Betreff
Einrichtung von Orten des Gemeinsamen Lernens im Primarstufenbereich
Vorlage
014/15
Aktenzeichen
FB 1 / 10 -te
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Schulausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine folgenden Beschluss zu fassen:

 

Der Rat der Stadt Rheine stimmt der Einrichtung von Orten des Gemeinsamen Lernens i. S. d. § 20 Abs. 5 SchulG NRW (Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, Emotionale und Soziale Entwicklung) an den folgenden Grundschulen ab dem Schuljahr 2015/2016 zu:

 

-      Annetteschule

-      Michaelschule

-      Südeschschule

-      Marienschule Hauenhorst

-      Gertrudenschule

 

 

 


Begründung:

 

Für das Schuljahr 2014/15 konnte das Aufnahmeverfahren zur Beschulung von Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgreich abgeschlossen werden. Allen Schüler/innen konnte ein entsprechendes Schulangebot unterbreitet werden. Neben gesondert bewilligten Einzelintegrationsmaßnahmen wurden in der Regel die Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine Beschulung in allgemeinen Schulen wünschten, im Grundschulbereich an der Annetteschule und Michaelschule aufgenommen. Dabei handelt es sich um die Schulen in der Trägerschaft der Stadt Rheine, die bislang bereits den Gemeinsamen Unterricht angeboten haben.

 

Nach Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes regelt § 19 Abs. 5 SchulG NRW, dass dem Grunde nach die Schulaufsichtsbehörde auf Antrag der Eltern über den Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung und die Förderschwerpunkte entscheidet. Besteht ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung, schlägt die Schulaufsichtsbehörde den Eltern mit Zustimmung des Schulträgers mindestens eine allgemeine Schule vor, an der ein Angebot zum Gemeinsamen Lernen eingerichtet ist.

 

Zuvor richtet gemäß § 20 Abs. 5 SchulG NRW die Schulaufsichtsbehörde Gemeinsames Lernen mit Zustimmung des Schulträgers an einer allgemeinen Schule ein, es sei denn, die Schule ist dafür personell und sächlich nicht ausgestattet und kann auch nicht mit vertretbarem Aufwand dafür ausgestattet werden.

 

Das Schulamt für den Kreis Steinfurt als zuständige Schulaufsichtsbehörde beabsichtigt nunmehr, an verschiedenen Grundschulen der Stadt Rheine dauerhaft Orte des Gemeinsamen Lernens einzurichten.

 

Hierbei handelt es sich ausschließlich um Angebote für Schüler/innen mit Lern- und Entwicklungsstörungen, das heißt mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache, Emotionale und soziale Entwicklung.

 

Zur Einrichtung von Orten des Gemeinsamen Lernens an der Annetteschule und Michaelschule ist die Stadt Rheine als Schulträger mit Schreiben des Schulamtes für den Kreis Steinfurt vom 04. September 2014 gemäß § 20 Abs. 5 SchulG NRW um Zustimmung gebeten worden. Dabei geht die genannte Schulaufsichtsbehörde ausdrücklich davon aus, dass für die Aufnahme der betreffenden Schüler/innen keine baulich bedeutsamen investiven Maßnahmen erforderlich sind.

 

Gem. § 76 Nummer 8 SchulG NRW sind die Schulen zu beteiligen. Die Stellungnahmen der betroffenen Schulen liegen zwischenzeitlich vor und sind als Anlagen beigefügt.

 

Das Schulamt für den Kreis Steinfurt weist darauf hin, dass die Zustimmung aus den in § 20 Abs. 5 SchulG NRW genannten Gründen verweigert werden kann. Wenn es an sachlichen Voraussetzungen dafür fehlen sollte, wäre allerdings darzulegen, warum sie nicht mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können.

 

Bereits seit Jahren wird Gemeinsamer Unterricht an den beiden Grundschulen (Annetteschule und Michaelschule) durchgeführt. Dieses bedeutet, dass die beiden genannten Grundschulen bereits das Gemeinsame Lernen i. S. d. §§ 19 und 20 SchulG NRW leben. Dieses sollte auch zukünftig in der Form fortgesetzt werden.

