Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.
Begründung:
Am 22. Juni 2006 wurde vom Landtag NRW das 2. Schulrechtsänderungsgesetz verabschiedet und ist am 1. August 06 in Kraft getreten.
In den Bereichen
· Tagesbetreuung von Kindern
· Tageseinrichtungen für Kinder / Offene Ganztagsgrundschule
· Hilfen zur Erziehung
· Jugendhilfeplanung
sind unmittelbare Auswirkungen auf die Jugendhilfe zu erwarten und vom Gesetzgeber auch angestrebt.
Daneben sind unter anderem der Wegfall der Schulbezirksgrenzen und die Verbindlichkeit der “Schulempfehlung” im neuen Schulgesetz geregelt worden. Da unmittelbare Auswirkungen aufgrund dieser Regelungen auf die Jugendhilfe nicht zu erwarten sind, soll an dieser Stelle darauf nicht näher eingegangen werden.
Tagesbetreuung von Kindern :
§ 35 Schulgesetz wird wie folgt geändert:
“Die Schulpflicht beginnt für Kinder, die bis zum 31. Dezember das sechste Lebensjahr vollenden, am 1. August desselben Kalenderjahres. Kinder, die nach dem 30. September das sechste Lebensjahr vollenden, werden auf Antrag der Eltern ein Jahr später eingeschult.”
Durch Artikel 7 des 2. Schulrechtsänderungsgesetzes – Übergangsvorschriften – gelten
”abweichend von der
Vorschrift in Artikel 1 über die Verlegung des Stichtages für die Einschulung
(§ 35 Absatz 1 Satz 1 SchulG) statt des Stichtages 31. Dezember für die
Einschulung
zum Schuljahr 2007/2008
der 31. Juli,
zum Schuljahr 2008/2009
der 31. Juli,
zum Schuljahr 2009/2010
der 31. August,
zum Schuljahr 2010/2011
der 31. August,
zum Schuljahr 2011/2012
der 30. September,
zum Schuljahr 2012/2013
der 31. Oktober,
zum Schuljahr 2013/2014
der 30. November,
zum Schuljahr 2014/2015
der 31. Dezember.
§ 35 Abs. 1 Satz 2
findet ab dem Schuljahr 2012/2013 Anwendung.”
Gesetzesbegründung:
Durch die Änderung des §
35 wird der Stichtag für die Einschulung schrittweise vorgezogen werden.
Kinder, die im Kalenderjahr das sechste Lebensjahr vollenden, sollen
eingeschult werden. Den Kindern, die noch nicht voll schulfähig sind, wird eine
besondere Förderung ermöglicht. Die schrittweise Umsetzung ist begründet durch
organisatorische und finanzpolitische Überlegungen. Den Eltern der nach dem 30.
September Geborenen wird ein Antragsrecht auf Einschulung zum nächsten Jahr
eingeräumt, den Eltern der nach dem Stichtag 31. Dezember Geborenenein
Antragsrecht auf vorzeitige Einschulung. Die Vorverlegung des
Einschulungsalters beginnt mit dem Schuljahr 2007/2008.
Es gibt eine Vielzahl
wissenschaftlicher Expertenmeinungen, die einhellig zu dem Ergebnis gelangen,
dass eine möglichst frühe Förderung von Kindern in der Schule viel mehr
individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zulässt, z.B. im Bereich der
Sprachkompetenz. Durch eine Vorverlegung des Einschulungsalters wird die Zeit,
in der Kinder nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in hohem Maße aufnahme- und
lernbereit sind, besser genutzt. Den Schülerinnen und Schülernwerden damit
Chancen einer besseren individuellen Förderung unabhängig von ihrem sozialen
Hintergrund eröffnet.
Dadurch, dass das
Vorziehen des Einschulungsalters in mehreren Schritten, die über mehrere Jahre
verteilt sind, erfolgt, können sich die Eltern, die Kindertageseinrichtungen,
die Lehrerinnen und Lehrer wie auch alle am Schulleben Beteiligten rechtzeitig
darauf einstellen.
