Betreff
Frühe Hilfen - Kooperationsprojekt "Guter Start"
Vorlage
512/13
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit dem Stadtjugendamt Emsdetten und dem Kreisjugendamt Steinfurt Gespräche mit dem Bunten Kreis Münsterland e. V. zu führen und gemäß der dargestellten Rahmenbedingungen eine Vereinbarung mit dem Verein zur Durchführung des Projektes „Guter Start“ mit einer Laufzeit von 3 Jahren zu schließen.


Begründung:

 

1.   Ausgangslage

 

In der Stadt Rheine sind auf Initiative der Jugendhilfe in den vergangenen Jahren verschiedene Bausteine und Projekte im Bereich der Frühen Hilfen entwickelt und etabliert worden. Als Beispiele können das Elternbegleitbuch mit den Elternbesuchen, das neu entwickelte ehrenamtliche Engagement von Familienpaten des CV Rheine oder die Wellcome-Engel der FBS, sowie das neue lokale Netzwerk der Frühen Hilfen und des Kinderschutzes angeführt werden. Ähnliche Entwicklungen haben auch die Stadt Emsdetten und der Kreis Steinfurt zu verzeichnen.

 

Ziel von Angeboten der Frühen Hilfen ist es, Familien mit kleinen Kindern möglichst frühzeitig und niederschwellig zu erreichen. Dazu müssen die Maßnahmen zum einen dort stattfinden, wo Eltern und ihre Kinder sich aufhalten, zum anderen muss die Inanspruchnahme der Angebote unkompliziert und ohne großen Aufwand möglich sein. Freiwilligkeit und Eigenmotivation sind eine Grundvoraussetzung für eine effektive Hilfegestaltung.

 

Die enge Verzahnung von Jugend- und Gesundheitshilfe spielt dabei eine besondere Rolle. Die Erfahrungen, bspw. aus Publikationen zum Einsatz von Familienhebammen, zeigen, dass junge Eltern Angeboten der Gesundheitshilfe offener gegenüber stehen und die Hemmschwelle gering ist, Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Auch Beratungs- und Hilfeangeboten der Jugendhilfe können offensichtlich dann leichter angenommen werden, wenn Mitarbeiter/-innen der Gesundheitshilfe kooperierende Kontakte Pflegen und im Interesse und im Auftrag der Familien Brücken zur Jugendhilfe bauen.

 

Besonders große Offenheit zur Annahme von einer Unterstützung besteht während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensmonaten. Die Phase um und nach der Geburt ist für alle werdenden Eltern geprägt von Neuem und Ungewissen. Unsicherheiten und Fragen zur neuen Lebenssituation werden als selbstverständlich und normal wahrgenommen, sowie jegliche Hilfe gerne angenommen.

 

Vor diesem Hintergrund sind Geburtskliniken eine wichtiger Kooperationspartner der Jugendhilfe und eine Kooperation mit diesem Partner soll einen weiteren Baustein bei der Planung und Umsetzung früher Hilfen bilden.

Familien aus Rheine nutzen nach Aussage der Klinik fast ausschließlich die Entbindungsstation des Mathias-Spitals in Rheine.

 

 

 

 

2.   Das Projekt „Guter Start“ des Vereins „Bunter Kreis Münsterland e.V.“

 

Der Bunte Kreis Münsterland e.V. wurde 2000 gegründet und ist ein gemeinnütziger Verein. Schwerpunkt der Vereinsarbeit liegt in der sozialmedizinischen Nachsorge. Eltern, deren Kinder viel zu früh, schwer oder chronisch erkrankt oder mit Behinderungen geboren werden, werden von Nachsorgemitarbeiterinnen (Kinderkrankenschwestern, Psychologin und Sozialarbeiterin) beraten und auf die Entlassung vorbereitet. Sie werden unterstützt und begleitet, damit der Übergang nach Hause gut gelingt. Kontakte zu weitergehenden Unterstützungsmöglichkeiten werden vermittelt oder hergestellt. Derzeit arbeiten Mitarbeiter/-innen des Bunten Kreises in den Christophorus-Kliniken in Coesfeld, am St. Franziskus-Hospital in Münster, am Universitätsklinikum Münster und am Mathias-Spital in Rheine. Finanziert wird das Angebot hauptsächlich aus Spendengeldern, teilweise fließen auch Krankenkassenleistungen mit ein.