 

Die Schaffung der sächlichen und räumlichen Voraussetzungen liegt unmittelbar in der Zuständigkeit der Stadt Rheine als Schulträger. Die Realisierung eines inklusiven Unterrichts ist nur in gemeinsamer Verantwortung von Schulträger und Land erfolgversprechend. Dieses entspricht § 78 Abs. 4 SchulG NRW, der diese gemeinsame Verantwortung für die zukunftsgerichtete Weiterentwicklung der Schulen festschreibt.

 

Die Annahme der Schulaufsicht, dass für die Aufnahme der Schüler/innen mit Lern- und Entwicklungsstörungen keine baulich bedeutsamen investiven Maßnahmen erforderlich sind, wird von der Verwaltung nicht geteilt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass allein aus dem inklusionsbedingten Mehrbedarf an Räumlichkeiten (z. B. Differenzierungsräume, Rückzugsräume, etc.) dauerhaft erhebliche bauliche (investive) Neu-, Um- und Erweiterungsmaßnahmen an den vier genannten Schulstandorten erforderlich sein werden.

 

Ebenfalls werden, insbesondere bedingt durch das Inkrafttreten des 1. Gesetzes zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) und der Verordnung über die Mindestgrößen der Förderschulen (Mindestgrößenverordnung) erforderliche Neustrukturierung der Förderschullandschaft im Kreis Steinfurt und der daraus zu erwartenden verändernden Bewegungen und Ströme von Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die vom Schulamt für den Kreis Steinfurt vorgeschlagenen Orte des Gemeinsamen Lernens perspektivisch für den Schulträgerbereich der Stadt Rheine nicht ausreichen.

 

Um auch weiterhin allen Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, deren Eltern die Beschulung an einer allgemeinen Schule wünschen, einen Platz im Gemeinsamen Lernen anbieten zu können, sind die sächlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen zu schaffen. Die personellen Voraussetzungen sind durch die Zuteilung der notwendigen Sonderschulpädagogen vom Land zu gewährleisten. Der Schulträger hingegen hat die sächlichen und räumlichen Gegebenheiten zu stellen.

 

Daher sollten zumindest drei weitere Grundschulstandorte (im Norden und Süden des Stadtgebietes sowie im Südraum) als Orte des Gemeinsamen Lernens bestimmt werden.

 

Mit dieser Zielrichtung sind bereits im Oktober/November 2014 seitens der Verwaltung entsprechende Gespräche mit der zuständigen Schulaufsichtsbehörde geführt worden.

 

Ergebnis dieser Runden war, dass zunächst die Schulaufsichtsbehörde als aktiv handelnde Stelle mit weiteren für das Gemeinsame Lernen in Frage kommenden Schulen der jeweiligen Schulformen im Schulträgerbereich der Stadt Rheine Gespräche aufnehmen wird. Weitere Gespräche sowohl mit der Schulaufsicht als auch den möglichen Grundschulen fanden ihren Abschluss darin, dass das Schulamt für den Kreis Steinfurt nunmehr beabsichtigt, neben den mit Schreiben vom 04. September 2014 genannten Schulen (Annetteschule und Michaelschule) dauerhaft Orte des Gemeinsamen Lernens auch an den nachfolgenden Grundschulen im Schulträgerbereich der Stadt Rheine einzurichten:

-      Marienschule Hauenhorst

-      Südeschschule

-      Gertrudenschule.

Das Schulamt für den Kreis Steinfurt weist in dem Schreiben vom 26. November 2014 erneut darauf hin, dass es sich ausschließlich um ein Angebot für Schülerinnen und Schüler mit Lern- und Entwicklungsstörungen (Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, Emotionale und Soziale Entwicklung) handelt.

 

Zur Errichtung des Gemeinsamen Lernens an der Marienschule Hauenhorst, Südeschschule und Gertrudenschule bittet das Schulamt für den Kreis Steinfurt mit Schreiben vom 26. November 2014 gemäß § 20 Abs. 5 SchulG NRW die Stadt Rheine als Schulträger um Zustimmung.

 

Der in der Vergangenheit übliche Hinweis der Schulaufsichtsbehörden, dass für die Aufnahme der betreffenden Schüler/innen keine baulich bedeutsamen investiven Maßnahmen erforderlich sind, ist im Schreiben des Schulamtes für den Kreis Steinfurt nicht mehr aufgeführt.