Kommentar:
Mit diesen Regelungen
werden die Aktivitäten des Landes fortgesetzt, das faktische Einschulungsalter
weiter zu reduzieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Eltern von den
Gestaltungsrechten Gebrauch machen. Die Verlegung des Stichtages für die
Einschulung hat Auswirkungen auf die Planung von Plätzen in Tageseinrichtungen
für Kinder (§ 10 GTK).
In § 36 wird nach Absatz 1 folgender Absatz 2 eingefügt (In-Kraft Treten dieses Passus ist am 1. Januar 2007):
"(2) Das Schulamt
stellt zwei Jahre vor der Einschulung fest, ob die Sprachentwicklung der Kinder
altersgemäß ist und ob sie die deutsche Sprache hinreichend beherrschen.Ist
dies nicht der Fall und wird ein Kind nicht in einer Tageseinrichtung für
Kinder sprachlich gefördert, soll das Schulamt das Kind verpflichten, an einem
vorschulischen Sprachförderkurs teilzunehmen. Hierdurch soll gewährleistet
werden, dass jedes Kind vom Beginn des Schulbesuchs an dem Unterricht folgen
und sich daran beteiligen kann. Die Schulen sind verpflichtet, das Schulamt bei
der Durchführung der Sprachstandsfeststellung zu unterstützen; hierbei ist auch
eine Zusammenarbeit mit den Kindertagesstätten und der Jugendhilfe
anzustreben."
Gesetzesbegründung:
Die bereits in § 5 und §
44 verankerten allgemeinen Grundsätze werden für die Grundschule nochmals
besonders hervorgehoben. Die Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kindertageseinrichtungen
gewinnt insbesondere aufgrund der künftigen in § 36 Abs. 1 vorgesehenen
Sprachstandsfeststellungen und Fördermaßnahmen ein noch stärkeres Gewicht. Das
Ziel, die Zusammenarbeit der Schulen mit den Tageseinrichtungen für Kinder zu fördern,
bedeutet allerdings nicht, dass durch diese neue Bestimmung ein Austausch
personenbezogener Daten in bisher nicht erlaubten Umfang zulässig würde. Die
Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Sphäre der Schule
bestimmt sich vielmehr auch weiterhin
nach Maßgabe des § 120.
.... Im Jahr vor der
Schulanmeldung, also rund zwei Jahre vor der Aufnahme der Kinder in die
Grundschule, stellt das Schulamt zum ersten Mal ihren Sprachstand fest. Diese
Aufgabe übernehmen Lehrerinnen und Lehrer sowie einschlägig ausgebildetes
Personal im Auftrag des Schulamtes. Wird bei einem Kind Förderbedarf
festgestellt, soll die Verpflichtung ausgesprochen werden, dass es an einem
vorschulischen Sprachförderkurs teilnimmt, sofern es nicht eine Kindertagesstätte
besucht und dort
sprachlich gefördert wird. Den Eltern soll dazu geraten werden, ihr Kind zur
Förderung in einer Tageseinrichtung anzumelden. Eine rechtliche Verpflichtung
zum Besuch einer Kindertagesstätte kann im Gegensatz zum Besuch eines
vorschulischen Sprachförderkurses nicht ausgesprochen werden.
.... Die
Gesetzesänderung soll durch das neue zweistufige Feststellungsverfahren ein und
zwei Jahre vor Schulbeginn sowie durch den Ausbau der vorschulischen Förderung
den Schulerfolg der Kinder mit festgestellten Sprach- und
Sprachentwicklungsdefiziten verbessern. Die nach Absatz 1 weiterhin vorgesehene
Informationsveranstaltung für die Eltern, deren Kinder das vierte Lebensjahr
vollendet haben, ist möglichst vor dem ersten Feststellungsverfahren durchzuführen.
