Betreff
Kooperation Jugendhilfe/Schule Auswirkungen des neuen Schulgesetzes
Vorlage
464/06
Aktenzeichen
II-2-51-ga
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

 


Begründung:

Am 22. Juni 2006 wurde vom Landtag NRW das 2. Schulrechtsänderungsgesetz verabschiedet und ist am 1. August 06 in Kraft getreten.

In den Bereichen

 

· Tagesbetreuung von Kindern

 

· Tageseinrichtungen für Kinder / Offene Ganztagsgrundschule

 

· Hilfen zur Erziehung

 

· Jugendhilfeplanung

 

sind unmittelbare Auswirkungen auf die Jugendhilfe zu erwarten und vom Gesetzgeber auch angestrebt.

Daneben sind unter anderem der Wegfall der Schulbezirksgrenzen und die Verbindlichkeit der “Schulempfehlung” im neuen Schulgesetz geregelt worden. Da  unmittelbare Auswirkungen aufgrund dieser Regelungen auf die Jugendhilfe nicht zu erwarten sind, soll an dieser Stelle darauf nicht näher eingegangen werden.

 

 

 

Tagesbetreuung von Kindern :

 

§ 35 Schulgesetz wird wie folgt  geändert:

“Die Schulpflicht beginnt für Kinder, die bis zum 31. Dezember das sechste Lebensjahr vollenden, am 1. August desselben Kalenderjahres. Kinder, die nach dem 30. September das sechste Lebensjahr vollenden, werden auf Antrag der Eltern ein Jahr später eingeschult.”

 

Durch Artikel 7 des 2. Schulrechtsänderungsgesetzes – Übergangsvorschriften – gelten

 

”abweichend von der Vorschrift in Artikel 1 über die Verlegung des Stichtages für die Einschulung (§ 35 Absatz 1 Satz 1 SchulG) statt des Stichtages 31. Dezember für die Einschulung

 

zum Schuljahr 2007/2008 der 31. Juli,

zum Schuljahr 2008/2009 der 31. Juli,

zum Schuljahr 2009/2010 der 31. August,

zum Schuljahr 2010/2011 der 31. August,

zum Schuljahr 2011/2012 der 30. September,

zum Schuljahr 2012/2013 der 31. Oktober,

zum Schuljahr 2013/2014 der 30. November,

zum Schuljahr 2014/2015 der 31. Dezember.

§ 35 Abs. 1 Satz 2 findet ab dem Schuljahr 2012/2013 Anwendung.”


 

Gesetzesbegründung:

Durch die Änderung des § 35 wird der Stichtag für die Einschulung schrittweise vorgezogen werden. Kinder, die im Kalenderjahr das sechste Lebensjahr vollenden, sollen eingeschult werden. Den Kindern, die noch nicht voll schulfähig sind, wird eine besondere Förderung ermöglicht. Die schrittweise Umsetzung ist begründet durch organisatorische und finanzpolitische Überlegungen. Den Eltern der nach dem 30. September Geborenen wird ein Antragsrecht auf Einschulung zum nächsten Jahr eingeräumt, den Eltern der nach dem Stichtag 31. Dezember Geborenenein Antragsrecht auf vorzeitige Einschulung. Die Vorverlegung des Einschulungsalters beginnt mit dem Schuljahr 2007/2008.

 

Es gibt eine Vielzahl wissenschaftlicher Expertenmeinungen, die einhellig zu dem Ergebnis gelangen, dass eine möglichst frühe Förderung von Kindern in der Schule viel mehr individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zulässt, z.B. im Bereich der Sprachkompetenz. Durch eine Vorverlegung des Einschulungsalters wird die Zeit, in der Kinder nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in hohem Maße aufnahme- und lernbereit sind, besser genutzt. Den Schülerinnen und Schülernwerden damit Chancen einer besseren individuellen Förderung unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund eröffnet.

