Betreff
Antrag der SPD-Fraktion auf Aussetzung des Verkaufsbeschlusses für die Drehleiter der Feuerwehr
Vorlage
067/17
Aktenzeichen
Fachbereich 3
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt folgendes:

 

  1. Dem Antrag der SPD-Fraktion vom 21.11.2016, den Verkaufsbeschluss für die Drehleiter der Feuerwehr bis auf weiteres auszusetzen, wird nicht gefolgt.

 

  1. Die Verwaltung wird angewiesen, den Verkauf des bisherigen Feuerwehr-Drehleiterfahrzeuges (DLA-K 23/12 PLC 3.1 L32) mit dem derzeitigen Kennzeichen ST-2736 – Gerätenummer A3760568500 - zu realisieren.

 


Begründung:

 

1. Sicht der Verwaltung

Die Stadt Rheine hat zwingend eine Drehleiter (DL) vorzuhalten. Das Vorhalten einer zweiten Drehleiter ergibt sich aber weder aus dem derzeit gültigen Brandschutzbedarfsplan aus 2011 – dieser beschreibt ein zweites Hubrettungsfahrzeug lediglich als zweckmäßig - noch aus den Vorschriften der Landesbauordnung (BauO NRW). Bei einer zweiten Drehleiter handelt es sich letztlich um eine „freiwillige Leistung“ die selbstverständlich auch zur zusätzlichen Sicherheit beiträgt. Die Verwaltung erkennt sehr wohl den hohen einsatztaktischen Wert einer Drehleiter an. Gleichwohl gibt es im Kreis Steinfurt eine Vielzahl von Kommunen (z.B. Nachbargemeinde Neuenkirchen) die über keine Drehleiter vor Ort verfügen und bei Drehleiterbedarf immer auf nachbarschaftliche Unterstützung angewiesen sind. Aus Sicht der Verwaltung wird auch gerade beim Nachfordern von Feuerwehrfahrzeugen aus Nachbarorten dem Grundsatz der nachbarschaftlichen Hilfe und der interkommunalen Zusammenarbeit Rechnung getragen. Der Einsatz am Marktplatz  im Jahr 2014 hat genau dieses vorbildlich gezeigt. Auch werden z.B. Sonderfahrzeuge der Feuerwehr im Kreisgebiet (auch in Rheine) dezentral untergebracht und bei Bedarf in andere Orte zur Unterstützung entsandt.

 

Wirtschaftlich geht es auch weniger um die Nichtrealisierung des bereits im Haushaltsplan 2015 abgebildeten Veräußerungserlöses i.H.v. rd. 60 Tsd. €, sondern um die künftigen jährlichen Unterhaltungs- und Abschreibungsaufwendungen für ein solches Großfahrzeug.

 

Im aktuell gültigen Brandschutzbedarfsplan wird die auszusondernde Drehleiter (Baujahr 1999) bereits 2011 als in die Jahre gekommen und sehr reparaturanfällig beschrieben. Die letzte größere Reparatur lag 2015 bei rd. 54 Tsd. €.

 

Es ist zu beachten, dass bereits die jetzige neue DL mit Ausrüstung rund 630.000,00 € gekostet hat; rechnet man die nicht unübliche Preissteigerung für einige Jahre hinzu, würde sicherlich für ein Ersatzfahrzeug in einigen Jahren die Dimension von 700.000,00 € erreicht oder gar überschritten. Die jetzt angeschaffte neue Drehleiter erhöht den Zuschussbedarf der Feuerwehr alleine durch Abschreibungen (AHK 630 Tsd. € bei 15 Jahren Nutzungsdauer) um weitere 42.000 € jährlich.

 

Der laufende Zuschussbedarf der Produktgruppe 33 Feuerwehr/Rettungsdienst beläuft sich derzeit auf insgesamt rd. 3.800.000 € jährlich. Die Verwaltung sieht zudem beim Gerätehaus „links der Ems“ mittelfristig Erweiterungs- und Sanierungsbedarf, der in den nächsten Jahren zu weiteren Haushaltsbelastungen führen wird.

