Betreff
Zur Situation des Borkenkäferbefalls in städtischen Wäldern
Vorlage
184/19
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Ausschuss nimmt die Ausführungen zum Befall des Borkenkäfers in den Wäldern der Stadt Rheine zur Kenntnis.


Begründung:

 

Die Fraktion im Rat der Stadt Rheine ‚Bündnis 90 Die Grünen‘ hat den als Anlage 2 beigefügten Antrag bei der Stadt Rheine eingereicht. Im Folgenden werden die darin enthaltenen Fragestellungen zur Situation des Borkenkäferbefalls beantwortet, soweit Daten hierzu erhältlich waren.

 

Der Sommer 2018 führte in den Fichtenbeständen in NRW zu den größten Borkenkäferschäden seit 1947. Ausgelöst wurde die „Großkalamität“ durch Orkan „Friederike“ und die danach anhaltende Trockenheit, die dem Schädling optimale Lebensbedingungen und Massenvermehrungen ermöglicht haben. 

 

Experten und Waldbesitzer fürchten, dass die Trockenheit und das Ausbreiten des Schädlings auch zu einem Absterben von Laubbäumen wie Buche und Eiche führen könnte.

 

Insbesondere die beiden Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher stellen den Waldbesitzer vor große Herausforderungen.

 

Wie kommt es zum Borkenkäferbefall?

Die Käfer reagieren auf Duftsignale geschädigter Bäume. Ein Pionierkäfer bohrt sich in die Rinde und sendet danach Pheromone zur Anlockung weiterer Artgenossen aus. Zur Eiablage bohren die Käfer Gänge in die Rinde, worin die Weibchen ihre Eier legen. Nach Larvenfraß und Verpuppung schlüpfen die Jungtiere. Dieser Zyklus kann zwischen 7-10 Wochen dauern, was in der Regel 2-3 Generationen pro Jahr ermöglicht. In NRW sind im Extremjahr 2018 bis zu 4 Generationen beobachtet worden. Geschätzt folgen aus der Brut eines Weibchens im Laufe der Vegetationsperiode zwischen 100.000 und 250.000 Nachkommen. Eine Hochrechnung in NRW aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass aus der Borkenkäferpopulation eines einzigen Baumes eine potenzielle Nachkommenschaft von 1,5 Mrd. Käfer im Folgejahr entstehen kann.

 

Warum sterben Bäume bei starkem Borkenkäferbefall ab?

Larven und Jungkäfer fressen sich zwischen Borke und Splintholz durch den sogenannten Bast und durchtrennen die Leitungsbahnen, die die Baumwurzeln mit lebenswichtiger, in den Nadeln gebildeter Nahrung versorgen. Bei starkem Befall wird auch der Wassertransport in die Kronen so stark gestört, dass der Baum abstirbt.

 

Finanzielle Folgen:

Die Preise für Fichtenstammholz liegen (trotz robuster Nachfrage aus dem Bausektor) aktuell derzeit rund 40 Prozent unter dem Niveau von Anfang 2018. Viele heimische Sägewerke nehmen gar kein Holz mehr an. Der Landesbetrieb Wald und Holz empfiehlt den Waldbesitzern nun ausdrücklich, „Frischholzeinschlag im Nadelholz“ zu unterlassen. Vorrang habe der Einschlag in geschädigte Fichtenbestände.

 

Obwohl Borkenkäfer große wirtschaftliche Schäden anrichten können, gehören sie in jedes Waldökosystem und spielen bei der Rückführung von geschwächten und toten Bäumen in den Nährstoffkreislauf eine wichtige Rolle.

 

Borkenkäferbekämpfung – was ist wirksam, sinnvoll, erlaubt?

