Beschlussvorschlag/Empfehlung:
1. Der Rat der Stadt Rheine stellt
fest, dass das am 03.08.2018 eingereichte Bürgerbegehren „Nahverkehrskonzept:
Bürgerwohl vor Wirtschaftswohl“ zulässig ist.
2. Der Rat der Stadt Rheine entspricht
dem Bürgerbegehren „Nahverkehrskonzept: Bürgerwohl vor Wirtschaftswohl“ nicht.
Der Ratsbeschluss vom 08.05.2018 wird nicht
aufgehoben/geändert.
3. Der Rat der Stadt Rheine nimmt zur
Kenntnis, dass ein Bürgerentscheid stattfindet und legt folgenden
Abstimmungszeitraum für den Bürgerentscheid fest: 26.11.2018 bis 08.12.2018.
Begründung:
Anlass des Bürgerbegehrens:
Der Rat der
Stadt Rheine hat am 08.05.2018 in öffentlicher Sitzung das Nahverkehrskonzept
der Stadt Rheine 2018 beschlossen. Gegen diesen Beschluss richtet sich das
Bürgerbegehren.
Den
Vertretern des Bürgerbegehrens wird gemäß § 26 Abs. 6 S. 5 GO NRW Gelegenheit
gegeben, den Antrag in der Ratssitzung zu erläutern.
Rechtsgrundlage:
Gemäß § 26
Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) können
Bürger beantragen (Bürgerbegehren), dass sie an Stelle des Rates über eine
Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden (Bürgerentscheid).
A) Zulässigkeit des
Bürgerbegehrens
Der Rat
stellt gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW unverzüglich fest, ob das Bürgerbegehren
zulässig ist. Die Prüfung der Unterschriften des Bürgerbegehrens durch die
Verwaltung wurde am 23.08.2018 abgeschlossen, so dass der Rat über die
Zulässigkeit in der Ratssitzung am 25.09.2018 beschließen kann.
Die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ergeben sich aus §
26 Abs. 1 bis 5 GO NRW.
Die
Ratsentscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist eine förmliche
Feststellungsentscheidung ohne Ermessensspielraum. Gegen eine ablehnende
Entscheidung des Rates können (nur) die Vertreter des Bürgerbegehrens nach § 26
Abs. 2 Satz 2 GO NRW einen Rechtsbehelf einlegen (§ 26 Abs. 6 Satz 2 GO NRW),
d.h. unmittelbar Klage erheben.
Nach Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen
kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass das eingereichte Bürgerbegehren „Nahverkehrskonzept: Bürgerwohl vor
Wirtschaftswohl“ zulässig ist. Hierzu im
Einzelnen:
1) Angelegenheit der
Gemeinde
Das Bürgerbegehren ist auf die
Entscheidung über eine „Angelegenheit der Gemeinde“ beschränkt (§ 26 Abs. 1
Satz 1 GO NRW).
Das Nahverkehrskonzept der Stadt Rheine
entfaltet für sich genommen keine Wirkung, sondern erst nachdem es ein Teil des
Nahverkehrsplanes des Kreises Steinfurt geworden ist. Insoweit könnte es
zweifelhaft erscheinen, ob es sich bei der im Bürgerbegehren „Nahverkehrskonzept: Bürgerwohl vor Wirtschaftswohl“ angestrebten Ausweitung der Fahrzeiten und Taktung um eine
Angelegenheit der Gemeinde hält.
Bei der Beschlussfassung über den
Nahverkehrsplan des Kreises sind eine Vielzahl öffentlicher und privater Belange
zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Mit der von den Initiatoren des
Bürgerbegehrens beabsichtigten Taktausweitung bzw. -verdichtung wird eine
Fragestellung aufgegriffen, die eigentlich nur im Gesamtkontext der
überörtlichen Nahverkehrsplanung entschieden werden kann, was eher gegen die
Annahme einer gemeindlichen Angelegenheit spricht.