 

Die mittelfristige Finanzplanung sieht bisher keine Veranschlagung einer zweiten Drehleiter als Ersatzbeschaffung vor. Ein „Weiterlaufen“ der bisherigen Drehleiter im Dienstbetrieb wird dazu führen, im Haushaltsplanentwurf 2018 eine Nachfolgebeschaffung in der mittelfristigen Finanzplanung zu veranschlagen wäre, damit bei Ausfall der „alten“ Drehleiter ggf. dann kurzfristig in der Beschaffung reagiert werden könnte.

 

Statistisch hat es in Rheine in den vergangen vier Jahren folgende Einsätze mit Gebrauch einer 2. Drehleiter gegeben:

 

Art

2016

2015

2014

2013

2. Drehleiter nachalarmiert

- *

1

3

5

Ausfalltage ohne Drehleiter**

3

6

8

nicht ermittelbar

Leihleiter angemietet

(Tage)

0

114

0

nicht ermittelbar

 

*2016 fanden zwei Paralleleinsätze mit unterschiedlichen Einsatzorten statt, bei dem beide Drehleitern aus Rheine eingesetzt werden mussten.

 

**Ausfalltage ohne Drehleiter bedeutet, dass die Drehleiter langfristig planbar ausfällt (z.B. geplante Werkstatttermine), die Alarm- und Ausrückordnung geändert wird und ein eventueller Einsatzbedarf bei Nachbarkommunen (z.B. Emsdetten) angemeldet wird.

Bei der Ermittlung der Zahlen ließen sich unplanmäßige Ausfälle von weniger als einem Tag nicht exakt darstellen, da in den Fällen die Alarm- und Ausrückordnung nicht geändert wurde.

Ab Juli 2016 stand in Rheine die 2. Drehleiter zur Verfügung.

 

Die Ausfallhäufigkeitszeiten sind Unwägbarkeiten, die mit zunehmendem Alter der Drehleiter ansteigen können.

 

 

2. Anmerkung zum Antrag

Hinzuweisen ist auf Folgendes:

Ausweislich des Wortlautes des Antrags der SPD-Fraktion soll die Veräußerung ausgesetzt werden bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Organisationsuntersuchung. Diese wird sich jedoch gerade nicht zur sächlichen Ausstattung der FuRW verhalten, so dass die Organisationsuntersuchung mit dem Thema „2. DL“ nichts zu tun hat und keine Aussagen zum Bedarf einer 2. Drehleiter treffen wird.

Gemeint ist hier möglicherweise stattdessen eine Anknüpfung an den demnächst fortzuschreibenden Brandschutzbedarfsplan (BBP). Der letzte BBP stammt aus dem Jahr 2011 und wäre eigentlich in Fünf-Jahres-Intervallen fortzuschreiben. Aufgrund der anstehenden Organisationsuntersuchung und des Neubaus des Feuerwehrgerätehauses rechts der Ems wird mit dem Beginn der Fortschreibung des BBP nicht vor Anfang 2018 zu rechnen sein.

 

Vorgenannter Umstand wäre bei einer etwaig von der Beschlussempfehlung abweichenden Beschlussfassung zu berücksichtigen.

 

 

3. Sicht der Feuerwehr

Die zuständigen Führungskräfte der Feuerwehr Rheine argumentieren bzgl. des Wunsches nach der Nichtveräußerung des bisherigen Drehleiterfahrzeugs wie folgt:

 

„Bereits bei der Erstellung des Brandschutzbedarfsplanes 2011 wurden die ersten Forderungen zur Schaffung einer Redundanz hinsichtlich der Drehleiter in Betracht gezogen. So heißt es bereits damals im Brandschutzbedarfsplan 2011 unter 7.4.1:

 

