Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine sich an einer unabhängigen, regionalen Ombudstelle zu beteiligen und Mitglied in dem zu gründenden Verein „Ombudschaft Jugendhilfe im Kreis Steinfurt e. V.“ zu werden.
Begründung:
In der Sitzung des
Jugendhilfeausschusses vom 26.01.2017 hatte eine erste Beratung der
Beschlussvorlage stattgefunden. Aufgrund noch einiger offener Fragen war die
Beratung auf die folgende Sitzung vertagt und die Verwaltung beauftragt worden
eine Stellungnahme zu den in der Diskussion vorgetragenen Fragestellungen zu erarbeiten.
Die Fragestellungen
bezogen sich im Wesentlichen auf:
- den Gegenstand und Inhalt der Beschlussfassung
- die Organisationsform eines Vereins
- die Kriterien „Neutralität“ und „Unabhängigkeit“
des Vereins und der ombudschaftlichen Angebote
- Konzeptionelle und organisatorische Elemente
einer vom Verein zu betreibenden Ombudstelle und deren Berichtspflichten
Zu 1.)
Wie auch parallel in
den anderen Kommunen im Kreis Steinfurt geht es bei der Beschlussfassung darum,
dass der Jugendhilfeausschuss dem Rat der Stadt Rheine empfiehlt, sich an einer
unabhängigen, regionalen Ombudstelle zu beteiligen und Mitglied in dem zu
gründenden Verein „Ombudschaft Jugendhilfe im Kreis Steinfurt e. V.“ zu werden.
Denn ohne einen solchen Beschluss des Rates der Stadt Rheine ist eine
Mitgliedschaft und die damit verbundene Mitwirkung am Aufbau und an einer
bedarfsgerechten Weiterentwicklung einer Ombudstelle nicht möglich.
Der vorliegende Satzungsentwurf stellt die Grundlage des zu gründenden
Vereins und die darin festgeschriebenen
Entscheidungsregelungen dar, die eine fein austarierte und damit unabhängige
Steuerung des Vereins und der vom Verein betriebenen Ombudstelle sicherstellen
soll. Mit dieser Struktur ist der Verein weder von üblichen Finanzierungen der
kommunalen Träger komplett abhängig, da diese nur einen Teil der Finanzierung
darstellen, noch von einfachen Mehrheitsstrukturen vieler kleiner Träger, da
die Gruppenregelungen der Satzung die Vereinsmitglieder zu konsensualen oder
kompromissorientierten Entscheidungen zwingen. Ein Grundkonstrukt, das in
dieser Form der Grundhaltung ombudschaftlichen Wirkens sehr nahe kommt.
Der Beschluss zu einer Mitgliedschaft beinhaltet aber noch nicht eine Verabschiedung
aller zum jetzigen Zeitpunkt entwickelten konzeptionellen Elemente der zu betreibenden
Ombudstelle. Die Verantwortung über dessen Einrichtung, Betrieb und
Berichtspflichten liegt im zukünftigen
Regelungsbereich des Vereins und dessen Mitglieder.
Zu 2.)
Die Frage, in
welcher Rechts- oder Gesellschaftsform eine Ombudstelle am sinnvollsten
betrieben werden kann, stand zu Anfang des Beratungsprozesses der Arbeitsgruppe
aus freien und öffentlichen Trägern, die von dem Leiter und einer weiteren
Fachkraft des Vereins „Fachstelle Ombudschaft
NRW e. V.“ beraten und unterstützt wurde.
Nachfolgende Optionen für Rechts- und
Gesellschaftsformen waren in dem Entwicklungsprozess erörtert worden:
a) Ein Jugendamt wird Träger
der regionalen Ombudstelle
Ziel
ombudschaftlichen Engagements ist es, eine gemeinsame und unabhängige regionale
Ombudstelle zu erarbeiten und zu führen. Diese Kriterien wären aber bei einer
Trägerschaft durch ein Jugendamt nur bedingt umzusetzen und würden insbesondere
bzgl. der Unabhängigkeit nur schwer den Klienten und der Öffentlichkeit
gegenüber darzustellen sein.
b) Eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts wird gegründet (GbR).
Diese Option wird verworfen, weil es
langfristig voraussichtlich problematisch sein würde die Gemeinnützigkeit einer
solchen GbR zu belegen. Ferner ist eine
GbR eine Personengesellschaft, d. h. die Gesellschafter haften unbegrenzt mit
ihrem Vermögen für sämtliche Verbindlichkeiten der GbR. Eine Beteiligung von
Kommunen bzw. des Kreises als Gesellschafter einer Personengesellschaft ist
wegen der Haftung nicht möglich.
Die Gründung einer GbR wird aus vorstehenden
Gründen ausgeschlossen.
c) Eine gemeinnützige
Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird gegründet (gGmbH).
