Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zum Sachstand
des „Modellprojektes Einwanderung gestalten – NRW“ zur Kenntnis.
Begründung:
- Beweggründe des
Landes NRW, für die Initiative des Modellprojektes „Einwanderung gestalten
– NRW“
Auszug aus dem Grußwort
des Leiters der Abteilung Integration im Ministerium für Kinder, Familie,
Flüchtling und Integration des Landes NRW, Anton Rüten anlässlich des Workshops
zum Projekt „Einwanderung gestalten NRW“ am 29. November 2017 in Siegburg:
…
„Einwanderung gestalten“ setzt an den rechtlichen,
institutionellen und methodischen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um
zu einer strategischen Steuerung von Integrations- bzw. Einwanderungsarbeit in
der Kommune gelangen zu können – Rechtskreise übergreifend, entlang einer
Orientierung an den Betroffenen, an. Und mit den Betroffenen sind nicht nur Geflüchtete
gemeint, sondern Neuzuwanderer mit ganz unterschiedlichen Rechtstiteln.
Mit den Kommunen gemeinsam sollen im Projekt
Sollbruchstellen wie auch gelingende Praxen der Zusammenarbeit
unterschiedlicher Behörden im Integrationsprozess erkannt und analysiert
werden, um Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln. Case Management im Sinne
fallbezogener Analyse, Abstimmung und Entwicklung von Handlungsplänen ist dabei
aus Sicht des Ministeriums nicht als Selbstzweck zu sehen, sondern gleichsam
als Katalysator, um möglichst präzise und konkret Schwächen und Stärken sowie
Optimierungspotenziale im System erkennen zu können…
- Zusammenfassung
der Fakten des Modellprojekt Einwanderung gestalten für Rheine
Zielgruppe: alle zugewanderten Menschen im Leistungsbezug SGB II, SGB
III, AsylbLG oder SGB XII stehen und die ab 2015 nach Rheine zugezogen sind –
kein Ausschluss
Themenfelder: Sprache,
Qualifizierung, Ausbildungs- und Arbeitsmarktzugang
Sozialraum: das gesamte Stadtgebiet
Ziel: im Rahmen des Modellprojektes Einwanderung gestalten – NRW
werden bestehende Systeme in den Blick genommen und Möglichkeiten der
Optimierung der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit der Institutionen und
Behörden ausgelotet. Durch die gemeinsame Sichtweise aller beteiligten Akteure
der oben genannten Themenfelder und unter Einbeziehung der Nutzerperspektive
sollen neue Strukturen von unten aufgebaut, Prozesse verändert und zum Teil
auch dauerhaft Strukturen und Abläufe neu installiert werden. Hierbei werden
die teilweise bereits bestehenden Netzwerke aus den acht Handlungsfeldern des
fortgeschriebenen Migrations- und Integrationskonzeptes als Grundlage bzw.
Plattform genutzt. Wünschenswerterweise soll durch diese neue Vernetzung ein
Paradigmenwechsel eingeleitet werden, so dass zukünftig die Zuwandererperspektive
verstärkt in den Blick genommen wird.
Bisher am Prozess
beteiligte Akteure: Fachbereich 8 mit - Team Begleitung und
Beratung von Zuwanderern, Ausländerbehörde, Asylbewerberleistungsgewährung und
Leistungsabteilung des jobcenters; jobcenter des Kreises Steinfurt;
Arbeitsagentur Rheine; Kommunales Integrationszentrum Kreis Steinfurt;
Sprachkursträger VHS Rheine; Fachdienst Migration und Integration des
Caritasverbandes Rheine; Wirtschaftsförderung EWG Rheine; Vertreter Ehrenamt;
Vertreter der Migrationsvereine
Anzahl der teilnehmende
Kommunen: insgesamt 12 Modellkommunen (3
kreisangehörige Städte, 7 kreisfreie Städte und 2 Kreise)
- Aktueller
Stand des Modellprojektes in Rheine
Die Gestaltung von
Einwanderung findet statt in einem Feld von vielen Akteuren aus unterschiedlichen
Rechtskreisen, angesiedelt auf verschiedenen föderalen Ebenen und ausgestattet
mit unterschiedlichen Zuständigkeiten sowie mit differierenden Vorstellungen
von Integration. Das führt dazu, dass der jeweilige Blick auf den Fall abhängig
ist von der Organisation, dem gesetzlichen Auftrag und dem professionellen
Blickwinkel. Hier besteht Bedarf nach einer bereichs- oder fachübergreifenden
Integrationsarbeit.
