Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Sozialausschuss nimmt den Sachstandsbericht SGB II - Entwicklung und Tendenzen zur Kenntnis.
Er nimmt zur Kenntnis, dass die Stadt Rheine gegen den Bescheid des Kreises Steinfurt zur Festsetzung des Kostenbeitrages für das Jahr 2012 Klage beim Sozialgericht Münster eingelegt hat.
Begründung:
Dieser Sachstandsbericht hat das Ziel, über die
Entwicklung bei der Beteiligung der Stadt Rheine an den Kosten des SGB II zu
informieren.
Sachdarstellung:
Der Kreis Steinfurt ist als Optionskommune
Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aus Gründen der Orts- und
Bürgernähe wurden die Aufgaben der finanziellen Leistungsgewährung mittels
Delegationssatzung auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden übertragen.
Mit der Delegation der Aufgaben ist eine
Kostenbeteiligung gem. § 5 Absatz 5 AG - SGB II NRW verbunden. Danach tragen
die Gemeinden 50 vom Hundert der Aufwendungen für kommunale Leistungen nach § 6
Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von Satz 1 können
zugelassene Kreise durch Satzung im Benehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden
eine andere quotale Verteilung der Aufwendungen bestimmen, wenn die Beteiligung
der kreisangehörigen Gemeinden an den Aufwendungen 50 vom Hundert nicht
überschreitet. Die Kreise können durch Satzung einen Härteausgleich festlegen,
wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die
Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer
erheblichen Härte führt. Abweichend können Kreise und kreisangehörige Kommunen
auch eine andere Verteilung der Aufwendungen vereinbaren.
Der Kreis Steinfurt hat die Kostenbeteiligung
zuletzt ab dem Jahr 2011 auf 50 vom Hundert angehoben. Zuvor erfolgte ab 2008
eine jährliche, stufenweise Anhebung (30%, 40%, 40%). Ein Härteausgleich wurde
im Kreis Steinfurt erst mit Satzung vom 10.12.2012 mit Wirkung ab 2012
festgelegt.
Hiernach greift eine
Härteausgleichsregelung, wenn ein erheblicher struktureller Unterschied besteht.
Dieser erhebliche strukturelle Unterschied wurde vom Kreis Steinfurt für die
Städte Rheine und Steinfurt festgestellt. Eine erhebliche finanzielle Härte wird
nach dieser Satzung für die Städte und Gemeinden anerkannt, die aufgrund
erheblicher struktureller Unterschiede gegenüber dem Kreisgebiet um 15% höhere
Aufwendungen haben, als wenn die SGB II-Gesamtkosten vollständig über die
Kreisumlage finanziert wären. Der Ausgleich der finanziellen Härte erfolgt,
wenn die Aufwendungen diesen Wert von 15% überschreiten.
Für das Jahr 2012 betrug die
Eigenbeteiligung der Stadt Rheine 3.423.850,73 €. Enthalten bzw. in Abzug
gebracht ist ein Härteausgleich nach Überschreitung der 15%-Grenze in Höhe von
35.047,41 €. Auf Basis der Gesamteigenbeteiligung der Kommunen im Kreis in Höhe
von 13.387.218 € und einem Anteil an der Kreisumlage in Höhe von 19,67% ergibt
sich gegenüber der vollständigen Finanzierung über die Kreisumlage eine
Mehrbelastung in Höhe von 790.585 € (3.423.850 € ./. 2.633.265 €).
Für das Jahr 2013 betrug die
Eigenbeteiligung der Stadt Rheine 3.735.724,62 € (3.776.013,19 € abzüglich
Härteausgleich in Höhe von 40.288,57 €).
Für das Jahr 2014 wurden die Abschläge auf
insgesamt 3.720.000 € festgesetzt.