 

Dadurch, dass das Vorziehen des Einschulungsalters in mehreren Schritten, die über mehrere Jahre verteilt sind, erfolgt, können sich die Eltern, die Kindertageseinrichtungen, die Lehrerinnen und Lehrer wie auch alle am Schulleben Beteiligten rechtzeitig darauf einstellen.

 

Kommentar:

Mit diesen Regelungen werden die Aktivitäten des Landes fortgesetzt, das faktische Einschulungsalter weiter zu reduzieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Eltern von den Gestaltungsrechten Gebrauch machen. Die Verlegung des Stichtages für die Einschulung hat Auswirkungen auf die Planung von Plätzen in Tageseinrichtungen für Kinder (§ 10 GTK).

 

In § 36 wird nach Absatz 1 folgender Absatz 2 eingefügt (In-Kraft Treten dieses Passus ist am 1. Januar 2007):

"(2) Das Schulamt stellt zwei Jahre vor der Einschulung fest, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersgemäß ist und ob sie die deutsche Sprache hinreichend beherrschen.Ist dies nicht der Fall und wird ein Kind nicht in einer Tageseinrichtung für Kinder sprachlich gefördert, soll das Schulamt das Kind verpflichten, an einem vorschulischen Sprachförderkurs teilzunehmen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass jedes Kind vom Beginn des Schulbesuchs an dem Unterricht folgen und sich daran beteiligen kann. Die Schulen sind verpflichtet, das Schulamt bei der Durchführung der Sprachstandsfeststellung zu unterstützen; hierbei ist auch eine Zusammenarbeit mit den Kindertagesstätten und der Jugendhilfe anzustreben."

 

Gesetzesbegründung:

Die bereits in § 5 und § 44 verankerten allgemeinen Grundsätze werden für die Grundschule nochmals besonders hervorgehoben. Die Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kindertageseinrichtungen gewinnt insbesondere aufgrund der künftigen in § 36 Abs. 1 vorgesehenen Sprachstandsfeststellungen und Fördermaßnahmen ein noch stärkeres Gewicht. Das Ziel, die Zusammenarbeit der Schulen mit den Tageseinrichtungen für Kinder zu fördern, bedeutet allerdings nicht, dass durch diese neue Bestimmung ein Austausch personenbezogener Daten in bisher nicht erlaubten Umfang zulässig würde. Die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Sphäre der Schule bestimmt sich vielmehr auch weiterhin

nach Maßgabe des § 120.

.... Im Jahr vor der Schulanmeldung, also rund zwei Jahre vor der Aufnahme der Kinder in die Grundschule, stellt das Schulamt zum ersten Mal ihren Sprachstand fest. Diese Aufgabe übernehmen Lehrerinnen und Lehrer sowie einschlägig ausgebildetes Personal im Auftrag des Schulamtes. Wird bei einem Kind Förderbedarf festgestellt, soll die Verpflichtung ausgesprochen werden, dass es an einem vorschulischen Sprachförderkurs teilnimmt, sofern es nicht eine Kindertagesstätte

besucht und dort sprachlich gefördert wird. Den Eltern soll dazu geraten werden, ihr Kind zur Förderung in einer Tageseinrichtung anzumelden. Eine rechtliche Verpflichtung zum Besuch einer Kindertagesstätte kann im Gegensatz zum Besuch eines vorschulischen Sprachförderkurses nicht ausgesprochen werden.

.... Die Gesetzesänderung soll durch das neue zweistufige Feststellungsverfahren ein und zwei Jahre vor Schulbeginn sowie durch den Ausbau der vorschulischen Förderung den Schulerfolg der Kinder mit festgestellten Sprach- und Sprachentwicklungsdefiziten verbessern. Die nach Absatz 1 weiterhin vorgesehene Informationsveranstaltung für die Eltern, deren Kinder das vierte Lebensjahr vollendet haben, ist möglichst vor dem ersten Feststellungsverfahren durchzuführen.

