Beschlussvorschlag/Empfehlung:
- Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen zu den Auswirkungen von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in der Jugendhilfe zur Kenntnis.
- Die Verwaltung wird beauftragt auf der Basis der voraussichtlich zukünftig zugeteilten unbegleiteten, ausländischen Kindern und Jugendlichen den Personalmehrbedarf zu definieren und zu den Etatberatungen 2016 einzubringen.
Begründung:
Nach aktueller Rechtslage im
§ 42, Abs. (1), Satz 3, ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind
oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind
oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich
weder Personensorge- oder Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die sogenannten unbegleiteten minderjährigen AusländerInnen
(UmA) werden daher im Regelfall zurzeit nach ihrem Grenzübertritt in
Grenzregionen, in Kommunen mit Häfen oder Flughäfen oder in Großstädten von den
zuständigen Jugendämtern in Obhut genommen, begleitet und ggf. untergebracht.
Die
Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter hatte dazu in 2014 eine
Handlungsempfehlung verfasst. Darin ist zusammengestellt, wie diese Inobhutnahmen
vor Ort umgesetzt werden sollen, bzw. in welcher Form und mit welchen Formularen
die einzelfallbezogen Kosten über das Bundesverwaltungsamt erstattet werden
können.
In 2013 und 2014 konnten im
Rahmen einer landesweiten Befragung jeweils nur 1 UmA von der Stadt Rheine
gemeldet werden. In diesem Jahr (Stand: 31.08.) liegen bereits in 7 Fällen
Kontakte zu voraussichtlich unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vor.
Noch in 2015 will nun die
Bundesregierung aufgrund der Entwicklung der Zahlen ausländischer Flüchtlinge
in Deutschland über ein Gesetz zur
Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder
und Jugendlicher entscheiden und zum 01.01.2016 in Kraft setzen.
Hintergrund und Zielsetzung dieser Gesetzesinitiative sind die steigenden
Flüchtlingszahlen von Kindern und Jugendlichen, deren individueller Schutz- und
Betreuungsbedarf, sowie die bislang gesetzeskonsequente einseitige Belastung
von Kommunen in Grenzregionen und Großstädten.
Auf der Grundlage des § 42
SGB VIII sind Kinder und Jugendliche vor Ort in Obhut zu nehmen, unterzubringen
und zu betreuen. Eine Verteilung von Kindern und Jugendlichen und die
Fortsetzung einer bestehenden Inobhutnahme sind nach aktueller Rechtslage nicht
möglich.
Nach dem neuen „Gesetz zur
Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder
und Jugendlicher“ soll zukünftig zwischen einer „vorläufigen“ und einer
„endgültigen“ Inobhutnahme unterschieden werden können. Damit kann die
Voraussetzung für eine belastungsvergleichbare Verteilung ausländischer
minderjähriger unbegleiteter Kinder und Jugendlichen geschaffen werden.
Grundlage einer Verteilung
soll der Königsteiner Schlüssel sein.
In dem Gesetz finden sich
auch konkrete Regelungen zu Kostenerstattungsansprüchen der Jugendämter für
diesen o. g. Personenkreis. Über die erstattungsfähigen Sachkosten hinaus wird
in dem Gesetzentwurf zu den finanziellen Auswirkungen für die Kommunen die
Auffassung vertreten, dass keine weiteren finanziellen Ausführungen auf die
Kommunen zukommen werden, die über die bestehende Rechtslage hinausgehen.
In der Konsequenz bedeutet
das für die Stadt Rheine, dass Aufwendungen in der Sachbearbeitung und
Fallsteuerung durch Fachpersonal nicht erstattungsfähig sind und nach eigener
kommunaler Steuerung geregelt werden müssen.
Dabei handelt es sich zum
einen um
- Personalaufwendungen
der Sozialfachkräfte im ASD im Rahmen der Inobhutnahme, des Fallclearings,
des zu führenden familiengerichtlichen Verfahrens und der anschließenden
Fallsteuerung,
- Personalaufwendungen in
der wirtschaftlichen Jugendhilfe im
Rahmen der Bewilligung und Berechnung von Jugendhilfeleistungen, sowie der
zwingend notwendigen Kostenerstattung beim Bundesverwaltungsamt,
- Personalaufwendungen im
Aufgabenbereich der Vormundschaften in der Führung von familiengerichtlich
bestellten Amtsvormundschaften.
Nach Auskunft des
statistischen Bundesamtes lag die Zahl der offiziellen unbegleiteten
Minderjährigen in 2013 bei ca. 6600 Kindern und Jugendlichen für Deutschland.
Zu dieser Zahl wird ergänzend die Auffassung vertreten, dass aufgrund der
bisherigen Praxis von Jugendämtern und der Flüchtlingshilfe nicht alle Kinder
und Jugendlichen in die offiziellen Statistiken aufgenommen worden sind, also
die Zahlen in Wirklichkeit höher gelegen haben. Für 2014 und 2015 stehen für
Deutschland bereits Zahlen von über 10.000 unbegleiteten Kindern und
Jugendlichen im Raum. Als Prognose für 2016 werden aktuell Zahlen von 20.000
Kindern und Jugendlichen genannt.
Für die Stadt Rheine wäre
auf der Grundlage der angestrebten Gesetzesänderung und dieser Zahlen eine
zukünftige Zuständigkeit in der o. g. Form für 20 bis 30 unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge jährlich zu rechnen.
Zur Verbesserung der
Umsetzung von geeigneten Maßnahmen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
haben die kommunalen Jugendämter im Kreis Steinfurt einen Arbeitskreis
gegründet. Dieser AK soll durch eine Beteiligung der verschiedenen Professionen
(Sozialfachkräfte, Vormünder und wirtschaftlicher Jugendhilfe) erreichen, dass
auf der Grundlage des neuen Gesetzes und der bestehenden Handlungsempfehlungen
die individuell notwendigen Maßnahmen gut verzahn, wirksam und zeitnah
umgesetzt werden können.
Der Fachbereich 2 wird auf
der Grundlage noch zu erwartender konkreter Hochrechnungen des Landes zur
zukünftigen Verteilung zusätzliche Personalbedarfe einschätzen und in die
Etatberatungen für den Haushalt 2016 einbringen, um sich für diese Aufgabenwahrnehmung
ausreichend und qualifiziert vorbereiten zu können.