Soweit sich das Bürgerbegehren aber auf
das Nahverkehrskonzept der Stadt Rheine bezieht, steht die innerstädtische
Willensbildung im Vordergrund, welche Fahrzeiten und Takte sich die Stadt
Rheine wünscht und welche sich daraus ergebenden Maßnahmen in die weitere
Beratung der Nahverkehrsplanung des Kreise eingebracht werden sollen. In der
Begründung des Bürgerbegehrens wird auf den Ratsbeschluss vom 08.05.2018 Bezug
genommen. Hierdurch wird deutlich, dass die Initiatoren des Bürgerbegehrens
eine Anpassung des Nahverkehrskonzeptes erreichen wollen (unabhängig davon,
dass dadurch keine Garantie für die Ausweitung des tatsächlichen Nahverkehres
besteht, da dieser der Beschlussfassung des Kreistages vorbehalten ist).
Dass sich ein Bürgerbegehren mit Fragen
befasst, die im Vorfeld der überörtlichen Nahverkehrsplanung auf städtischer
Ebene zu klären sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die von den Initiatoren begehrte
Willensbildung auf städtischer Ebene kann sachlich von der Nahverkehrsplanung
des Kreises gelöst werden, so dass das Bürgerbegehren unter diesem
Gesichtspunkt zulässig ist.
2) Formerfordernisse
aus § 26 Abs. 2 GO NRW
Das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht werden und die
zur Entscheidung zu bringende Frage
sowie eine Begründung enthalten.
Es muss bis zu drei Bürger benennen, die
berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten (Vertretungsberechtigte).
Bürger, die beabsichtigen, ein Bürgerbegehren
durchzuführen, teilen dies der Verwaltung schriftlich mit (Anmeldung).
Die Kostenschätzung
der Verwaltung ist bei der Sammlung der Unterschriften anzugeben.
a) Schriftform
Das Bürgerbegehren ist dem 1.
Beigeordneten (allgemeiner Vertreter) Herrn Krümpel am 03.08.2018 persönlich in
schriftlicher Form übergeben worden.
b) Fragestellung
Die durch das Bürgerbegehren zur
Entscheidung gebrachte Frage lautet:
„Soll
im Nahverkehrskonzept der Stadt Rheine eine Ausweitung der Fahrzeiten an
Wochentagen von morgens um 5.30 Uhr bis abends um 21.15 Uhr im Halbstundentakt,
und an Sonntagen stündlich ab morgens um 10 Uhr bis abends um 19.15 Uhr
verbindlich festgeschrieben werden?“
Die Fragestellung war auf allen Unterschriftenlisten
abgedruckt. Sie war hinreichend klar, eindeutig formuliert und mit „JA“ oder
„NEIN“ zu beantworten.
c) Begründung
Sämtliche Unterschriftenlisten enthielten eine ausreichende
Begründung.
„Am
Dienstag, den 8. Mai 2018 wurde im Rat der Stadt Rheine ein neues
Nahverkehrskonzept beschlossen, in dem festgeschrieben wurde, welche Leistungen
ein möglicher privater Betreiber ab Ende 2019 verpflichtend zu erbringen hat.
Die Leistungen, die verpflichtend erbracht werden sollen, bilden nicht einmal
den bisherigen Stand des Personennahverkehrs in Rheine ab, um mögliche private
Bewerber nicht abzuschrecken.
Im
Nahverkehrskonzept 2018 sind Leistungen aufgeführt, die ein zukünftiger
eigenwirtschaftlicher Betreiber zusätzlich erbringen kann, aber eben nicht
erbringen muss. Jede nicht festgeschriebene Innovation, jeden nicht
festgeschriebenen mehr gefahrenen Kilometer, selbst den mittlerweile bei
Pendlern beliebten Morgensprinter müssten wir uns zusätzlich teuer erkaufen.
Wir
wünschen uns für Rheine einen modernen, am Bedarf der Bürger orientierten
Personennahverkehr. Der öffentliche Personennahverkehr ist Teil der
Daseinsvorsorge des Staates und sollte weder Sparzwängen noch Gewinnabsichten
von privaten Betreibern Vorschub leisten.“
d) Vertretungsberechtigte
Vertretungsberechtigte des Bürgerbegehrens sind:
Herr Heinz-Jürgen Wisselmann, Frau Claudia Kuhnert und Herr
Gregor Kiewitt.
Die Namen und Anschriften der Vertretungsberechtigten waren
auf sämtlichen Unterschriftenlisten abgedruckt.
e) Anmeldung
Die Vertretungsberechtigten haben das Bürgerbegehren am
14.05.2018 gegenüber dem Bürgermeister angemeldet.
f) Kostenschätzung
Sämtliche Unterschriftenlisten enthielten die
Kostenschätzung der Verwaltung.
