Betreff
SGB II - Entwicklungen und Tendenzen
Vorlage
221/14
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den Sachstandsbericht SGB II - Entwicklung und Tendenzen zur Kenntnis.

 

Er nimmt zur Kenntnis, dass die Stadt Rheine gegen den Bescheid des Kreises Steinfurt zur Festsetzung des Kostenbeitrages für das Jahr 2012 Klage beim Sozialgericht Münster eingelegt hat.

 


Begründung:

 

Seit der Einführung des Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zum 01.01.2005 wurde in den Sitzungen des Sozialausschusses fortlaufend über die Umsetzung des SGB II im Kreis Steinfurt berichtet.

Dieser Sachstandsbericht hat das Ziel, über die Entwicklung bei der Beteiligung der Stadt Rheine an den Kosten des SGB II zu informieren.

 

 

Sachdarstellung:

 

Der Kreis Steinfurt ist als Optionskommune Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aus Gründen der Orts- und Bürgernähe wurden die Aufgaben der finanziellen Leistungsgewährung mittels Delegationssatzung auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden übertragen.

 

Mit der Delegation der Aufgaben ist eine Kostenbeteiligung gem. § 5 Absatz 5 AG - SGB II NRW verbunden. Danach tragen die Gemeinden 50 vom Hundert der Aufwendungen für kommunale Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von Satz 1 können zugelassene Kreise durch Satzung im Benehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden eine andere quotale Verteilung der Aufwendungen bestimmen, wenn die Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den Aufwendungen 50 vom Hundert nicht überschreitet. Die Kreise können durch Satzung einen Härteausgleich festlegen, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt. Abweichend können Kreise und kreisangehörige Kommunen auch eine andere Verteilung der Aufwendungen vereinbaren.

 

Der Kreis Steinfurt hat die Kostenbeteiligung zuletzt ab dem Jahr 2011 auf 50 vom Hundert angehoben. Zuvor erfolgte ab 2008 eine jährliche, stufenweise Anhebung (30%, 40%, 40%). Ein Härteausgleich wurde im Kreis Steinfurt erst mit Satzung vom 10.12.2012 mit Wirkung ab 2012 festgelegt.

 

Hiernach greift eine Härteausgleichsregelung, wenn ein erheblicher struktureller Unterschied besteht. Dieser erhebliche strukturelle Unterschied wurde vom Kreis Steinfurt für die Städte Rheine und Steinfurt festgestellt. Eine erhebliche finanzielle Härte wird nach dieser Satzung für die Städte und Gemeinden anerkannt, die aufgrund erheblicher struktureller Unterschiede gegenüber dem Kreisgebiet um 15% höhere Aufwendungen haben, als wenn die SGB II-Gesamtkosten vollständig über die Kreisumlage finanziert wären. Der Ausgleich der finanziellen Härte erfolgt, wenn die Aufwendungen diesen Wert von 15% überschreiten.

 

Für das Jahr 2012 betrug die Eigenbeteiligung der Stadt Rheine 3.423.850,73 €. Enthalten bzw. in Abzug gebracht ist ein Härteausgleich nach Überschreitung der 15%-Grenze in Höhe von 35.047,41 €. Auf Basis der Gesamteigenbeteiligung der Kommunen im Kreis in Höhe von 13.387.218 € und einem Anteil an der Kreisumlage in Höhe von 19,67% ergibt sich gegenüber der vollständigen Finanzierung über die Kreisumlage eine Mehrbelastung in Höhe von 790.585 € (3.423.850 € ./. 2.633.265 €).

 

Für das Jahr 2013 betrug die Eigenbeteiligung der Stadt Rheine 3.735.724,62 € (3.776.013,19 € abzüglich Härteausgleich in Höhe von 40.288,57 €).

 

Für das Jahr 2014 wurden die Abschläge auf insgesamt 3.720.000 € festgesetzt.

