Betreff
Beteiligung der Städte und Gemeinden an den kommunalen Kosten im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II
Vorlage
489/06
Aktenzeichen
II-2-schö
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt Rheine stimmt der in der Anlage beigefügten Vereinbarung zwischen der Stadt Rheine, dem Kreis Steinfurt und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden im Kreis Steinfurt zur Kostenbeteiligung an den kommunalen Kosten im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II zu.

 


Begründung:

 

1.   Ausgangslage

 

            Seit dem 01.01.2005 ist der Kreis Steinfurt nach Zulassung durch das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit als sogenannter Optionskreis Träger der Aufgaben nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Rahmen der Ermächtigung nach § 6 Abs. 2 SGB II und § 5 Abs. 2 des nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzes zum SGB II (AG SGB II NRW) hat der Kreis Steinfurt durch Delegationssatzung vom 05.01.2005 den Städten und Gemeinden insbesondere die Aufgaben der Leistungsgewährung (Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes) nach dem SGB II übertragen.

 

          Unabhängig von der Eigenschaft als Optionsträger sind alle Kreise und kreisfreien Städte Finanzierungsträger für die Kosten der Unterkunft und Heizung sowie der im Gesetz vorgesehenen einmaligen Leistungen der Hilfebedürftigen nach dem SGB II. Diese Aufwendungen wurden bisher vollständig über den Kreishaushalt finanziert und – neben den anderen Deckungsmitteln des Kreishaushaltes – von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden über die Kreisumlage getragen.

 

          Nunmehr hat der Landtag Nordrhein-Westfalen in seiner Sitzung am 27.06.2006 verschiedene Änderungen des AG SGB II beschlossen und dabei auch in § 5 Abs. 5 eine Regelung eingeführt, die nach dem Vorbild des nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzes zum ehemaligen Bundessozialhilfegesetz eine Kostenbeteiligung der Städte und Gemeinden bei delegierten Aufgaben einführt. Wörtlich heißt es:

 

            “Bei einer Heranziehung nach Absatz 2 tragen die Gemeinden 50 vom Hundert der Aufwendungen für kommunale Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Die Kreise können durch Satzung einen Härteausgleich festlegen, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt. Abweichend von Satz 1 können zugelassene Kreise und kreisangehörige Städte und Gemeinden eine andere Verteilung der Aufwendungen vereinbaren.”

 

 

            Das Gesetz ist am 08.07.2006 in Kraft getreten. Das heißt also, dass die gesetzliche 50 %ige Kostenbeteiligung seit diesem Tag gilt, es sei denn, der Kreis Steinfurt und alle 24 kreisangehörigen Städte und Gemeinden vereinbaren (rückwirkend) eine andere Regelung oder der Kreistag verabschiedet (rückwirkend) eine Härteausgleichssatzung.

 

          Der Kreis Steinfurt hat aufgrund einer Modellrechnung, ausgehend von einem insgesamt aufzubringendem Volumen von 30 Millionen Euro (Haushaltsansatz 2006: 29,3 Mio. Euro, voraussichtliches Ergebnis 2006: 30,5 Mio. Euro) die voraussichtlichen Be- und Entlastungen der einzelnen Städte und Gemeinden bei einer 50 %igen Kostenbeteiligung bezogen auf ein Jahr errechnet. Diese stellen sich wie folgt dar:

 

 

Stadt/

Gemeinde

Gewinn (+)

Verlust (-)

Veränderung gegenüber bisheriger gesetzl. Regelung

Altenberge

    +      133.371 €

       +       18,9 %

Emsdetten

   +   157.659 €

     +      5,9 %

Greven

    -        46.383 €

       -         2,0 %

Hörstel

    +      203.546 €

       +       16,4 %

Hopsten

   +    78.642 €

     +    16,6 %

Horstmar

   +    62.179 €

     +    15,4 %

Ibbenbüren

   -    31.626 €

      -      0,9 %

Ladbergen

   +    40.723 €

     +    11,0 %

Laer

   -    68.389 €

      -    18,4 %

Lengerich

   -    37.870 €

      -      2,4 %

Lienen

   -      7.305 €

      -      1,4 %

Lotte

   -    55.858 €

      -      6,4 %

Metelen

   +    47.567 €

     +    11,9 %

Mettingen

   +   194.136 €

     +    25,7 %

Neuenkirchen

   +    88.840 €

     +    10,2 %

Nordwalde

   +   129.670 €

     +    20,0 %

Ochtrup

   -    20.163 €

      -      1,6 %

Recke

   +    91.305 €

     +    13,2 %

Rheine

   -   873.127 €

      -    15,6 %

Saerbeck

   +    81.924 €

     +    16,2 %

Steinfurt

   -   402.430 €

      -    16,8 %

Tecklenburg

   +   152.961 €

     +    24,8 %

Westerkappeln

   +    21.233 €

     +      3,0 %

Wettringen

   +    59.393 €

     +    12,4 %

 

 

            Die Stadt Rheine würde bei dieser Betrachtung gegenüber der bisherigen Regelung mit 873.127 € belastet.

 

          Bei dieser Berechnung ragen insbesondere die absoluten Beträge der Städte Rheine und Steinfurt heraus. Im Gegensatz zu den betroffenen Städte sieht der Kreis Steinfurt in dieser zusätzlichen Belastung zwar eine Härte, jedoch keine “erhebliche” Härte, die bei Umsetzung der 50 %igen Kostenbeteiligung zu einem Härteausgleich führen müsste. Allerdings ist diese Einschätzung rechtlich äußerst unsicher und deshalb durchaus gerichtlich anfechtbar, da die rechtliche Auslegung und Anwendung der die Voraussetzungen für einen Härteausgleich nach § 5 Abs. 5 AG SGB II NRW definierenden unbestimmten Rechtsbegriffe “erhebliche strukturelle Unterschiede” und “erhebliche Härte” umstritten sind. Für den Fall der Umsetzung des Gesetzes im Kreis Steinfurt durch eine 50 %-Kostenbeteiligung ohne Härteausgleich wurde bereits der Klageweg angekündigt.