„Kostenschätzung
der Verwaltung: Die Ausweitung der Fahrzeiten wird zu Mehrkosten in Hohe von
5,7 Millionen Euro innerhalb von 10 Jahren führen. Folglich kann nicht davon
ausgegangen werden, dass der Genehmigungswettbewerb für einen
eigenwirtschaftlichen Verkehr zum Erfolg führt. Kein privater Betreiber dürfte
angesichts der wirtschaftlichen Deckungslücke von mehr als 5 Mio. € bereit
sein, das verbindlich festgeschriebene Nahverkehrskonzept eigenwirtschaftlich
zu fahren.“
Die in § 26 Abs. 2 GO NRW geforderten
Formerfordernisse wurden eingehalten, so dass auch unter diesen Gesichtspunkten
das Bürgerbegehren zulässig ist.
3) Frist gemäß § 26
Abs. 3 GO NRW
Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen
einen Beschluss des Rates, der nicht der Bekanntmachung bedarf, muss es innerhalb von drei Monaten nach dem
Sitzungstag eingereicht sein.
Bei dem Bürgerbegehren „Nahverkehrskonzept:
Bürgerwohl vor Wirtschaftswohl“ handelt es sich um ein sog. kassierendes
Bürgerbegehren, das in seiner Begründung ausdrücklich auf den Ratsbeschluss vom
08.05.2018 Bezug nimmt. Dieser Beschluss bedurfte nicht der Bekanntmachung
i.S.v. § 26 Abs. 3 Satz 1 GO NRW, so dass die Frist zur Einreichung des
Bürgerbegehrens damit drei Monate nach dem Sitzungstag beträgt (§ 26 Abs. 3
Satz 2 GO NRW). Fristverlauf: 09.05.2018 – 08.08.2018. Die Frist wurde nicht
überschritten, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt das Bürgerbegehren
zulässig ist.
4) Anzahl gültiger
Unterschriften (§ 26 Abs. 4 GO NRW)
Das Bürgerbegehren muss von mindestens 6 % der Bürger unterzeichnet sein (§ 26
Abs. 4 Satz 1 GO NRW). Bürger ist, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist
(§ 21 Abs. 2 GO NRW). Wahlberechtigt
ist, wer am Wahltag Deutscher im Sinne von Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes
ist oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen
Gemeinschaft besitzt, das 16. Lebensjahr vollendet hat und mindestens seit dem
16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen
seine Hauptwohnung hat (§ 7 Kommunalwahlgesetz).
Es wurden 61.767 Wahlberechtigte
ermittelt. Auf der Grundlage dieser Zahl beträgt das erforderliche 6 %-Quorum zum Zeitpunkt der
Einreichung 3.706 Bürgerinnen und
Bürger.
Im Übrigen gilt § 25 Abs. 4 GO NRW
entsprechend mit der Folge, dass jede Liste mit Unterzeichnungen den vollen
Wortlaut des Antrages erhalten muss. Darüber hinaus ist festgelegt, dass
Eintragungen, welche die Person des Unterzeichners nach Namen, Vornamen,
Geburtsdatum und Anschrift nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ungültig sind §
26 Abs. 4 Satz 3 GO NRW i. V. m. (§ 25 Abs. 4 Satz 1 GO NRW). Diese Angaben
werden von der Gemeinde geprüft (§ 26 Abs. 4 Satz 2 GO NRW).
Die Überprüfung der eingereichten
Unterschriftenlisten durch die Verwaltung führte zu folgendem Ergebnis:
Zahl der
Unterzeichnenden............ 4.631
Davon ungültige
Unterschriften........ 922
Gültige Unterschriften........... 3.709
Folgende Gründe
führten zur Ungültigkeit:
Anderer Wohnort............................... 275
Staatsangehörigkeit.......................... 330
Nicht
identifizierbar........................... 128
Mehrfachunterschriften.................... 102
Keine Unterschrift............................... 47
Wahlalter < 16...................................... 36
Sonstige................................................. 4
Aufgrund des sehr knappen Ergebnisses
wurden sämtlich nicht sofort eindeutig als gültig zu bewertende Unterschriften
mehrfach und von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung geprüft.
Besonderes Augenmerk fiel hierbei auf
Eintragungen mit unvollständigen
Angaben und widersprüchlichen bzw.
falschen Angaben.
