Betreff
Entwicklung ombudschaftlicher Strukturen in Rheine und im Kreis Steinfurt / 1. Ergänzung
Vorlage
036/17/1
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine sich an einer unabhängigen, regionalen Ombudstelle zu beteiligen und Mitglied in dem zu gründenden Verein „Ombudschaft Jugendhilfe im Kreis Steinfurt e. V.“ zu werden.


Begründung:

 

In der Sitzung des Jugendhilfeausschusses vom 26.01.2017 hatte eine erste Beratung der Beschlussvorlage stattgefunden. Aufgrund noch einiger offener Fragen war die Beratung auf die folgende Sitzung vertagt und die Verwaltung beauftragt worden eine Stellungnahme zu den in der Diskussion vorgetragenen Fragestellungen zu erarbeiten.

 

Die Fragestellungen bezogen sich im Wesentlichen auf:

  1. den Gegenstand und Inhalt der Beschlussfassung
  2. die Organisationsform eines Vereins
  3. die Kriterien „Neutralität“ und „Unabhängigkeit“ des Vereins und der ombudschaftlichen Angebote
  4. Konzeptionelle und organisatorische Elemente einer vom Verein zu betreibenden Ombudstelle und deren Berichtspflichten

 

Zu 1.)

Wie auch parallel in den anderen Kommunen im Kreis Steinfurt geht es bei der Beschlussfassung darum, dass der Jugendhilfeausschuss dem Rat der Stadt Rheine empfiehlt, sich an einer unabhängigen, regionalen Ombudstelle zu beteiligen und Mitglied in dem zu gründenden Verein „Ombudschaft Jugendhilfe im Kreis Steinfurt e. V.“ zu werden. Denn ohne einen solchen Beschluss des Rates der Stadt Rheine ist eine Mitgliedschaft und die damit verbundene Mitwirkung am Aufbau und an einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung einer Ombudstelle nicht möglich.

 

Der vorliegende Satzungsentwurf stellt die Grundlage des zu gründenden Vereins  und die darin festgeschriebenen Entscheidungsregelungen dar, die eine fein austarierte und damit unabhängige Steuerung des Vereins und der vom Verein betriebenen Ombudstelle sicherstellen soll. Mit dieser Struktur ist der Verein weder von üblichen Finanzierungen der kommunalen Träger komplett abhängig, da diese nur einen Teil der Finanzierung darstellen, noch von einfachen Mehrheitsstrukturen vieler kleiner Träger, da die Gruppenregelungen der Satzung die Vereinsmitglieder zu konsensualen oder kompromissorientierten Entscheidungen zwingen. Ein Grundkonstrukt, das in dieser Form der Grundhaltung ombudschaftlichen Wirkens sehr nahe kommt.

 

Der Beschluss zu einer Mitgliedschaft beinhaltet aber noch nicht eine Verabschiedung aller zum jetzigen Zeitpunkt entwickelten konzeptionellen Elemente der zu betreibenden Ombudstelle. Die Verantwortung über dessen Einrichtung, Betrieb und Berichtspflichten liegt im zukünftigen Regelungsbereich des Vereins und dessen Mitglieder. 

 

 

Zu 2.)

Die Frage, in welcher Rechts- oder Gesellschaftsform eine Ombudstelle am sinnvollsten betrieben werden kann, stand zu Anfang des Beratungsprozesses der Arbeitsgruppe aus freien und öffentlichen Trägern, die von dem Leiter und einer weiteren Fachkraft des Vereins „Fachstelle Ombudschaft  NRW e. V.“ beraten und unterstützt wurde.

Nachfolgende Optionen für Rechts- und Gesellschaftsformen waren in dem Entwicklungsprozess erörtert worden:

 

a) Ein Jugendamt wird Träger der regionalen Ombudstelle

Ziel ombudschaftlichen Engagements ist es, eine gemeinsame und unabhängige regionale Ombudstelle zu erarbeiten und zu führen. Diese Kriterien wären aber bei einer Trägerschaft durch ein Jugendamt nur bedingt umzusetzen und würden insbesondere bzgl. der Unabhängigkeit nur schwer den Klienten und der Öffentlichkeit gegenüber darzustellen sein.

 

b) Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird gegründet (GbR).

Diese Option wird verworfen, weil es langfristig voraussichtlich problematisch sein würde die Gemeinnützigkeit einer solchen GbR zu belegen.  Ferner ist eine GbR eine Personengesellschaft, d. h. die Gesellschafter haften unbegrenzt mit ihrem Vermögen für sämtliche Verbindlichkeiten der GbR. Eine Beteiligung von Kommunen bzw. des Kreises als Gesellschafter einer Personengesellschaft ist wegen der Haftung nicht möglich.