‚[…]Die Drehleiter wird zur Rettung von Menschen und Tieren aus Höhen (oder Tiefen), die mit tragbaren Leitern der Feuerwehr nicht mehr erreicht werden können, als Angriffsweg für die Feuerwehr, zum Vortragen eines Löschangriffs und für technische Hilfeleistungen eingesetzt. […] Mit der Drehleiter wird im Brandfall bei mehrgeschossigen Gebäuden ebenfalls die Anleiterbereitschaft sichergestellt, damit die vorgehenden Angriffstrupps der Feuerwehr bei abgeschnittenem Rückzugsweg einen gesicherten Fluchtweg vorfinden. Die Strukturen der Stadt Rheine (hohe Gebäude, Gewässer, Gewerbebetriebe etc.), die erlebten Einsatzszenarien und die hohen Einsatzzahlen bestätigen eindringlich die Vorhaltung eines derartigen Rettungsgerätes (Hubrettungsfahrzeug). Es erscheint zweckmäßig, ein weiteres Hubrettungsfahrzeug vorzuhalten, um eine durchgängige Präsenz dieses Rettungsmittels sicherzustellen. […]‘

 

Bedingt durch die großen Entwicklungen der Stand Rheine, hier ist u.a. der Wandel hin zu einem Logistikstandort zu nennen, wurde mit Blick auf die Brandschutzbedarfsplanung in den letzten Jahren die Forderung nach einer zweiten Drehleiter immer wieder vorgebracht.

Die Leitung und die Führungskräfte der Feuerwehr Rheine werden diese Forderung in der nächsten Brandschutzbedarfsplanung mit Nachdruck wiederholt vorbringen.

Aus Sicht der Feuerwehr stellt die Drehleiter grundsätzlich mit dem o.g. Einsatzspektrum kein Sonderfahrzeug dar, das dezentral untergebracht werden kann. Dies gilt sowohl für die erste, wie auch für eine zweite Drehleiter. Der Unterschied zu den Sonderfahrzeugen in dezentraler Unterbringung liegt darin, dass wir bei der Drehleiter von einem Rettungsgerät sprechen, das im ersten Abmarsch ausrückt und einer Hilfsfrist unterliegt. Bei den dezentral untergebrachten Fahrzeugen, wie z.B. einem Abrollbehälter Atemschutz etc., handelt es sich um Nachforderungsmaterial, das erst im zweiten oder gar dritten Abmarsch an der Einsatzstelle benötigt wird.

 

Zum § 3 des BHKG heißt es in der Kommentierung von Klaus Schneider:

 

 „Wird der zweite Rettungsweg gemäß BauO NRW durch Rettungsmittel der Feuerwehr (z.B. Drehleiter) sichergestellt, so muss grundsätzlich diejenige Gemeinde über ein entsprechendes Rettungsmittel verfügen, in der sich das Gebäude befindet. Auf ein Rettungsmittel der Nachbargemeinde kann nicht abgestellt werden.‘

 

Was das Bedürfnis nach einer nachbarschaftlichen Löschhilfe angeht, so  bedeutet dies für die Stadt Rheine in Bezug auf die Drehleiter Folgendes:

Die nächste für uns zuführbare Drehleiter befindet sich in Emsdetten. Diese wird rein ehrenamtlich besetzt, der Zeitraum von der Alarmierung bis zum Eintreffen im Stadtgebiet Rheine beträgt mindestens(!) 25 Minuten. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass sich kein Anspruch auf die Verfügbarkeit dieser Fremdleiter ergibt. Eine Anforderung schwächt für die Zeit der überörtlichen Hilfe die eigene Leistungsfähigkeit der Feuerwehr Emsdetten.

Fällt also die erste Drehleiter der Feuerwehr Rheine aus, sei es geplant oder unerwartet – etwa aufgrund eines Paralleleinsatzes (Duplizität), wird mit den weiteren Leitern im Kreisgebiet, wenn sie denn zu Verfügung stehen, keine der im Brandschutzbedarfsplan aufgeführten Hilfsfristen erreicht.

Zu berücksichtigen ist auch, dass erhöhte Ausbildungserfordernisse realisieren werden müssen, was auch die Drehleiter betrifft. Dies kann dazu führen, dass die Drehleiter nur mit erhöhtem Zeitaufwand in den Einsatz gehen kann.

Unter anderem der Brand des Objektes „alte Apotheke“ am historischen Marktplatz im September 2014 hat gezeigt, dass durchaus Einsatzgestaltungen auftreten können, in deren Verlauf der Einsatz eines zweiten Drehleiterfahrzeuges indiziert ist. –  Weitere Einsatzbeispiele der letzten Jahre lassen sich darstellen. Der Blick auf die inzwischen über 100 Brandmeldeanlagen zeigt einen deutlichen Wandel und ein deutliches Wachstum, was ebenfalls weitere potentielle Einsatzszenarien keineswegs abwegig erscheinen lässt.