 

Gem. § 76 Nummer 8 SchulG NRW sind die Schulen zu beteiligen. Die Stellungnahmen der betroffenen Schulen (Marienschule Hauenhorst, Südeschschule und Gertrudenschule) liegen zwischenzeitlich vor und sind ebenfalls als Anlagen beigefügt.

 

Aus den Stellungnahmen der fünf Grundschulen gehen folgende Kernaussagen hervor:

 

Annetteschule

-      Angesichts der zu erwartenden Folgen der Umgestaltung der Schullandschaft im Kreis Steinfurt (z. B. Auflösung der ESE-Abteilung in der Peter-Pan-Schule) sieht sich die Annetteschule vor besondere Herausforderungen gestellt, zu deren Bewältigung bauliche und weitere investive Maßnahmen des Trägers unentbehrlich sind.

-      Da sich die Annetteschule neben den Kindern mit Unterstützungsbedarfen, die sich aus Lern- und Entwicklungsstörungen ergeben, auch Kinder mit Unterstützungsbedarfen „Geistige Entwicklung“  (GB), „Körperliche-motorische Entwicklung“ (LM) „Sehen“ (SE) und „Autismus“ fördert, erhöht sich der Bedarf an räumlichen und sächlichen Investitionen.

-      Seit dem Einschulungsjahrgang 2012/13 nehmen das Kollegium und Eltern deutlich wahr, dass das Zahlenverhältnis von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf bzw. mit präventivem Unterstützungsbedarf zu den Kindern ohne Unterstützungsbedarf eine Gefährdung der pädagogischen Qualität in den GU-/GL-Klassen darstellt.

-      Bereits im vergangenen Schuljahr beantragte die Schule die Er- und Einrichtung eines „Trainingsraumes“ sowie die Einstellung einer/s Schulsozialarbeiter/s/in mit vorrangig pädagogischem Auftrag. Auch beantragten Eltern zwingend erforderliche Integrationshilfe.

-      Bereits heute nimmt die Annetteschule in erheblichem Maß ein Defizit an kleineren räumlichen Nutzungsmöglichkeiten sowie an sozialarbeiterischem Personal und Integrationshilfe wahr.

-      Die Annetteschule weist darauf hin, dass für die Zukunft (neben dem Bau weiterer Zweit-Räume für die zusätzlich einzurichtenden GL-Klassen) mindestens für jeden Jahrgang ein „Trainingsraum“ entweder angebaut oder in die bestehenden Gebäude integriert sowie ausgestattet werden muss, um dem beinahe stündlich vorkommenden Erziehungsbedarfen einzelner Kinder in verantwortbarer Weise entsprechen zu können.

 

Michaelschule

-      Es ist davon auszugehen, dass vor allem zum Ende der Schuleingangsphase (Ende Klasse 2) Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (AOSF) abgeschlossen sind, so dass zu Beginn des dritten Schuljahrs mit einer Zuweisung von Kindern mit Lern- und Entwicklungsstörungen aus anderen Grundschulen Rheines zu rechnen ist („Seiteneinsteiger“). Dieses stellt für die Michaelschule ein ernst zu nehmendes Problem mit weitreichenden Konsequenzen dar: die Schülerzahlen an der Michaelschule werden bereits auf Grund der Neubaugebiete im Bereich „Neuenkirchener Straße“ und der Veränderungen in der Schullandschaft (bedingt durch die Einzügigkeit der Edith-Stein-Schule und der Schließung der Diesterweg- und der Antoniusschule) deutlich steigen. Bei Einrichtung des „Gemeinsamen Lernens“ wäre eine Vierzügigkeit ab Klasse 3 (bei Auflösung der bestehenden Klassenverbände) die Folge.

-      Im Schreiben der Schulaufsicht wird erwähnt, dass „keine baulich bedeutsamen investiven Maßnahmen“ erforderlich sind, um lernbehinderte, sprachbehinderte und Schüler mit Defiziten im emotional-sozialen Bereich zu beschulen. Diese Meinung wird von der Schulkonferenz der Michaelschule nicht geteilt.

