koordinierungsstelle im Umfang von 19,5 Wochenstunden. Bei der
Berechnung des erforderlichen Stundenkontingents wurden auf die Erfahrungen in
Coesfeld zurückgegriffen, die mit dieser Ressourcen und ähnlicher Geburtenzahl
den Anfragen gut gerecht werden können. Die genauen Anteile an der Finanzierung
richten sich nach den Geburten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der
Jugendämter.
§ Das
Mathias-Spital ist bereit, einen Büroraum samt Ausstattung zur Verfügung
zustellen. Dieser soll sich direkt in dem Flügel befinden, indem auch die Gynäkologie
und die Pränataldiagnostik untergebracht sind. Ein schneller und unkomplizierter
Kontakt zu den jungen Familien ist somit problemlos möglich. Dadurch wird zudem unterstrichen, dass die
Klinik an einer Kooperation sehr interessiert ist und das Projekt als Gewinn
für sich und die Patient/-innen wahrnimmt.
§ Das
Projekt soll Anfang 2014 starten und zunächst eine Laufzeit von drei Jahren
haben. Dieser Zeitraum ist erforderlich, um das Angebot bekannt zu machen und
aussagekräftige Erfahrungen zu sammeln. Nach zwei Jahren soll eine erste Auswertung
stattfinden, auf deren Grundlagen dann die weitere Perspektivplanung erfolgen
soll.
§ Je nach
sozialräumlichen Gegebenheiten soll die Fachkraft des Trägers an den
Netzwerktreffen im Rahmen der Frühen Hilfen teilnehmen.
Der
Bunte Kreis ist bereits seit geraumer Zeit verlässliches Mitglied im Arbeitskreis
der Frühen Hilfen, der seit diesem Jahr als lokales Netzwerk der Frühen Hilfen
und des Kinderschutzes weitergeführt wird.