Im Abgleich mit dem Melderegister waren
folgende Eintragungen ggü. den restlichen Angaben widersprüchlich bzw. falsch
(insgesamt 139):
Straße.................................................. 87
Geburtsdatum...................................... 51
Straße und
Geburtsdatum..................... 1
Gesetzliche oder andere Regelungen zur
Frage, ob diese Stimmen bei einem Bürgerbegehren als gültig zu werten sind,
gibt es nicht.
Zur Beurteilung entsprechender
Eintragungen können zwei Gerichtsentscheidungen aus dem Jahr 2013 herangezogen
werden.
Das Oberverwaltungsgericht
NRW hat in einem Beschluss vom 01.08.2013 (15 B 584/13) u.a. folgende
Feststellung zur Berücksichtigung von Unterschriften getroffen:
·
„Ferner durfte und
darf die Antragsgegnerin fehlende
Angaben aufweisende Eintragungen nicht allein wegen des Fehlens der Angaben als
ungültig behandeln. Dies steht nicht mit § 25 Abs. 4 Satz 2 GO NRW in Einklang.
Danach sind nur solche Eintragungen ungültig, welche die Person des
Unterzeichners nach Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Anschrift nicht
zweifelsfrei erkennen lassen. Maßgeblich für die Gültigkeit einer Eintragung
ist damit die zweifelsfreie Erkennbarkeit des Unterzeichners. Die Unterschrift
soll einer bestimmten Person zugeordnet werden können, die im Sinne von § 26
Abs. 4 GO NRW befugt ist, ein Bürgerbegehren zu unterzeichnen.“
·
„Einen
zweifelsfreien Nachweis, dass die Person des (tatsächlichen) Unterzeichners
dieselbe ist, die in der Unterschriftszeile benannt wird, verlangt das Gesetz
nicht.“
·
„In dem
Verfahrensstadium „Bürgerbegehren“ geht es noch nicht um die die
Ratsentscheidung (möglicherweise) ersetzende Sachentscheidung der Bürger
(„Bürgerentscheid“) selbst, sondern „lediglich“ um die Phase der Ermöglichung
einer solchen Sachentscheidung, in der eine bloße Zuordnungsprüfung im o. g.
Sinne als ausreichend erscheint. Erst bei einem Bürgerentscheid bedarf es dann
mit Blick auf seine (rechtliche) Bedeutung der sicheren Feststellung, dass
Abstimmender und Abstimmungsberechtigter ein und dieselbe Person sind.“
·
„Eine so
verstandene zweifelsfreie Erkennbarkeit im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 GO NRW
hängt aber nicht zwingend von der Vollständigkeit der in vorzitierter Norm
genannten Angaben ab. […] U. U. kann sogar die Angabe nur des Namens ausreichen.“
Das Verwaltungsgericht
Minden hat in einem Beschluss vom 17.06.2013 (2 L 350/13) hierzu u.a.
folgende Aussagen getroffen:
·
„Nach der Regelung
des § 26 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 25 Abs. 4 Satz 2 GO NRW gilt dabei, dass
Eintragungen, welche die Person des Unterzeichners nach Namen, Vornamen,
Geburtsdatum und Anschrift nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ungültig sind.“
·
„Erst die Vollständigkeit der Angaben nach § 25
Abs. 4 Satz 2 GO NRW ermöglicht es den Gemeinden, ihre Aufgabe der Überprüfung
in einem dem Bürgerbegehren angemessenen, möglichst kurzen Zeitraum zu
erfüllen.“
·
„[…] die in § 25
Abs. 4 GO NRW aufgezählten Angaben, die überhaupt erst einen sicheren Schluss
darauf zulassen, dass es sich bei dem jeweiligen Unterzeichner um einen
wahlberechtigten Bürger im oben dargelegten Sinne handelt, zu den wenigen
zwingenden Formerfordernissen einer wirksamen Unterzeichnung eines
Bürgerbegehrens gehören. Erst durch diese wenigen Angaben ermöglicht der
Unterzeichner die in § 26 Abs. 4 Satz 2 GO NRW vorgesehene Überprüfung der
Richtigkeit durch die Gemeinde durch Abgleich mit dem Melderegister. Demgemäß
spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der zweifelsfreien
Erkennbarkeit nicht der Gemeinde die Pflicht auferlegen wollte, den
Unterzeichner durch weitere Ermittlungen zweifelsfrei zu identifizieren.“
·
„Der jeweilige
Unterzeichner verdeutlicht erst durch seine Unterschrift und die geforderten
Angaben die Ernsthaftigkeit seiner Unterstützung für das Bürgerbegehren.