 

Kommentar:

Schon jetzt ist absehbar, dass die vorgesehene Sprachstandsfeststellung und die Durchführung der Sprachförderkurse vorrangig über geschultes Personal in den Kindertageseinrichtungen erfolgen wird. Eine kurzfristige Unterstützung der 9.700 Einrichtungen bei dieser Herausforderung durch das Land NRW ist geplant.

 

Tageseinrichtungen für Kinder / Offene Ganztagsgrundschule

Durch Artikel 4 des 2. Schulrechtsänderungsgesetzes ist § 10 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) wie folgt geändert:

 

In Absatz 5 werden nach Satz die 2 folgenden Sätze 3 bis 6 angefügt:

 

”Der Schulträger oder der Träger der freien Jugendhilfe kann für außerunterrichtliche Angebote im Rahmen der Offenen Ganztagsschule Elternbeiträge erheben. Er soll eine soziale Staffelung der Beiträge für Geschwisterkinder vorsehen. Er kann Beiträge für Geschwisterkinder ermäßigen. Dies gilt auch für Kinder, deren Geschwister eine Kindertageseinrichtung besuchen.”

 

Gesetzesbegründung:

Mit den in § 10 Abs. 5 GTK eingefügten Sätzen 3 bis 6 wird eine gesetzliche Ermächtigung zur sozialen Staffelung bei der Erhebung von Elternbeiträgen für außerunterrichtliche Angebote im Rahmen der offenen Ganztagsschule geschaffen. Damit wird Rechtssicherheit für diese bisher nur auf Erlassebene bestehende Berechtigung der Schulträger und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe geschaffen.

Diese neue Norm stellt sicher, dass Elternbeiträge auch zum Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Eltern, Ortsteilen und Schulen dienen können

( so genannte "Quersubventionierung" ).

 

Kommentar:

Es sollte angestrebt werden, im Rahmen der Festsetzung der Elternbeiträge im Kontext eines neuen “Kinderbetreuungsgesetzes” zum voraussichtlich 1.1. 08 die Elternbeiträge für den Bereich Tageseinrichtungen für Kinder, Tagespflege und Offene Ganztagsgrundschule zu harmonisieren.

 

 

Hilfen zur Erziehung:

 

In § 41 Schulgesetz wird der Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

"(4) Bleibt die pädagogische Einwirkung erfolglos, können die Schulpflichtigen auf Ersuchen der Schule oder der Schulaufsichtsbehörde von der für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Ordnungsbehörde der Schule zwangsweise gemäß §§ 66 bis 75 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW zugeführt werden. Das Jugendamt ist über die beabsichtigte Maßnahme zu unterrichten. § 126 bleibt unberührt."

Darüber hinaus wird im selben Paragraphen nach Absatz 4 folgender Absatz 5 angefügt:

"(5) Die Eltern können von der Schulaufsichtsbehörde durch Zwangsmittel gemäß §§ 55 bis 65 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW zur Erfüllung ihrer Pflichten gemäß Absatz 1 angehalten werden."

 

 

Gesetzesbegründung:

In § 41 wird die bislang fehlende, nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aber unabdingbare ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die zuständige Schulaufsichtsbehörde geschaffen, Zwangsmaßnahmen gegenüber Eltern einzuleiten, die sich weigern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Das Fehlen einer solchen Ermächtigungsgrundlage verhinderte in der Vergangenheit, dass die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und personellen Ausstattung hierfür am besten geeigneten Schulaufsichtsbehörden Verwaltungszwangsverfahren einleiten konnten, und führte dazu, dass die Schulen selbst diese Verfahren führen mussten.

 

Die Zusammenarbeit der Schule mit dem Jugendamt ist im Bereich der Hilfen zur Erziehung von besonderer Bedeutung: Im Vorfeld von Zwangsmaßnahmen wird deswegen eine Information des Jugendamtes vorgesehen, da nur so gewährleistet werden kann, dass parallel laufende Unterstützungs- und Förderprozesse (z. B. der Erziehungsberatung oder der sozialpädagogischen Familienhilfe) bei der Entscheidung über notwendige Interventionen von der schulischen Seite berücksichtigt werden.