Die Lebenssituation der
Zuwanderer, die Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen müssen, ist häufig
hochkomplex. Dies wird anhand der Vielzahl der unterschiedlichen Bedarfslagen
der Zielgruppe sehr deutlich. Exemplarisch sind hier die Bereiche Wohnen, Sprache,
Aufenthalt, Existenzsicherung, Gesundheit, Bildung, Qualifikation,
Kinderbetreuung, berufliche sowie soziale Integration genannt. Diesen
vielschichtigen Bedarfslagen steht eine Vielfalt von Unterstützungsangebote
gegenüber. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit kommt es nicht selten vor, dass
die einzelnen Organisationen nicht die Arbeit, den Auftrag oder die Sichtweise
der anderen Organisationen kennen. Zweifellos arbeitet jede Organisation im
Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages und der internen Vorgaben. Diese, auf den
eigenen Rechtskreis bezogene Sicht- und Arbeitsweise kann bei der Vielzahl der
Unterstützungsangebote und unterschiedlichen Perspektiven dazu führen, dass der
eine Akteur ein Ergebnis erarbeitet, welches der nächste Akteur durch andere, nicht
abgestimmte Maßnahmen wieder aushebelt. So führen Unkenntnis und fehlende
Transparenz und Absprachen zu Verzögerungen und Integrationshemmnissen. Deshalb
werden im Rahmen des Modellprojektes die bestehenden Systeme in den Blick
genommen, um entsprechende Handlungsstrategien abzuleiten und die
rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit zu optimieren. Durch die gemeinsam
entwickelte Sichtweise aller beteiligten Akteure und unter Einbeziehung der
Nutzerperspektive werden neue Strukturen aufgebaut bzw. bestehende Strukturen optimiert.
- Arbeitsweise
Anhand
von „typischen“ Fallkonstellationen wird in Arbeits- und Projektgruppe
fachbereichs- und ämterübergreifend eine gemeinsam getragene Einschätzung der
Problem- und Bedarfslagen der Zielgruppe der neuzugewanderten Menschen von der
operativen Ebene erarbeitet. Es werden gemeinsam mögliche Lösungsstrategien für
eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit entwickelt, die dauerhaft durch
Kooperationen, Absprachen usw. etabliert und verstetigen werden sollen.
Die
von der operativen Ebene erarbeiteten Lösungsstrategien werden von der
regelmäßig tagenden Lenkungsgruppe
(Leitungsebene) beraten, beurteilt, entschieden und in der jeweiligen Organisationseinheit
(Rechtskreis) umgesetzt.
- Arbeitsergebnisse:
Im
Themenfeld Sprache wurde in der
Arbeitsgruppe schnell deutlich, dass der Berechtigungsschein für die Teilnahme
am Integrationskurs eine wesentliche Grundlage für den Besuch des
Integrationskurses darstellt und somit von immenser Wichtigkeit für den zeitnahen
Spracherwerb ist. Die Ausstellung des Berechtigungsscheins ist gesetzlich
geregelt, aber aufgrund der Befugnis der unterschiedlichen Rechtskreise und
auch der unterschiedlichen Ausstellungsarten (online – nicht online) kam es zu
erheblichen Komplikationen und Wartezeiten. Aufgrund der erreichten Klarheit
durch die Fallanalysen und die daraufhin erarbeiteten Optimierungsmöglichkeiten,
ist nunmehr der Weg - welcher Rechtskreis für welchen Anspruchsberechtigten den
Berechtigungsschein jeweils ausstellt – durch eine Kooperationsvereinbarung der
beteiligten Behörden transparent und eindeutig geregelt. Diese für Rheine
erarbeitete systematisierte Zusammenarbeit zweier Rechtskreise verkürzt die
Wartezeiten der Zuwanderer auf die Teilnahme an einen Integrationskurs um
mindestens 6 Wochen.
Die
Arbeit in den Arbeits- und Projektgruppe am „typischen Fall“, der Austausch
über die Perspektiven der einzelnen Rechtskreise und die Einbindung der
Nutzerperspektive machen schon jetzt deutlich, dass durch die systematisierte
und abgestimmte Zusammenarbeit und Kooperation der vielen Akteure Optimierungsmöglichkeiten
aufgedeckt und erarbeitet werden und damit die gelingende Integrationsarbeit in
Rheine einen weiteren Erfolgsfaktor erhält.