Die Gründung einer GbR wird aus vorstehenden Gründen ausgeschlossen.

 

c)  Eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird gegründet (gGmbH).

Es ist als Kapitalgesellschaft eine Haftungsbegrenzung gegeben. Kommunen können Gesellschafter einer gGmbH werden.

Als Kapitalgesellschaft ist ein Stammkapital von 25.000 € einzubringen. Dieses wäre von den Gesellschaftern zur Verfügung zu stellen.

Mit der Geschäftsführung ist ein – im Vergleich zum Verein – höherer Aufwand verbunden.

Die Gründung einer gGmbH wäre möglich. Im Hinblick auf die erforderliche Kapitalbereitstellung und den höheren Aufwand der Geschäftsführung wird von der Rechtsform der gGmbH abgesehen.

 

d) Es wird ein Verein gegründet und eingetragen (e. V.).

Der Gründungsaufwand und der Aufwand der laufenden Geschäftsführung werden für überschaubar beurteilt.

Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe können Mitglieder sein.

Die Gründung eines Vereins kann den rechtlichen Rahmen für die geplante Zusammenarbeit bilden.

Die Prozessberater der Fachstelle Ombudschaft NRW favorisierten für die Intention einer gemeinsam von öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe betriebenen Ombudstelle die Rechtsform eines Vereins.

Entscheidung der Arbeitsgruppe: Es soll ein Verein gegründet werden.

 

 

Zu 3.)

Die Fragen der Ausschussmitglieder nach der Neutralität und Unabhängigkeit bezogen sich auf zwei Bereiche.

 

Erstens auf die Grundsatzfrage, ob ein Verein überhaupt „unabhängig“ sein könne, wenn in dessen Vorstand Mitglieder der freien und öffentlichen Jugendhilfe vertreten sind, und zweitens zu der Unabhängigkeit und Neutralität der additiv genutzten Mitarbeiterinnen der Kreisgeschäftsstelle des DPWV in Emsdetten.

 

Zur Klärung der Grundsatzfrage wird auf die Satzung des Vereins verwiesen, die die Vereinsmitglieder dazu verpflichten satzungsgemäß zu agieren und zu entscheiden. Darüber hinaus soll das austarierte Entscheidungsprozedere zwischen den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe eine reine interessensgeleitete Positionierung bei Entscheidungen vermeiden und Neutralität, Objektivität und Unabhängigkeit sicherstellen.

Weitere reale Optionen, Alternativen und Erfahrungen, wie ein Ombudsverein bisher geführt wird oder noch „unabhängiger“ organisiert werden könnte, sind von den Beteiligten im und auch nach dem Entwicklungsprozess nicht eingebracht worden.

 

Die kritisch in der Sitzung vorgetragene Auffassung, dass die additive Nutzung von Personal der Kreisgeschäftsstelle des DPWV dazu führen würde, dass die Neutralität und Unabhängigkeit des Vereins nicht gewährleistet sei, fußt offensichtlich auf einem Missverständnis.

Die Ombudstelle wird definitiv nicht von der Kreisgeschäftsstelle des DPWV betrieben, noch wird der Verein den DPWV damit beauftragen. Der DPWV hat sich lediglich bereit erklärt seinem Personal zu erlauben mit dem Verein über 5 Zusatzstunden einen weiteren Arbeitsvertrag abzuschließen und unter einer eigens für die Ombudschaft im Kreis Steinfurt eingerichteten Telefonnummer Anrufe und Kontaktaufnahmen entgegen zu nehmen und diese an die ehrenamtlich für den Verein tätigen Ombudspersonen weiter zu leiten. Darüber hinaus sammeln die Beschäftigen keine Personen- oder fallbezogenen Daten, sondern statistische Informationen, die dem Verein für eine Jahresauswertung zur Verfügung gestellt werden. Die Fachstelle Ombudschaft NRW hat zu diesem Zweck angekündigt entsprechend erprobte Erfassungsbögen für Erstkontaktgespräche bereit zu stellen.

 

Konkrete Informationen über Fälle ombudschaftlicher Beratung bei einem Träger A oder einem Jugendamt B werden der Geschäftsstelle des DPWV nicht zur Verfügung stehen.

Auch tritt mit einer eigenen Telefonnummer die Ombudstelle und nicht die Geschäftsstelle des DPWV mit den Klienten in Kontakt. In der Außendarstellung wird die Geschäftsstelle des DPWV demnach auch nicht weiter in Erscheinung treten.

Die Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe waren bereits im Juli 2016 über diese Idee der Anbindung in Kenntnis gesetzt worden. Auch auf Nachfrage waren keine realisierbaren Alternativen dazu eingebracht worden.

 

Zu 4.)