Kommentar:
Schon jetzt ist
absehbar, dass die vorgesehene Sprachstandsfeststellung und die Durchführung
der Sprachförderkurse vorrangig über geschultes Personal in den
Kindertageseinrichtungen erfolgen wird. Eine kurzfristige Unterstützung der
9.700 Einrichtungen bei dieser Herausforderung durch das Land NRW ist geplant.
Tageseinrichtungen für Kinder / Offene
Ganztagsgrundschule
Durch Artikel 4 des
2. Schulrechtsänderungsgesetzes ist § 10 des Gesetzes über Tageseinrichtungen
für Kinder (GTK) wie folgt geändert:
In Absatz 5 werden
nach Satz die 2 folgenden Sätze 3 bis 6 angefügt:
”Der Schulträger oder
der Träger der freien Jugendhilfe kann für außerunterrichtliche Angebote im
Rahmen der Offenen Ganztagsschule Elternbeiträge erheben. Er soll eine soziale
Staffelung der Beiträge für Geschwisterkinder vorsehen. Er kann Beiträge für
Geschwisterkinder ermäßigen. Dies gilt auch für Kinder, deren Geschwister eine
Kindertageseinrichtung besuchen.”
Gesetzesbegründung:
Mit den in § 10 Abs. 5
GTK eingefügten Sätzen 3 bis 6 wird eine gesetzliche Ermächtigung zur sozialen
Staffelung bei der Erhebung von Elternbeiträgen für außerunterrichtliche
Angebote im Rahmen der offenen Ganztagsschule geschaffen. Damit wird
Rechtssicherheit für diese bisher nur auf Erlassebene bestehende Berechtigung
der Schulträger und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe geschaffen.
Diese neue Norm stellt
sicher, dass Elternbeiträge auch zum Ausgleich zwischen finanzstarken und
finanzschwachen Eltern, Ortsteilen und Schulen dienen können
( so genannte
"Quersubventionierung" ).
Kommentar:
Es sollte angestrebt
werden, im Rahmen der Festsetzung der Elternbeiträge im Kontext eines neuen
“Kinderbetreuungsgesetzes” zum voraussichtlich 1.1. 08 die Elternbeiträge für
den Bereich Tageseinrichtungen für Kinder, Tagespflege und Offene
Ganztagsgrundschule zu harmonisieren.
Hilfen zur Erziehung:
In § 41
Schulgesetz wird der Absatz 4 wird wie folgt gefasst:
"(4) Bleibt die
pädagogische Einwirkung erfolglos, können die Schulpflichtigen auf Ersuchen der
Schule oder der Schulaufsichtsbehörde von der für den Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Ordnungsbehörde der Schule zwangsweise
gemäß §§ 66 bis 75 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW zugeführt werden. Das
Jugendamt ist über die beabsichtigte Maßnahme zu unterrichten. § 126 bleibt
unberührt."
Darüber hinaus
wird im selben Paragraphen nach Absatz 4 folgender Absatz 5 angefügt:
"(5) Die Eltern
können von der Schulaufsichtsbehörde durch Zwangsmittel gemäß §§ 55 bis 65 Verwaltungsvollstreckungsgesetz
NRW zur Erfüllung ihrer Pflichten gemäß Absatz 1 angehalten werden."
Gesetzesbegründung:
In § 41 wird die bislang
fehlende, nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aber unabdingbare
ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die zuständige
Schulaufsichtsbehörde geschaffen, Zwangsmaßnahmen gegenüber Eltern einzuleiten,
die sich weigern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Das Fehlen einer
solchen Ermächtigungsgrundlage verhinderte in der Vergangenheit, dass die
aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und personellen Ausstattung hierfür am
besten geeigneten Schulaufsichtsbehörden Verwaltungszwangsverfahren einleiten
konnten, und führte dazu, dass die Schulen selbst diese Verfahren führen
mussten.
Die Zusammenarbeit der
Schule mit dem Jugendamt ist im Bereich der Hilfen zur Erziehung von besonderer
Bedeutung: Im Vorfeld von Zwangsmaßnahmen wird deswegen eine Information des
Jugendamtes vorgesehen, da nur so gewährleistet werden kann, dass parallel laufende
Unterstützungs- und Förderprozesse (z. B. der Erziehungsberatung oder der
sozialpädagogischen Familienhilfe) bei der Entscheidung über notwendige
Interventionen von der schulischen Seite berücksichtigt werden.