 

In § 42 wird nach Absatz 5 folgender Absatz 6 eingefügt:

"(6) Die Sorge für das Wohl der Schülerinnen und Schüler erfordert es, jedem Anschein von Vernachlässigung oder Misshandlung nachzugehen. Die Schule entscheidet rechtzeitig über die Einbeziehung des Jugendamtes oder anderer Stellen."

 

Gesetzesbegründung:

Der Schutzauftrag der Schule gegenüber den ihr anvertrauten Kindern wird dahingehendkonkretisiert, dass insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer sowie die pädagogischen und sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hinweise auf Vernachlässigung und Misshandlung (z. B. auffällige Fehlzeiten oder Verhaltensweisen) aufnehmen, angemessen hinterfragen und auf eine Klärung hinwirken. Hierzu gehört die Information des Jugendamtes ebenso wie die Einschaltung der Polizei, deren Auftrag durch die Regelung unberührt bleibt. Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sind dabei zu wahren.

 

Kommentar:

Diese Änderung entspricht dem am 1.10.2005 verabschiedeten § 8a Kinder- und Jugendweiterentwicklungsgesetz (KICK), der den Schutzauftrag der Jugendhilfe bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung regelt. Fachkräfte der Jugendhilfe werden über diesen Paragraphen bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung dazu verpflichtet das Jugendamt oder Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei zu informieren. Die Jugendhilfe begrüßt die Verpflichtung der Schule zur engeren und verbindlicheren Zusammenarbeit mit dem Jugendamt im Falle eines Verdachtes auf Kindeswohlgefährdung. Innerhalb der Jugendhilfe werden derzeit Vereinbarungen zwischen Einrichtungen der Jugendhilfe und dem Jugendamt (Allgemeiner Sozialer Dienst) für ein gemeinsames Vorgehen ausgehandelt. Die Lücke im Schutzauftrag wird durch die Verpflichtung der Schule zur Abstimmung mit Jugendhilfe geschlossen – auch wenn die gesetzlichen Grundlagen für die Schulseite nur knapp formuliert sind. Ebenso wie zwischen den Einrichtungen der Jugendhilfe und den Jugendämtern zur Zeit verbindliche Verabredungen zum Vorgehen bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung erarbeitet und getroffen werden, wird dies zukünftig auch zwischen den Schulen und den Jugendämtern erforderlich sein.

 

 

Jugendhilfeplanung;

 

In § 80 Abs. 1 Schulgesetz wird folgender Satz angefügt:

"Schulentwicklungsplanung und Jugendhilfeplanung sind aufeinander abzustimmen."

 

Begründung: Nr. 56.

Dies entspricht der in § 7 Jugendfördergesetz NRW (3. Ausführungsgesetz SGB VIII) verankerten Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der freien Träger zur Zusammenarbeit mit den Schulträgern, der Schulaufsicht und den Schulträgern.

 

Kommentar:

Die Jugendhilfeseite wurde bereits zum 01.01.2005 mit § 7 Kinder- und Jugendförderungsgesetz NRW verpflichtet

 

-        die schulbezogenen Angebote abzustimmen,

-        die für die Zusammenarbeit erforderlichen Strukturen zu errichten,

-        eine sozialräumliche pädagogische Arbeit unter Beteiligung aller im Sozialraum           agierendenSchulen und Träger zu fördern und

-               im Rahmen einer integrierten Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung ein 

          zwischen allen Beteiligen abgestimmtes Konzept über Schwerpunkte und

          Bereiche des Zusammenwirkens und über Umsetzungsschritte zu entwickeln.

 

Dabei kann in der Stadt Rheine schon auf eine langjährige Erfahrung aufgebaut werden, da, wie bekannt, die 2. kombinierte Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung in Auftrag gegeben worden ist.