Im Gesetzentwurf des SGB II wurde als
Begründung für diese Kostenbeteiligung der Gemeinden angeführt, dass „durch die
Leistungsgewährung aus einer Hand inklusive der Eingliederungsleistungen nach §
16 SGB II auch der kreisangehörige Bereich durch Aufgabenwahrnehmung im eigenen
Namen für eine effektive Umsetzung des SGB II Sorge tragen und dadurch Einfluss
auf die Entwicklung der Fallzahl nehmen kann“. Der Gesetzgeber ist also davon
ausgegangen, dass die jeweiligen kreisangehörigen Gemeinden auch die Aufgaben
der Vermittlung in Arbeit und der Qualifizierungsmaßnahmen übernehmen.
Ansonsten hätte die ausdrückliche Erwähnung des § 16 SGB II, der insbesondere
die Arbeitsvermittlung betrifft, keinen Sinn.
Mit Wirkung ab 01.01.2011 hat der Kreis
Steinfurt eine neue Organisation des SGB II vorgegeben.
In diesem 2-Sphärenmodell sind sämtliche
aktiven Leistungen (Integration in Arbeit, Maßnahmebesetzung,
Arbeitsgelegenheiten) in die Zuständigkeit der GAB AöR gelangt und die Kommunen
sind für die passiven Leistungen (reines Leistungsrecht) zuständig.
Da die Gemeinden die Aufgaben der
Arbeitsvermittlung und der Qualifizierungsmaßnahmen nicht ausüben, ist eine
Kostenbeteiligung nicht sachgerecht, weil sie keinen nennenswerten Einfluss auf
die Abwicklung der Integrationsleistungen nach § 16 SGB II (Arbeitsvermittlung
und Qualifizierung) und damit auch nicht auf die Entwicklung der Fallzahl
haben.
In der Vergangenheit wurde seitens der
Verwaltung intensiv versucht, die Kostenbeteiligung zu reduzieren. Dieses
scheiterte an dem notwendigen Benehmen mit den anderen kreisangehörigen
Gemeinden.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Stadt
Steinfurt, welche ebenfalls betroffen ist, und die Stadt Rheine entschlossen die
Rechtmäßigkeit der bestehenden Regelung zur Beteiligung der Gemeinden an den
Kosten des SGB II überprüfen zu lassen. Aus Kostengründen wurde eine gemeinsame
Rechtsanwaltskanzlei mit der Vorprüfung und Einlegung von entsprechenden
Rechtsmitteln beauftragt. Im Ergebnis wurde gegen den
Kostenfestsetzungsbescheid 2012 Widerspruch und gegen den ergangenen
Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht Münster eingelegt.
Weiterhin wurde gegen den
Kostenfestsetzungsbescheid 2013 und gegen den Festsetzungsbescheid über die
Abschlagszahlungen für 2014 Widerspruch eingelegt. Mit dem Kreis Steinfurt
wurde vereinbart, aus Kostengründen zunächst den Ausgang des Klageverfahrens
abzuwarten.
In einem ähnlich gelagerten Fall hat das
Oberverwaltungsbericht des Landes Nordrhein-Westfalen (vom 11.01.2012, Az.: 12
A 958/10) festgestellt, dass eine unverhältnismäßige Mehrbelastung von
kreisangehörigen Gemeinden durch einen Vergleich der tatsächlichen Aufwendungen
der Gemeinden mit den Aufwendungen bei einer vollständigen Finanzierung der SGB
II Aufwendungen durch die Kreisumlage festzustellen sei. Das OVG NW hat
allerdings ausdrücklich keine Grenze festgelegt, bei deren Überschreitung die
Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschritten sei.
Der Kernsatz der OVG Entscheidung lautet: „Nur
dann und soweit die kreisangehörigen Gemeinden die Steuerung selbst
verantwortet, ist es auch gerechtfertigt, ihr das Ergebnis, d. h. die aus
dieser Verantwortung resultierende finanzielle Belastung – bis zur Grenze der
Unverhältnismäßigkeit alleine zuzurechnen.“ (Rn 58)
Aus Sicht der Städte Steinfurt und Rheine
ist die Kostenbeteiligung aufgrund fehlender Einfluss- und
Steuerungsmöglichkeiten auf Null Prozent zu reduzieren.