 

 

          2.  Vorschlag für eine abweichende einvernehmliche Vereinbarung

 

Aufgrund dieser Ausgangslage schlagen der Landrat und die ganz überwiegende Zahl der Bürgermeister nach intensiven Gesprächen als einvernehmliche abweichende Vereinbarung im Sinne eines Konsensmodells folgende Stufenregelung vor:

 

-      In den Jahren 2006 (ab 01.07.2006), 2007 und 2008 beträgt die Beteiligungsquote der Kommunen ein Drittel.

 

-      In den Jahren 2009 und 2010 beträgt die Beteiligungsquote 40 %.

 

-      Ab dem 01.01.2011 gilt die gesetzliche Regelung, also eine Beteiligungsquote von 50 %, soweit kein Härteausgleich durchzuführen ist.

 

            Die finanziellen Auswirkungen der ein Drittel-Beteiligung sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.

 

 

Stadt /

Gemeinde

Gewinn (+)

Verlust (-)

Veränderung gegenüber bisheriger gesetzl. Regelung

Altenberge

    +        88.914 €

       +       12,6 %

Emsdetten

   +   105.105 €

     +      3,9 %

Greven

    -        30.922 €

       -         1,3 %

Hörstel

    +      135.696 €

       +       10,9 %

Hopsten

   +    52.428 €

     +    11,0 %

Horstmar

   +    41.453 €

     +    10,3 %

Ibbenbüren

   -    21.084 €

      -      0,6 %

Ladbergen

   +    27.148 €

     +      7,4 %

Laer

   -    45.592 €

      -    12,2 %

Lengerich

   -    25.246 €

      -      1,6 %

Lienen

   -      4.870 €

      -      0,9 %

Lotte

   -    37.239 €

      -      4,3 %

Metelen

   +    31.711 €

     +      7,9 %

Mettingen

   +   129.424 €

     +    17,1 %

Neuenkirchen

   +    59.227 €

     +      6,8 %

Nordwalde

   +    86.447 €

     +    13,2 %

Ochtrup

   -    13.442 €

      -      1,0 %

Recke

   +    60.870 €

     +      8,8 %

Rheine

   -   582.085 €

      -    10,4 %

Saerbeck

   +    54.616 €

     +    10,8 %

Steinfurt

   -   268.287 €

      -    11,2 %

Tecklenburg

   +   101.974 €

     +    16,5 %

Westerkappeln

   +    14.155 €

     +      2,0 %

Wettringen

   +    39.595 €

     +      8,3 %

 

 

          Auf eine Berechnung der vorgesehenen Zwischenstufe (40 % Beteiligung in den Jahren 2009 und 2010) wird verzichtet, da zum jetzigen Zeitpunkt der Gesamtaufwand für die Jahre 2009 und 2010 noch nicht kalkuliert werden kann.

 

          Das vorgeschlagene Konsensmodell in Form der Stufenlösung hat gegenüber allen anderen Alternativen (50 %-Beteiligung mit oder ohne Härteausgleich) folgende Vorteile:

 

-      Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen

 

     Im Kreis Steinfurt bestehen – wie oben dargestellt – zwischen den kreisangehörigen Städten und Gemeinden und im Verhältnis zum Kreis unterschiedliche rechtliche Auffassungen zur Frage, ob und ggf. in welcher Höhe ein Härteausgleich festzulegen ist. Hieraus resultiert die konkrete Möglichkeit von gerichtlichen Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang für alle Beteiligten. So kann sich keine Stadt/Gemeinde darauf verlassen, ob und ggf. in welcher Größenordnung ihr ein Vorteil aus einer 50 %-Beteiligung verbliebe, wenn ein durch Kreistag festgelegter oder gerichtlich erzwungener Härteausgleich zum Tragen käme. Diese Unsicherheit macht es auch denjenigen Kommunen, die sich in der Haushaltssicherung bzw. der vorläufigen Haushaltsführung befinden, möglich, der Vereinbarung zuzustimmen, da sie auf nichts verzichten, was sie sicher “in der Hand halten”.

 

 

-      Erhaltung des kommunalen Friedens zwischen allen Beteiligten

 

Die vorgeschlagene Vereinbarung vermeidet politischen Streit zwischen den Gemeinden über einen Härteausgleich und gegenseitige Vorwürfe mangelnder Solidarität. In einer Zeit des harten Standortwettbewerbs der Region kommt es entscheidend darauf an, die Kräfte zu bündeln und sich nicht in politischen Streitigkeiten über die Finanzverteilung zu verlieren.

 

 

-      Gestaltung einer Übergangsphase

 

Die vorgeschlagene schrittweise Erhöhung der Beteiligungsquote schafft für diejenigen Städte und Gemeinden, die durch die im Gesetz neu angeordnete Beteiligung finanziell nachteilig betroffen sind, eine Übergangszeit; d. h. sie schafft die Möglichkeit, sich finanzwirtschaftlich aber auch mit dem Ziel einer Reduzierung des SGB II-Aufwandes an die neue Lage anzupassen.

 


Anlagen:

 

Abweichende Vereinbarung zur anderen Verteilung der Aufwendungen für kommunale Leistungen nach dem SGB II