Es ist als Kapitalgesellschaft eine
Haftungsbegrenzung gegeben. Kommunen können Gesellschafter einer gGmbH werden.
Als Kapitalgesellschaft ist ein Stammkapital
von 25.000 € einzubringen. Dieses wäre von den Gesellschaftern zur Verfügung zu
stellen.
Mit der
Geschäftsführung ist ein – im Vergleich zum Verein – höherer Aufwand verbunden.
Die Gründung einer
gGmbH wäre möglich. Im Hinblick auf die erforderliche Kapitalbereitstellung und
den höheren Aufwand der Geschäftsführung wird von der Rechtsform der gGmbH
abgesehen.
d) Es wird ein Verein gegründet
und eingetragen (e. V.).
Der Gründungsaufwand und der Aufwand der
laufenden Geschäftsführung werden für überschaubar beurteilt.
Träger der öffentlichen und der freien
Jugendhilfe können Mitglieder sein.
Die Gründung eines Vereins kann den
rechtlichen Rahmen für die geplante Zusammenarbeit bilden.
Die Prozessberater der Fachstelle Ombudschaft
NRW favorisierten für die Intention einer gemeinsam von öffentlichen und freien
Trägern der Jugendhilfe betriebenen Ombudstelle die Rechtsform eines Vereins.
Entscheidung der Arbeitsgruppe: Es soll ein
Verein gegründet werden.
Zu 3.)
Die Fragen der
Ausschussmitglieder nach der Neutralität und Unabhängigkeit bezogen sich auf
zwei Bereiche.
Erstens auf die
Grundsatzfrage, ob ein Verein überhaupt „unabhängig“ sein könne, wenn in dessen
Vorstand Mitglieder der freien und öffentlichen Jugendhilfe vertreten sind, und
zweitens zu der Unabhängigkeit und Neutralität der additiv genutzten Mitarbeiterinnen
der Kreisgeschäftsstelle des DPWV in Emsdetten.
Zur Klärung der
Grundsatzfrage wird auf die Satzung des Vereins verwiesen, die die
Vereinsmitglieder dazu verpflichten satzungsgemäß zu agieren und zu
entscheiden. Darüber hinaus soll das austarierte Entscheidungsprozedere zwischen
den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe eine reine
interessensgeleitete Positionierung bei Entscheidungen vermeiden und
Neutralität, Objektivität und Unabhängigkeit sicherstellen.
Weitere reale
Optionen, Alternativen und Erfahrungen, wie ein Ombudsverein bisher geführt
wird oder noch „unabhängiger“ organisiert werden könnte, sind von den Beteiligten
im und auch nach dem Entwicklungsprozess nicht eingebracht worden.
Die kritisch in der
Sitzung vorgetragene Auffassung, dass die additive Nutzung von Personal der
Kreisgeschäftsstelle des DPWV dazu führen würde, dass die Neutralität und
Unabhängigkeit des Vereins nicht gewährleistet sei, fußt offensichtlich auf einem
Missverständnis.
Die Ombudstelle wird
definitiv nicht von der Kreisgeschäftsstelle des DPWV betrieben, noch wird der
Verein den DPWV damit beauftragen. Der DPWV hat sich lediglich bereit erklärt
seinem Personal zu erlauben mit dem Verein über 5 Zusatzstunden einen weiteren
Arbeitsvertrag abzuschließen und unter einer eigens für die Ombudschaft im
Kreis Steinfurt eingerichteten Telefonnummer Anrufe und Kontaktaufnahmen
entgegen zu nehmen und diese an die ehrenamtlich für den Verein tätigen
Ombudspersonen weiter zu leiten. Darüber hinaus sammeln die Beschäftigen keine
Personen- oder fallbezogenen Daten, sondern statistische Informationen, die dem
Verein für eine Jahresauswertung zur Verfügung gestellt werden. Die Fachstelle
Ombudschaft NRW hat zu diesem Zweck angekündigt entsprechend erprobte Erfassungsbögen
für Erstkontaktgespräche bereit zu stellen.
Konkrete
Informationen über Fälle ombudschaftlicher Beratung bei einem Träger A
oder einem Jugendamt B werden der Geschäftsstelle des DPWV nicht zur Verfügung
stehen.
Auch tritt mit einer
eigenen Telefonnummer die Ombudstelle und nicht die Geschäftsstelle des DPWV
mit den Klienten in Kontakt. In der Außendarstellung wird die Geschäftsstelle
des DPWV demnach auch nicht weiter in Erscheinung treten.
Die Träger der
freien und öffentlichen Jugendhilfe waren bereits im Juli 2016 über diese Idee der
Anbindung in Kenntnis gesetzt worden. Auch auf Nachfrage waren keine
realisierbaren Alternativen dazu eingebracht worden.
Zu 4.)