In § 42 wird nach
Absatz 5 folgender Absatz 6 eingefügt:
"(6) Die Sorge für
das Wohl der Schülerinnen und Schüler erfordert es, jedem Anschein von
Vernachlässigung oder Misshandlung nachzugehen. Die Schule entscheidet
rechtzeitig über die Einbeziehung des Jugendamtes oder anderer Stellen."
Gesetzesbegründung:
Der Schutzauftrag der
Schule gegenüber den ihr anvertrauten Kindern wird dahingehendkonkretisiert,
dass insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer sowie die pädagogischen und
sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hinweise auf
Vernachlässigung und Misshandlung (z. B. auffällige Fehlzeiten oder
Verhaltensweisen) aufnehmen, angemessen hinterfragen und auf eine Klärung
hinwirken. Hierzu gehört die Information des Jugendamtes ebenso wie die
Einschaltung der Polizei, deren Auftrag durch die Regelung unberührt bleibt.
Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sind dabei zu wahren.
Kommentar:
Diese Änderung
entspricht dem am 1.10.2005 verabschiedeten § 8a Kinder- und
Jugendweiterentwicklungsgesetz (KICK), der den Schutzauftrag der Jugendhilfe
bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung regelt. Fachkräfte der Jugendhilfe
werden über diesen Paragraphen bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung dazu
verpflichtet das Jugendamt oder Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der
Polizei zu informieren. Die Jugendhilfe begrüßt die Verpflichtung der Schule
zur engeren und verbindlicheren Zusammenarbeit mit dem Jugendamt im Falle eines
Verdachtes auf Kindeswohlgefährdung. Innerhalb der Jugendhilfe werden derzeit
Vereinbarungen zwischen Einrichtungen der Jugendhilfe und dem Jugendamt
(Allgemeiner Sozialer Dienst) für ein gemeinsames Vorgehen ausgehandelt. Die
Lücke im Schutzauftrag wird durch die Verpflichtung der Schule zur Abstimmung
mit Jugendhilfe geschlossen – auch wenn die gesetzlichen Grundlagen für die
Schulseite nur knapp formuliert sind. Ebenso wie zwischen den Einrichtungen der
Jugendhilfe und den Jugendämtern zur Zeit verbindliche Verabredungen zum
Vorgehen bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung erarbeitet und getroffen
werden, wird dies zukünftig auch zwischen den Schulen und den Jugendämtern
erforderlich sein.
Jugendhilfeplanung;
In § 80 Abs. 1
Schulgesetz wird folgender Satz angefügt:
"Schulentwicklungsplanung
und Jugendhilfeplanung sind aufeinander abzustimmen."
Begründung: Nr. 56.
Dies entspricht der in §
7 Jugendfördergesetz NRW (3. Ausführungsgesetz SGB VIII) verankerten
Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der freien Träger zur
Zusammenarbeit mit den Schulträgern, der Schulaufsicht und den Schulträgern.
Kommentar:
Die Jugendhilfeseite
wurde bereits zum 01.01.2005 mit § 7 Kinder- und Jugendförderungsgesetz NRW
verpflichtet
- die schulbezogenen Angebote abzustimmen,
- die für die Zusammenarbeit erforderlichen
Strukturen zu errichten,
- eine
sozialräumliche pädagogische Arbeit unter Beteiligung aller im Sozialraum agierendenSchulen und Träger zu
fördern und
-
im Rahmen einer integrierten Jugendhilfe-
und Schulentwicklungsplanung ein
zwischen allen Beteiligen
abgestimmtes Konzept über Schwerpunkte und
Bereiche des Zusammenwirkens und über
Umsetzungsschritte zu entwickeln.
Dabei kann in der Stadt
Rheine schon auf eine langjährige Erfahrung aufgebaut werden, da, wie bekannt,
die 2. kombinierte Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung in Auftrag gegeben
worden ist.