 

Im Gesetzentwurf des SGB II wurde als Begründung für diese Kostenbeteiligung der Gemeinden angeführt, dass „durch die Leistungsgewährung aus einer Hand inklusive der Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II auch der kreisangehörige Bereich durch Aufgabenwahrnehmung im eigenen Namen für eine effektive Umsetzung des SGB II Sorge tragen und dadurch Einfluss auf die Entwicklung der Fallzahl nehmen kann“. Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, dass die jeweiligen kreisangehörigen Gemeinden auch die Aufgaben der Vermittlung in Arbeit und der Qualifizierungsmaßnahmen übernehmen. Ansonsten hätte die ausdrückliche Erwähnung des § 16 SGB II, der insbesondere die Arbeitsvermittlung betrifft, keinen Sinn.

 

Mit Wirkung ab 01.01.2011 hat der Kreis Steinfurt eine neue Organisation des SGB II vorgegeben.

 

In diesem 2-Sphärenmodell sind sämtliche aktiven Leistungen (Integration in Arbeit, Maßnahmebesetzung, Arbeitsgelegenheiten) in die Zuständigkeit der GAB AöR gelangt und die Kommunen sind für die passiven Leistungen (reines Leistungsrecht) zuständig.

 

Da die Gemeinden die Aufgaben der Arbeitsvermittlung und der Qualifizierungsmaßnahmen nicht ausüben, ist eine Kostenbeteiligung nicht sachgerecht, weil sie keinen nennenswerten Einfluss auf die Abwicklung der Integrationsleistungen nach § 16 SGB II (Arbeitsvermittlung und Qualifizierung) und damit auch nicht auf die Entwicklung der Fallzahl haben.

 

In der Vergangenheit wurde seitens der Verwaltung intensiv versucht, die Kostenbeteiligung zu reduzieren. Dieses scheiterte an dem notwendigen Benehmen mit den anderen kreisangehörigen Gemeinden.

 

Vor diesem Hintergrund haben sich die Stadt Steinfurt, welche ebenfalls betroffen ist, und die Stadt Rheine entschlossen die Rechtmäßigkeit der bestehenden Regelung zur Beteiligung der Gemeinden an den Kosten des SGB II überprüfen zu lassen. Aus Kostengründen wurde eine gemeinsame Rechtsanwaltskanzlei mit der Vorprüfung und Einlegung von entsprechenden Rechtsmitteln beauftragt. Im Ergebnis wurde gegen den Kostenfestsetzungsbescheid 2012 Widerspruch und gegen den ergangenen Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht Münster eingelegt.

 

Weiterhin wurde gegen den Kostenfestsetzungsbescheid 2013 und gegen den Festsetzungsbescheid über die Abschlagszahlungen für 2014 Widerspruch eingelegt. Mit dem Kreis Steinfurt wurde vereinbart, aus Kostengründen zunächst den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten.

 

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das Oberverwaltungsbericht des Landes Nordrhein-Westfalen (vom 11.01.2012, Az.: 12 A 958/10) festgestellt, dass eine unverhältnismäßige Mehrbelastung von kreisangehörigen Gemeinden durch einen Vergleich der tatsächlichen Aufwendungen der Gemeinden mit den Aufwendungen bei einer vollständigen Finanzierung der SGB II Aufwendungen durch die Kreisumlage festzustellen sei. Das OVG NW hat allerdings ausdrücklich keine Grenze festgelegt, bei deren Überschreitung die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschritten sei.

 

Der Kernsatz der OVG Entscheidung lautet: Nur dann und soweit die kreisangehörigen Gemeinden die Steuerung selbst verantwortet, ist es auch gerechtfertigt, ihr das Ergebnis, d. h. die aus dieser Verantwortung resultierende finanzielle Belastung – bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit alleine zuzurechnen.“ (Rn 58)

 

Aus Sicht der Städte Steinfurt und Rheine ist die Kostenbeteiligung aufgrund fehlender Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten auf Null Prozent zu reduzieren.