Betreff
Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge und Auswirkungen in der Jugendhilfe – Ausblick auf den Gesetzentwurf: Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher
Vorlage
309/15
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

  1. Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen zu den Auswirkungen von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in der Jugendhilfe zur Kenntnis.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt auf der Basis der voraussichtlich zukünftig zugeteilten unbegleiteten, ausländischen Kindern und Jugendlichen den Personalmehrbedarf zu definieren und zu den Etatberatungen 2016 einzubringen.

Begründung:

 

Nach aktueller Rechtslage im § 42, Abs. (1), Satz 3, ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- oder Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.

Die sogenannten unbegleiteten minderjährigen AusländerInnen (UmA) werden daher im Regelfall zurzeit nach ihrem Grenzübertritt in Grenzregionen, in Kommunen mit Häfen oder Flughäfen oder in Großstädten von den zuständigen Jugendämtern in Obhut genommen, begleitet und ggf. untergebracht.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter hatte dazu in 2014 eine Handlungsempfehlung verfasst. Darin ist zusammengestellt, wie diese Inobhutnahmen vor Ort umgesetzt werden sollen, bzw. in welcher Form und mit welchen Formularen die einzelfallbezogen Kosten über das Bundesverwaltungsamt erstattet werden können.

In 2013 und 2014 konnten im Rahmen einer landesweiten Befragung jeweils nur 1 UmA von der Stadt Rheine gemeldet werden. In diesem Jahr (Stand: 31.08.) liegen bereits in 7 Fällen Kontakte zu voraussichtlich unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vor.

 

Noch in 2015 will nun die Bundesregierung aufgrund der Entwicklung der Zahlen ausländischer Flüchtlinge in Deutschland über ein Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher entscheiden und zum 01.01.2016 in Kraft setzen. Hintergrund und Zielsetzung dieser Gesetzesinitiative sind die steigenden Flüchtlingszahlen von Kindern und Jugendlichen, deren individueller Schutz- und Betreuungsbedarf, sowie die bislang gesetzeskonsequente einseitige Belastung von Kommunen in Grenzregionen und Großstädten.

Auf der Grundlage des § 42 SGB VIII sind Kinder und Jugendliche vor Ort in Obhut zu nehmen, unterzubringen und zu betreuen. Eine Verteilung von Kindern und Jugendlichen und die Fortsetzung einer bestehenden Inobhutnahme sind nach aktueller Rechtslage nicht möglich.

Nach dem neuen „Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher“ soll zukünftig zwischen einer „vorläufigen“ und einer „endgültigen“ Inobhutnahme unterschieden werden können. Damit kann die Voraussetzung für eine belastungsvergleichbare Verteilung ausländischer minderjähriger unbegleiteter Kinder und Jugendlichen geschaffen werden.

Grundlage einer Verteilung soll der Königsteiner Schlüssel sein.

In dem Gesetz finden sich auch konkrete Regelungen zu Kostenerstattungsansprüchen der Jugendämter für diesen o. g. Personenkreis. Über die erstattungsfähigen Sachkosten hinaus wird in dem Gesetzentwurf zu den finanziellen Auswirkungen für die Kommunen die Auffassung vertreten, dass keine weiteren finanziellen Ausführungen auf die Kommunen zukommen werden, die über die bestehende Rechtslage hinausgehen.

In der Konsequenz bedeutet das für die Stadt Rheine, dass Aufwendungen in der Sachbearbeitung und Fallsteuerung durch Fachpersonal nicht erstattungsfähig sind und nach eigener kommunaler Steuerung geregelt werden müssen.

Dabei handelt es sich zum einen um

  1. Personalaufwendungen der Sozialfachkräfte im ASD im Rahmen der Inobhutnahme, des Fallclearings, des zu führenden familiengerichtlichen Verfahrens und der anschließenden Fallsteuerung,
  2. Personalaufwendungen in der wirtschaftlichen Jugendhilfe  im Rahmen der Bewilligung und Berechnung von Jugendhilfeleistungen, sowie der zwingend notwendigen Kostenerstattung beim Bundesverwaltungsamt,
  3. Personalaufwendungen im Aufgabenbereich der Vormundschaften in der Führung von familiengerichtlich bestellten Amtsvormundschaften.

 

Nach Auskunft des statistischen Bundesamtes lag die Zahl der offiziellen unbegleiteten Minderjährigen in 2013 bei ca. 6600 Kindern und Jugendlichen für Deutschland. Zu dieser Zahl wird ergänzend die Auffassung vertreten, dass aufgrund der bisherigen Praxis von Jugendämtern und der Flüchtlingshilfe nicht alle Kinder und Jugendlichen in die offiziellen Statistiken aufgenommen worden sind, also die Zahlen in Wirklichkeit höher gelegen haben. Für 2014 und 2015 stehen für Deutschland bereits Zahlen von über 10.000 unbegleiteten Kindern und Jugendlichen im Raum. Als Prognose für 2016 werden aktuell Zahlen von 20.000 Kindern und Jugendlichen genannt.

Für die Stadt Rheine wäre auf der Grundlage der angestrebten Gesetzesänderung und dieser Zahlen eine zukünftige Zuständigkeit in der o. g. Form für 20 bis 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge jährlich zu rechnen.

 

Zur Verbesserung der Umsetzung von geeigneten Maßnahmen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben die kommunalen Jugendämter im Kreis Steinfurt einen Arbeitskreis gegründet. Dieser AK soll durch eine Beteiligung der verschiedenen Professionen (Sozialfachkräfte, Vormünder und wirtschaftlicher Jugendhilfe) erreichen, dass auf der Grundlage des neuen Gesetzes und der bestehenden Handlungsempfehlungen die individuell notwendigen Maßnahmen gut verzahn, wirksam und zeitnah umgesetzt werden können.  

 

Der Fachbereich 2 wird auf der Grundlage noch zu erwartender konkreter Hochrechnungen des Landes zur zukünftigen Verteilung zusätzliche Personalbedarfe einschätzen und in die Etatberatungen für den Haushalt 2016 einbringen, um sich für diese Aufgabenwahrnehmung ausreichend und qualifiziert vorbereiten zu können.