Betreff
Sachstand zur Prävention bei Starkregenereignissen
Vorlage
279/17
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der BauA nimmt den Sachstandsbericht zur Prävention bei Starkregener-eignissen zur Kenntnis.

 

 

Sachstand:

 

Beim Starkregenereignis vor gut einem Jahr sind innerhalb einer Stunde ca. 80 Liter pro m² in Rheine, d. h. ca. 1 Zehntel der Jahresmenge niedergegangen.

 

Laut Definition handelt es sich ab einer Menge von 5 Liter innerhalb von 5 Minuten bzw. ab 20 Liter in einer Stunde um Starkregen. Der Deutsche Wetterdienst warnt in 2 Stufen vor Starkregen, wenn voraussichtlich folgende Schwellenwerte überschritten werden:

 

Regenmengen > = 10 Liter/1 Std. oder > = 20 Liter/6 Std. (Markante Wetterwarnung)

 

Regenmengen > = 25 Liter/1 Std. oder > = 35 Liter/6 Std. (Unwetterwarnung).

 

Seit 2010 gab es in Rheine drei Starkregenereignisse

26.08.2010     ca.   145 Liter/Tag (!)

20.06.2013     ca.   30   Liter/Stunde

23.06.2016     ca.   80   Liter/Stunde (!)

 

Sowohl der Regen am 26.08.2010 als auch der Regen am 23.06.2016 lagen mehr als 4 x höher als die Grenze eines Starkregens. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage nach der Wirksamkeit der öffentlichen Kanalisation und weiteren technischen Lösungen gestellt. Geschädigte bemängeln insbesondere die Dimensionierung des Kanalnetzes.

 

Die öffentliche Abwasseranlage kann jedoch nicht für derart große Regenmengen ausgelegt werden. Das Kanalnetz in Rheine ist mit den Regenrückhaltebecken und Pumpstationen für einen örtlichen „Bemessungsregen“ (z. B. für Wohngebiete ~ 12 Liter/Stunde) dimensioniert. Beim Starkregen, wie am 23.06.2016, waren die öffentlichen und die privaten Abwasseranlagen überfordert. Die Kanäle liefen voll, überschüssiges Oberflächenwasser konnte nicht mehr geordnet abfließen. Das Wasser überflutete angrenzende Flächen. Landwirtschaftlich genutzte Hanglagen verschärften das Problem durch eine starke Verschlammung des abfließenden Oberflächenwassers.

 

Maßnahmen im öffentlichen Kanalnetz

 

Um die hydraulische Leistungsfähigkeit des öffentlichen Kanalnetzes und die Auswirkungen von Starkregenereignissen sowie die Wirksamkeit von verschiede-nen baulichen Erweiterungslösungen einschätzen zu können, hat die TBR am 30.08.2016 einen Auftrag zur Erstellung einer Überflutungsberechnung vergeben. In dieser Überflutungsberechnung sind Überflutungssimulationen für das gesamte Stadtgebiet mit verschiedenen Regenmengen durchgeführt worden.

 

Die ersten Ergebnisse aus der Überflutungsbetrachtung zeigen 10 Hotspots in Rheine, bei denen es in Folge von hohen Regenmengen zu einer Überlastung des öffentlichen Kanalnetzes kommt. Um aus den Ergebnissen Lösungsvorschläge für bauliche Anpassungen im Kanalnetz erarbeiten zu können, werden in den nächsten Monaten weitere Planungen durchgeführt. Die Ergebnisse der sich hieraus ergebenen Variantenbetrachtung werden dem Verwaltungsrat der TBR zur Investitionsentscheidung vorgelegt.

 

Während sich die Überflutungsbetrachtung insbesondere mit Gebieten, die bereits bebaut sind befasst, erfolgt bei Neubaugebiete in Rheine seit einigen Jahren eine integrale Entwässerungsplanung. Hierbei werden Straßenzüge und Straßenhöhen so geplant, dass bei  Überstauungen das Niederschlagswasser auf der Straße gezielt möglichst schadlos abgeleitet werden kann. Beispiel dafür ist das Neubaugebiet Sandmanns Hof, welches bei Überflutung in den Dutum-Graben der B 475 entwässert.

 

Maßnahmen bei privaten Entwässerungsanlagen

 

Ein wirksamer Überflutungsschutz muss gemeinsam von allen Beteiligten so gestaltet werden, dass möglichst wenige Schäden entstehen. Dies bedeutet, dass auch Grundstückseigentümer bauliche Vorsorge treffen müssen, in dem sie sich vor Rückstau aus der öffentlichen Abwasseranlage und vor Überflutungen durch Oberflächenwasser schützen. Wenn Rückstausicherungen im Privatanschluss vorhanden sind, versagen diese häufig im Ernstfall, weil sie nicht entsprechend gewartet werden. Bei Grundstücks-/Gebäudeüberflutungen wird oft die Rückstauebene nicht eingehalten: Liegen Öffnungen im Gebäude, über die Wasser in das Gebäude eintreten kann (insbesondere Türen, Fenster und Kellerlichtschächte etc.) unter der Höhe der Straßenfläche (Rückstauebene), kann das Oberflächenwasser bei Starkregen ins Gebäude fließen. Diese Gebäudeöffnungen sollten z. B. mit einer Aufkantung von ca. 20 cm versehen werden.