 

Seit 2009 bietet der Verein in den Christophorus-Kliniken in Coesfeld zusätzlich das Beratungsangebot „Guter Start“ an. Dieses Angebot richtet sich an werdende Eltern sowie Familien mit Neugeborenen und jungen Kindern, die Fragen zum Leben mit Kind haben oder mit der ihrer Lebenssituation objektiv belastet sind und Sorge haben, wie sie den Alltag mit ihrem Kind gut gestalten können. Durchgeführt  wird die Arbeit von einer sozialpädagogischen Fachkraft, die in der Geschäftsstelle des Bunten Kreis Münsterland e.V. (Räumlichkeiten der Klinik) und regelmäßig auf den verschiedenen Stationen des Krankenhauses (Intensivstation, Kinderstation, Kreissaal, gynäkologische Station) präsent ist. Der Kontakt zu den Familien entsteht entweder durch die Eltern selbst oder wird vom Pflegepersonal bzw. den Ärzten vermittelt. Hauptaufgaben dieser Koordinierungsstelle sind:

 

§  Unterstützung und Beratung von Familien

Die Beratung von Familien geschieht immer auf freiwilliger Basis. Auf jeder der genannten Stationen liegen Flyer aus, die auf das Angebot aufmerksam machen und hierüber informieren. Eltern können dann von sich aus Kontakt zur Koordinierungsstelle aufnehmen und sich dort beraten lassen. Beratungen können aber auch durch Vermittlung des Pflegepersonals oder der Ärzte zustande kommen. Nehmen diese wahr, dass eine Familien Unterstützung benötigt, thematisieren sie dieses mit den Betroffenen und stellen mit Einverständnis der Eltern Kontakt zu der Mitarbeiter/-in des Bunten Kreises her. Auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus haben Familien bis zu einem mit dem Leistungsträger festgelegten Lebensalter des Kindes die Möglichkeit, sich an die Mitarbeiter/-in zu wenden und Beratungsgespräche zu führen. Diese sind auch in Form von Hausbesuchen denkbar. 

 

§  Vermittlung von Unterstützungsleistungen des Sozial-, Gesundheits- oder Jugendhilfesystems

Sollte sich bei der Beratung herausstellen, dass eine Familie weitergehenden Unterstützungsbedarf hat, wird gemeinsam nach geeigneten Möglichkeiten gesucht. Die Spannweite dieser Möglichkeiten ist breit und kann von niederschwelligen Angeboten bis zu intensiven Hilfen aus dem Sozial- Gesundheits- und Jugendhilfesystems reichen. Die Fachkraft übernimmt damit eine Lotsenfunktion durch die Hilfesysteme. Hierzu ist eine gute Kenntnis der sozialräumlichen Gegebenheiten und der dort vorhandenen Angebote seitens der Koordinierungsfachkraft erforderlich. Typische Unterstützungsleistungen, die vermittelt werden, sind:

-      Finanzielle Unterstützung (Kindergeld, Elterngeld, Spenden, weitere finanzielle Möglichkeiten)

-      Vermittlung von Hebammen

-      Weitervermittlung zu entsprechenden medizinischen und ärztlichen Angeboten

-      Vermittlung zu Beratungsstellen

-      Betreuungsangebote

-      Kontakt zu den Jugendämtern

 

§  Sensibilisierung von Fachkräften des Krankenhauses, insbesondere des Pflegepersonals bei Wahrnehmung von Problemlagen

Dem medizinischen Personal auf den Stationen kommt eine entscheidende Mittlerfunktion zu. Sie stehen im regelmäßigen Kontakt zu den jungen Familien, werden mit Fragen der Eltern und konfrontiert und nehmen wahr, wenn Mütter und Väter an ihre Grenzen kommen, sich überfordert fühlen oder Probleme bei der Versorgung des Kindes haben. Um die Aufmerksamkeit des Personals zu schärfen, haben die Mitarbeiter/-innen des Bunten Kreises Indikatoren entwickelt, die die Wahrnehmung für Problemlagen von Familien sensibilisieren sollen. Hierzu gehört beispielsweise der Blick auf Belastungen wie frühe Mutterschaft, sprachliche Barrieren oder psychische Beeinträchtigungen genauso Auffälligkeiten im Mutterpass oder Auffälligkeiten im Umgang mit dem Kind. Dieser „Intake-Bogens“ dient zum einen als Orientierung für das auf der Station arbeitenden personal, zum anderen ist er Grundlage für regelmäßige Gespräche zwischen den Stationsmitarbeiter/-innen und den Fachkräften des Bunten Kreises.  

 

Kostenträger des Projekts an den Christophorus-Kliniken sind die Stadt Coesfeld und der Kreis Borken, die für die beschriebenen Aufgaben bei ca. 1500 Geburten im Jahr eine Koordinationskraft im Umfang von 19,5 Wochenstunden finanzieren. Zusätzlich wurde für den Kreis Borken vereinbart, Ansprechpartner für alle Eltern zu sein, die mit Kindern 6 Jahren die Klinik aufsuchen und Unterstützungsbedarf haben. Für die Stadt Coesfeld bezieht sich das Angebot auf die Altersgruppe bis 3 Jahren.