Insofern kommt der Verteilung der Verantwortungsbereiche zwischen den
Beteiligten besonderes Gewicht zu. Für die Initiatoren eines Bürgerbegehrens
ist es leicht, im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung auf eine vollständige
Eintragung auch der Angaben nach § 25 Abs. 4 Satz 2 GO NRW durch die
Unterzeichner hinzuwirken. Für den einzelnen Unterzeichner stellt dies
ebenfalls keinen großen Aufwand dar.“
Das VG Minden hat dementsprechend die
Rechtsauffassung vertreten, alle Eintragungen mit fehlenden Angaben wie auch mit widersprüchlichen
bzw. falschen Angaben könnten als ungültig erklärt werden.
Dies widerspricht - zumindest bezogen auf
die Eintragungen mit fehlenden Angaben - dem rd. 6 Wochen später gefassten
Beschluss des OVG Münster.
Zwar bezieht sich die Entscheidung des OVG
Münster ausdrücklich nur auf „fehlende Angaben“, die aus den o.g. Gründen nicht
zur Ungültigkeit der Stimme führen sollen (so ähnlich auch eine Entscheidung
des OVG Greifswald, Beschluss vom 24.07.1996 -1 M 43/46). Nach Rechtsauffassung
der Verwaltung kann aber nichts anderes gelten, wenn einzelne Angaben „nur“
fehlerhaft sind, wenn die Erkennbarkeit des Unterzeichners sonst zweifelsfrei
gegeben ist oder ggf. durch Abgleich mit dem Melderegister sichergestellt
werden kann.
Wenn aus der Entscheidung des OVG Münster
die Pflicht für die Kommunen gefordert wird, auf der Grundlage des
Melderegisters zu prüfen, ob das Fehlen
einer Angabe die Identifizierbarkeit des Unterzeichners ausschließt (so z.B.
Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen;
https://www.mhkbg.nrw/kommunales/Buergerbeteiligung/Unterschriften-und-Listen/index.php), muss das nach
Auffassung der Verwaltung auch gelten, wenn die Angaben „nur“ fehlerhaft bzw.
widersprüchlich sind.
Da von den kommunalen Spitzenverbänden und
der Kommunalaufsicht eher eine „wohlwollende Prüfung“ befürwortet wird, kommt
die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass die Gruppe der Stimmen mit „fehlerhaften“
Angaben im Ergebnis als gültig zu werten sind, weil durch den Abgleich mit dem
Melderegister der Unterzeichner identifiziert werden konnte.
Auch unter Beachtung dieses
Gesichtspunktes ist das Bürgerbegehren zulässig.
5) Kein
Ausschließungsgrund (§ 26 Abs. 5 GO NRW)
In den in § 26 Abs. 5 GO NRW genannten
Fällen ist ein Bürgerbegehren unzulässig.
Nach § 26 Abs. 5 Nr. 4 GO NRW könnte hier
einschlägig sein:
Ein
Bürgerbegehren ist unzulässig über Angelegenheit, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens
oder eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung […]
zu entscheiden sind.
Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Durch
§ 26 Abs. 5 Nr. 4 GO NRW werden solche Verfahren einem Bürgerbegehren entzogen,
bei denen der Gesetzgeber eine formalisierte Bürgerbeteiligung vorgesehen und
eine weitergehende Bürgerbeteiligung nicht für erforderlich gehalten hat. Daran
fehlt es bei einem Nahverkehrskonzept, hierbei handelt es sich weder um ein
(fach-) gesetzlich normiertes Verwaltungsverfahren mit
Öffentlichkeitsbeteiligung noch um ein Planfeststellungsverfahren.
Zu dieser Angelegenheit wurde innerhalb
der letzten 2 Jahre kein Bürgerbegehren in Rheine durchgeführt, so dass auch
kein Ausschlussgrund gemäß § 26 Abs. 5 S. 2 GO NRW vorliegt.