In den 1980-ziger Jahren hofften die Forstleute noch, dass man explosionsartige Borkenkäfermassenvermehrungen durch den Einsatz der damals weit verbreiteten schwarzen Borkenkäferfallen Herr werden könnte. Diese Fallen wurden im Inneren mit Pheromonen (Sexuallockstoffe) bestückt. Die angelockten Käfer wurden in einem Trichter aufgefangen und gezielt abgeschöpft. Über die Jahre hat sich jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass diese in unseren Wäldern weit verbreitete Fangmethode nicht geeignet ist, um Massenvermehrungen zu verhindern. Oft entstanden an den Fallenstandorten sogar neue Befallschwerpunkte.

Trotz vieler Versuchsansätze, neue Bekämpfungsstrategien zu entwickeln, sind die Maßnahmen einer „sauberen Waldwirtschaft“ am effektivsten[i]:

 

1. Idealfall: Unmittelbare Abfuhr nach Einschlag von Stammholz und Industrieholz zum Käufer.

2. Keine unmittelbare Abfuhr möglich: Lagerung entrindeter Fichten im Wald bzw. in Rinde außerhalb des Waldes. 

3. Häckseln sowie Abdecken von Industrieholz mit schwarzer Folie. 

4. Sind diese Maßnahmen nicht durchführbar, kommt eine Polterlagerung (Lagerung von entrindetem Holz)  inkl. Pflanzenschutzmitteln in Frage.

 

 

Städtische Waldflächen

 

Schadensumfang

Die Flächengröße der städtischen Wälder beträgt 357 ha. Aktuell beträgt der Anteil der Fichtenbestände 4,79 ha (1,3 % der städtischen Waldfläche). Auf Grundlage der Forsteinrichtung (Waldinventur) des Landesbetriebes Wald und Holz von 2015 sind aktuell die in Anlage 1 dargestellten Flächen mit Fichte bestockt.

 

In 2018 ist ein massiver Borkenkäferbefall im städtischen Waldbestand nicht aufgetreten. Daten aufgrund einer konkreten Schadensermittlung liegen nicht vor.

 

Vorbeugung und Bekämpfung

Die größeren Bestände werden in diesem Frühjahr vom zuständigen Produktbereich Grundstücksmanagement regelmäßig überprüft. Nach dem Sturmereignis Frederieke ist zur Befallsminimierung das Sturmholz entfernt worden. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Förster werden die Fichtenbestände im Revier weiter beobachtet und je nach örtlicher Lage und Befallsituation unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet. Der Einsatz von Insektiziden ist seitens der Stadt Rheine und dem Landesbetrieb ausgeschlossen. In den kleineren Beständen, insbesondere in den Naturschutzgebieten Waldhügel und Bentlage, werden die befallenen Fichten als stehendes Totholz im Wald verbleiben. Die Stadt Rheine hat jedoch die Verkehrssicherungspflicht und Schutzverpflichtung der angrenzenden Waldnachbarn zu prüfen und bei Bedarf Maßnahmen zu ergreifen.

 

Die Stadt Rheine wird weiter gemäß dem Leitprojekt 23 des IEHK (Qualifizierung von Waldflächen) die Entwicklung und Sicherung eines vielfältigen, mehrstufigen und standortgerechten Mischwaldes umsetzen. So werden seit ca. 15 Jahren reine Nadelwaldbestände kontinuierlich in Laubwald umgewandelt. Dieser hat gegenüber der Monokultur eine geringere Anfälligkeit gegen Schädlinge. Der Fichtenanteil im Stadtwald konnte seit 1980 von 15 ha auf 4,79 ha reduziert werden.

 

Die weitere Entwicklung des Klimawandels und die Folgen für den Wald sind nicht vorhersehbar. Die im Leitprojekt 23 festgelegten Ziele fördern die Widerstandsfähigkeit des Waldes gegenüber Störungen wie Borkenkäfer und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimatischen Veränderungen. Trotz aller Unsicherheit bestehen gute Aussichten, mit den festgelegten Entwicklungszielen die zukünftigen Risiken zu mindern.

 

Finanzieller Schaden

Ein finanzieller Schaden kann nicht beziffert werden, da der aktuelle Befall nicht bekannt ist.

Bei einem prozentualen Fichtenanteil von 1,3 %  ist nicht von einem gravierenden finanziellen Schaden für die Stadt Rheine auszugehen.