 

 

3.   „Guter Start“ als Kooperationsprojekt der Stadtjugendämter Emsdetten und Rheine und des Kreisjugendamtes Steinfurt am Mathias-Spital in Rheine

 

Am Mathias-Spital in Rheine werden nach Aussage der Klinik über 600 Kinder aus Rheine geboren. Das entspricht fast 100% der jährlich stattfindenden Geburten. Zudem ist das Mathias-Spital aufgrund der intensivmedizinischen Versorgung erste Anlaufstelle bei der Geburt von „Frühchen“ und schweren Erkrankungen von Kleinstkindern. Für die Verortung weiterer Angebote im Rahmen der frühen Hilfen ist das Mathias-Spital damit  der zentrale Kooperationspartner.

Ähnliches gilt für die Stadt Emsdetten und den Kreis Steinfurt: Aus dem Jugendamtsbereich Emsdetten finden ca. ein Drittel (87) aller Geburten im Mathias-Spital statt, aus dem Kreisjugendamtsbereich ca. 25% (435).

 

Gemeinsam mit dem Bunten Kreis e.V. ist daher die Idee entwickelt worden, das Projekt „Guter Start“ am Mathias-Spital zu verorten und analog zum Angebot an den Christophorus-Kliniken jeweils anteilig die erforderliche Koordinierungsstelle zu finanzieren. Der Bunte Kreis verfügt aufgrund seiner Tätigkeit an den Christophorus-Kliniken inzwischen über ein breites Erfahrungs- und Wissensspektrum darüber, wie Zugänge zu Familien gelingen können und wie medizinisches Pflegepersonal für eine konstruktive Zusammenarbeit gewonnen werden kann. Zudem sind bereits durch die sozialmedizinische Nachsorge gute Kooperationsbeziehungen zwischen dem Mathias-Spital und dem Bunten Kreis gewachsen. Das Mathias-Spital hat bereits Interesse an einer Zusammenarbeit in dem Projekt signalisiert.

 

II. Folgende Rahmenbedingungen sind angedacht:

 

§  Die Fachkraft des Trägers arbeitet entsprechend des zuvor beschriebenen Konzepts und ist Ansprechpartner für alle Schwangeren und Familien mit Kindern bis zu einem Lebensalter von einem Jahr.

 

§  Schwerpunkt der Arbeit sind die Beratung der Familien, Sensibilisierung und Schulung des Pflegepersonals, die Vermittlung geeigneter Unterstützung sowie die Kenntnis von und Vernetzung mit den Institutionen in den jeweiligen Sozialräumen

 

§  Die Jugendämter Emsdetten und Rheine sowie das Kreisjugendamt Steinfurt finanzieren gemeinsam eine Koordinierungsstelle im Umfang von 19,5 Wochenstunden. Bei der Berechnung des erforderlichen Stundenkontingents wurden auf die Erfahrungen in Coesfeld zurückgegriffen, die mit dieser Ressourcen und ähnlicher Geburtenzahl den Anfragen gut gerecht werden können. Die genauen Anteile an der Finanzierung richten sich nach den Geburten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Jugendämter. 

 

§  Das Mathias-Spital ist bereit, einen Büroraum samt Ausstattung zur Verfügung zustellen. Dieser soll sich direkt in dem Flügel befinden, indem auch die Gynäkologie und die Pränataldiagnostik untergebracht sind. Ein schneller und unkomplizierter Kontakt zu den jungen Familien ist somit problemlos möglich.  Dadurch wird zudem unterstrichen, dass die Klinik an einer Kooperation sehr interessiert ist und das Projekt als Gewinn für sich und die Patient/-innen wahrnimmt.

 

§  Das Projekt soll Anfang 2014 starten und zunächst eine Laufzeit von drei Jahren haben. Dieser Zeitraum ist erforderlich, um das Angebot bekannt zu machen und aussagekräftige Erfahrungen zu sammeln. Nach zwei Jahren soll eine erste Auswertung stattfinden, auf deren Grundlagen dann die weitere Perspektivplanung erfolgen soll.

 

§  Je nach sozialräumlichen Gegebenheiten soll die Fachkraft des Trägers an den Netzwerktreffen im Rahmen der Frühen Hilfen teilnehmen.

Der Bunte Kreis ist bereits seit geraumer Zeit verlässliches Mitglied im Arbeitskreis der Frühen Hilfen, der seit diesem Jahr als lokales Netzwerk der Frühen Hilfen und des Kinderschutzes weitergeführt wird.