Das angemeldete Bürgerbegehren ist somit
nicht ausgeschlossen und damit auch unter Beachtung dieses Gesichtspunktes
zulässig.
B) Folgen eines
zulässigen Bürgerbegehrens
Mit der
Feststellung der Zulässigkeit tritt gem. § 26 Abs. 6 Satz 6 GO NRW die Sperrwirkung des Bürgerbegehrens ein:
Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, darf bis zur
Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren
entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit
dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei
denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu
bestanden.
Hat der Rat
die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, muss der Rat das
Bürgerbegehren in der Sache beraten. Dabei hat der Rat zwei Möglichkeiten:
1) Der Rat entspricht
dem Bürgerbegehren
Entspricht der Rat dem Bürgerbegehren, so
unterbleibt der Bürgerentscheid (§ 26 Abs. 6 S. 4 GO NRW) und damit die
Beschlussfassung zu Ziffern 2 und 3 des Beschlussvorschlages.
Sofern der Rat der Stadt Rheine dem
Bürgerbegehren nicht in vollem Umfang entspricht, besteht für die
Vertretungsberechtigten die Möglichkeit hiergegen zu klagen.
Sollte der Rat der Stadt Rheine dem
Bürgerbegehren entsprechen wollen, so wären die Ziffern 2 und 3 des
Beschlussvorschlages zu streichen und folgende alternative Ziffer 2 zu
beschließen:
Der Rat der Stadt Rheine
ändert seinen Beschluss vom 08.05.2018 dahingehend ab, dass im
Nahverkehrskonzept eine Ausweitung der Fahrzeiten an Wochentagen von morgens um
5.30 Uhr bis abends um 21.15 Uhr im Halbstundentakt, und an Sonntagen stündlich
ab morgens um 10 Uhr bis abends um 19.15 Uhr verbindlich festgeschrieben wird.
2) Der Rat entspricht
dem Bürgerbegehren nicht
Entspricht der Rat dem zulässigen
Bürgerbegehren nicht, so ist innerhalb
von drei Monaten ein Bürgerentscheid
durchzuführen (§ 26 Abs. 6 Satz 3 GO NRW).
Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines
Ratsbeschlusses (§ 26 Abs. 8 S. 1 GO NRW).
Der Bürgerentscheid ist im Sinne der Frage
entschieden, wenn sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen mit „Ja“
beantwortet wurde, sofern diese
Mehrheit mindestens 15 Prozent der Bürger beträgt (§ 26 Abs. 7 GO NRW).
Das bedeutet, dass voraussichtlich ca.
9.270 Bürger dem Begehren zustimmen müssten und diese Anzahl größer ist, als
die abgegebenen gültigen Nein-Stimmen. (Genaue Zahlen ab der Erstellung des
Abstimmungsverzeichnisses – vermutlich am 08.10.2018)
Für den Fall, dass ein Bürgerentscheid
durchzuführen ist, schlägt die Verwaltung aus organisatorischen Gründen vor, den Abstimmungszeitraum wie folgt
festzulegen:
26.11.2018 bis 08.12.2018
Die weitere zeitliche Abfolge würde sich
dann wie folgt darstellen:
|
25.09.18 |
Ratsbeschluss zur Zulässigkeit und zum weiteren Vorgehen |
|
22.10.18 |
Erstellung des Abstimmungsverzeichnisses |
vom bis |
29.10.18 05.11.18 |
Zustellung der Abstimmbenachrichtigungen mit Informationsheft |
vom bis |
06.11.18 10.11.18 |
Möglichkeit zur Einsichtnahme in das Abstimmungsverzeichnis |
ca. ab |
29.10.18 |
Möglichkeit zur Briefabstimmung im Rathaus |
vom bis |
26.11.18 08.12.18 |
Abstimmungszeitraum; Öffnungszeiten Abstimmungslokal Mo. – Sa. von 8 – 18 Uhr; vermutlich beide Donnerstage bis 20 Uhr |
|
08.12.18 |
Ab 18 Uhr: Auszählen der abgegebenen Stimmen |
|
18.12.18 |
Feststellung des Ergebnisses durch den Rat der Stadt Rheine
(Sondersitzung) |
Die Erstellung und der Versandt der
Abstimmbenachrichtigungen samt Abstimmungsheft verursacht voraussichtlich
Mehraufwendungen in Höhe von ca. 50.000 €.