-      Die Michaelschule verfügt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht über die notwendigen räumlichen, personellen und materiellen Voraussetzungen, um als Schule mit „Gemeinsamen Lernen“ die hohe Unterrichtsqualität auch weiterhin gewährleisten zu können.

-      Um- und Anbaumaßnahmen sind an der Michaelschule für eine Beschulung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unerlässlich. Hierzu zählen u. a. zusätzliche Räume für differenziertes Arbeiten in Kleingruppen, Deeskalations-/Trainingsräume, um den Ansprüchen der Kinder mit Förderbedarf im sozial-emotionalen Bereich gerecht zu werden und einer Eigen-/Fremdgefährdung entgegen zu wirken, durch Sichtfenster vom Klassenzimmer abgetrennte Nebenräume, um Kindern eine „Auszeit“ zu ermöglichen und die Aufsichtspflicht als Lehrkraft (gegenüber dem / den Schüler/in mit sozial-emotionalen Förderbedarf und den übrigen Schülern der Klasse) zu wahren. Für die Gruppe der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich „Sprache“ sind schallisolierende Maßnahmen sowie sprachtherapeutische Gruppenräume nötig.

 

Südeschschule

-      Eltern sind besorgt über die Unsicherheiten und die Art der Umsetzung, die ihrer Meinung nach die Qualität des Unterrichtes beeinflussen wird.

-      Es werden Hilfskräfte (Bufdis, JSJler, Schulsozialarbeiter) und zusätzliche Lehrer / Förderlehrer sowie eine Doppelbesetzung in den Hauptfächern wie im GU gewünscht.

-      Erforderlich sind bauliche Veränderungen (Ruheräume mit Rückzugsmöglichkeiten, Trainingsraum, Differenzierungsräume).

 

Gertrudenschule

-      Die Gertrudenschule sieht die Lehrerversorgung mit den Fachkompetenzen der Förderschwerpunkte als nicht gesichert an.

-      Die Bereitschaft, das Gemeinsame Lernen an der Gertrudenschule einzurichten, wird mit der Bedingung, dass eine sonderpädagogische Fachkraft mit möglichst voller Stundenzahl in das Kollegium der Gertrudenschule kommt, verbunden.

 

Marienschule Rheine-Hauenhorst

-      Die Schulkonferenzmitglieder haben das Vorhaben zur Kenntnis genommen, sich grundsätzlich positiv geäußert, jedoch Bedenken bzgl. der Umsetzung des Gemeinsamen Lernens geäußert. Die Stadt Rheine als Schulträger betrifft insbesondere die folgenden Fragen / sorgen:

1.      Welche räumlichen Veränderungen werden vorgenommen (z. B. einsehbare Klassenräume, Auszeiträume, Gruppenräume, etc.)?

2.      Werden ausreichend Fördermaterialien zur Verfügung gestellt?

 

Die Bezirksregierung Münster und das Schulamt für den Kreis Steinfurt haben bisher darauf hingewiesen, dass die Einrichtung von Orten des Gemeinsamen Lernens nicht mit sächlichen Mehrbedarfen verbunden sei. In jedem Fall seien pädagogische Lösungen möglich.

 

Dieser Zwiespalt (die Aussagen der Schulaufsicht und der betroffenen Schulen unterscheiden sich erheblich) ist von der Stadt Rheine als Schulträger so nicht zu lösen. Dennoch sind Mittel  über die Förderung kommunaler Anforderungen für die schulische Inklusion i. H. v. 122.000,00 € (FB 1: Sachkosten, Belastungsausgleich) sowie i. H. v. 22.000 € (FB 2: Einsatz von nicht lehrendem Personal) bereitgestellt. Über die Verteilung ist gesondert zu entscheiden.

 

Auf Grund der dargestellten Sachlage wird dem Rat der Stadt Rheine empfohlen, der Einrichtung von Orten des Gemeinsamen Lernens i. S. d. § 20 Abs. 5 SchulG NRW (Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, Emotionale und Soziale Entwicklung) an den folgenden Grundschulen ab dem Schuljahr 2015/2016 zuzustimmen:

 

-      Annetteschule

-      Michaelschule

-      Südeschschule

-      Marienschule Hauenhorst

-      Gertrudenschule.