 

Sonstige Waldflächen

 

Stadtgebiet  Rheine: Nach den statistischen Angaben der Landesdatenbank mit Stand vom 31.12.2015 beträgt die Waldfläche 2015 im Stadtgebiet von Rheine 2.767 ha. Über den Anteil der Fichtenbestände liegen keine Angaben vor.

 

Forstbetriebsgemeinschaft Rheine-Hörstel : Den Fichtenanteil der Waldflächen der Forstbetriebsgemeinschaft Rheine-Hörstel wird durch den Landesbetrieb Wald und Holz mit 2,5 % eingeschätzt.  (Bei der Forstbetriebsgemeinschaft handelt es sich um einen forstwirtschaftlichen privatrechtlichen Zusammenschluss von Waldbesitzern. Die Stadt Rheine ist Mitglied der Forstbetriebsgemeinschaft Rheine-Hörstel und profitiert von den ökonomischen Vorteilen dieser Organisationsform.)  Hierzu schreibt der Landesbetrieb Wald und Holz.nrw (01.04.2019):

„Bei diesem geringen Anteil ist nur von einem geringen Schadausmaß auszugehen. Die befallenen Bereiche sind im letzten Jahr fast vollständig bearbeitet worden und noch mit einem kleinen Gewinn für die Waldbesitzer abgeschlossen worden. Kleinere, neue Befallsnester werden vermutlich noch in diesem Jahr nachgearbeitet. Diese Maßnahmen werden aber maximal noch plus minus Null ausgehen. Die Kiefer kommt als genügsame Baumart mit der Situation sehr gut zurecht. Schäden durch Borkenkäfer und Schmetterlingsraupen sind nahezu nicht feststellbar. Bei der Eiche und Buche hängt es wesentlich vom Wetter des diesjährigen Jahres ab. Mögliche Schäden zeichnen sich dann eventuell ab Sommer/Herbst 2019 ab.“

 

Nordrhein-Westfalen: verzeichnet für das Jahr 2018 einen Kalamitätsholzanfall (Sturm- und Käferholz) über alle Waldbesitz- und Holzarten in Höhe von 4,5 Mio. Festmeter. Zum Vergleich: Der gesamte Jahreseinschlag 2017 in NRW betrug 3,017 Mio. Festmeter. Davon entfielen 2,0 Mio. fm Einschlag auf die Fichte, die mit 30 Prozent Anteil die dominante Baumart in NRW ist.

 

Vorhandene Statistiken dokumentieren allenfalls den Holzanfall aufgrund von Kalamitäten nicht aber das Ausmaß des Befalls. Grundsätzlich liegen weder auf kommunaler, noch auf Landes- oder Bundesebene verlässliche Zahlen über das tatsächliche Schadensausmaß in unseren Wäldern durch Trockenheit, Insektenbefall und anderer Ursachen vor. Der Gemeinsame Forstausschuss der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände „Deutscher Kommunalwald“ hat deshalb an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft appelliert (BMEL), nunmehr zeitnah ein bundesweites Monitoringsystem zur Schadensermittlung über alle Waldbesitzarten einzurichten.

 

 

Fazit: Die Borkenkäfersituation mag landes- und deutschlandweit ein sehr großes Problem darstellen. Aufgrund des geringen Anteils reiner Fichtenbestände im Stadtgebiet von Rheine sind gravierende Schäden durch den Befall von Borkenkäfer nicht zu erwarten. Die Stadt Rheine wird zusammen mit dem Landesbetrieb Wald und Holz. NRW  die Situation beobachten. 



 


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Quellen:

 

Mitteilung des Produktbereiches 4.1 Grundstücksmanagement vom 09.04.2019

 

Schreiben des Landesbetriebes Wald und Holz.NRW an die Stadt Rheine vom 01.04.2019 und 11.04.2019

 

Pressemitteilung anlässlich der Bundestagung des Gemeinsamen Forstausschusses der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände „Deutscher Kommunalwald“ in Schmallenberg am 01.04.2019