 

Um die Privatleute in der Überprüfung ihrer Entwässerungsanlage zu unterstützen, stellt die TBR umfangreiche Informationen und Beratungen für die Absicherung von Grundstücken und Gebäuden bereit. Neben Informationsmaterial in Form von Flyern und auf der Homepage der TBR werden individuelle Beratungsgespräche durch die TBR für Betroffene und Interessierte angeboten. Zudem hat die TBR am 11.07.2017 auf Einladung des Stadtteilbeirates Dutum-Dorenkamp auf einer Veranstaltung mit dem Thema „Starkregen – ein Jahr danach“ über die Möglichkeiten der Prävention informiert. Dieser Einladung folgten ca. 80 interessierte Bürger. Es ist geplant, auch in anderen Stadteilbeiräten über die Möglichkeiten der privaten Vorsorge zu informieren.

 

Eine Übersicht der Anfragen im Fachbereich Entwässerung nach dem Starkregen vom 23.06.2016 zeigt folgende Tabelle (Stand: 16.08.2017):

 

 

Telefonanrufe, Beschwerden etc.:

~1.100

Beratungsgespräche telefonisch:

~340

Beratungsgespräche im Rathaus:

~250

Beratungsgespräche vor Ort:

80

Dauer je Gespräch im Rathaus im Mittel:

0,45 - 1 Stunde

Dauer je Vor-Ort-Gespräch im Mittel:

1.5 - 2 Stunden

Derzeitige anstehende Termine:

bis zu 3 pro Woche

TBR-Anschreiben mit Broschüren inkl. Selbstauskunft:

240

Antworten Betroffener mit ausgefühlter Selbstauskunft:

330

Herausgegebene Broschüren, Selbstauskunft, etc.:

~400

Abruf TBR-Starkregen-Link:

 

Zugriffe (insgesamt)

Zugriffe

(pro Monat)

Zugriffe (pro Tag)

Starkregen

 

1.300

~100

~4

Rückstau im Abwassernetz durch Starkregen

 

500

~39

~2

Überflutung durch Starkregen

 

540

~42

~2

 

 

Die Beratungsgespräche haben gezeigt, dass bei der Planung privater Bauobjekte Maßnahmen zum Schutz vor Rückstau und Überflutung nur unzureichend berücksichtigt werden. Daher ist eine Informationsveranstaltung gezielt für Architekten und Fachplaner geplant, in der die TBR über notwendigen privaten Maßnahmen zum Schutz vor Rückstau und Überflutungen informiert wird.

 

Präventionsmaßnahmen an der Hünenborg

 

Im Hinblick auf die Abschwemmungsproblematik der Ackerfläche an der Hünenborg beim Starkregenereignis am 23.06.2016 wurde vom Grundstücksmanagement der Stadt Rheine Kontakt mit den Eigentümern und dem landwirtschaftlichen Pächter der Fläche aufgenommen. Nach zahlreichen Telefonaten und persönlichen Gesprächen konnte mit dem Pächter vereinbart werden, dass er entlang der Hünenborgstraße einen ca. 20 m breiten Ackerstreifen zukünftig als Grünland bzw. als Ackerblühstreifen bewirtschaftet. Hierdurch kann der Abtrag des Oberbodens bei Starkregenereignissen reduziert werden. Der Pächter hat diese Maßnahme im Frühjahr 2017 umgesetzt. Vor Ort ist mittlerweile ein ca. 20 m breiter Ackerblühstreifen entstanden. Ohne Zustimmung des Eigentümers der Fläche kann der Landwirt diese Fläche für vier Jahre als Grünland bewirtschaften. Danach ist er auf die Zustimmung des Eigentümers angewiesen. Hintergrund ist der Umstand, dass Grünland nach vier Jahren wieder zu Ackerland umgebrochen werden muss. Andernfalls erhält die Ackerfläche den Status Dauergrünland und darf nicht mehr umgebrochen werden. Da Dauergrünland weniger Wert ist als Ackerland, würde sich der Landwirt schadensersatzpflichtig gegenüber dem Eigentümer machen. Die Gespräche mit den Eigentümern über eine dauerhafte Lösung sind noch nicht abgeschlossen bzw. sind noch im Gange. Da die Stadt selbst weder Eigentümer noch Pächter der Fläche ist, kann sie nur vermittelnd tätig werden. Eine dauerhafte Lösung kann nur vom Pächter und insbesondere vom Eigentümer selbst kommen. Die Stadt Rheine wird weiterhin den Kontakt zum Pächter und Eigentümer halten, um möglichst eine dauerhafte Lösung zu erzielen.

 

Neben der Saat eines ca. 20 m breiten Grünland- bzw. Ackerblühstreifen wurden von der TBR beidseitig der Hünenborgstr. vor der Kreuzung des Radweges zwei große Einlaufbauwerke errichtet, die bei starken Niederschlägen das Wasser in den Graben entlang des Radwegs ableiten. Zudem wird der Graben regelmäßig freigeräumt.