Neben
der notwendigen Vernetzung und Transparenz bei der Zusammenarbeit der Akteure
kristallisiert sich im Rahmen des Projektes heraus, dass ein systematisiertes Case Management einen weiteren
Erfolgsfaktor für eine gelingende Integrationsarbeit darstellen könnte. Die zugewanderten
Menschen sind Individuen mit je eigenen Biografien, Erfahrungen und
Kompetenzen, die auf ihnen mehr oder weniger unbekannten gesellschaftlichen
Strukturen und Prozesse stoßen. Sie müssen sich orientieren, sich in
unterschiedlichsten Lebensbereichen zurechtfinden. Dabei benötigen sie eine
Unterstützung, die der Individualität ihrer Lebenslage gerecht wird. Deshalb
ist es besonders in der Anfangszeit wichtig, dass sie zentrale Ansprechpartner
haben. Das Handlungskonzept „Case Management“ ist geeignet, um den Aufgaben der
Orientierungsstiftung und Teilhabesicherung gerecht zu werden.
Aus
diesem Grunde wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Team Begleitung
und Beratung von Zuwanderern und dem jobcenter Kreis Steinfurt vereinbart, dass
je eine Mitarbeiterin aus den zwei Rechtskreisen an einer im Rahmen des
Modellprojektes angebotenen Fortbildung zum Case Manager teilnimmt. Die Akteure
erhoffen sich durch die Kombination der zwei Rechtskreise die vielfältigen
Handlungs-, Unterstützungs- und Steuerungsbedarfe der „Arbeitsmarktintegration“
und der „sozialen Integration“ miteinander verknüpfen zu können.
- Ausblick,
nächste Schritte
Nachdem im Schwerpunktthema „Sprache“ der formale
Zugang zum Integrationskurs (Berechtigungsschein) behandelt wurde, fand ein
weiteres Arbeitstreffen auf der operativen Ebene zum Thema „Nutzerverhalten“ statt. In diesem Workshop wurden die individuelle
Situation und der persönliche Blickwinkel des Zuwanderers beleuchtet, der
geprägt ist vom eigenen und vom kulturellen Hintergrund.
Die entwickelten Arbeitsergebnisse berücksichtigen
die Einbeziehung der Wünsche und Bedarfe des Zuwanderers, die strukturierte
Vernetzung beteiligter Akteure und verbindliche Vereinbarungen zwischen
Zuwanderer und Behörde.
In den nächsten Arbeitsschritten werden darauf
aufbauend notwendige Maßnahmen, evtl. zu schaffende Rahmenbedingungen und
Dienstleistungsketten der zu beteiligenden Akteure erarbeitet.
Einen weiteren Handlungsschwerpunkt im Modellprojekt
bilden die Themen Arbeitsmarkt- und
Ausbildungsintegration sowie Qualifizierung. Zu diesem Themenkomplex hat
ein erstes Arbeitsgruppentreffen mit Akteuren aus den Arbeitsfeldern SGB II,
SGB III, AsylbLG, Ausländerbehörde, Beratungsstellen, Kommunales
Integrationszentrum und Ehrenamt im Januar 2018 stattgefunden. Es wurden Wege
und Reaktionsmuster in verschiedenen Fallverläufen untersucht, um zukünftig
neue bzw. optimierte Handlungskonzepte auf den Weg zu bringen. Vorrangig wurden
nachfolgende Kernpunkte herausgearbeitet und in den Blick genommen:
Kompetenzfeststellung, Lernverhalten, Akzeptanz des dualen Systems, „keine
Arbeit ohne Sprache“, Neuerwerb von Qualifikationen und
rechtskreisübergreifender Informationsaustausch. Weiterhin wird in den nächsten
Sitzungen die herrschende Vielzahl berufsvorbereitender oder auch schulischer
Maßnahmen, sowie die Anliegen und Vorstellungen von Arbeitgebern in den Fokus genommen.
Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt wird das Thema „Freiwillige Sprachangebote“ für Zuwanderer
ohne Zugang zum Integrationskurs oder Zuwanderer, die sich in einer
Überbrückungsphase befinden, bilden. Hierzu findet am 20. Februar der nächste
Workshop mit den entsprechenden Akteuren statt.