Der der Vorlage
anliegenden Konzeptentwurf ist von der Arbeitsgruppe mit dem Ziel entwickelt
worden einen Orientierungsrahmen zu geben, an dem entlang der Verein und seine
Vereinsmitglieder das Konzept einer Ombudstelle im Kreis Steinfurt weiterentwickeln
soll. Dass einzelne Punkte noch konkreter gefasst und weiterentwickelt werden
können, liegt in der zukünftigen Verantwortung des zu gründenden Vereins.
Sollten „Pflicht-
oder KO-Kriterien“ seitens der Stadt Rheine mit in die Gründungsversammlung
aufgenommen werden, sollten diese im Vorfeld eindeutig formuliert werden.
Seit Januar 2017
liegt ein neuer Entwurf zur Reform des
SGB VIII im Stadium der „Frühkoordination“ (Vorphase eines
Referentenentwurfs) im Bundeskanzleramt.
Das Zeitziel für eine Realisierung ist für den 01.01.2018 angegeben. Die
weiteren Beratungen und Erörterungen werden zeigen, was am Ende konkret zum
Thema „Ombudschaft“ im Gesetz verankert werden wird.
Nach aktuellem
Entwurf wird unter dem § 9a Ombudstellen diese Thematik Eingang ins Gesetz
finden. Danach kann der Träger der
öffentlichen Jugendhilfe eine ombudschaftliche Beratungsstelle errichten, an
die sich junge Menschen und ihre Familien zur allgemeinen Beratung sowie zur
Vermittlung und Klärung von Konflikten im Zusammenhang mit Aufgaben der Kinder-
und Jugendhilfe nach § 2 und deren Wahrnehmung durch die öffentliche und freien
Jugendhilfe wenden kann.
Damit verankert der
Gesetzgeber explizit keine Verpflichtung zur Einrichtung von Ombudstellen,
sondern er ermöglich eine sogenannte programmatische
Implementierung vom Ombudstellen, wie es in der Begründung zum
Gesetzesentwurf heißt.
Weiter heißt es im
Begründungstext, dass es Zielsetzung sei, unabhängige und fachlich nicht
weisungsgebundene ombudschaftliche Beratung durch Einrichtung von ombudschaftlichen
Beratungs- und Schlichtungsstellen vor Ort zu verankern. Damit würde der
Gesetzgeber klarstellen, dass der öffentliche Träger Ombudstellen einrichten
kann. Mit Einrichten sei aber nicht konkret das eigene Betreiben einer ombudschaftlichen Beratungsstelle gemeint, sondern die
Organisations- und Finanzverantwortung. Die Form der Trägerschaft und den
konkreten Betrieb der Beratungsstellen lässt diese Vorschrift ausdrücklich
offen.
Die Stärkung von
Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen war bereits im Rahmen des
Bundeskinderschutzgesetzes ein Anliegen des Gesetzgebers und hatte bspw. zu
Aufnahmen von Regelungen zu Beschwerde- und Beteiligungsverfahren zur Erlangung
von Betriebserlaubnissen für stationäre Erziehungshilfeeinrichtungen geführt.
Da diese zwischenzeitlich eingeführten trägerinternen Verfahren trotz guter Methodik
und entsprechend guter Absicht die Kriterien von „Unabhängigkeit“ und
„Neutralität“ nicht sicher gewährleisten können, stellt gerade eine
ombudschaftliche Struktur eine notwenige Ergänzung und Stärkung der
Beteiligungs- und Beschwerderechte von Kindern und Jugendliche dar.
Anfang Februar hat
ein Vorbereitungstreffen der freien Träger der Jugendhilfe im Kreis Steinfurt
stattgefunden, die sich an einer gemeinsamen Ombudstelle beteiligen werden und
zu diesem Zweck in den nächsten Wochen auf der Basis des bestehenden
Satzungsentwurfs eine Vereinsgründung anstreben. In diesem Treffen wurden
bereits Vertretungspersonen der freien Träger benannt, die nach dem Satzungsentwurf
die Vorstandspositionen der 2. Vorsitzenden und der Schriftführerin bekleiden sollen.
Ferner ist auch bereits eine Person für die Kassenprüfung, sowie zwei ehemalige
pädagogische Fachkräfte für die Tätigkeiten als ehrenamtliche Ombudspersonen
benannt.
Um das bisherige seit mehr als einem Jahre
laufende Engagement der vielen Träger der freien und kommunalen Jugendhilfe
ernst zu nehmen und zu wertschätzen, sollte vor dem Hintergrund der
voraussichtlich kommenden gesetzlichen Legitimierung von ombudschaftlichen
Strukturen und dem bislang konzipierten inhaltlichen Rahmen die Chance genutzt
werden, sich an dem Aufbau, Betrieb und der Weiterentwicklung einer
Ombudstelle zu beteiligen. Dazu ist eine
Beschlussfassung des Rates der Stadt Rheine zur Mitgliedschaft in dem zu
gründenden Verein erforderlich.