Der der Vorlage anliegenden Konzeptentwurf ist von der Arbeitsgruppe mit dem Ziel entwickelt worden einen Orientierungsrahmen zu geben, an dem entlang der Verein und seine Vereinsmitglieder das Konzept einer Ombudstelle im Kreis Steinfurt weiterentwickeln soll. Dass einzelne Punkte noch konkreter gefasst und weiterentwickelt werden können, liegt in der zukünftigen Verantwortung des zu gründenden Vereins.

Sollten „Pflicht- oder KO-Kriterien“ seitens der Stadt Rheine mit in die Gründungsversammlung aufgenommen werden, sollten diese im Vorfeld eindeutig formuliert werden. 

 

Seit Januar 2017 liegt ein neuer Entwurf  zur Reform des SGB VIII im Stadium der „Frühkoordination“ (Vorphase eines Referentenentwurfs)  im Bundeskanzleramt. Das Zeitziel für eine Realisierung ist für den 01.01.2018 angegeben. Die weiteren Beratungen und Erörterungen werden zeigen, was am Ende konkret zum Thema „Ombudschaft“ im Gesetz verankert werden wird.

Nach aktuellem Entwurf wird unter dem § 9a Ombudstellen diese Thematik Eingang ins Gesetz finden. Danach kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine ombudschaftliche Beratungsstelle errichten, an die sich junge Menschen und ihre Familien zur allgemeinen Beratung sowie zur Vermittlung und Klärung von Konflikten im Zusammenhang mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 und deren Wahrnehmung durch die öffentliche und freien Jugendhilfe wenden kann.

Damit verankert der Gesetzgeber explizit keine Verpflichtung zur Einrichtung von Ombudstellen, sondern er ermöglich eine sogenannte programmatische Implementierung vom Ombudstellen, wie es in der Begründung zum Gesetzesentwurf heißt.

Weiter heißt es im Begründungstext, dass es Zielsetzung sei, unabhängige und fachlich nicht weisungsgebundene ombudschaftliche Beratung durch Einrichtung von ombudschaftlichen Beratungs- und Schlichtungsstellen vor Ort zu verankern. Damit würde der Gesetzgeber klarstellen, dass der öffentliche Träger Ombudstellen einrichten kann. Mit Einrichten sei aber nicht konkret das eigene Betreiben einer ombudschaftlichen  Beratungsstelle gemeint, sondern die Organisations- und Finanzverantwortung. Die Form der Trägerschaft und den konkreten Betrieb der Beratungsstellen lässt diese Vorschrift ausdrücklich offen.

Die Stärkung von Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen war bereits im Rahmen des Bundeskinderschutzgesetzes ein Anliegen des Gesetzgebers und hatte bspw. zu Aufnahmen von Regelungen zu Beschwerde- und Beteiligungsverfahren zur Erlangung von Betriebserlaubnissen für stationäre Erziehungshilfeeinrichtungen geführt. Da diese zwischenzeitlich eingeführten trägerinternen Verfahren trotz guter Methodik und entsprechend guter Absicht die Kriterien von „Unabhängigkeit“ und „Neutralität“ nicht sicher gewährleisten können, stellt gerade eine ombudschaftliche Struktur eine notwenige Ergänzung und Stärkung der Beteiligungs- und Beschwerderechte von Kindern und Jugendliche dar.

 

Anfang Februar hat ein Vorbereitungstreffen der freien Träger der Jugendhilfe im Kreis Steinfurt stattgefunden, die sich an einer gemeinsamen Ombudstelle beteiligen werden und zu diesem Zweck in den nächsten Wochen auf der Basis des bestehenden Satzungsentwurfs eine Vereinsgründung anstreben. In diesem Treffen wurden bereits Vertretungspersonen der freien Träger benannt, die nach dem Satzungsentwurf die Vorstandspositionen der 2. Vorsitzenden und der Schriftführerin bekleiden sollen. Ferner ist auch bereits eine Person für die Kassenprüfung, sowie zwei ehemalige pädagogische Fachkräfte für die Tätigkeiten als ehrenamtliche Ombudspersonen benannt.

 

Um das bisherige seit mehr als einem Jahre laufende Engagement der vielen Träger der freien und kommunalen Jugendhilfe ernst zu nehmen und zu wertschätzen, sollte vor dem Hintergrund der voraussichtlich kommenden gesetzlichen Legitimierung von ombudschaftlichen Strukturen und dem bislang konzipierten inhaltlichen Rahmen die Chance genutzt werden, sich an dem Aufbau, Betrieb und der Weiterentwicklung einer Ombudstelle  zu beteiligen. Dazu ist eine Beschlussfassung des Rates der Stadt Rheine zur Mitgliedschaft in dem zu gründenden Verein erforderlich.