Bereits von daher würde es nicht nur für die Bevölkerung rechts der Ems einen Qualitätssprung im Brandschutz darstellen, wenn auch für den Bereich rechts der Ems ständig ein Drehleiterfahrzeug – bauordnungsrechtlich der „mobile zweite Rettungsweg“ – vorgehalten würde.

Da sich zunächst die Ausschreibung des für den Standort links der Ems neu angeschafften und jüngst in Dienst gestellten neuen Drehleiterfahrzeuges verzögerte, musste, um das bisherige Fahrzeug einsatzbereit halten zu können, dieses dringend einer Generalrevision unterzogen werden, die im Sommer 2015 für 54.450,00 € durchgeführt wurde. Dies geschah unter Realisierung eines gewissen Synergieeffektes, weil ein Schadensersatzanspruch gegen Dritte (durch Dritte verschuldeter Auffahrunfall auf das Fahrzeug) in die Maßnahme einbezogen werden konnte.

Ergebnis ist, dass das 1999er Fahrzeug substanziell so gut ist, dass davon auszugehen ist, dass es noch einige Jahre als Rückfallebene gute Dienste wird leisten können; aufgrund der substantiell deutlichen Verbesserung des Fahrzeuges wurden die o. g. Revisionskosten damals anteilig investiv berücksichtigt.

 

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Leitung der Feuerwehr Rheine es als zwingend erforderlich ansieht, das bisherige Drehleiterfahrzeug als Rückfallebene und als zusätzliche Drehleiter für das Einsatzgebiet Rheine vorzuhalten.

 

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verantwortung für die geschilderten Risiken im Falle einer Veräußerung beim Entscheidungsträger liegt. Die Leitung der Feuerwehr weist diese von sich.“

 

 

4. finanzielle Auswirkungen:

 

Sollten sich bei der abgeschriebenen Drehleiter (Baujahr 1999) keine unplanmäßigen Reparaturen / Instandhaltungen ergeben ist mit folgenden lfd. Aufwendungen zu rechnen:

 

Bezeichnung

Jahresbetrag
ca.

Herstellerinspektion, Wartung und Sicherheitsuntersuchung nach Wartungsvertragsangebot inkl. Umsatzsteuer - Aufbau:

 

1.900 €

HU/AU und Wartung Fahrgestell inkl. Umsatzsteuer

750 €

Kfz-Versicherung inkl. Versicherungssteuer

750 €

Kfz-Steuer

befreit

Summe

rund 4.000 €

 

In der Summe fallen also ca. 4.000,00 € inkl. USt p.a. an (zzgl. Kraftstoffverbrauch, etwaige Verschleißteile und nicht vorhersehbare Kosten).

Anzumerken ist, dass in gewissen Intervallen die Verbringung des Drehleiterfahrzeugs zum Hersteller (hier: Standort Karlsruhe) erforderlich werden kann.

Zudem sind in einem 10-Jahres-Turnus aufwändigere Wartungsmaßnahmen durchzuführen. Dies wäre voraussichtlich Ende 2019 der Fall. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass bereits bei der umfangreichen Reparatur 2015 einige Maßnahmen durchgeführt wurde, sich somit Synergien ergeben. Diesbezüglich werden die Kosten auf rund 8.000 € zuzüglich USt veranschlagt. Ein Miet-Drehleiterfahrzeug kostet ca. 200,00 € pro Tag, zuzüglich jeweils 1.000,00 € für den Hin- und Rücktausch des Leihgerätes.

 

Eine neue Situation entsteht bei Ersatzbeschaffung der 2. Drehleiter. Die Unterhaltungs- und Abschreibungsaufwendungen für ein notwendigerweise folgendes Neufahrzeug betragen dann neben der Investitionsauszahlung i.H.v. rd. 700.000 € künftig rd. 50 Tsd. € als zusätzliche jährliche Haushaltsbelastung.

 

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Antrag SPD-Fraktion vom 21.11.2016 zur Nichtveräußerung der alten Drehleiter